Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.01.2014, Az.: 10 WF 2/14

Anwaltsbeiordnung im Zusammenhang mit einer Gewaltschutzverfügung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
08.01.2014
Aktenzeichen
10 WF 2/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 10086
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0108.10WF2.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - AZ: 630 F 6214/13

Fundstellen

  • AGS 2014, 345-347
  • FF 2014, 87
  • FamRB 2014, 180
  • FamRZ 2014, 1046
  • FuR 2014, 543
  • JurBüro 2014, 205-206
  • MDR 2014, 297-298
  • NJW 2014, 32
  • RVGreport 2014, 165-166

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für ein einstweiliges Anordnungsverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz, in dem die Antragstellerin unter eidesstattlich versichertem Vortrag eines einmaligen tätlichen Übergriffs mit Bedrohung sowie wiederholter fernmündlicher Belästigung durch den Antragsgegner ein Abstandsgebot und das Verbot weiterer Kontaktaufnahmen begehrt, ist die Beiordnung eines Anwaltes nicht erforderlich.

  2. 2.

    Eine Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung i.S.d. § 78 Abs. 2 FamFG ergibt sich auch nicht allein daraus, daß bei der örtlichen Rechtsantragsstelle aufgrund bestehenden Andranges nicht sofort eine Aufnahme des Antrages erfolgen kann, aber keine besondere Eilbedürftigkeit besteht (hier: Antragstellung erst drei Wochen nach dem die Gewaltschutzanordnung begründenden Übergriff).

In der Familiensache
B. H.,
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin G. H.,
Beschwerdeführerin,
gegen
G. G.,
Antragsgegner,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den ihre Beiordnung im Rahmen der Antragstellerin bewilligter Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 5. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W. sowie die Richter am Oberlandesgericht H. und G. am 8. Januar 2014
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat am 18. November 2013 im vorliegenden Verfahren im Wege einstweiliger Anordnung eine Gewaltschutzverfügung gegen den Antragsgegner begehrt und zugleich für das Verfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht. Mit der Gewaltschutzverfügung wollte sie unter Berufung auf einen für den 28. Oktober 2013 behaupteten Vorfall, bei dem sie vom Antragsgegner geschlagen und bedroht worden sein soll, dem Antragsgegner unbefristet u.a. die Annäherung an ihre Wohnung auf 800 m (!) sowie auf 150 m (!) an die Antragstellerin, die gemeinsame minderjährige Tochter der Beteiligten und ein weiteres minderjähriges Kind der Antragstellerin untersagen lassen. Zur Glaubhaftmachung hat sie (allein) eine eigene eidesstattliche Versicherung vorgelegt.

Das Amtsgericht hat noch am selben Tag ohne mündliche Verhandlung eine Gewaltschutzverfügung erlassen, mit der dem Antragsgegner befristet bis zum 18. Mai 2014 im wesentlichen der Aufenthalt in (präzise umschriebener) unmittelbarer Nähe der Wohnung der Antragstellerin, die Annäherung an die Antragstellerin auf weniger als 10 m sowie die Verbindungsaufnahme zur Antragsgegnerin untersagt wird. Der weitergehende Antrag - insbesondere in Bezug auf die beiden minderjährigen Kinder - wurde dagegen zurückgewiesen. Weiter hat das Amtsgericht der Antragstellerin mit Beschluß vom 5. Dezember 2013 für das Gewaltschutzverfahren VKH bewilligt, die Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten jedoch mangels Erforderlichkeit versagt und auf die Möglichkeit einer Einreichung des Antrages über die Rechtsantragsstelle hingewiesen. Zuvor war die Antragstellerin ausdrücklich auf die bestehenden Bedenken hinsichtlich der Anwaltsbeiordnung hingewiesen und ihr Gelegenheit zu ergänzender Stellungnahme gegeben worden.

Gegen die Versagung der Anwaltsbeiordnung richtet sich die am 18. Dezember 2013 von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin eingelegte Beschwerde. Darin heißt es wörtlich: "In der Familiensache ... lege ich gegen den Beschluß ... vom 5. Dezember 2013 ... sofortige Beschwerde ein." Nach Darstellung des Beschlußinhaltes hinsichtlich der versagten Anwaltsbeiordnung heißt es weiter: "Hiergegen wendet sich die Unterzeichnerin im Rahmen der sofortigen Beschwerde...".

In der Sache wird geltend gemacht, die Antragstellerin habe bei der Rechtsantragstelle keine "Wartemarke" mehr erhalten können; im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit sei ihr ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten gewesen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluß vom 30. Dezember 2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

Der originär berufene Einzelrichter hat das Verfahren zur Entscheidung auf den Senat übertragen.

