Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.10.2011, Az.: 1 KN 207/10
Möglichkeit einer Verletzung des § 1 Abs. 3 BauGB bei Änderungen von Festsetzungen für Teilbereiche eines Bebauungsplans aus auch für die unveränderten Teilbereiche zutreffenden Gründen; Mögliche Formfehler und Verfahrensfehler und deren Auwirkungen auf die Wirksamkeit im Zusammenhang mit einer Bebauungsplanänderung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.10.2011
- Aktenzeichen
- 1 KN 207/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 29754
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:1026.1KN207.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 3 BauGB
- § 3 Abs. 3 BauNVO 1990
Fundstellen
- BauR 2012, 201-204
- BauR 2012, 839
- DVBl 2012, 40-44
- FStNds 2012, 78-81
- NVwZ-RR 2012, 264-267
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Es kann § 1 Abs. 3 BauGB verletzen, wenn die Gemeinde Festsetzungen für Teilbereiche eines Bebauungsplans aus Gründen ändert, die auch für die unveränderten Teilbereiche zutreffen.
- 2.
Zum Gewicht des Vertrauensschutzes, wenn ein großzügig geplantes und seit 44 Jahren ausschließlich zu Wohnzwecken genutztes reines Wohngebiet mit dem Ziel umgeplant werden soll, dort Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 3 BauNVO 1990 unterzubringen.
Tatbestand
Die Antragsteller wenden sich gegen die 1. Änderung des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders". Ihr Anlass war die Einrichtung einer teilstationären Tagesgruppe des Beigeladenen für zehn Kinder und Jugendliche in dem bisher als Wohngebäude genutzten Grundstück F. straße 19, die planerisch abgesichert werden soll. Ihr Ziel ist, das reine Wohngebiet auf die BauNVO 1990 umzustellen.
Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks G. 7. Dieses Grundstück war unverplant und liegt jetzt wie das o.g. Grundstück F. straße 19 im Geltungsbereich der 1. Änderung des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders". Dieser Bebauungsplan - erlassen von der seinerzeit noch selbständigen Gemeinde C. - setzte in seiner am 25.09.1964 bekannt gemachten Ursprungsfassung für das gesamte Plangebiet ein reines Wohngebiet gemäß § 3 BauNVO 1962 fest und diente insoweit ausschließlich dem Wohnen. Mit der Planänderung wird diese Baugebietsfestsetzung auf die aktuelle Fassung der Baunutzungsverordnung 1990 umgestellt. Danach sind Anlagen für soziale Zwecke - hierzu gehört die in dem Gebäude F. straße 19 eingerichtete Tagesgruppe des Beigeladenen für Kinder und Jugendliche - in reinen Wohngebieten ausnahmsweise zulässig.
Das Plangebiet liegt im nordöstlich der Innenstadt der Antragsgegnerin gelegenen Stadtteil C.. Der Geltungsbereich der 1. Änderung umfasst den nordöstlichen Teil des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders" sowie drei im Nordosten an das ursprüngliche Plangebiet angrenzende unbeplante Grundstücke, u.a. das Grundstück der Antragsteller. Das Gebiet der Planänderung wird im Westen durch die westlich der F. straße liegenden Grundstücke, im Norden durch die Straße Auf dem Krebet, im Osten durch die Straße Eschenbreite und im Süden durch den Rieswartenweg begrenzt. Das gesamte Plangebiet zeichnet sich durch große Grundstücksflächen aus, die mit großzügigen Ein- und Zweifamilienhäusern bebaut.
Die Planänderung geht zurück auf einen Antrag der Jugendhilfe am H. vom 30.09.2008 auf Erteilung einer Baugenehmigung für die schon durchgeführte Umnutzung des von ihr angemieteten, zuvor privaten Wohnzwecken dienenden Grundstücks F. straße 19 in eine Tagesgruppe für Kinder und Jugendliche, die in ihrer Entwicklung verzögert sind, aufgrund ihrer Familien- und Lebenssituation Schwierigkeiten mit sich und ihrer Umwelt haben oder in Familie, Schule und sozialem Umfeld nicht ausreichend integriert sind. Träger der Jugendhilfe am H. ist der Beigeladene. Die Antragsgegnerin hielt die Einrichtung nach dem bisher maßgeblichen Bauplanungsrecht für unzulässig. Sie führte ein Planänderungsverfahren durch, um die Zulässigkeit des Vorhabens herzustellen.
Am 04.05.2009, bekannt gemacht im Amtsblatt für die Antragsgegnerin am 13.05.2009, beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin die Aufstellung der 1. Änderung des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders" im beschleunigten Verfahren nach§ 13a BauGB und nannte als Ziele der Planaufstellung die Anpassung der Baugebietsfestsetzung an die Baunutzungsverordnung 1990 sowie die Erweiterung des Plangebiets. Zuvor hatte der Ortsrat C. am 23.04.2009 die Änderung des Bebauungsplans nach dreimaliger Beratung abgelehnt.
Die Antragsgegnerin führte die frühzeitige Behördenbeteiligung in der Zeit vom 20.05. bis zum 22.06.2009 durch. Bedenken gegen die Planung wurden nicht geäußert.
Der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin beschloss aus Gründen der Rechtssicherheit am 19.04.2010 erneut die Aufstellung der 1. Änderung des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders". Er hielt die erneute Beschlussfassung aufgrund der Ergänzung des Planentwurfs um eine Begründung zur Wahl des Verfahrens nach § 13a BauGB für erforderlich. Zugleich beschloss er den Auslegungsentwurf und seine öffentliche Auslegung. Der Ortsrat hatte den Beschlussvorschlag zuvor nach zweimaliger Erörterung abgelehnt. Der erneute Aufstellungs- sowie der Entwurfs- und Auslegungsbeschluss wurden am 27.04.2010 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht.
