Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.12.2021, Az.: 11 U 68/21

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.12.2021
Aktenzeichen
11 U 68/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 72734
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 09.04.2021 - AZ: 5 O 46/20
nachfolgend
BGH - 28.03.2023 - AZ: VI ZR 19/22

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 9. April 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 57.656,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Februar 2020 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für den Berufungsrechtszug auf 57.656,99 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz für von ihr an ihre Versicherungsnehmer gezahlte Versicherungsleistungen in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus übergegangenem Recht. Sie habe ihren Versicherungsnehmern Schäden wegen des Diebstahls ihrer Kraftfahrzeuge in Höhe von insgesamt 57.656,99 € reguliert. Zweifel an den jeweiligen Diebstählen der Fahrzeuge unter Verwendung der bei der Beklagten bestellten Ersatzschlüssel bestünden nicht. Die Klägerin habe diese durch Vorlage der Schadensanzeigen, des polizeilichen Ermittlungsberichtes und der Äußerungen der Eigentümer zu der fehlenden durch sie veranlassten Nachschlüsselbestellung sowie unter Berücksichtigung des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Bestellung des Ersatzschlüssels und der jeweiligen Tatzeit ausreichend substantiiert dargelegt. Das Bestreiten der Beklagten sei deshalb mangels Substanz nicht ausreichend. Die jeweiligen Diebstähle seien der Beklagten zurechenbar, weil diese die Ersatzschlüssel auf Bestellung der in L. ansässigen Firma U.-A. (im Folgenden: U.) lediglich unter Prüfung der Fahrzeugidentifikationsnummer und ohne Anforderung eines weiteren Berechtigungsnachweises beschafft und an die U. übersandt habe. Als Vertragshändlerin habe sie eine "Schlüsselstellung", weil sie Fahrzeugschlüssel nachbestellen und in den Verkehr bringen und damit Dritten den Zugriff auf die Fahrzeuge ermöglichen könne. Sie trage deshalb eine gesteigerte Verantwortung und Prüfpflicht und müsse die Berechtigung des Bestellers sich eindeutig belegen lassen. Die Mitteilung der Fahrzeugidentifikationsnummer sei dazu nicht ausreichend. Diese sei auch Unbefugten zugänglich, weil sie an vielen Fahrzeugen von außen an der Windschutzscheibe ablesbar sei. Der haftungsbegründende Zurechnungszusammenhang sei auch nicht ausgeschlossen, weil Dritte die Fahrzeugdiebstähle begangen hätten. Durch die Auslieferung der Ersatzschlüssel habe die Beklagte eine Gefahrenlage geschaffen, die bei den Diebstählen gerade ausgenutzt worden sei. Schließlich sei ein Schadensersatzanspruch auch nicht wegen des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens ausgeschlossen.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Begründung im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klagabweisungsantrag aus der ersten Instanz weiterverfolgt.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus, sie habe, soweit das Landgericht haftungsbegründend auf die Übersendung der von ihrem Vertragspartner bestellten Ersatzschlüssel abgestellt haben sollte, lediglich ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Das Landgericht habe auf ein Unterlassen der Beklagten abgestellt und sei irrig von der Annahme ausgegangen, dass sie eine Gefahrenquelle geschaffen habe, indem sie die Schlüsselbestellungen für ihren Vertragspartner ausgeführt habe. Die Lieferung von Ersatzteilen - wozu auch Ersatzschlüssel zählten - an Werkstattbetriebe im Ausland begründe keine besonderen Pflichten, zumal sie an einem Vertragspartner ausgeliefert worden seien, zu dem zu dem Zeitpunkt eine langjährige Vertragsbeziehung bestanden habe. Die vom Hersteller V. AG vorgesehene Nachweiskarte begründe ausschließlich Prüfpflichten, wenn der Endkunde einen Ersatzschlüssel bestelle, nicht aber bei Bestellungen von Vertragspartnern der Beklagten. Zudem hätte eine Überprüfung durch die Beklagte in diesen Fällen zu keinen Erkenntnissen geführt. Anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer könne nicht festgestellt werden, wo das betreffende Fahrzeug zugelassen sei. Die Überprüfung könne nur in dem Betrieb durchgeführt werden, der die unmittelbaren Kontakte zum Fahrzeughalter habe. Sie bestreitet zudem, dass es in L. Dokumente gibt, die der deutschen Zulassungsbescheinigung Teil II entsprechen. Das Landgericht habe Handlungsgebote aufgestellt, die von der Beklagten gar nicht erfüllt werden können. Aber auch die Übersendung eines Ausweisdokumentes durch den Handelspartner hätte der Beklagten nicht die Prüfung ermöglicht, ob der Ersatzschlüssel auch tatsächlich von dem berechtigten Halter bestellt würde. Darüber hinaus sei das konkrete Verhalten der Beklagten nicht kausal für die konkreten Diebstähle. Das Landgericht habe seine Annahme der unberechtigten Verwendung der FIN daraus gefolgert, dass diese bei vielen Fahrzeugen von außen abgelesen werden könne. Ob dieses auch bei den streitgegenständlichen Fahrzeugen der Fall sei, habe die Klägerin nicht vorgetragen. Darüber hinaus sei das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Beklagten das Verschulden ihrer Mitarbeiter gemäß § 278 BGB zuzurechnen sei.

