Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.01.2014, Az.: 10 UF 11/14

Verfahrenswert bei Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder zunächst im vereinfachten Verfahren und später im streitigen Verfahren; Verfahrenswert bei Einordnung des Verfahrens als Unterhaltssache und als Familienstreitsache

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.01.2014
Aktenzeichen
10 UF 11/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 10266
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0127.10UF11.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 26.11.2013 - AZ: 609 F 6093/11

Fundstellen

  • AGS 2014, 129-130
  • FamRB 2014, 178-179
  • FamRZ 2014, 1810
  • NJW-Spezial 2014, 92-93

Amtlicher Leitsatz

Betreibt ein Minderjähriger nach Erhebung von Einwendungen gegen die beantragte Unterhaltsfestsetzung im sog. "Vereinfachten Verfahren" seine Unterhaltsforderung gem. § 255 FamFG im streitigen Verfahren weiter, so ist als "Einreichung des Antrages" im Sinne von § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG die Antragstellung auf Unterhaltsfestsetzung maßgeblich, nicht erst diejenige auf Durchführung des streitigen Verfahrens.

In der Familiensache
R. M.,
Antragsgegner und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin K. H.,
gegen
1. J.-S. M., geb. am ...2002,
2. L.-L. M., geb. am ...2002,
gesetzlich vertreten durch die Region Hannover, Jugendamt - Beistandschaften,
Antragstellerinnen und Beschwerdegegnerinnen,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle nach Rücknahme der Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 26. November 2013 durch die Richter am Oberlandesgericht H. und G. sowie den Richter am Amtsgericht Dr. P. am 27. Januar 2014
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antragsgegner hat die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover durch Rücknahme verloren (§ 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG i. V. m. § 516 Abs. 3 ZPO). Ihm werden die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten auferlegt (§ 243 FamFG i.V.m. dem Rechtsgedanken aus § 516 Abs. 3 ZPO).

  2. 2.

    Der Verfahrenswert wird für beide Instanzen - für das erstinstanzliche Verfahren in amtswegiger Änderungen des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 26. November 2013 gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 FamGKG - auf 3.368 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die minderjährigen, durch das Jugendamt als Beistand vertretenen Antragstellerinnen haben im vorliegenden Verfahren den Antragsgegner als ihren Vater auf Kindesunterhalt für die Zeit ab Februar 2008 in Anspruch genommen. Dazu hatten sie zunächst am 27. April 2011 einen Antrag im sog. "Vereinfachten Verfahren" über den Unterhalt Minderjährigen gemäß §§ 249 ff. FamFG gestellt. Nach form- und fristgerechter Erhebung von Einwendung des Antragsgegners zu seiner Leistungsfähigkeit und der entsprechenden Mitteilung des Amtsgerichts gemäß § 254 FamFG haben die Antragstellerinnen mit am 19. Dezember 2011 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz mit inhaltlich unverändertem Antrag die Fortführung im streitigen Verfahren gemäß § 255 FamFG begehrt. Im Laufe des Verfahrens haben die Antragsteller für die Zeit ab Oktober 2012, in der eine weitere gleichrangige Unterhaltsverpflichtung des Antragsgegners entfallen ist, ihre Anträge betragsmäßig erweitert.

Mit Beschluß vom 28. November 2013 ist der Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet worden. Zugleich hat das Amtsgericht den Verfahrenswert auf 2.340 € festgesetzt.

Die gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gerichtete Beschwerde hat der Antragsgegner vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und Eingang einer Begründung zurückgenommen.

II.

Dem Beschwerdeführer waren die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 243 aufzuerlegen; Billigkeitsgesichtspunkte, die eine andere Kostenentscheidung rechtfertigen könnten, als es dem in § 516 Abs. 3 ZPO niedergelegten Rechtsgedanken entspricht, sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.

III.

Die Festsetzung des Verfahrenswert für beide Instanzen, die für das amtsgerichtliche Verfahren in amtswegiger Änderungen des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 26. November 2013 gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 FamGKG erfolgt, beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Der Verfahrenswert für das vorliegende Verfahren richtet sich - da es sich um eine Unterhaltssache und eine Familienstreitsache handelte - nach § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG. Nach § 51 Abs. 1 FamGKG ist zunächst der für die ersten zwölf Monate nach "Einreichung des Antrages" geforderte Betrag maßgeblich. Nach § 51 Abs. 2 FamGKG sind diesem Wert die bei "Einreichung des Antrages" fälligen Beträge hinzuzurechnen.

Für beide vorgenannte Teilbeträge des Verfahrenswertes kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt der "Einreichung des Antrages" ein. In Fällen der vorliegenden Art, in denen Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder zunächst im Vereinfachten Verfahren geltend gemacht und nach Erhebung von Einwendungen sodann gemäß § 255 FamFG im Streitigen Verfahren weiterverfolgt werden, ist für diese "Einreichung des Antrages" im Sinne von § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG auf die Antragstellung im Vereinfachten Verfahren und nicht erst auf den Antrag auf Durchführung des Streitigen Verfahrens abzustellen.

Aus § 255 FamFG ergibt sich insgesamt unmißverständlich, daß der Gesetzgeber das Streitige Verfahren als Fortsetzung des Vereinfachten Verfahrens versteht; so ist insbesondere ausdrücklich angeordnet, daß das Streitige Verfahren mit Zustellung des Festsetzungsantrages als rechtshängig geworden (Abs. 2) und das Unterlassen eines binnen sechs Monaten gestellten Antrages auf streitiges Verfahren als Rücknahme des (ggf. über eine erfolgte Teilfestsetzung hinausgehenden) Festsetzungsantrages gilt.

Zudem wäre ein anderes Verständnis mit den gesetzgeberischen Intentionen unvereinbar, einerseits Verfahren über Unterhaltsansprüche kostenmäßig zu privilegieren, andererseits mit dem Vereinfachten Verfahren die Unterhaltstitulierung noch zu erleichtern. Wollte man für die Verfahrenswertbestimmung auf die Einreichung des Antrages auf Durchführung des Streitigen Verfahrens abstellen, erhöhte sich durch die Bemühung um einen Titel im Vereinfachten Verfahren und die Erhebung von Einwendungen dort der Verfahrenswert zwingend insoweit, als laufende Unterhaltsbeträge der Zeit zwischen der Einreichung des Festsetzungsantrages und derjenigen des Antrages auf das Streitige Verfahren nunmehr zusätzliche Rückstände im Sinne von § 51 Abs. 2 FamGKG wären.

2. Im Streitfall stellen somit die für Mai 2011 bis April 2012 begehrten Beträge von (je Kind) (12 * 32 € =) 384 € laufenden Unterhalt im Sinne von § 51 Abs. 1 FamGKG dar, die für die Zeit bis einschließlich April 2011 begehrten Unterhaltsbeträge von (je Kind) 1.300 € den Rückstand im Sinne von § 51 Abs. 2 FamGKG. Damit ergibt sich (je Kind) ein Gesamtbetrag von 1.684 €.

Daß die Antragstellerinnen ab Oktober 2012, also für eine nicht mehr in den Jahreszeitraum des § 51 Abs. 1 FamGKG fallenden Zeit, einen höheren Unterhaltsbetrag begehrt haben, wirkt sich auf die Wertberechnung nicht aus. Ebensowenig führt diese später erfolgte rein betragsmäßige Antragserweiterung dazu, daß sich der verfahrenswertmaßgebliche Zeitraum - wie vom Amtsgericht offenbar für die Zeit bis einschließlich Juni 2013 angenommen - verschöbe.

3. Schließlich war - was das Amtsgericht übersehen hat - Gegenstand der Inanspruchnahme des Antragsgegners der Kindesunterhalt für beide Antragstellerinnen; daher ist der für den verfahrenswertrelevanten Zeitraum jeweils gleichermaßen geltende gemachte Unterhaltsbetrag vorliegend auf 3.368 € zu verdoppeln.

Angesichts des (lange) nach dem 31. Juli 2013 eingelegten Rechtsmittels und der für beide Instanzen unterschiedlichen Kostenvorschriften war der Wert exakt auf diesen Betrag (und nicht nach der jeweiligen Gebührenstufe) festzusetzen.