Der Entwurf lag vom 05.05. bis zum 07.06.2010 öffentlich aus. Im Auslegungsverfahren erhoben die Antragsteller mit Schreiben vom 17.05.2010 folgende Einwendungen gegen den Planentwurf: Die Planänderung sei städtebaulich nicht erforderlich. Ziel der Antragsgegnerin sei es, die Nutzung des Grundstücks F. straße 19 für eine Tagesgruppe der Jugendhilfe zu ermöglichen. Hierzu sei es nicht erforderlich, das gesamte Plangebiet auf die aktuelle Fassung der Baunutzungsverordnung umzustellen. Auch sei es nicht notwendig, die drei an das bisherige Plangebiet angrenzenden unbeplanten Grundstücke in das Plangebiet einzubeziehen. Diese Grundstücke seien mit Einfamilienhäusern bebaut, die sich harmonisch in die nähere Umgebung einfügten. Die Planänderung eigne sich nicht, die Einrichtung der Jugendhilfe zu legalisieren. Die Einrichtung der Jugendhilfe könne auch nach der Baunutzungsverordnung 1990 nicht zugelassen werden, weil sie einen Störfaktor in das ruhige Wohngebiet hineintrage. Siedelten sich neben der Jugendhilfe weitere Einrichtungen für soziale Zwecke im Plangebiet an, sei mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Wohnqualität und damit einhergehend einer erheblichen Minderung der Grundstückswerte zu rechnen.
Nach erneuter Ablehnung durch den Ortsrat beschloss der Rat der Antragsgegnerin am 10.09.2010 über die Anregungen und die 1. Änderung des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders" als Satzung. Der Bebauungsplan wurde am 14.09.2010 im Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht. Er setzt für das gesamte von der Planänderung betroffene Gebiet ein reines Wohngebiet nach der Baunutzungsverordnung 1990 fest. Im Übrigen werden die Festsetzungen des ursprünglichen Bebauungsplans weitgehend übernommen. Der Plan setzt eine Grundflächenzahl von 0,3 bei eingeschossiger Bauweise fest. Ein weiteres unteres Vollgeschoss ist ausnahmsweise zulässig. Dabei darf die Oberkante des Erdgeschossfußbodens maximal 50 cm über dem natürlichen Geländeverlauf liegen (Nr. 2 Sätze 2 und 3 der textlichen Festsetzungen). Zulässig sind nur Einzel- und Doppelhäuser. Je Gebäude sind höchstens zwei Wohnungen zulässig (Nr. 3 der textlichen Festsetzungen).
In der Planbegründung heißt es zu den Zielen und Zwecken der Planung u.a.:
"Unterzieht man den Ursprungsplan einer strengen Überprüfung, so zeigen sich aus heutiger Sicht eine Reihe von Schwachstellen.
.... Aus heutiger Sicht würde man Baulinien nur sehr sparsam und in städtebaulich zwingenden, begründeten Fällen verwenden, jedenfalls nicht im vorliegenden Plan.
Der Plan enthält Festsetzungen zur Geschossigkeit, die den heutigen Anforderungen an Klarheit und Bestimmtheit planerischer Festsetzungen nicht mehr genügen...
Für den Plan gilt die zum Zeitpunkt der Planaufstellung gültige Baunutzungsverordnung (BauNVO) 1962. Die veränderten gesellschaftlichen Vorstellungen über die Stadtentwicklung schlagen sich auch darin nieder, dass der Gesetzgeber diese BauNVO in mehreren Schritten geändert hat bis zur heute wirksamen BauNVO....
Die Stadt will einen aktuellen Antrag auf Nutzungsänderung in einem Wohnhaus als Anlass nehmen, um die oben beschriebenen Schwachpunkte auszuräumen... Eine Gruppe von max. 10 Kindern und Jugendlichen mit besonderem pädagogischen Betreuungsbedarf im Alter zwischen 7 und 14 Jahren erhält hier im Anschluss an den Schulunterricht eine nachmittägliche Hausaufgabenbetreuung. Um die bereits in Betrieb befindliche Einrichtung langfristig zu sichern, sind die erforderlichen Genehmigungen Voraussetzung.
Der Planbereich umfasst auch die drei bislang unbebauten Grundstücke Auf dem Krebet 10, 10a, 10b und G. 7. Vorhaben auf diesen Grundstücken würden heute nach § 34 BauGB beurteilt mit Anwendung der BauNVO 1990. Somit bestehen heute für benachbarte Grundstücke völlig unterschiedliche Beurteilungsgrundlagen.... Die Überplanung im vorliegenden Änderungsbereich dient damit der Planungssicherheit sowohl der bereits überplanten als auch der nicht überplanten Grundstücke.
Mit der Änderung des Bebauungsplans und der damit verbundenen Anwendung der BauNVO 1990 wird auch dem demographischen Wandel Rechnung getragen. Mit der fortschreitenden Überalterung der Gesellschaft werden nämlich überall soziale Einrichtungen oder den Bedürfnissen der älteren Bewohner - auch des hier überplanten Gebiets - dienende Einrichtungen erforderlich."