Die Beklagte beantragt,

das am 9. April 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Hildesheim (Aktenzeichen 5 O 46/20) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und teilt die Ansicht des Landgerichts, dass die Beschaffung von Ersatzschlüsseln eine gesteigerte Verantwortung und besondere Prüfpflicht begründe. Durch das Inverkehrbringen der Ersatzschlüssel werde die Gefahr eines Diebstahls der Fahrzeuge eröffnet, weil diese den direkten Zugriff zu den Fahrzeugen ermöglichten. Ersatzschlüssel seien nicht mit sonstigen Ersatzteilen gleichzusetzen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens und des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist - von einer geringfügigen Korrektur des Tenors hinsichtlich des Zinsanspruchs abgesehen - unbegründet.

Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 6. Oktober 2021 die Sach- und Rechtslage vorläufig wie folgt beurteilt:

1. Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 57.656,99 € gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 86 VVG bejaht.

a) Wegen der in der Berufung unstreitigen Schadensregulierungen gegenüber ihren Versicherungsnehmern in Höhe von insgesamt 57.656,99 € ist gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG der Ersatzanspruch der Versicherungsnehmer gegen Dritte auf die Klägerin übergegangen.

b) Die Versicherungsnehmer der Klägerin haben gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch wegen der Diebstähle ihrer bei der Klägerin kaskoversicherten Fahrzeuge gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Das Bestreiten der Fahrzeugdiebstähle wird von der Beklagten mit der Berufung nicht aufrechterhalten. Sie selbst spricht nun von Diebstählen an den hier streitigen Fahrzeugen (Bl. 4, 8 und 9 der Berufungsbegründung vom 13. Juli 2021).

c) Die jeweiligen Fahrzeugdiebstähle sind der Beklagten vorwerfbar zuzurechnen.

Dem Landgericht ist zuzustimmen, dass nicht auf die Beschaffung und Weiterleitung der Ersatzschlüssel an die Firma U.-A. als tatbestandsmäßige Handlung abzustellen ist. Denn zu der Bestellung der Ersatzschlüssel und deren Weiterleitung war die Beklagte als V.-Vertragshändler berechtigt. Abzustellen ist auf die Bestellung und Weiterleitung der Ersatzschlüssel ohne Prüfung der Berechtigung, also auf ein Unterlassen der Mitarbeiter der Beklagten.

aa) Im Fall des Unterlassens muss (auch) gegenüber dem Geschädigten eine Pflicht zum Handeln zur Verhütung der Rechtsgutverletzung bestehen, deren Beachtung die konkrete Rechtsgutverletzung verhindert hätte. Die bloße Möglichkeit oder gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht (Palandt-Sprau, BGB, 80. Auflage, § 823 Rn. 4.)

(1) Das Landgericht sieht die auch die Versicherungsnehmer der Klägerin umfassende Handlungspflicht der Beklagten in ihrer als V.-Vertragspartnerin bestehenden Möglichkeit, Fahrzeugersatzschlüssel zu besorgen und in den Verkehr zu bringen und verbindet damit eine gesteigerte Verantwortung und damit eine besondere Prüfpflicht (LGU S. 6.). Dieser Auffassung ist zu folgen. Zwar besteht keine allgemeine Rechtspflicht, andere vor Schäden an deren Rechten und Rechtsgütern zu bewahren (BGH, Urteil vom 28. April 1953 - I ZR 47/52, BGH, Urteil vom 16. Oktober 1990 - VI ZR 65/90). Hier verfügt die Beklagte als V.-Vertragshändler über die Möglichkeit, für sämtliche Fahrzeuge dieses Herstellers Ersatzschlüssel zu besorgen und in den Verkehr zu bringen. Sie ermöglicht über diese Ersatzschlüsselbeschaffung dem Empfänger den Zugriff und die Nutzung dieser Kraftfahrzeuge. Dadurch unterscheidet sie sich von anderen, denn diese Ersatzschlüsselbeschaffungsmöglichkeit besteht nicht für "jedermann", sondern nur für die V.-Vertragspartner wie die Beklagte. Von der Beklagten wird daher auch nicht ein genereller Schutz der Allgemeinheit, sondern ein Schutz der jeweiligen Eigentümer von V.-Fahrzeugen vor Diebstahlstaten durch die von ihr in ihrer Funktion als V.-Vertragspartner beschafften Ersatzschlüssel gefordert.

Ob sich die Handlungs-, also Kontrollpflichten der Beklagten bei der Ersatzschlüsselbestellung aus einer Garantenstellung oder nach den Grundsätzen der Verkehrssicherungspflicht ergeben, kann im Ergebnis dahinstehen.

Deshalb muss hier auch nicht geklärt werden, ob sich bereits aus der vertraglichen Beziehung zu der V. AG als deren Herstellervertragswerkstatt eine Garantenpflicht der Beklagten ergibt. Grundsätzlich können Garantenpflichten auch durch Vertrag begründet werden (BGH, Urteil vom 16. Januar 1979 - VI ZR 243/76). Zumindest ergibt sich eine Handlungspflicht der Beklagten aus der Gefährlichkeit der Überlassung von Fahrzeugschlüsseln an Dritte. Dem Landgericht ist zuzustimmen, dass durch die Nachbestellung und durch das Inverkehrbringen der Fahrzeugschlüssel eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf die jeweiligen Fahrzeuge geschaffen wird, die die Gefahr des Missbrauchs durch Verschaffung der Zugriffsmöglichkeiten auf dieses Fahrzeug durch unbefugte Dritte in sich trägt. Das Landgericht spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von einer "Schlüsselstellung" der Beklagten und der damit verbundenen gesteigerten Verantwortung und besonderen Prüfpflicht, um den Missbrauch unbefugter Dritter zu Lasten der Fahrzeugeigentümer zu verhindern. Die grundsätzliche Gefahr des Missbrauchs der nachbestellten Fahrzeugschlüssel findet auch Berücksichtigung in den Empfehlungen des Herstellers V. zum Verfahren bei fehlenden bzw. defekten Fahrzeugschlüssen in Kundendienst und Handel (Anlage K14), in denen es unter 2. lautet:

"2. Ziel

Der Missbrauch mit defekten oder fehlenden Fahrzeugschlüsseln ist zu verhindern."