II.

1. Die Beschwerde, bei der es sich angesichts des oben dargestellten eindeutigen Wortlautes bei ihrer Einlegung um eine solche der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin handelt, ist bereits unzulässig. Nach ganz einhelliger Rechtsprechung wird durch eine - wie vorliegend gegebene - versagte Anwaltsbeiordnung allein der betroffene Beteiligte, nicht jedoch der Wahlanwalt beschwert und besteht insofern allein ein Beschwerderecht des Beteiligten, nicht jedoch des Wahlanwalts (vgl. nur Zöller30-Geimer, ZPO § 127 Rz. 19 m.w.N.)

2. Die Beschwerde könnte zudem aber auch in der Sache keinen Erfolg haben.

a. Soweit das Amtsgericht im Streitfall nach der objektiven wie subjektiven Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht für geboten ansieht, steht dies in Übereinstimmung mit der ständigen und wiederholt veröffentlichten Rechtsprechung des Senates zu den Voraussetzungen für die Notwendigkeit einer Anwaltsbeiordnung in Gewaltschutzverfahren (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. Juli 2010 - 10 WF 215/10 - FamRZ 2010, 2005 f. = FPR 2010, 579 f. = NdsRPfl 2010, 358 = NJW Spezial 2010, 678 [OLG Celle 07.07.2010 - 10 WF 215/10] = [...]; vom 30. Juni 2011 - 10 WF 176/11 - FamFR 2011, 345 = BeckRS 2011, 17564 = [...] = FamRZ 2011, 1971 [Ls]). Die amtsgerichtliche Beurteilung wird für den vorliegenden Fall vom Senat ausdrücklich geteilt und auch von der Beschwerde für sich nicht ersichtlich weiter in Zweifel gezogen.

b. Eine Anwaltsbeiordnung war vorliegend auch nicht ausnahmsweise deswegen geboten, weil der Antragstellerin eine Einreichung des Antrages über die Rechtsantragstelle aufgrund besonderer Eilbedürftigkeit unzumutbar gewesen wäre.

Zwar kann im Einzelfall die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG auch dann geboten sein, wenn dem kostenarmen Beteiligten nur mit entsprechender anwaltlicher Unterstützung eine in zeitlicher Hinsicht sachgerechte Rechtsverfolgung ermöglicht wird. Das kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn eine außergewöhnliche Eilbedürftigkeit konkret feststeht. Eine solche - das gemäß §§ 49 Abs. 1, 214 Abs. 1 Satz 2 FamFG für eine einstweilige Anordnung ohnehin erforderliche "dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden" übersteigende - besondere Eilbedürftigkeit bestand im vorliegenden Streitfall jedoch auch unter Berücksichtigung des eigenen Verhaltens der Antragstellerin unzweifelhaft nicht.

Die vorliegend erfolgte Gewaltschutzanordnung beruht zentral auf einem glaubhaft gemachten einmaligen Vorfall vom 28. Oktober 2013, bei dem der Antragsgegner die Antragstellerin geschlagen und bedroht haben soll, sowie darauf, daß die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, bereits seit geraumer Zeit mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln durch den Antragsgegner belästigt worden zu sein. Der entscheidende Vorfall vom 28. Oktober 2013 lag allerdings im Zeitpunkt der Antragstellung bereits drei Wochen zurück, so daß die Antragstellerin selbst ganz offenkundig nicht von einer tagesaktuellen Eilbedürftigkeit ausgegangen ist. Ein Handlungsbedürfnis hat die Antragstellerin vielmehr überhaupt erst dann entwickelt, als an einem auch von der Antragstellerin genutzten Pkw ihres Stiefvaters der Reifendruck verringert worden sein soll. Allerdings hat die Antragstellerin weder glaubhaft gemacht noch selbst ausdrücklich behauptet, daß die Manipulationen am Fahrzeug ihres Stiefvaters gerade von dem Antragsgegner vorgenommen wurden - sie selbst hat vielmehr lediglich eine dahingehende Vermutung geäußert.

Insofern kann auf diesen - nicht glaubhaft gemachten - Gesichtspunkt jedenfalls auch keine nunmehrige besondere Eilbedürftigkeit für eine Gewaltschutzverfügung hergeleitet werden, die - selbst wenn tatsächlich aufgrund übergroßer Nachfrage bei der Rechtsantragsstelle des zuständigen Amtsgerichtes Hannover die Antragsstellung dort nicht kurzfristig möglich gewesen sein sollte - für sich allein unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ausnahmsweise eine Anwaltsbeiordnung erforderlich machen könnte.

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