Zu den Einwendungen der Antragsteller ist in der Bescheidung der Anregungen ausgeführt: Die Planänderung sei städtebaulich erforderlich, um die Einrichtung der Jugendhilfe zu ermöglichen. Soziale Einrichtungen seien auch nach der Planänderung nur ausnahmsweise zulässig. So sei sichergestellt, dass Nutzungen dem Gebietscharakter nicht widersprechen. Mit der Planänderung werde dem demographischen Wandel Rechnung getragen, da mit der fortschreitenden Überalterung der Gesellschaft der Bedarf an sozialen Einrichtungen steige. Die Nutzung des Wohnhauses F. straße 19 durch die Jugendhilfe verändere den Gebietscharakter nicht. Die Einrichtung sehe eine Betreuung von lediglich bis zu 10 Jugendlichen im Alter von 7 bis 14 Jahren in der Schulzeit von Montag bis Freitag zwischen 13.00 und 17.00 Uhr vor. Ein Kleinbus bringe die Kinder und Jugendlichen mittags dorthin und hole sie am späten Nachmittag wieder dort ab. Der Garten werde für Spielzwecke nicht genutzt. Anhaltspunkte für eine Grundstückswertminderung gebe es nicht. Auch eine Vorentscheidung für weitere soziale Einrichtungen könne aus der Genehmigung der Einrichtung der Jugendhilfe nicht hergeleitet werden, weil Anträge für andere soziale Einrichtungen einer erneuten Einzelfallprüfung unterlägen.
Zur Begründung ihres am 04.10.2010 gestellten Normenkontrollantrages wiederholen die Antragsteller ihre im Planaufstellungsverfahren erhobenen Einwendungen vom 17.05.2010 und tragen ergänzend vor: Die Satzung sei in formeller Hinsicht nicht wirksam. Es fehle an der Beteiligung des Ortsrats und des Bau- und Planungsausschusses. Der Verwaltungsausschuss habe bereits am 04.05.2009 einen Aufstellungsbeschluss gefasst. Ohne vorherige Beteiligung des Ortsrats und des Bauausschusses habe der Verwaltungsausschuss am 19.04.2010 einen neuen Aufstellungsbeschluss gefasst. Bei diesem "zweiten Durchgang" seien nicht mehr alle Träger öffentlicher Belange beteiligt worden, die noch nach dem ersten Aufstellungsbeschluss beteiligt worden seien. Die Satzung sei auch materiell rechtswidrig. Die Planänderung ermögliche erstmalig Anlagen für soziale Zwecke im zuvor ausschließlich Wohnzwecken dienenden reinen Wohngebiet. Die Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin lasse nicht erkennen, weshalb das Interesse an einer Umstellung auf den Zulässigkeitskatalog der Baunutzungsverordnung 1990 gegenüber dem Schutz der Grundstückseigentümer, die im Vertrauen auf die Geltung der Baunutzungsverordnung 1962 Wohngrundstücke bebaut bzw. erworben hätten, höherwertig sei. Ohne nähere Begründung lasse der Bebauungsplan nicht nur das Vorhaben der Jugendhilfe zu, sondern ermögliche auch Anlagen für kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Dies bedeute eine erhebliche Qualitätseinbuße für die Grundstückseigentümer. Der Plangeber hätte auf der Grundlage des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO die in § 3 Abs. 3 BauNVO 1990 zugelassenen Ausnahmen wieder ausklammern können. Der Antragsgegnerin sei es nicht ansatzweise gelungen, die mit der Nutzung des Grundstücks F. straße 19 verbundene städtebauliche Problematik zu lösen. Da die Antragsgegnerin mit Klagen gegen die Genehmigung der Einrichtung der Jugendhilfe habe rechnen müssen, hätte sie die Nutzung des Grundstücks F. straße 19 durch die Jugendhilfe ausdrücklich festsetzen müssen. Dies sei auch deshalb erforderlich gewesen, um mögliche Nutzungsausweitungen der Jugendhilfe von vornherein zu verhindern. Schließlich seien die Festsetzungen über die Anzahl der Vollgeschosse unwirksam. Soweit unter bestimmten Umständen ein Untergeschoss als Vollgeschoss ausgebildet werden dürfe, fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. Zudem sei die Bezugnahme auf den Verlauf des "natürlichen Geländes" unzulässig, weil sich direkt aus den Festsetzungen des Bebauungsplans ergeben müsse, wann ein zweites Vollgeschoss zulässig sei.
Die Antragsteller beantragen,
die vom Rat der Antragsgegnerin am 10. September 2010 als Satzung beschlossene 1. Änderung des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders" für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist auf die Bescheidung der Bedenken und Anregungen der Antragsteller und erwidert ergänzend: Der Bebauungsplan leide nicht an formellen Fehlern. Unabhängig von der rechtlichen Erheblichkeit eines Aufstellungsbeschlusses sei der Ortsrat ordnungsgemäß, insbesondere rechtzeitig, angehört worden. Die Träger öffentlicher Belange, von denen habe erwartet werden können, dass sie zu dem Verfahren beitragen könnten, seien beteiligt worden. Der Bebauungsplan sei auch materiell rechtmäßig. Insoweit könne auf die Bescheidung der Bedenken und Anregungen verwiesen werden. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Belange der Antragsteller berücksichtigt worden seien. Dies zeige die intensive Erörterung des Planvorhabens, die sich ausschließlich mit der Frage befasst hätte, ob eine Umstellung auf die aktuelle Fassung derBaunutzungsverordnung interessengerecht sei. Diese Frage habe sie bejahen dürfen, ohne von der Festsetzungsmöglichkeit des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO Gebrauch machen zu müssen. Der von den Antragstellern angegriffene Ausnahmetatbestand zur Geschossigkeit sei zur Absicherung bereits errichteter zweigeschossiger Wohngebäude aufgenommen worden. Soweit die Antragsteller außergerichtlich die fehlende zusammenfassende Erklärung nach § 10 Abs. 4 BauGB gerügt hätten, sei darauf hinzuweisen, dass bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung wie im vereinfachten Verfahren von der zusammenfassenden Erklärung abgesehen werde.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hält es für sehr wünschenswert, seine Einrichtung dort weiter betreiben zu können.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Das Plangebiet ist in der mündlichen Verhandlung per BING und Beamer aus der Vogelperspektive betrachtet worden.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
Der fristgerecht gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Die Antragsteller sind gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Die Antragsteller sind Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich der 1. Änderung des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders". Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Abwägungsgebot vermittelt den Eigentümern von im Plangebiet gelegenen Grundstücken eigentumsrechtlichen Drittschutz gegenüber planbedingten Beeinträchtigungen, die in adäquat kausalem Zusammen mit der Planung stehen und die mehr als nur geringfügig sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215 = BRS 60 Nr. 46 = BauR 1999, 134). Dazu gehört ein abwägungsbeachtliches Interesse des Eigentümers, von nachteiligen Auswirkungen einer durch planerische Entscheidung ermöglichten potentiell störträchtigen Nutzung auf einem benachbarten Grundstück verschont zu bleiben. Das machen die Antragsteller hier geltend. Sie befürchten die Veränderung des Gebietscharakters durch eine mit Lärm- und sonstigen Beeinträchtigungen einhergehende Nutzung von Nachbargrundstücken für soziale Zwecke.