Es folgen weitere Empfehlungen zum Umgang mit defekten und fehlenden Fahrzeugschlüsseln. Ob diese Empfehlungen in Bezug auf die Nachweiskarte hier anzuwenden sind (dazu weiter unten), ist an diesem Punkt nicht von Belang. Die Empfehlung zeigt eindeutig auf, dass auch der Fahrzeughersteller eine grundsätzliche gesteigerte Missbrauchsmöglichkeit mit Fahrzeugersatzschlüsseln sieht, die auch für die Beklagte offenkundig ist. Ein Vergleich mit der Bestellung von anderen Ersatzteilen, wie von der Beklagten in der Berufungsbegründung (S. 6 der Berufungsbegründung, Bl. 187 d. A.) erörtert, erübrigt sich, weil sonstige Ersatzteile in dieser Pauschalisierung mit Fahrzeugersatzschlüsseln mangels eines ähnlichen Gefahrenpotentials zur missbräuchlichen Verwendung zu Lasten der Fahrzeugeigentümer nicht vergleichbar sind.

(2) Die Versicherungsnehmer der Klägerin sind von der Sorgfaltspflicht der Beklagten bei der Ersatzschlüsselbestellung umfasst, weil sie als Eigentümer der jeweiligen Fahrzeuge von der Gefährdung durch missbräuchliche Verwendung der Ersatzschlüssel unmittelbar betroffen sind. Sie sind diejenigen, deren Fahrzeuge insbesondere mittels missbräuchlich verwendeten Ersatzschlüssel entwendet werden können.

(3) Die Beklagte hat bei der Bestellung der Ersatzschlüssel die erforderliche Sorgfaltspflicht zwecks Missbrauchsvermeidung außer Acht gelassen. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 369/12, juris Rn. 14. m. w. N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2013, a.a.O., Rn. 14.). Diesen Anforderungen wurde das Verhalten der Beklagten bei der Ersatzschlüsselbestellung nicht gerecht, weil sie die Bestellung ausschließlich auf Veranlassung eines Mitarbeiters der l. Firma U.-A. ohne Prüfung der Berechtigung veranlasste und die Ersatzschlüssel der Bestellerin übersandte. Die Sensibilität der Ersatzschlüsselbestellung und die damit einhergehende sorgfältige Überprüfung der Berechtigung des Bestellers ist in den Kreisen der Beklagten als Vertragswerkstatt der V. AG bekannt und wird deshalb von V. in seinen oben genannten Empfehlungen zum Verfahren bei fehlenden bzw. defekten Fahrzeugschlüssen in Kundendienst und Handel thematisiert. Durch die unstreitige Bestellung und Übersendung der Ersatzschlüssel nur anhand der Mitteilung der Fahrzeugidentifikationsnummer durch den Mitarbeiter der U.-A. ohne bzw. mit nur teilweiser Nutzung der Nachweiskarte und ohne Beifügung eines Nachweises über die Berechtigung des jeweiligen Bestellers verstieß die Beklagte gegen diese von ihr zu erwartende Sorgfalt, wobei der maßgebliche Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten nicht die fehlende Verwendung der Nachweiskarte des Herstellers, sondern die fehlende Überprüfung der Berechtigung des Bestellers ist.

Aus den obigen Gründen kann es entgegen der Ansicht der Beklagten dahinstehen, ob bei den hier streitigen Fahrzeugen die Fahrzeugidentifikationsnummer von außen abgelesen werden kann und auf welche Weise der Mitarbeiter der U.-A. Kenntnis von der FIN erlangte. Maßgeblich ist, dass die Möglichkeit besteht, als Nichtberechtigter die FIN in Erfahrung zu bringen, und dass dieses der Beklagten als Fachwerkstatt bekannt sein muss mit der Folge, dass einzig die FIN von ihr nicht als Berechtigungsnachweis akzeptiert werden durfte.

Die Beklagte war von ihrer Überprüfungsverpflichtung in den hier vorliegenden Fällen nicht befreit. Zwar geht die Beklagte zu Recht davon aus, dass die von dem Hersteller vorgegebene Nachweiskarte (Anlage K 12) anzuwenden ist, wenn ein Endkunde bei der Beklagten einen Ersatzschlüssel bestellt (S. 6 der Berufungsbegründung, Bl. 187 d. A.). Ob der Beklagten auch zuzustimmen ist, dass bei Nutzung der Nachweiskarte in den streitgegenständlichen Fällen die Firma U.-A. als Kunde in die Nachweiskarte hätte eingetragen werden müssen (S. 7 der Berufungsbegründung, Bl. 188 d. A.) oder aber der angebliche Kunde der Firma U.-A., kann dahingestellt bleiben. Denn die Überprüfungspflicht der Beklagten hinsichtlich der Berechtigung des Ersatzschlüsselbestellers ergibt sich nicht aus der von dem Hersteller vorgegeben Nachweiskarte, sondern aus der hohen Missbrauchsgefahr der Überlassung von Ersatzschlüsseln. Unabhängig von der Nachweiskarte hatte die Beklagte deshalb die erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen, sei es durch Verwendung der Nachweiskarte mit den entsprechenden Daten und Nachweisen des Endkunden der U.-A. oder durch andere geeignete Maßnahmen; sie war von diesen nicht deshalb befreit, weil eine Firma und nicht ein Endkunde Besteller der Ersatzschlüssel war.

