Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 01.12.2021, Az.: 14 U 83/21

Verzögerungen wegen Abwartens der Reparaturfreigabe des gegnerischen Haftpflichtversicherers

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.12.2021
Aktenzeichen
14 U 83/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 48918
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2021:1201.14U83.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 29.04.2021 - AZ: 74 O 47/21

Fundstellen

  • NJW-RR 2022, 464-467
  • NJW-Spezial 2022, 11
  • VRR 2022, 13-14
  • Verkehrsjurist 2022, 35
  • zfs 2022, 152-154

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Einem Kfz-Haftpflichtversicherer steht kein genereller Anspruch auf eigene Fahrzeugbesichtigung des Unfallgeschädigten zu. Ein solcher ergibt sich nicht aus § 119 Abs. 3 VVG. Etwas anderes kann sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles aus dem zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 VVG zustande gekommenen gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben. Dem Geschädigten sind in Grenzen Pflichten zur Rücksichtnahme auf den Haftpflichtversicherer bei der Schadenfeststellung auferlegt, aus denen sich ausnahmsweise ein Recht des Haftpflichtversicherers auf eigene Fahrzeugnachbesichtigung ergeben kann (Anschluss an BGH, Urt. v. 11.10.1983 - VI ZR 251/81).

  2. 2.

    Steht dem beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer weder generell noch ausnahmsweise im konkreten Fall ein Anspruch gegen den Geschädigten auf Fahrzeugnachbesichtigung zu und hat er zudem nicht einmal eine eigene Besichtigung begehrt, kann ihm nicht umgekehrt eine Obliegenheit zur Erteilung einer vom Geschädigten begehrten Reparaturfreigabe mit der Folge auferlegt werden, dass ihm bis zur Erteilung einer solchen Reparaturfreigabe ein verzögerter Zeitraum bis zum tatsächlichen Reparaturauftrag angelastet wird. Vielmehr hat der Geschädigte etwaige Schäden, die ihm in einem solchen Fall durch Verzögerungen wegen Abwartens der Reparaturfreigabe des gegnerischen Haftpflichtversicherers entstanden sind, selbst zu tragen.

  3. 3.

    Etwas anders kann nur dann gelten, wenn der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten seinen Wunsch auf Nachbesichtigung kundtut, dem Geschädigten das Einräumen der Nachbesichtigung tatsächlich (noch) möglich und zumutbar ist und er dem Versicherer diese Möglichkeit - ob nun kraft gesetzlichen Schuldverhältnisses verpflichtet oder freiwillig - auch einräumt. Denn erst dann erwächst ein Vertrauenstatbestand für den Geschädigten dahingehend, dass er keine Nachteile dadurch erleiden soll, dass er dem Versicherer die Nachbesichtigung ermöglicht und aus diesem Grund auf dessen Reparaturfreigabe wartet.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.04.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 74. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 74 O 47/21 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts Hannover und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.121,87 € festgesetzt.

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Der Klägerin steht kein weiterer Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Vorhaltekosten gegen den Beklagten aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 6 Abs. 1 AuslPflVersG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu.

Die Voraussetzungen der genannten haftungsbegründenden Normen liegen vor. Die vollständige Eintrittspflicht des Beklagten dem Grunde nach für das zweite hinter dem klägerischen Fahrzeuggespann fahrende tschechische Sprinterfahrzeug mit dem Kennzeichen ..., welches durch Unaufmerksamkeit des Fahrers auf das vor ihm fahrende Gespann der Firma L. AG auffuhr und dieses auf das klägerische Gespann aufschob, steht zwischen Parteien außer Streit. Streit besteht lediglich noch über den Umfang der Erstattungsfähigkeit der der Klägerin durch den Ausfall ihres Fahrzeuggespanns entstandenen Vorhaltekosten.

Über die vorprozessual geleisteten und erstinstanzlich der Klägerin zugesprochenen Vorhaltekosten hinaus besteht kein weiterer Anspruch der Klägerin. Diese sind nicht nach §§ 249, 251 Abs. 1 BGB erstattungsfähig.

1. Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen ist der Schaden regelmäßig entweder durch Bestimmung der auf den schädigungsbedingten Entzug der Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs zurückzuführenden Minderung des Gewerbeertrages oder über die mit der Ersatzbeschaffung verbundenen Mietkosten zu berechnen. Außerdem können alternativ sog. Vorhaltekosten erstattungsfähig sein (vgl. BGH, Urt. v. 06.12.2018 - VII ZR 285/17 - juris-Rn 12). Dabei handelt es sich um Kosten, die einem Betrieb dafür entstehen, dass er von vornherein für den Fall eines Fahrzeugausfalls dadurch Vorsorge trifft, dass er eine Reservehaltung vornimmt (Buschbell/Höke-Hamann/Kuhn, Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht, 5. Aufl. 2020, Teil D - § 24 Rn 174). Verfügt der Geschädigte - wie hier - über ein Reservefahrzeug und kann er den wirtschaftlichen Verlust durch Rückgriff auf diese Betriebsreserve auffangen, kann er in der Regel die Vorhaltekosten des Reservefahrzeugs als Schadensersatz ersetzt verlangen (vgl. BGH a. a. O, Rn 15 m. w. N.; Senat, Urt. v. 10.02.2021 - 14 U 12/20 - juris-Rn 32).Erforderlich ist dabei, dass die tatsächlich erfolgte Reservehaltung mit Rücksicht auf fremdverschuldete Ausfälle messbar erhöht ist. Vorhaltekosten sind daher nur insoweit erstattungsfähig, als ihr prozentualer Anteil auf fremdverschuldete Unfälle betroffen ist (vgl. Senat, a. a. O.). Hinsichtlich der erstattungsfähigen Dauer, die hier allein im Streit steht, ergeben sich keine Unterschiede im Vergleich zur Nutzungsausfallentschädigung bzw. zur Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten.

2. Der Anspruch auf Nutzungsausfall bzw. Vorhaltekosten besteht für die erforderliche Ausfallzeit eines Fahrzeugs. Diese setzt sich aus der notwendigen Reparatur- oder Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadenfeststellung und ggf. einer angemessenen Überlegungszeit zusammen. Die Dauer umfasst insbesondere regelmäßig die für die vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderliche Zeit. Maßgeblich bei diesem Zeitraum ist nicht der von einem Sachverständigen geschätzte (fiktive), sondern der durch die Reparatur oder bis zur Ersatzbeschaffung tatsächlich verstrichene Zeitraum, wobei der Unfalltag grundsätzlich mitzählt (vgl. zum Ganzen z. B. Geigel-Katzenstein, Der Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kapitel 3 Rn 193 m. w. N.; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke-Jahnke, StVR-Kommentar, 26. Aufl. 2020, § 249 BGB Rn 195 m. w. N.). Ausgehend hiervon ist ein erstattungsfähiger Zeitraum, der über jenen von dem Landgericht zugesprochenen Zeitraum hinausgeht, klägerseits nicht schlüssig dargetan.

a) Der Geschädigte muss die Reparatur bzw. Ersatzbeschaffung zügig in die Wege leiten. Er hat unter Beachtung der ihm zustehenden Zeit für die Schadenfeststellung sowie ggf. einer angemessenen Überlegungsfrist den schnellstmöglichen Beginn der tatsächlichen Fahrzeugreparatur/Wiederbeschaffung zu veranlassen (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 27.2.2007 - 4 U 470/06; Jahnke, a. a. O., Rn 198 m. w. N.). Tut er dies nicht, gehen derartige unfallunabhängige Verzögerungen zu seinen Lasten, weil eine unbegründet verzögerte Erteilung des Reparaturauftrages einen Verstoß gegen die Schadensgeringhaltungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB begründet. So liegt es im vorliegenden Fall, denn nach Erhalt der Schadengutachten sowohl zum Zugfahrzeug als auch zum Auflieger, jeweils vom 1.11.2019, hätte die Klägerin schnellstmöglich den Reparaturauftrag erteilen müssen und auch können. Die Gutachten weisen jeweils eindeutige Reparaturfälle aus, sodass der Klägerin im vorliegenden Fall - mangels anderweitigen Vortrages dazu - auch keine Überlegungszeit für die Frage der Reparatur oder Ersatzanschaffung einzuräumen war. Soweit die Klägerin sich zur Begründung ihrer verzögerten Reparaturauftragserteilung auf das Abwarten einer Reparaturfreigabe seitens der vorprozessual im Inland tätigen Regulierungsbeauftragten (H.C.) beruft, vermag sie damit nicht durchzudringen. Da einem Kfz-Haftpflichtversicherer grundsätzlich kein Anspruch auf eigene Fahrzeugbesichtigung zusteht, kann ihm gegenüber nicht umgekehrt eine Obliegenheit zur Erteilung einer Reparaturfreigabe auferlegt werden mit der Folge, dass etwaige Verzögerungen bis zur Reparaturfreigabe zu seinen Lasten gehen, solange sich nicht aus den Umständen des Einzelfalles etwas anderes ergibt, was hier indes nicht der Fall ist. Im Einzelnen:

aa) Es gibt grundsätzlich keinen Anspruch eines Kfz-Haftpflichtversicherers auf eine eigene (Nach-)Besichtigung des unfallbeschädigten Fahrzeugs des Anspruchsgegners, sodass der Reparaturauftrag unabhängig von einer etwaigen Freigabe des Kfz-Haftpflichtversicherers zu erteilen ist, wenn nicht die Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise etwas Anderes gebieten. Die Mitwirkungspflichten des Geschädigten gegenüber dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer ergeben sich aus § 119 Abs. 3 VVG. Nach dieser Vorschrift kann der Versicherer von dem Dritten Auskunft verlangen, soweit sie zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Belege kann der Versicherer insoweit verlangen, als deren Beschaffung dem Dritten billigerweise zugemutet werden kann. Inhaltlich geht die Mitwirkungspflicht des Dritten demnach dahin, dass der Versicherer alle sachdienlichen Angaben erhalten soll, die ihm eine sachgerechte Entscheidung über seine Eintrittspflicht dem Grunde und der Höhe nach ermöglichen (vgl. Langheid/Rixecker-Langheid, VVG-Kommentar, 6. Aufl. 2019 § 119 Rn 7). Ein Anspruch auf eine eigene Fahrzeugbesichtigung geht hieraus indes nicht hervor (vgl. z. B. LG Lübeck - Beschl. v. 19.04.2013 - 16 O 19/12). Ein genereller Anspruch auf Nachbesichtigung des unfallbeschädigten Fahrzeugs steht dem Versicherer nicht zu.

bb) Etwas anderes kann sich ausnahmsweise aus dem zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherer nach § 115 Abs. 1 VVG zustande gekommenen gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben. Dem Geschädigten sind in Grenzen Pflichten zur Rücksichtnahme auf den Haftpflichtversicherer bei der Schadenfeststellung auferlegt, deren Verletzung über prozessuale Nachteile für die Durchsetzung der eigenen Schadensersatzansprüche hinaus sogar unter besonderen Umständen zum Ersatz von Schäden des Versicherers verpflichten kann. Aufgrund derartiger Rücksichtnahmeobliegenheiten kann sich ausnahmsweise im Einzelfall auch ein Anspruch des Haftpflichtversicherers auf Nachbesichtigung des beschädigten Fahrzeugs ergeben, sodass eine grundlose Verweigerung durch den Geschädigten eine Nebenpflichtverletzung aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis darstellen kann. Kann beispielsweise ein Haftpflichtversicherer begründete Zweifel an der Richtigkeit des vom Geschädigten vorgelegten Privatgutachtens vorbringen, verstößt der Geschädigte gegen die ihm obliegende Rücksichtnahmepflicht, wenn er dem vom Haftpflichtversicherer beauftragten Sachverständigen ohne einen berechtigten Grund die Besichtigung des Fahrzeugs verwehrt (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1983 - VI ZR 251/81 - juris-Rn 16; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.05.2018 - 4 W 9/18 - juris-Rn 14). So liegt der vorliegende Fall aber keineswegs. Der Beklagte respektive die Regulierungsbeauftragte haben weder begründete Zweifel noch überhaupt etwaige Einwendungen gegen die Richtigkeit der von der Klägerin eingeholten zwei Gutachten erhoben. Ohne solche objektiv berechtigten Zweifel kann es auch keine Pflicht der Klägerin gegeben haben, der Regulierungsbeauftragten die eigene Fahrzeugbesichtigung, die sie nicht einmal verlangt hat, zu ermöglichen, sodass es im Umkehrschluss dazu auch keinerlei Bedürfnis für eine etwaige Reparaturfreigabe der Regulierungsbeauftragten geben konnte. Denn nur rein theoretische Einwendungen, die ein Unfallgeschädigter befürchtet, führen nicht zur Pflicht, vor einem etwaigen Reparaturauftrag eine Reparaturfreigabe des Versicherers einzuholen. Ein Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht wegen grundlos verweigerter Fahrzeugbesichtigung durch den Versicherer ist freilich auch erst dann anzunehmen, wenn dies dem Unfallgeschädigten subjektiv vorzuwerfen ist. Dafür ist Voraussetzung, dass der Geschädigte Kenntnis von dem Begehren des Versicherers auf Nachbesichtigung hat. Hat der Geschädigte aber bereits die Reparatur durchgeführt oder sein Fahrzeug veräußert, bevor der Haftpflichtversicherer sein Begehren auf eigene Fahrzeugbesichtigung dem Geschädigten kundtut, ist diesem das Einräumen der tatsächlichen Fahrzeugnachbesichtigung unmöglich, sodass in diesem Fall ein Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht ausgeschlossen ist. Solange also der Haftpflichtversicherer nicht mit begründeten Zweifeln am geltend gemachten Schaden dem Geschädigten den eigenen Wunsch auf Nachbesichtigung bekannt macht, hat es grundsätzlich dabei zu bleiben, dass der Geschädigte den schnellstmöglichen Beginn der Reparatur zu veranlassen hat. In aller Regel wird ein Begehren auf eigene Nachbesichtigung nur in jenen Fällen geäußert, in denen gewisse Anhaltspunkte für betrügerische Anspruchserhebungen gegeben sind, beispielsweise einer Unfallmanipulation oder auch der Mitabrechnung von unfallfremden Schäden. Im vorliegenden Fall gab es jedoch von vornherein - sowohl mit Blick auf die eigentliche Unfallkonstellation als auch im Übrigen - nicht den geringsten Ansatzpunkt, die den Verdacht einer betrügerischen Anspruchserhebung hätten begründen können. Zudem hat die Regulierungsbeauftragte gegenüber der Klägerin ohnehin nie den Wunsch auf eigene Besichtigung geäußert.