Darüber hinaus können die Antragsteller geltend machen, u.a. durch die erstmalige Festsetzung ihrer überbaubaren Grundstücksflächen in ihren Rechten verletzt zu sein bzw. in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Sie machen zwar nicht unmittelbar bevorstehende Umbau-, Ausbau- oder Neubaumaßnahmen geltend. Vor dem Hintergrund, dass ein Normenkontrollantrag nur innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der Planergänzung gestellt werden kann, sind sie trotz fehlender konkreter Bauabsichten auch aufgrund der für ihr Grundstück erstmals klar geregelten Festsetzungen antragsbefugt.
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders" i.d.F. der 1. Änderung ist unwirksam. Die Umstellung des Bebauungsplans auf die aktuelle Fassung der Baunutzungsverordnung in einem rein zufällig bestimmten Teilbereich des ursprünglichen Bebauungsplans lässt sich städtebaulich nicht rechtfertigen und leidet an einem Abwägungsfehler.
Die Bebauungsplanänderung leidet allerdings nicht an Form- oder Verfahrensfehlern, die zu ihrer Unwirksamkeit führten.
Ein Verfahrensfehler liegt nicht deshalb vor, weil der Ortsrat C. vor dem erneuten Aufstellungsbeschluss des Verwaltungsausschusses vom 19.04.2010 nicht erneut angehört worden ist. Der Ortrat ist gemäß § 55 g Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 NGO vor Beschlussfassung des Verwaltungsausschusses über die Aufstellung eines Bebauungsplans zu hören. Der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin hat die Aufstellung der Planänderung erstmalig am 04.05.2009 beschlossen. Zuvor ist dem Ortsrat C. Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Nach dreimaliger Beratung hatte dieser die Änderung des Bebauungsplans abgelehnt. In der Folgezeit führte die Antragsgegnerin die frühzeitige Behördenbeteiligung durch und erarbeitete einen Auslegungsentwurf, mit dem sich Ortsrat und Bauausschuss mehrfach befassten. Ein erneuter Aufstellungsbeschluss ist nur aus Gründen der Rechtssicherheit gefasst worden, weil die Antragsgegnerin vom Verwaltungsgericht Göttingen in einem anderen Verfahren auf die Notwendigkeit, die Wahl des beschleunigten Verfahrens zu begründen, hingewiesen worden ist. Plangebiet und Planungsziele wurden nicht geändert, so dass Belange des Ortsrats C. nicht berührt waren. Deshalb war eine erneute Anhörung des Ortsrats nicht erforderlich. Der Ortsrat ist nur dann erneut anzuhören, wenn die Planung nach der ersten Anhörung geändert worden ist (vgl. Urt. d. Sen. v. 08.07.2004 - 1 KN 184/02 -, BauR 2005, 54 = BRS 67 Nr. 44).
Darüber hinaus ist das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Planaufstellungsbeschlusses keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den späteren Bebauungsplan (BVerwG, Beschl. v. 15.04.1988 - 4 N 4.87 -, BVerwGE 79, 200 = DVBl 1988, 958 = BauR 1988, 562). Verstöße gegen landesrechtliche Vorschriften führen zwar zur Unwirksamkeit des Aufstellungsbeschlusses, sind aber ohne Folgen für das Bauleitverfahren selbst. Verstöße mit der Folge der Unwirksamkeit des Aufstellungsbeschlusses wirken sich vielmehr nur auf die Maßnahmen aus, für die der Aufstellungsbeschluss Wirksamkeitsvoraussetzung ist (wie etwa für den Erlass einer Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 1 BauGB).
Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Behördenbeteiligung liegen nicht vor. Nach § 13 a Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 BauGB hat die Gemeinde die Stellungnahmen der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch die Planung berührt werden können, zum Planentwurf und zur Begründung einzuholen. Maßstab für die Festlegung der zu beteiligenden Behörden ist die Abwägungsrelevanz, d.h. die Frage, ob die Aufgabenbereiche und damit die Belange durch die beabsichtigte Bauleitplanung berührt werden (vgl. Krautzberger in Ernst/ Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Stand: Januar 2005, § 4 Rdnr. 31). Nachdem sich im Rahmen der frühzeitigen Behördenbeteiligung zahlreiche Träger öffentlicher Belange nicht geäußert und damit zum Ausdruck gebracht haben, dass ihr Aufgabenbereich durch die Planänderung nicht berührt wird, bzw. andere Träger öffentlicher Belange mitgeteilt haben, keine Bedenken zu haben, beteiligte die Antragsgegnerin im Rahmen des § 4 Abs. 2 BauGB die Behörden und Stellen zu Recht nicht mehr, bei denen sie nach dem bisherigen Verfahrensverlauf eine Berührung ihrer Belange ausschließen konnte. Im Übrigen haben weder die Antragsteller vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, welche erheblichen Belange von welchem nicht beteiligten Träger öffentlicher Belange in der Entscheidung über die Planänderung nicht berücksichtigt worden sind. Eine fehlende Beteiligung einzelner Träger öffentlicher Belange wäre daher ohnehin unbeachtlich (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB).
Eine zusammenfassende Erklärung nach § 10 Abs. 4 BauGB war nicht erforderlich. Im beschleunigten Verfahren nach § 13 a BauGB, das hier aufgrund von Maßnahmen der Innenentwicklung gewählt worden ist, gelten gemäߧ 13 a Abs. 2 Nr. 1 BauGB die Vorschriften des vereinfachten Verfahrens nach § 13 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB entsprechend. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB wird von der zusammenfassenden Erklärung nach § 10 Abs. 4 BauGB abgesehen.
Der Bebauungsplan ist formwirksam ausgefertigt worden. Diese Rüge haben die Antragsteller zu Recht fallengelassen. Der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin hatte die den Verfahrensvermerken nachfolgende "Präambel" am 13.09.2010 unterzeichnet und damit vor der Verkündung der Satzung am 15.09.2010 schriftlich bestätigt, dass der Rat "diese 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 2 bestehend aus der Planzeichnung, den textlichen Festsetzungen und der dazugehörigen Begründung als Satzung beschlossen" hat. Er hat damit eine Originalurkunde hergestellt, hinsichtlich der dokumentiert wird, dass sie den Inhalt der vom Rat beschlossenen Festsetzungen zutreffend wiedergibt.
Der Bebauungsplan ist jedoch materiell rechtswidrig. Die Umstellung des Bebauungsplans auf die aktuelle Fassung derBaunutzungsverordnung in einem rein zufällig bestimmten Teilbereich des ursprünglichen Bebauungsplans lässt sich städtebaulich nicht i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB rechtfertigen und leidet an einem Abwägungsfehler nach § 1 Abs. 7 BauGB.
Gemäß § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was städtebaulich gerechtfertigt und damit i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde (BVerwG, Beschl. v. 17.05.1995 - 4 NB 30.94 -, ZfBR 1995, 269 = BauR 1995, 654 = NJW 1995, 2572; Urt. v. 26.03.2009 - 4 C 21.07 -, BVerwGE 133, 310 = BauR 2009, 1245). Es ist für sich genommen weder zu beanstanden, dass sie Bebauungswünsche von Eigentümern aufgreift noch dass sie Eigentümerwünschen zuwider plant. Es kommt vielmehr darauf an, ob gerade städtebauliche Gründe für eine bestimmte Planung den Ausschlag geben (vgl. Urt. d. Sen. v. 29.09.2009 - 1 KN 314/07 -, [...]).
Es kann zwar grundsätzlich ein berechtigtes Anliegen der Gemeine sein, ältere Bebauungspläne an die aktuelle Fassung derBaunutzungsverordnung anzupassen, um u.a. die Errichtung sozialer Einrichtungen in reinen Wohngebieten zu ermöglichen. Der Antragsgegnerin ging es in erster Linie um die Legalisierung der Jugendhilfe am H., die in dem früher als Wohngebäude genutzten Grundstück F. straße 19 eine Tagesgruppe für maximal zehn Jugendliche betreibt. Darüber hinaus hatte sie das Ziel, dem demographischen Wandel Rechnung zu tragen und auch soziale Einrichtungen für ältere Bewohner zu ermöglichen. Ihre Ziele konnte sie nur durch eine Änderung des Bebauungsplans erreichen. Erstmals die BauNVO 1990 lässt Anlagen für soziale Zwecke in reinen Wohngebieten nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zu. Nach allen Fassungen des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO wurden und werden durch die Festsetzung eines Baugebiets die jeweiligen einschlägigen Bestimmungen in den§§ 2 bis 14 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans. Spätere Änderungen der Baunutzungsverordnung führen nicht zu einem geänderten Inhalt der Bebauungspläne; wenn eine andere Fassung der Baunutzungsverordnung maßgeblich sein soll und damit die Festsetzungen in dem Umfang, in dem sich die Vorschriften derBaunutzungsverordnung geändert haben, einen anderen Inhalt erhalten sollen, muss der Bebauungsplan geändert werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 -, NVwZ 1996, 893 = BRS 58 Nr. 56 = BauR 1996, 676). Maßgebend für den im Jahre 1964 in Kraft getretenen ursprünglichen Bebauungsplan B. -C. Nr. 2 "Südlich des Senders" ist daher § 3 BauNVO 1962, der noch keine dem § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1990 entsprechende Regelung enthielt. Es ging der Antragsgegnerin um eine rechtliche Anpassung des zulässigen Nutzungsrahmens in einem noch auf der Grundlage des BauNVO 1962 festgesetzten reinen Wohngebiets an die aus § 3 BauNVO 1990 ersichtlichen aktuellen städtebaulichen Vorstellungen des Bundesgesetzgebers für diese Gebiete.