(4) Die Überprüfung der Bestellerberechtigung war der Beklagten sowohl möglich als auch zumutbar.

Fehlerhaft ist ihre Auffassung, dass durch die Fahrzeugidentifikationsnummer der Halter des Fahrzeuges nicht festgestellt werden kann. Zumindest für die in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge ermöglicht die Prüfung der Fahrzeugidentifikationsnummer eine Feststellung des Fahrzeughalters, weil diese Bestandteil sowohl der Zulassungsbescheinigung Teil I als auch der Zulassungsbescheinigung Teil II ist, über die der Fahrzeughalter registriert ist. Als Herstellervertragswerkstatt bestehen für die Beklagte zudem Zugriffsmöglichkeiten auf die herstellerinternen Daten auch hinsichtlich der FIN. Hätte die Beklagte, wenn ihr schon nur die FIN und keine weiteren Berechtigungsnachweise übermittelt wurden, zumindest eine Überprüfung der FIN vorgenommen, hätte sie die Halter der hier streitgegenständlichen Fahrzeuge sowie deren Zulassung der Fahrzeuge in Deutschland feststellen können.

Die Zulassung eines Fahrzeugs in Deutschland lässt zwar nicht den zweifelsfreien Rückschluss zu, dass dieses Fahrzeug sich nicht in L. befindet und von der Firma U.-A. repariert wird (S. 7 der Berufungsbegründung, Bl. 188 d. A.). Dennoch durfte die Beklagte mangels anderer Berechtigungsnachweise von der Überprüfung der FIN nicht absehen. Im Ergebnis hätte das hier dazu geführt, dass die Beklagte Kenntnis darüber erlangt hätte, dass sämtliche Fahrzeuge, für die seitens des Mitarbeiters der Firma U.-A. Ersatzschlüsselbestellungen aufgegeben worden sind, in Deutschland und nicht in L. zugelassen sind bzw. waren. Ob dadurch bei der Beklagten ein Verdacht über die missbräuchliche Ersatzschlüsselbestellung durch den Mitarbeiter der U.-A. hätte entstehen müssen, weil eine einfachere und zweckmäßigere Bestellung über das zuständige Vertriebszentrum in R. möglich war, kann offen bleiben. Zumindest hätte die Beklagte wegen der Zulassung der Fahrzeuge in Deutschland den Namen des Fahrzeughalters gekannt und hätte zwecks Abgleich der Berechtigung eine Übermittlung der Ablichtungen der Zulassungsbescheinigungen der jeweiligen Fahrzeuge von der Firma U.-A. verlangen müssen. Dieses und sämtliche anderen Überprüfungen der Berechtigung unterließ sie aber.

Der Argumentation der Beklagten, das Landgericht unterstelle in seinem Urteil, dass es in L. vergleichbare Dokumente zu der deutschen Zulassungsbescheinigung Teil II gebe, und gebe damit der Beklagten auf, Unterlagen von l. Vertragswerkstätten anzufordern, ohne geprüft zu haben, ob dieses überhaupt erfüllt werden könne, kann dem Urteil des Landgerichts nicht entnommen werden. Das Landgericht hat auf Seite 7 seines Urteils lediglich ausgeführt, dass etwa die Forderung von Ausweisunterlagen sowie der Zulassungsbescheinigung geeignete Maßnahmen darstellen können, und darauf abgestellt, dass allein die Nennung der FIN kein ausreichender Berechtigungsnachweis ist.

Auch wenn man der Beklagten folgt, dass es Aufgabe der Firma U.-A. war, die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Ersatzschlüsselbeschaffung zu prüfen, entband diese Prüfpflicht der l. Werkstatt die Beklagte nicht von ihrer eigenen Pflicht zur Überprüfung der Berechtigung des Bestellers des Ersatzschlüssels. Eine rechtsgeschäftliche Übertragung der erforderlichen Sicherungspflichten ist grundsätzlich möglich, setzt aber eine klare vertragliche Vereinbarung darüber voraus, dass die Sicherung der Gefahrenquelle zuverlässig garantiert wird (BGH, Urteil vom 4. Juni 1996 - VI ZR 75/95, juris Rn. 13.). Für eine derartige Vereinbarung finden sich im Vortrag der Beklagten keine Anhaltspunkte. Die Stellung der Firma U.-A. als langjähriger N.-Handelspartner der Beklagten mit regelmäßigen Kontakten zu den Mitarbeitern und jährlichen Besuchen und Überprüfungen des l. Betriebes (Klagerwiderung vom 26. Oktober 2020, Bl. 61 d. A.) beinhaltet die regelmäßige Belieferung mit Ersatzteilen und deren Verarbeitung, nicht dagegen die ausdrückliche Übertragung dieser "Schlüsselgewalt".