cc) Zusammenfassend bestand mithin kein Anspruch des Beklagten bzw. der Regulierungsbeauftragten auf eigene Fahrzeugnachbesichtigung. Wenn jedoch dem Versicherer weder ein genereller Anspruch auf Fahrzeugnachbesichtigung zusteht, noch im konkreten Fall ein solcher Anspruch zustand, noch überhaupt eine eigene Besichtigung begehrt wurde, kann dem Beklagten bzw. der Regulierungsbeauftragten nicht umgekehrt eine Reparaturfreigabe mit der Folge abverlangt werden, dass ihm ein verzögerter Zeitraum bis zum tatsächlichen klägerischen Reparaturauftrag angelastet wird. Etwas anders kann nur dann gelten, wenn - wie ausgeführt - der Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten seinen Wunsch auf Nachbesichtigung kundtut, dem Geschädigten das Einräumen der Nachbesichtigung tatsächlich (noch) möglich und zumutbar ist und er dem Versicherer diese Möglichkeit - ob nun kraft gesetzlichem Schuldverhältnis verpflichtet oder freiwillig - auch einräumt. Denn erst dann erwächst ein Vertrauenstatbestand für den Geschädigten dahingehend, dass er keine Nachteile dadurch erleiden soll, dass er dem Versicherer die Nachbesichtigung ermöglicht und aus diesem Grund auf dessen Reparaturfreigabe wartet. So liegt der vorliegende Fall indes nicht, wie ausgeführt.

dd) Auch, soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf Schwierigkeiten bei der Ermittlung des eintrittspflichtigen Versicherers verweist, zumal der H. als Haftpflichtversicherer des dritten (mittleren) unfallbeteiligten Lkw-Gespanns sich zunächst nicht klar zu seiner Haftung geäußert bzw. diese später auch abgelehnt habe, führt dies nicht zu einer anderen Betrachtung. Wie der H. sich gegenüber der Klägerin verhalten hat, spielt im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten keinerlei Rolle. Zudem entbindet eine mögliche Schwierigkeit bei der Ermittlung des eintrittspflichtigen Versicherers den Geschädigten grundsätzlich nicht davon, zur Schadensgeringhaltung den Reparaturauftrag zeitig in die Wege zu leiten. Umstände, die zu einer anderen Bewertung führen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

b) Soweit die Klägerin das landgerichtliche Urteil auch mit Blick auf die von ihr behauptete reparaturbedingte Verzögerung aufgrund von Schwierigkeiten bei der Ersatzteilbeschaffung angreift, erweist sich das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis als richtig. Zwar führt die Berufung in rechtlicher Hinsicht zutreffend aus, dass werkstattbedingte Verzögerungen (sog. Werkstattrisiko), etwa wegen zeitraubender Ersatzteilbeschaffung, zu Lasten des Schädigers gehen (vgl. BGH NJW 1982, 1018). Jedoch bedarf es dazu, wenn der Geschädigte diesen Zeitraum seinem begehrten Anspruch zugrunde legt, erst einmal eines konkreten Tatsachenvortrages zu diesen (vermeintlich) werkstattbedingten Verzögerungen. Dieser fehlt.

aa) Werkstattbedingte Verzögerungen wegen der Ersatzteilbeschaffung betreffen die Frage der objektiv erforderlichen Reparaturdauer i. S. d. § 249 BGB und tangieren nicht die Frage der Schadensminderungspflicht, sodass der jeweilige Anspruchssteller die aufgrund der werkstattbedingten Verzögerung erforderliche Reparaturdauer erst einmal schlüssig darzulegen (vgl. BGH, Urt. v. 22.02.2011 - VI ZR 353/09 - juris-Rn 13) und gegebenenfalls zu beweisen hat. Diesem Erfordernis ist die Klägerin nicht nachgekommen. Sie hat lediglich pauschal vorgebracht, dass die Reparatur ca. vier Wochen bis zum 27.12.2019 wegen Verzögerungen bei der Ersatzteilbeschaffung gedauert habe. Dies hat die Beklagte zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Spätestens auf dieses Bestreiten hin hätte die Klägerin ihren diesbezüglichen Vortrag zur werkstattbedingten Verzögerung und der damit im Zusammenhang stehenden Frage der erforderlichen Reparaturdauer weiter konkretisieren müssen. Die gemäß § 138 Abs. 2 ZPO bestehende Erklärungslast einer Partei ist im Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige (andere) Partei vorgetragen hat. Wurden zwar alle zur Begründung des behaupteten Rechts erforderlichen Tatsachen vorgetragen, aber nicht näher konkretisiert, so braucht der Gegner ebenfalls keine konkreten Einzelheiten vorzutragen, sondern kann sich auf einfaches Bestreiten beschränken. Erfolgt ein solches einfaches Bestreiten, ist es Sache der darlegungspflichtigen Partei, ihren Vortrag nun näher zu konkretisieren. Erfolgt demgegenüber kein (einfaches) Bestreiten, ist eine nähere Substantiierung nicht notwendig (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2014 - 21 U 90/13 - juris-Rn 64; Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 138 Rn 8/8a m. w. N.). Aufgrund des im vorliegenden Fall erfolgten Bestreitens des Beklagten wäre es demnach Sache der Klägerin gewesen, ihren diesbezüglichen Vortrag näher zu substantiieren. Dies hat sie nicht getan, sodass dem Landgericht aufgrund dessen keine näheren Feststellungen in diesem Punkt möglich waren. Die Klägerin hat weder vorgetragen, wann sie die Schadengutachten zu ihrem beschädigten Gefahrguttransportgespann (Zugfahrzeug und Anhänger) erhalten und wann sie überhaupt den Reparaturauftrag erteilt hat, wann die betreffenden Ersatzteile bestellt worden sein sollen, wann sie eingetroffen sind und wann mit den tatsächlichen Reparaturarbeiten begonnen worden ist. Üblicherweise wird Derartiges unter Vorlage eines Reparaturablaufplanes, der gegebenenfalls unter Beweis durch Zeugnis eines Werkstattmitarbeiters gestellt wird, näher substantiiert. Das ist hier unterblieben. Für das Landgericht war es daher mangels näheren Vortrages nicht möglich, im Rahmen der Schadenschätzung nach § 287 ZPO diese klägerseits behauptete Verzögerung während der Reparatur in tatsächlicher Hinsicht überhaupt zu fassen. Es bleibt unklar, welcher Zeitraum tatsächlich von der verzögerten Ersatzteilbeschaffung betroffen gewesen sein soll. Ebenso bleibt offen - da der genaue Zeitpunkt des Reparaturauftrages nicht dargetan ist - welcher Zeitraum insoweit von der Reparatur erfasst sein soll und welcher gegebenenfalls noch auf einer verzögerten Inauftraggabe der Reparatur beruht. Es bleibt zudem unklar, was "ca. vier Wochen" heißen soll. Ca. vier Wochen können z. B. drei Wochen und vier Tage sein aber auch vier Wochen und zwei Tage.

bb) Soweit das Landgericht die Klägerin auf diesen Punkt des mangelnden Tatsachenvortrages ggf. nach § 139 Abs. 1 ZPO hätte hinweisen müssen, hat die Klägerin einen solchen etwaigen Verfahrensfehler im Berufungsrechtszug weder gerügt noch den fehlenden Tatsachenvortrag nachgeholt, obgleich ihr dies möglich war. Schließlich hat das Landgericht seine Entscheidung u. a. gerade auf den aufgezeigten Mangel an Substantiierung gestützt, sodass sich dieser Gesichtspunkt im Einzelnen klar aus dem Urteil ergab (vgl. dazu LGU 4 unten 5 oben). Eine solche Rüge verbunden mit dem entsprechenden Tatsachenvortrag hätte die Klägerin jedoch vornehmen müssen (§ 520 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO), denn nur dann hätte die Bindungswirkung nach § 529 Abs. 1 S. 1 ZPO ggf. entfallen und weiterer Vortrag Berücksichtigung finden können (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 28.05.2003 - XII ZB 165/02 - juris-Rn 8 m. w. N.;Zöller-Heßler, a. a. O., § 520 Rn 34 m. w. N.).

c) Nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen unter a) und b) weist die vom Einzelrichter angenommene und seiner Schätzung zugrunde gelegte erstattungsfähige Ausfalldauer keine Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin auf, da - wie aufgezeigt - die tatsächlich erforderliche Reparaturdauer einschließlich der behaupteten Verzögerung wegen der Ersatzteilbeschaffung nicht schlüssig dargelegt ist. Das Landgericht hat daher die fiktive Reparaturdauer entsprechend dem Schadensgutachten für den Auflieger (längere fiktive Reparaturdauer gegenüber dem Zugfahrzeug) zugrunde gelegt, obwohl Vorhaltekosten ebenso wie die Nutzungsausfallentschädigung nur für die tatsächliche Ausfalldauer ersatzfähig sind, nicht aber fiktiv (vgl. dazu Senat, Urt. v. 10.11.2021 - 14 U 136/20 - juris-Rn 45 m. w. N.). Es kann insoweit aber dahinstehen, ob vorliegend lediglich die tatsächliche Ausfallzeit, soweit sie schlüssig vorgebracht war, durch das Landgericht als erstattungsfähig hätte angenommen werden dürfen und demgegenüber eben nicht die Schadensfeststellungszeit zuzüglich der längeren fiktiven Ausfallzeit gemäß Gutachten, weil insoweit jedenfalls kein Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin vorliegen würde.

Davon ausgehend hat das Landgericht Vorhaltekosten für den Zeitraum vom 23.10.2019 (Unfalltag) bis einschließlich zum 25.11.2019 (= 27 Werktage) für erstattungsfähig erachtet, obgleich der Klägerin für Montag, den 28.10.2019 nach ihrem eigenen Vorbringen (vgl. Übersicht Anlage K 7 - Anlagenband Klägerin) keine Vorhaltekosten entstanden sind, sodass das Landgericht bereits zum Nachteil des Beklagten einen Tag zu viel angesetzt hat. Bei den vom Landgericht angenommenen 27 Werktagen ergibt sich folgende Berechnung, wobei die Höhe der täglichen Vorhaltekosten außer Streit steht:

Tägliche Vorhaltekosten = 231,81 € (121,16 € Zugfahrzeug sowie 110,65 € Auflieger täglich) x 27 Werktage = 6.258,87 €.

6.258,87 € abzgl. vorgerichtlicher Zahlung auf die Vorhaltekosten in Höhe von insgesamt 1.670,26 € (1.549,10 € für Sattelauflieger + 121,16 € für Zugfahrzeug) = 4.588,61 €. Damit hat das Landgericht der Klägerin schon aufgrund eines Rechenfehlers zu viel, nämlich 4.715,26 € zugesprochen.

In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob mit dem Landgericht sowohl Zugfahrzeug als auch Auflieger mit der Folge als Einheit zu betrachten sind, dass die Vorhaltekosten für Zugfahrzeug und Auflieger einheitlich für die längere Ausfallzeit des Aufliegers als erstattungsfähig zu betrachten sind oder, da die Reparatur für das Zugfahrzeug nur einen Tag gedauert hat, bei der erstattungsfähigen Ausfallzeit zwischen Zugfahrzeug und Auflieger zu differenzieren wäre. Denn jedenfalls wäre die Klägerin hierdurch nicht beschwert, sondern allenfalls der Beklagte, der indes keine Berufung eingelegt hat.

3. Da kein weiterer Anspruch in der Hauptsache besteht, besteht auch kein Anspruch auf weitergehende Nebenforderungen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

III.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.

IV.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3, 4, ZPO, 47 Abs. 1 GKG