Die Bestimmung des Planumrisses ist jedoch willkürlich und deshalb städtebaulich nicht erforderlich. Die Antragsgegnerin verfolgte nicht ausschließlich das Ziel, die bestehende Einrichtung der Jugendhilfe am H. zu legalisieren, sondern hatte weitere soziale Einrichtungen im Blick. Deshalb leuchtet es nicht ein, weshalb sie nicht den gesamten Geltungsbereich des ursprünglichen Bebauungsplans, sondern nur den nordöstlichen Teil auf die aktuelle Fassung der Baunutzungsverordnung umgestellt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere Beschl. v. 20.11.1995 - 4 NB 23.94 -, NVwZ 1996, 888 = DVBl. 1996, 264 = ZfBR 1996, 110 = BRS 57 Nr. 3; Urt. v. 30.4.2004 - 4 CN 1.03 -, DVBl. 2004, 1004 = NVwZ 2004, 1120 = BRS 67 Nr. 51; s. a. Beschl. v. 27.6.2007 - 4 BN 18.07 -, BauR 1007, 1711 = BRS 71 Nr. 36) ist es zwar in erster Linie Sache des Plangebers, den Planumriss zu bestimmen. Es ist Teil seines Planungsermessens, ob er überhaupt plant und in welchem räumlichen Umfang er das tut. Wenn dies jedoch - wie hier - willkürlich geschieht, ist dies unter dem Gesichtspunkt des § 1 Abs. 3 BauGB zu beanstanden. Die Antragsgegnerin führt in der Planbegründung aus, mit der fortschreitenden Überalterung der Gesellschaft würden überall soziale Einrichtungen oder den Bedürfnissen der älteren Bewohner dienende Einrichtungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachzuvollziehen, weshalb nicht - wenn schon nicht alle vor Inkrafttreten der Baunutzungsverordnung 1990 festgesetzten reinen Wohngebiete im Stadtgebiet - wenigstens der gesamte Geltungsbereich des hier geänderten Bebauungsplans auf die aktuelleBaunutzungsverordnung umgestellt wird. Dies hätte dem Ziel der Antragsgegnerin, überall im Stadtgebiet soziale Einrichtungen zu schaffen, jedenfalls eher entsprochen als nur einen beliebigen Teilbereich des Ursprungsplans einer Planänderung zu unterwerfen.
Ein städtebauliches Konzept für die Aussparung des westlichen und südwestlichen Bereichs und die Einbeziehung gerade des gewählten Teilbereichs im Nordosten gibt es nicht. Die Antragsgegnerin hat jedenfalls eine städtebaulich tragfähige Begründung für die Bestimmung des Planumrisses nicht gegeben. Wenn in der Planbegründung (S. 4 u.) ausgeführt wird, "der Gebietsabgrenzung dienen Merkmale aus der gebauten und natürlichen Topographie.... Aufgrund der Größe des Stadtgebiets und der Vielzahl von vorhandenen, auch alten Bebauungsplänen, der Anzahl der Beteiligten und der sich im Einzelfall darstellenden Problemlage, muss die Stadt sich aus Gründen der Praktikabilität und der Kosten auf die wesentlichen Bereiche beschränken. Diese Faktoren haben Einfluss auf die Gebietsabgrenzung für einen Bebauungsplan oder seine Änderung und haben im Ergebnis zu dem hier vorliegenden Geltungsbereich geführt", handelt es sich offensichtlich um Versatzstücke aus anderen Planbegründungen, die in keinem begründeten Bezug zu der hier vorgenommenen Abgrenzung des Plangebiets stehen.
Ein Grund für den gewählten Planzuschnitt ist auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Terminsvertreter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung den gewählten Planumriss mit aufwendigen Altlastenuntersuchungen, die sich im gesamten Geltungsbereich des Ursprungsplans nicht hätten realisieren lassen, zu erklären versucht haben, folgt bereits aus der Planbegründung, dass dieser Gesichtspunkt nicht ausschlaggebend für die Abgrenzung des Plangebiets gewesen ist (s. a. S. 7 unter 6. der Planbegründung). Erst aus der frühzeitigen Beteiligung der Behörden stammt der Hinweis auf Altlastenverdachtsfälle. Zum Zeitpunkt der frühzeitigen Behördenbeteiligung hatte die Antragsgegnerin den Geltungsbereich der Planänderung jedoch längst auf den nordöstlichen Teil des Ursprungsplans begrenzt.
Nach alledem kann die Abgrenzung des Planänderungsbereichs nur als rein zufällig und willkürlich angesehen werden.
Die Umstellung der Baugebietsfestsetzung auf die aktuelle Fassung der Baunutzungsverordnung genügt darüber hinaus nicht den Anforderungen des Abwägungsgebots.
§ 1 Abs. 7 BauGB verlangt bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde vorzunehmenden Abwägung hat sich darauf zu beschränken, ob in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Hat die Gemeinde diese Anforderungen an ihre Planungstätigkeit beachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 - 4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 309).
Wird ein Bebauungsplan geändert, so ist zudem das Interesse der Planbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes abwägungserheblich. Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf den Fortbestand eines Bebauungsplans. Änderungen des Bebauungsplans sind nicht ausgeschlossen. Die Planbetroffenen besitzen jedoch regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Festsetzungen des Plans nicht ohne Berücksichtigung ihrer Belange geändert werden. Bei der Entscheidung über eine Planänderung hat die Gemeinde besonders zu prüfen, ob und in welchem Umfang sich die Planunterworfenen (oder auch Nachbarn des Plangebietes bzw. Planänderungsbereiches) auf die Fortgeltung der Planfestsetzungen eingerichtet haben und welches Gewicht diesem Vertrauen in die Fortgeltung der bisherigen Festsetzungen zukommt (vgl. Urt. d. Sen. v. 28.10.2004 - 1 KN 119/03 -, KirchE 46, 233; u. Urt. d. Sen. v. 28.09.2001 - 1 L 3779/00 -, BauR 2002, 906 = DVBl. 2002, 713). Hinsichtlich des Ob und auch hinsichtlich der Tragweite zulässiger Planänderungen kommt es auf das Gewicht der konkurrierenden Interessen an, welche in diesem Fall für eine Planänderung streiten.