Zwar kann grundsätzlich die Verkehrssicherungspflicht auf andere übergehen, wenn die Gefahrenquelle in den Verantwortungsbereich anderer Personen gelangt oder sich die Möglichkeit der Gefahrenbeherrschung auf andere Personen verlagert (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 369/12, juris Rn. 16.). Hier verblieb die Gefahrenquelle aber bei der Beklagten. Denn die Beklagte und nicht die Firma U.-A. war diejenige mit der Befugnis der Beschaffung und dem Inverkehrbringen von Ersatzfahrzeugschlüsseln. Sie als Bestellerin der Ersatzschlüssel hatte die primäre Möglichkeit der Gefahrenbeherrschung durch Ablehnung der Ersatzbeschaffung der Nachschlüssel und war deshalb verpflichtet, die damit verbundenen Gefahren weitest möglich auszuschließen und die erforderlichen Maßnahmen - ggf. neben der kundenbetreuenden Werkstatt - zu treffen. Dieses musste erst recht erfolgen, wenn - wie hier - neben der FIN überhaupt gar keine Informationen über die Berechtigung des Bestellers vorlagen.

(bb) Die hinsichtlich der Berechtigung ungeprüften Ersatzschlüsselbestellungen und Weiterleitungen dieser Schlüssel an die Firma U. durch die Beklagte waren adäquat kausal im Sinne einer Mitverursachung für die jeweiligen Fahrzeugdiebstähle unter Verwendung der Ersatzschlüssel. An der Verwendung der von der Beklagten bestellten Ersatzschlüssel zur Begehung der hier streitigen Fahrzeugdiebstähle bestehen keine vernünftigen Zweifel. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist ein einfaches Bestreiten der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO mangels weitergehender Kenntnisse der Beklagten ausreichend. Sämtliche vorliegenden unstreitigen Tatsachen sind zur Überzeugungsbildung jedoch wegen der Vielzahl der Übereinstimmungen in Bezug auf die einzelnen Taten bereits so eindeutig, dass eine anderweitige Begehungsform objektiv nicht in Betracht kommt. Auffällig ist bereits, dass die Beklagte unstreitig für sämtliche hier streitigen Fahrzeuge auf Bestellung der U.-A. Ersatzschlüssel beschaffte und diese der U.-A. übergab, und dass nach und nicht vor den jeweiligen Schlüsselbestellungen, in drei von den vier hier streitigen Diebstählen zudem in einem engen zeitlichen Zusammenhang von ca. sechs Wochen, diese Fahrzeuge entwendet wurden. Bestärkt wird der Zusammenhang zwischen der Ersatzschlüsselbestellung und den Diebstählen noch dadurch, dass laut dem Ermittlungsbericht des Landeskriminalamtes S. (1.2. des Ermittlungsberichts, Anlage K 13) neben den streitgegenständlichen vier Fahrzeugen zehn weitere Fahrzeuge nach einer Ersatzschlüsselbestellung durch die Firma U.-A. bei der Beklagten in einem überwiegend engen zeitlichen Zusammenhang zur Bestellung entwendet wurden. Da zudem von der Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungen in der Zerlegehalle in C. für zwei der streitgegenständlichen Fahrzeuge Belege für die Schlüsselbestellung bei der Beklagten aufgefunden wurden (Bl. 784 des Ermittlungsberichts des Landeskriminalamtes S., Anlage K 13) und die jeweiligen Fahrzeugeigentümer selbst unstreitig im zeitlichen Zusammenhang mit den Diebstählen keine Ersatzschlüssel bestellt hatten (Bl. 89 d. A.), ist eine andere Diebstahlsbegehung als mithilfe der durch die Beklagte verschafften Ersatzschlüssel nicht plausibel.

(cc) Die Beklagte kann sich nicht mit dem Einwand des hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigen Alternativverhalten entlasten. Soweit sie meint, auch bei Übersendung von Ausweispapieren durch die Firma U. hätte sie nicht feststellen können, ob die Bestellung der Ersatzschlüssel von einem Berechtigten erfolgt ist, verkennt sie, dass sie hinsichtlich des rechtmäßigen Alternativverhaltens und des hypothetischen Kausalverlaufs die Darlegungs- und Beweislast trägt. Dieser kommt sie mit ihrem Vortrag nicht nach. Ihr Vortrag zur fehlenden Überprüfbarkeit der Berechtigung auch bei Übersendung der Ausweisdokumente kann hier aber auch deshalb nicht greifen, weil anhand der übermittelten FIN eine Halterfeststellung wegen der Zulassung der streitigen Fahrzeuge in Deutschland hätte erfolgen können. Ein Abgleich mit den zu übersendenden Ausweisdokumenten wäre hinsichtlich der Personenidentität durchaus möglich gewesen.

(dd) Trotz des Diebstahls der Fahrzeuge durch einen Dritten besteht zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden der erforderliche Zurechenzusammenhang.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Handlung noch weitere Ursachen zu dem eingetretenen Schaden beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wen der Schaden erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechenzusammenhang fehlt auch in derartigen Fällen nur, wenn die zweite Ursache den Geschehensablauf so verändert, dass der Schaden bei wertender Betrachtung nur noch in einem äußerlichen, gleichsam zufälligen Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken dagegen in dem Schaden die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurde, kann der haftungsrechtliche Zurechenzusammenhang nicht verneint werden (BGH, Urteil vom 22. September 2016 - VII ZR 14/16, juris Rn. 15.).

So liegt es hier, denn durch die ungeprüfte Versendung der Ersatzschlüssel setzte die Beklagte die erste Ursache; die dadurch begründete Gefahrenlage wirkte sich gerade in dem nachfolgenden Diebstahl aus.

(ee) Die Beklagte muss sich die Bestellung und Aushändigung der Ersatzschlüssel an Mitarbeiter der Firma U.-A. durch ihre eigenen Mitarbeiter zurechnen lassen. Als Arbeitgeber trägt sie die Verantwortung für die Organisation der Betriebsabläufe. Es liegt an ihr durch geeignete Vorkehrungen und sachgerechte Organisation dafür zu sorgen, dass durch die Arbeitsabläufe des Betriebes Dritte nicht geschädigt werden (Palandt / Sprau, 80. Auflage 2021, BGB § 823 Rn. 50). Sie ist diejenige, die als Herstellervertragswerkstatt die Befugnis zur Ersatzschlüsselbestellung hat, nicht dagegen ihre einzelnen Mitarbeiter persönlich. Es oblag damit ihr als Inhaberin, konkrete Vorgaben zur Überprüfung der Berechtigung des Ersatzschlüsselbestellers auch in Bezug auf N.-Vertragshändler zu machen und die Einhaltung dieser Vorgaben zu überwachen. Wegen der Vielzahl der missbräuchlichen Ersatzschlüsselbestellungen, allein streitgegenständlich sind vier, hat die Beklagte dieses offensichtlich unterlassen.

(ff) Der gemäß §§ 249 ff. BGB erstattungsfähige Schaden beläuft sich auf die nunmehr unstreitigen Versicherungsleistungen in Höhe von 57.656,99 €, die die Klägerin aufgrund der Kaskoverträge wegen der hiesigen Diebstähle erbracht hat.

3. Aus den obigen Gründen hat die Klägerin gegen die Beklagten zudem einen Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe gemäß § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG. Als weisungsgebundene Angestellte der Beklagten sind deren Mitarbeiter M. M. und V. I. Verrichtungsgehilfen der Beklagten. Ein Auswahl- bzw. Überwachungsverschulden der Beklagten wird gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Vortrag, der die Beklagte exkulpieren könnte, liegt nicht vor.

4. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 (Anlage K 16) hat sie die Beklagte erfolglos zur Zahlung bis zum 22. Dezember 2019 ausgefordert.

5. Die Beklagte hat zu diesem Hinweis mit Schriftsatz vom 2. November 2021 Stellung genommen. Die Stellungnahme veranlasst den Senat - ebenso wie die darauf Bezug nehmenden Erörterungen in der Berufungsverhandlung - im Ergebnis nicht zu einer Veränderung seiner rechtlichen Einschätzung.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft sie auch dann eine besondere Prüfpflicht, wenn die Bestellung und Auslieferung der Ersatzschlüssel an einem der N.-Organisation unterliegenden Händler im Ausland erfolgt. Ferner ist es für die Haftung der Beklagten ohne Belang, ob der N.-Partner die Diebstähle selbst bzw. nicht selbst begangen und die Schlüssel ggf. auf nicht geklärte Weise in den Besitz Dritter gekommen sind. Maßgeblich für die Prüfverpflichtung der Beklagten ist nicht ihre Vertragsbeziehung zu der l. Firma, sondern die Schaffung der Gefahrenquelle durch die Nachbestellung und durch das Inverkehrbringen eines Ersatzschlüssels, weil sie dadurch den unmittelbaren Zugriff auf das Fahrzeug und damit auf das Eigentum Dritter ermöglicht.

b) Die Beklagte behauptet im Schriftsatz vom 2. November 2021 erstmals, mit den von ihr gelieferten Ersatzschlüsseln sei es zwar möglich, das betreffende Fahrzeug zu öffnen und das Lenkradschloss zu lösen, das Starten des Motors sei jedoch nicht ohne weitere Maßnahmen möglich, weil die Wegfahrsperre dies verhindere, solange ein Ersatzschlüssel noch nicht an das Fahrzeug angepasst worden sei; dazu sei eine Codierung erforderlich, die die Beklagte nicht vorgenommen habe (S. 2 d. SS, Bl. 241 f. d. A.). Dieser Vortrag wird von der Klägerin bestritten.

aa) Dieser Vortrag dürfte so auszulegen sein, dass die streitgegenständlichen Fahrzeugdiebstähle nicht unter Verwendung der Ersatzschlüssel erfolgten. Die Beklagte hat bereits in der Klagerwiderung die Entwendungen unter Verwendung der von ihr gelieferten Ersatzschlüssel mit Nichtwissen bestritten (Bl. 58 f. d. a.). Neu ist dagegen ihr Vortrag zu der Einschränkung der Nutzbarkeit des Schlüssels, wenn dieser nicht "angelernt" wurde.

Es kann dahinstehen, ob dieser Vortrag in der Berufung gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist. Denn im Ergebnis führt er zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

bb) Die Feststellung, dass die Diebstahlstaten mit Hilfe der gelieferten Ersatzschlüssel erfolgten, erfordern nicht, dass der Motor der streitgegenständlichen Fahrzeuge gestartet und sie eigenständig fahrend vom Tatort entfernt wurden. Ausreichend ist der Umstand, dass mit dem Ersatzschlüssel das Fahrzeug geöffnet und das Lenkradschloss entriegelt werden konnte, um das Fahrzeug aufzuladen und abzutransportieren. Diese Tatausführung war auch mit nicht "angelernten" Schlüsseln möglich.