Gemessen an diesen Maßstäben leidet die 1. Änderung des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 an einem Abwägungsfehler. Die Antragsgegnerin ist zwar in eine Abwägung eingetreten. Sie hat berücksichtigt, dass das Gebiet bislang ausschließlich dem Wohnen gedient hat und nunmehr erstmals Einrichtungen u.a. für soziale Zwecke ausnahmsweise zugelassen werden können. Sie hat sich hiermit in der Bescheidung der Anregungen der Antragsteller und anderer Nachbarn auseinandergesetzt, dabei aber nicht geprüft, in welchem Umfang sich die Planunterworfenen auf die Fortgeltung der Planfestsetzungen eingerichtet haben und welches Gewicht diesem Vertrauen in die Fortgeltung der bisherigen Festsetzungen zukommt. Insbesondere hat sie sich nicht hinreichend mit dem Vertrauen der Eigentümer in den Erhalt ihres Wohngebiets mit seinem herausragenden Charakter auseinandergesetzt.
Der Bebauungsplan in seiner Ursprungsfassung setzte auf der Grundlage der BauNVO 1962 nicht nur schlicht ein reines Wohngebiet fest, in dem sämtliche soziale Einrichtungen und teilweise auch die sonstigen in§ 3 Abs. 3 BauNVO 1990 genannten Ausnahmen unzulässig waren und das ausschließlich dem Wohnen diente. Vielmehr orientierten sich die Planungen daran, ein besonders ansprechendes, großbürgerliches Ambiente für den gehobenen Wohnungsbau zu schaffen. Nachdem ursprünglich sogar die Rede von Grundstücksmindestgrößen von 1.500 m2 war, setzt der Plan Grundstücksgrößen von immerhin noch mindestens 800 m2 voraus. Ein Abgleich bei BING und google maps bestätigt, dass diese Mindestgröße eingehalten, meist sogar weit überschritten wird. Auch wenn die ursprüngliche Absicht, darüber hinaus Mindestwohnungsgrößen von 179 m2 vorzusehen, im Plan nicht festgeschrieben ist, zeigt ein Blick auf das Plangebiet bei BING und google maps, dass großzügige, villenartige Wohnhäuser entstanden sind. Die im Ursprungsplan festgesetzten Baulinien sorgen für ein ansprechendes Erscheinungsbild der Baukörper zur Straße hin. Durch die Begrenzung der Baufenster nach hinten sind großzügige Gärten mit weitläufigen Grünflächen geschaffen worden. Dass großer Wert auf ein besonders ruhiges und idyllisches Umfeld gelegt worden ist, kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass trotz der beträchtlichen Größe des Plangebiets und entsprechender Diskussion im Planaufstellungsverfahren keine Spielplätze festgesetzt worden sind und für den sozialen Wohnungsbau geeignete Wohnquartiere an anderer Stelle auf dem C. und gerade nicht im Plangebiet vorgesehen waren.
Im Vertrauen auf den Erhalt dieses Viertels mit seinem besonderen Ambiente haben die Bewohner des Gebiets in den Grundstückskauf investiert und mit hohem Kostenaufwand überwiegend luxuriöse Wohnhäuser geschaffen. Von den in § 3 Abs. 3 BauNVO 1962 genannten ausnahmsweise zulässigen Nutzungen ist im gesamten Plangebiet kein Gebrauch gemacht worden. Vielmehr hat sich das bewusst so geplante "Wohnen in Reinkultur" 44 Jahre lang gehalten, bis im Jahr 2008 die Jugendhilfe am H. das ehemalige Wohngebäude F. straße 19 für ihre Zwecke umgenutzt hat. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin diese besonderen Vertrauensgesichtspunkte in ihre Abwägungsentscheidung einbezogen hätte. Vielmehr geht die Antragsgegnerin auf die Besonderheiten des Gebiets - die Absicht des früheren Plangebers, ein Wohngebiet gehobenen Standards zu schaffen, das genau so auch realisiert worden ist und sich über mehrere Jahrzehnte trotz eines Generationenwechsels unverändert gehalten hat - nicht ein. Sie hat im Rahmen der Abwägung lediglich knapp ausgeführt, durch die nur ausnahmsweise Zulässigkeit sozialer Einrichtungen werde sichergestellt, dass nur solche Vorhaben zugelassen werden können, die dem Charakter des Wohngebiets entsprächen. Die Antragsgegnerin hat sich aber nicht damit auseinandergesetzt, dass auch die ausnahmsweise Zulässigkeit nicht wesentlich störender sozialer und sonstiger in § 3 Abs. 3 BauNVO 1990 genannter Einrichtungen das am C. geschaffene, "besondere" Wohngebiet in seinem speziellen Ambiente und Charakter verändert. Unabhängig davon, ob soziale Einrichtungen wie die der Jugendhilfe am H. tatsächlich zu Grundstückswertminderungen führen, haben sie zumindest einen spürbaren Eingriff in das unberührte Wohnumfeld mit seinem gehobenen Wohnstandard zur Folge.
Zwar ist die soziale Zusammensetzung der Bewohner eines Gebiets mit dem Gebietserhaltungsanspruch nicht verbunden. Das reine Wohngebiet ist nicht bestimmten sozialen Schichten vorbehalten. Dies zeigt auch die Begründung zur Änderung der Baunutzungsverordnung, die im Gegenteil die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck bringt, dass es eine Ausgrenzung älterer oder sonstiger pflegebedürftiger Personen gerade nicht geben soll (vgl. Stellungnahme der Bundesregierung zur Vierten Änderung derBaunutzungsverordnung, Bundesrat-Drs. 354/1/89, S. 625). Ein Anspruch, von jeglicher Veränderung einer vorhandenen städtebaulichen Nutzungssituation im Umfeld des eigenen Anwesens verschont zu bleiben, besteht nicht. Findet eine solche Veränderung aber statt, muss es gewichtige Interessen hierfür geben. Es reicht nicht, eher zufallsgesteuert erst dann die Initiative zu ergreifen, wenn - wie hier - eine soziale Einrichtung ihre Tätigkeit bereits aufgenommen hat. Soll ein Eingriff in den seit Jahrzehnten unveränderten Gebietscharakter erfolgen, hat der schlichte Verweis auf die Absicht des Verordnungsgebers, mit der Planänderung dem demographischen Wandel Rechnung zu tragen, nicht hinreichend Gewicht, das Vertrauen der Bewohner des Gebiets zurückzustellen, wenn ein dahinter stehendes Gesamtkonzept zur Regelung der Betreuungseinrichtungen nicht ansatzweise vorhanden ist. Der Verordnungsgeber hat gerade keine automatische Umstellung auf die jeweils aktuelle Fassung der Baunutzungsverordnung vorgesehen. Ein dahingehender Entschließungsantrag des Bundesrates (vgl. Bundesrats-Drucks. 35/89 (<Beschluss>) wurde nicht umgesetzt. Wenn eine andere Fassung der Baunutzungsverordnung maßgeblich sein soll und damit die Festsetzungen in dem Umfang, in dem sich die Vorschriften derBaunutzungsverordnung geändert haben, einen anderen Inhalt erhalten sollen, muss der Bebauungsplan geändert und diese Änderung besonders begründet werden.
Dieses wirklich großbürgerliche Ambiente wurde nicht zuletzt im Hinblick auf eine der wesentlichen Nutzungen der Stadt B., ihrer Universität geschaffen. Dort tätigen Personen, namentlich Professoren sollten Möglichkeiten zu besonders komfortablem Wohnen vermittelt werden.
Infolge von § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Neugliederung des Landkreises und der Stadt B. (B. -Gesetz) vom 1. Juli 1964 (GVBl. 1964, 134) wurde nun (unter anderem) C. in die Stadt B. eingegliedert. An beiden erwähnten Arten der "Arbeitsteilung" änderte das aber nichts: Oberhalb der universitären Einrichtungen gelegen sollte hier weiter gehobenes Wohnen möglich sein; "sozialen Gesichtspunkten verbundene Nutzungen" sollten anderenorts, jedenfalls nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 2 stattfinden. Dieser Konsens wird nun ohne zureichende Begründung aufgekündigt.
Damit ist nicht gesagt, dass soziale Einrichtungen wie die Tagesgruppe der Jugendhilfe wegen ihrer Lärmbeeinträchtigungen nicht in einem reinen Wohngebiet untergebracht werden können. Im Gegenteil geht der Senat davon aus, dass auch Kinderspielplätze, Krippen und Kindergärten gerade nicht getrennt von Wohngebieten errichtet und betrieben, sondern in Wohngebiete eingebettet werden sollen. Sie unterfallen deshalb auch nicht dem Grundgedanken der TA-Lärm, sondern sind den Nachbarn grundsätzlich zumutbar (Beschl. d. Sen. v. 03.01.2011 - 1 ME 146/10 - NST-N 2011, 46 = NVwZ-RR 2011, 185 = BauR 2011, 787; u. Beschl. d. Sen. v. 09.02.2009 - 1 MN 251/08 -, V.n.b.).
Hier hat die Antragsgegnerin jedoch hinreichend gewichtige öffentliche Belange, die es rechtfertigen könnten, das Vertrauen der Antragsteller am Planerhalt im Rahmen der Abwägung zurückzustellen, nicht dargelegt, so dass die Umstellung auf die aktuelle Fassung derBaunutzungsverordnung nicht gerechtfertigt ist.
Der aufgezeigte Abwägungsfehler ist beachtlich, denn er ist offensichtlich und von Einfluss auf das Ergebnis (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Die Offensichtlichkeit des Mangels folgt daraus, dass die Antragsgegnerin im Bauleitplanverfahren durch Einwendungen auf die Bedeutung, die eine Umstellung auf die aktuelle Fassung der Baunutzungsverordnung für die Eigentümer hat, hingewiesen wurde. Die Ergebnisrelevanz des Abwägungsfehlers liegt zudem auf der Hand. Ein Abwägungsmangel hat im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB Einfluss auf das Abwägungsergebnis, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel im Abwägungsvorgang die Planung anders ausgefallen wäre. Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann. Danach war der Planungsfehler ergebnisrelevant. Die zutreffende Bewertung der abwägungsrelevanten Belange hätte zu einem Absehen der Planänderung führen können bzw. müssen.
Ist die 1. Änderung des Bebauungsplans B. -C. Nr. 2 somit bereits aus den genannten Gründen unwirksam, kann unentschieden bleiben, ob die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse den gesetzlichen Anforderungen genügt.