Zwar trägt die Beklagte vor, dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht ergebe, dass die Fahrzeuge auf andere Weise gestohlen worden seien, als unter Inbetriebsetzung des Motors. Mangels eigener Kenntnis von der konkreten Tatausübung kann die Klägerin dazu nicht weiter vortragen. Dieses lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass die Fahrzeuge eigenständig fahrend entwendet wurden und ein Aufladen der Fahrzeuge ausgeschlossen ist. Sämtliche unstreitigen Umstände lassen keine vernünftigen Zweifel an der Verwendung der von der Beklagten gelieferten Ersatzschlüssel bei der Begehung der Diebstähle zu. Das Auffinden der Fahrzeuge in einer Zerlegehalle in C. zeigt bereits auf, dass die Täter es nicht auf fahrtüchtige Fahrzeuge im Ganzen abgesehen hatten, sondern an den Einzelteilen interessiert waren. Für das Zerlegen und den Vertrieb der Einzelteile war ein codierter Ersatzschlüssel nicht notwendig. Darüber hinaus wurden neben den entwendeten Fahrzeugen auch die Bestellbelege für zwei der streitgegenständlichen Fahrzeuge in einer Zerlegehalle aufgefunden, obwohl keiner der Fahrzeugeigentümer Nachschlüssel bestellt hatte. Letztendlich ist es unstreitig, dass die Bestellungen der Ersatzschlüssel widerrechtlich durch Mitarbeiter der U. erfolgten. Diese Bestellungen der Mitarbeiter der l. Firma ergeben nur dann einen Sinn, wenn der jeweilige Ersatzschlüssel bei der Tatausführung verwendet werden sollte und verwendet wurde. Im Übrigen lassen die unstreitigen Tatsachen, wie die Vielzahl der Fahrzeugdiebstähle nach der Ersatzschlüssellieferung - auf die Ausführungen unter II. 1. c) bb) wird Bezug genommen -, keine vernünftige andere Erklärung zu, als dass die von der Beklagten verschafften Ersatzschlüssel bei den Diebstählen auch verwendet wurden.

c) Die Beklagte kann sich nicht damit entlasten, dass sie nicht mit dem kriminellen Verhalten der Mitarbeiter der U. habe rechnen müssen. Auch für den Fall, dass die Zusammenarbeit mit der U. in der Vergangenheit beanstandungsfrei gelaufen sein sollte, führt das nicht zu einer vollständigen Befreiung der Beklagten von ihrer Prüfpflicht.

Statt dessen bestellte die Beklagte quasi auf Zuruf die Ersatzschlüssel. Erst nachdem die Diebstähle bekannt wurden, überprüfte sie ihre Verfahrensweise, rückdatierte die Nachweiskarten und sendete sie an die U. zur Unterschrift (Ermittlungsbericht, Anlage K 13, S. 0783). Ob sie bei den jährlichen Überprüfungen der U. durch ihre Mitarbeiter auch nachgeprüft hatte, ob die Einverständniserklärungen der Fahrzeughalter hinsichtlich der Ersatzschlüsselbestellungen vorlagen, hat sie nicht vorgetragen.

Dem Ermittlungsbericht des LKA S. ist zudem zu entnehmen, dass achtzehn Schlüsselbestellformulare der U. bei der Beklagten und acht der bestellten Ersatzschlüssel in der Zerlegehalle aufgefunden wurden. Dieses zeigt bereits auf, dass die widerrechtliche Ersatzschlüsselbestellung über die Beklagte kein Einzelfall war.

d) Soweit die Beklagte weiterhin den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erhebt, weil ihr aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Prüfmöglichkeiten es nicht möglich gewesen sei, die Richtigkeit der Angaben in der Nachweiskarte zu überprüfen, hat sie - wie im Hinweisbeschluss (unter 1 c) cc)) ausgeführt - bereits nicht hinreichend dargelegt (und unter Beweis gestellt), dass es bei pflichtgemäßen Verhalten in gleicher Weise zu den Diebstählen und damit zum Schadenseintritt gekommen wäre.

Ihr ist zuzustimmen, dass sie anhand der FIN als Vertragshändlerin nicht den Halter des Fahrzeuges feststellen kann. Irrig ist dagegen ihre Schlussfolgerung, sie hätte deshalb die Berechtigung des Bestellers nicht überprüfen müssen, weil auch bei Beifügung weiterer Personaldokumente diese dem Fahrzeug bzw. der FIN nicht hätten zugeordnet werden können. So führt sie aus, dass es eine Unterstellung sei, dass es in L. einer Zulassungsbescheinigung entsprechende Papiere gebe und die Übersendung von Ausweisunterlagen eines Werkstattkunden der U. die Prüfung der Berechtigung für eine Bestellung eines Ersatzschlüssels nicht ermöglichen würde. Sie schließt daraus, dass ihr die geforderte Prüfung nicht möglich sei und sie deshalb nicht habe prüfen müssen. Diesem Vortrag kann in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden. Es wird nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden können, dass es auch in L. als EU-Mitglied Ausweisdokumente gibt, die in Ablichtung dem Bestellantrag hätten beigefügt werden können, so dass die Identität des Bestellers hätte festgestellt werden können. Auch wenn die Beklagte die Echtheit der übermittelten Ausweispapiere nicht überprüfen kann, wird durch das Ausweispapier und die darin enthaltenen Daten ein Personenbezug hergestellt, der eine Identifizierung ermöglicht. Für die Täter wird durch das Erfordernis der Ausweisvorlage der Aufwand und das Risiko der Entdeckung größer, so dass die Tatausführung zwar nicht in jedem Fall verhindert, aber doch erheblich erschwert wird.

Der Beklagten ist zumindest anzulasten, dass sie sich nicht erkundigt hat, welche Identifizierungs- und Überprüfungsmöglichkeiten sie in Bezug auf Ersatzschlüsselbestellungen in L. hat, sondern ohne jegliche Prüfung tätig geworden ist, was sich die kriminellen Mitarbeiter der U. zunutze gemacht haben.

e) Ebenso wenig kann der Argumentation der Beklagten gefolgt werden, ihre Ersatzschlüsselbeschaffung sei für die Diebstähle nicht kausal, weil die U. sich die Ersatzschlüssel nicht besorgt habe, um diese für die Diebstahlshandlungen weiterzugeben, sondern sie selbst Geschädigte einer Straftat ihrer Mitarbeiter ihr gegenüber sei. Hierbei verkennt die Beklagte, dass es nicht auf ein Verhalten der U. als juristische Person, sondern auf das Verhalten der für diese handelnden Mitarbeiter abzustellen ist. Ob dieses Handeln der Mitarbeiter auch zu einer Schädigung der U. geführt hat, ist unerheblich. Darüber hinaus dürfte die Ersatzschlüsselbestellung durch den / die Mitarbeiter der U. bereits widerrechtlich erfolgt sein. Denn sie erfolgte unter Verwendung der FIN der hier streitbefangenen Fahrzeuge, ohne dass diese durch die jeweiligen Eigentümer veranlasst wurde. Es kann deshalb ausgeschlossen werden, dass die Ersatzschlüssellieferung durch eine rechtmäßige Bestellung der U. erfolgte und die gelieferten Schlüssel anschließend durch einen von der Ersatzschlüsselbestellung unabhängigen Diebstahl bzw. einer davon unabhängigen Unterschlagung in die Hände Dritter geraten sind. Die Umstände lassen keine berechtigten Zweifel zu, dass die Bestellung bereits mit dem Ziel erfolgte, die Schlüssel anschließend für die Diebstähle zu verwenden.

f) Der Senat hält nach nochmaliger Prüfung auch an seiner Auffassung fest, dass der erforderliche Zurechenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden besteht. Das Argument der Beklagten, es fehle am Zurechenzusammenhang, weil in mehrfacher Hinsicht der Kausalverlauf durch Dritte beeinflusst wurden sei, überzeugt nicht. Der Senat hat - wie unter II. 5. b) bb) bereits ausgeführt - keine Zweifel, dass die Ersatzschlüsselbeschaffung hier nur zu dem Zweck erfolgt ist, um damit anschließend die dazugehörigen Fahrzeuge zu entwenden. Dass die Beschaffung der Ersatzschlüssel ggf. durch eine andere Person erfolgte als der anschließende Diebstahl, ist lediglich eine arbeitsteilige Vorgehensweise, die insbesondere im Bereich der organisierten Kriminalität üblich ist, und den Kausalverlauf nicht unterbricht.

g) Der Einwand der Beklagten, das Unterlassen der Überprüfung der Berechtigung sei nicht kausal für die Diebstähle, weil die weiteren Ursachen den Geschehensablauf so verändert hätten, dass der letztendlich eingetretene Schaden bei wertender Betrachtung nur noch in einem äußerlichen, gleichsam zufälligen Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage stehe, greift ebenfalls nicht durch. Fehlerhaft sieht die Beklagte ihre Pflicht zur Verhinderung der missbräuchlichen Verwendung der Ersatzschlüssel ausschließlich in der Vertragsbeziehung zu ihrem Handelspartner in L., nicht aber darin, missbräuchliche Bestellungen durch Mitarbeiter des Vertragspartners zu verhindern, weil ihre Handlungspflicht nicht das Ziel habe, ihren Vertragspartner in L. davor zu schützen, dass deren Mitarbeiter zulasten ihres Arbeitsgebers Ersatzschlüsselbestellungen vornehmen, um diese Ersatzschlüssel zu unterschlagen. Sie setzt damit die falschen Anknüpfungspunkte, indem sie auf ihre vertragliche Beziehung zu der U. abstellt und dabei nicht berücksichtigt, dass ihre Handlungspflicht gegenüber dem jeweiligen Eigentümer besteht, nicht durch die widerrechtliche Herausgabe von Ersatzschlüsseln die Entwendung dessen Fahrzeugs zu ermöglichen.

6. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB, ist jedoch nach dem Klageantrag erst ab dem 29. Februar 2020 zuzusprechen. Die Klägerin hat in der Anspruchsbegründung den Antrag aus dem Mahnbescheid gestellt (Bl. 39 d. A.). Im Mahnbescheid wurden Verzugszinsen ab Zustellung des Mahnbescheides zugesprochen. Die Zustellung des Mahnbescheides ist am 28. Februar 2020 erfolgt, so dass die Verzinsung gem. § 187 Abs. 1 BGB erst ab dem 29. Februar 2020 beantragt ist.

Das Urteil des Landgerichts ist insoweit abzuändern, weil das Landgericht der Klägerin Zinsen ab dem 28. Februar 2020 zugesprochen hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision zu, weil Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Frage, ob die Ersatzschlüsselbestellung durch eine Fahrzeugvertragswerkstatt Prüfpflichten auch dann begründen, wenn die Bestellung durch einen gewerblichen Handelspartner erfolgt, und ob ggf. diese Prüfpflicht den Schutz der Fahrzeugeigentümer umfasst, oder ob ausschließlich auf die Beziehung zwischen der Vertragswerkstatt und dem Besteller der Ersatzschlüssel abzustellen ist, ist bisher nicht durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt.