Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.01.2014, Az.: 7 U 158/13 (L)

Grundsätze der Verwirkung des Kündigungsrechts eines Bewirtschaftungsvertrages zwischen dem Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes und seinem Sohn

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.01.2014
Aktenzeichen
7 U 158/13 (L)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 13814
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0129.7U158.13L.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Langen - 06.08.2013

Fundstelle

  • AUR 2014, 188-190

Amtlicher Leitsatz

Hat der Eigentümer die Bewirtschaftung seines Hofes im Sinne der HöfeO durch einen zunächst befristeten, dann ordentlich kündbaren Bewirtschaftungsvertrag auf seinen Sohn übertragen, ist das Recht zur ordentlichen, freien Kündigung verwirkt, wenn seit Übertragung der Bewirtschaftung mehr als 20 Jahre vergangen sind und die Bewirtschaftung die Lebensgrundlage des Abkömmlings bildet. Der Eigentümer kann den Bewirtschaftungsvertrag/Landpachtvertrag dann nur noch aus triftigem, wenn auch nicht unbedingt vom Wirtschafter verschuldeten Grund kündigen.

Tenor:

Die Berufung des Klägers sowie die Anschlussberufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Langen vom 6. August 2013 werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 63 % und der Beklagte 37 %.

Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der 1927 geborene Kläger ist der Vater des am ... 1965 geborenen Beklagten. Sie streiten darüber, ob der zwischen ihnen per 1. Juli 1989 geschlossene Wirtschaftsüberlassungsvertrag vom 20. Juni 1989 (Bl. 7 f. d. A.) wirksam durch Kündigung des Klägers beendet ist, und zwar entweder mit sofortiger Wirkung durch die fristlose Kündigung des Klägers vom 30. Oktober 2012 (Bl. 13 d. A.) oder mit Wirkung zum 30. Juni 2014 durch die ordentliche Kündigung gemäß Schreiben des Rechtsanwalts Dr. v. d. D. vom 2. Januar 2013 (Bl. 14 d. A.), dem die Originalvollmacht vom 19. Dezember 2012 (Bl. 221 d. A.) beigefügt war. Außerdem begehrt der Kläger im Wege der Stufenklage Rechnungslegung - und dann Auszahlung des Erlöses - über den vom Beklagten vorgenommenen Verkauf des Viehbestandes. Der Beklagte veräußerte am 18. Oktober 2012 das Milchvieh und einige Tage später das Jungvieh; insgesamt handelte es sich um 85 Rinder, darunter 33 Milchkühe. Die Kühe waren im Anbindestall gehalten bei Kannenmelkung.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 106 bis 110 d. A.) Bezug genommen. Ergänzend dazu ist Folgendes festzuhalten: Die Streitigkeiten zwischen den Parteien traten auf, als der Beklagte im Jahr 2011 seine jetzige Lebensgefährtin, eine Dipl.-Agr. Ingenieurin, kennenlernte. Bis dahin lebte der Beklagte in seinem Jugendzimmer im Hofhaus, ebenso wie seine 1957 geborene Schwester A. M., die bei der R.-W. K. vollzeitbeschäftigt ist, noch in ihrem Jugendzimmer im Hofhaus wohnt. Das Hofhaus verfügt nur über eine Küche und ein Badezimmer. Der Beklagte zog zu seiner Lebensgefährtin, in deren Haus in der K. (im selben Ort). Im Jahr 2013 vergab er die Arbeiten auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen des Hofes weitgehend fremd. Er selbst half nur noch beim Mähen mit, alle anderen Arbeiten führte die R.-W. K. im Lohnauftrag des Beklagten durch. Der gesamte Aufwuchs auf dem Grünland und dem Ackerland ging an die Biogasanlage in A. Der Hof, ein Hof im Sinne der Höfeordnung, hat eine im Grundbuch eingetragene Größe von 52,2143 ha; davon sind 13 ha Wald und Unland. Aufgrund von Zupachtungen bewirtschaftete der Beklagte jedoch insgesamt 51 ha. Durch notariellen Übergabevertrag vom 21. Mai 2013 hat der Kläger den Hof an seine Tochter A. übertragen; das diesbezügliche Genehmigungsverfahren gem. § 17 Abs. 3 HöfeO ist beim Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Langen zum Az. 14 Lw 37/13 rechtshängig. Zwischenzeitlich hat die Lebensgefährtin des Beklagten ihr Haus in K. veräußert; der Beklagte wohnt mit seiner Lebensgefährtin zurzeit vorübergehend bei den Eltern seiner Lebensgefährtin in D.

Der Beklagte hat geltend gemacht, sein Vater sei schon zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung nicht mehr geschäftsfähig gewesen; die Kündigungen beruhten auf dem Willen und Wunsch seiner Mutter und seiner Schwester A. Der Beklagte hat die Echtheit der Unterschriften seines Vaters auf der Kündigungserklärung vom 30. Oktober 2012 sowie auf der Verfahrens- und Prozessvollmacht bestritten.

Das Landwirtschaftsgericht hat der Klage wegen des Viehverkaufs auf der ersten Stufe -Rechnungslegung- stattgegeben mit der Begründung, die Pflicht zur Rechnungslegung folge aus vertraglicher Nebenpflicht. Im Übrigen hat das Landwirtschaftsgericht die Klage abgewiesen: In dem Übergang von der Viehwirtschaft auf Ackerbau und Grünlandbewirtschaftung aus gesundheitlichen Gründen liege keine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten. Ebenso wenig sei das Vertrauensverhältnis durch schuldhaftes Verhalten des Beklagten gemäß § 12 b des Wirtschaftsüberlassungsvertrages zerrüttet. Die ordentliche Kündigung vom 2. Januar 2013 sei im Hinblick auf die langjährige Vertragsbindung auch nur noch aus triftigen Gründen zulässig; ein triftiger Grund sei jedoch nicht gegeben.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung; der Beklagte hat fristgerecht Anschlussberufung eingelegt gegen seine Verurteilung zur Rechnungslegung auf der ersten Stufe der Stufenklage des Klägers betreffend den Viehverkauf.

Der Kläger meint, der Beklagte habe mit dem Viehverkauf gegen § 8 des Bewirtschaftungsvertrages verstoßen. Sein Sohn sei zudem aus gesundheitlichen Gründen zu einer Eigenbewirtschaftung des Betriebes nicht mehr in der Lage. Zu der hilfsweise geltend gemachten ordentlichen Kündigung verweist der Kläger darauf, dass der Wirtschaftsüberlassungsvertrag eine ordentliche Kündigung neben der fristlosen Kündigung ausdrücklich vorsehe. Jedenfalls sei die Kündigung auch deshalb gerechtfertigt, weil der Beklagte sich geweigert habe, den Erlös aus dem Viehverkauf auszuhändigen.

Der Kläger behauptet außerdem, zwischenzeitlich habe der Beklagte zusammen mit seiner Lebensgefährtin seine Eltern schikaniert. Er habe die Heizung abgestellt, seinen Vater beschimpft und erklärt, seine Eltern gehörten "auf den Misthaufen" (Bl. 176 d. A.). Er habe außerdem im August 2013 den Wirtschaftsteil des Hauses mit landwirtschaftlichen Geräten so vollgestellt, dass seine Eltern das Haus über diesen seit Jahrzehnten genutzten Weg nicht mehr verlassen könnten, da sie mit ihrem Gehwagen dort nicht mehr vorbeikämen. Dann habe der Beklagte diverse landwirtschaftliche Geräte, die bisher in den Hofgebäuden untergestellt gewesen seien, ins Freie geholt und auf dem Grundstück abgekippt. Auch auf diese Aspekte werde die Kündigung gestützt; es sei möglich, einer Kündigungserklärung weitere Gründe nachzuschieben.

Der Kläger beantragt,

das Teilurteil des Amtsgerichts Langen teilweise zu ändern und festzustellen, dass der Wirtschaftsüberlassungsvertrag vom 29. Juni 1989 durch die fristlose Kündigung des Klägers vom 30. Oktober 2012 beendet ist,

hilfsweise, festzustellen, dass der Wirtschaftsüberlassungsvertrag vom 29. Juni 1989 durch die Kündigung vom 2. Januar 2013 zum 30. Juni 2014 beendet ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und

unter Änderung des Teilurteils des Amtsgerichts Langen die Klage insgesamt abzuweisen.

Er bestreitet nach wie vor die Geschäftsfähigkeit seines Vaters und macht zur Anschlussberufung geltend, er sei erst bei Beendigung des Wirtschaftsüberlassungsvertrages zur Abrechnung verpflichtet. Er bestreitet, die Heizung abgestellt zu haben; vielmehr sei die Heizungsanlage am 11. September 2013 vom Bezirksschornsteinfeger mängelfrei überprüft worden, die Kosten habe er - der Beklagte - getragen. Gegenüber der Berufung des Klägers verteidigt er das angefochtene Urteil.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.

Wegen der näheren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der vor dem Senat gewechselten Schriftsätze sowie auf die Anhörung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2014 Bezug genommen.

Der Senat hat von Amts wegen (§ 56 ZPO) über die Prozess- und Geschäftsfähigkeit des Klägers Beweis erhoben; wegen des Ergebnisses dieser Überprüfung wird auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen Dr. G. vom 31. Dezember 2013 (in Deckelhülle) Bezug genommen.

II.

Die Rechtsmittel der Parteien bleiben ohne Erfolg.

1. Der Kläger ist prozessfähig. Er war deshalb zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen auch geschäftsfähig. Das hat uneingeschränkt die fachärztliche Begutachtung durch die Sachverständige Dr. G. ergeben. Die Bestätigung der Geschäftsfähigkeit war nach der betreuungsrichterlichen Anhörung des Klägers vom 20. September 2013 (Protokoll Bl. 196 bis 198 d. A.) auch so zu erwarten. Gleichwohl hat sich die Sachverständige mit der Auswertung der Urkunden, Atteste und Besprechungsvermerke nicht zufrieden gegeben, sondern eine ausführliche Anamnese des Klägers vorgenommen. Soweit der Beklagte das schriftliche Gutachten inhaltlich dahin beanstandet, dass die Gutachterin dem Umstand nicht ausreichend Rechnung getragen habe, dass in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Kläger vom 24. Juni 2013 sowie in dem hausärztlichen Attest vom 3. September 2013 (Bl. 157 d. A.) Depressionen bescheinigt seien, ist dem Folgendes entgegenzuhalten: Die Sachverständige hat auf S. 21 ihres Gutachtens festgehalten, dass sich keine depressionstypischen affektiven Pathologien beim Kläger gezeigt hätten. Die Sachverständige, die als Ärztin für Gerontopsychiatrie am damaligen Landeskrankenhaus H. tätig war und jetzt bei sozial-psychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes Ha. beschäftigt ist, verfügt auch über entsprechende Sachkunde. Sie hat ferner den Hausarzt Dr. M. persönlich gefragt. Dieser hat die Medikation mit dem Antidepressivum Doxepin 25 mg erläutert und erklärt, eine krankheitswertige Depression liege nicht vor. Das deckt sich mit dem Inhalt des Attestes vom 3. September 2013, das von depressiven Verstimmungen spricht. Es ist sowohl allgemeinkundig als auch gerichtsbekannt, dass leichte Depressionen in hohem Lebensalter keinen Einfluss auf die Prozess- und Geschäftsfähigkeit haben, anders als manische Phasen bei manisch-depressiven Verstimmungen von Krankheitswert.

2. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Weder die fristlose Kündigung vom 30. Oktober 2012, noch die ordentliche Kündigung vom 2. Januar 2013 führen zur Beendigung des Wirtschaftsüberlassungsvertrages vom 20. Juni 1989, der von seinem Inhalt her als Pachtvertrag zu charakterisieren ist mit Altenteilsleistungen als Pachtzins und auf den deshalb die Vorschriften des Landpachtrechts anzuwenden sind.

a) Dem Kläger stand am 30. Oktober 2012 kein Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrages zu.

aa) Die Kündigung vom 30. Oktober 2012 genügt der Schriftform. Der Kläger hat vor dem Senat bestätigt, dass er die Kündigungserklärung selbst unterschrieben hat.

bb) Die fristlose Kündigung vom 30. Oktober 2012 gibt als Kündigungsgrund den kurz zuvor erfolgten Verkauf des lebenden Inventars an.

Auch wenn der Beklagte den Verkauf mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 (Bl. 98 d. A.) angekündigt haben will - der Kläger bestreitet in der Berufungsinstanz den Zugang dieses Schreibens -, ändert eine solche Ankündigung nichts daran, dass eine Einwilligung des Klägers zum Viehverkauf nicht vorlag. Der Verkauf erfolgte vielmehr - wie mit der Berufungsbegründung vorgetragen - ohne Rücksprache mit dem Kläger eigenmächtig. Gleichwohl liegt in der Aufgabe der Milchwirtschaft und dem Verkauf des Viehs schon objektiv keine Pflichtwidrigkeit, mithin keine Vertragsverletzung vor. Vielmehr hat der Beklagte eine erlaubnisfreie Nutzungsänderung im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung vorgenommen. Das bewegliche Inventar war nach dem Inhalt des Bewirtschaftungsvertrages "eisern" verpachtet, mithin zum Schätzwert. Damit stand das gesamte Vieh, und zwar auch gerade die Ersatzbeschaffung durch den Beklagten im Verlauf der langen Bewirtschaftungszeit, im Eigentum des Klägers (Härtel/Kleineke, Handbuch des Fachanwalts Agrarrecht 2012, Kap. 36, Rdnr. 20). Andererseits hatte der Beklagte als Pächter das freie Verfügungsrecht über die einzelnen Inventarstücke, solange sich seine Verfügung im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung vollzieht. Beschränkt ist die Verfügungsmacht durch die Erhaltungspflicht und den Begriff der ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung im Sinne von § 586 BGB (Faßbender/Lukanow, Landpachtrecht, 3. Aufl. 2005, § 582 a Rdnr. 40) hier insbesondere auch durch § 8 Abs. 2 des Wirtschaftsüberlassungsvertrages: "Das lebende und tote Inventar hat er, soweit die wirtschaftlichen Verhältnisse es erfordern bzw. zulassen, in seinem Bestand und seinem Wert zu erhalten oder zu vermehren und zu verbessern." Das führt dazu, dass der Pächter im Regelfall nur über einzelne Inventarstücke verfügen kann. Weitergehende Verfügungen darf der Pächter ohne Erlaubnis des Verpächters bzw. deren Ersetzung durch das Landwirtschaftsgericht nur dann treffen, wenn und soweit sich auch die geänderte Nutzung als bestimmungsmäßige Nutzung im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält (Faßbender/Lukanow, aaO., § 590 Rdnr. 22). Der Senat bewertet vorliegend die Aufgabe der Milchwirtschaft und den Viehverkauf ebenso wie das Landwirtschaftsgericht für sinnvoll, und zwar unabhängig von dem Gesundheitszustand des Beklagten. Unstreitig wurden die Milchkühe im Anbindestall gehalten, und es gab lediglich eine Kannenmelkung ohne jedes Rohrleitungssystem. Eine solche Milchwirtschaft mit 33 Milchkühen ist nach sachkundiger Bewertung auch der ehrenamtlichen Richter des erkennenden Senats nicht zukunftsfähig. Es hätten große Investitionen vorgenommen werden müssen, die der Beklagte als nur schuldrechtlich zur Bewirtschaftung Berechtigter ohne Zustimmung des Klägers nicht hätte absichern können. Zudem läuft 2015 die Milchmarktordnung aus mit der Folge, dass dann wohl nur noch größere Bestände lukrativ gehalten werden können. Allerdings ergibt sich aus § 590 Abs. 2 BGB, dass auch bei Nutzungsänderung im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eine Erlaubnis des Verpächters erforderlich ist, wenn durch die Änderung die Art der Nutzung über die Pachtzeit hinaus beeinflusst wird.

Vorliegend verfällt durch Nichtbelieferung die Milchquote in Gestalt der Einziehung nach § 32 MilchQuotV. Da die Milchkühe am 18. Oktober 2012 verkauft worden sind, ist der erste nichtbelieferte 12-Monats-Zeitraum die Zeit vom 1. April 2013 bis zum 31. März 2014 (Milchwirtschaftsjahr). Die Einziehung kann deshalb erst 2014 erfolgen mit der weiteren Folge, dass nach § 32 Abs. 3 noch die Wiederaufnahme beantragt werden kann, bevor zum 1. April 2015 die Milchmarktordnung ohnehin ausläuft. Das gilt selbst dann, wenn man den nicht belieferten 12-Monats-Zeitraum am 1. November 2012 beginnen lässt.

Es bestand deshalb keine Erlaubnispflicht für die Nutzungsänderung durch Aufgabe der Milchwirtschaft und der Nachzucht seitens des Beklagten. Vielmehr stellte sich der Viehverkauf als eine Maßnahme ordnungsgemäßer Bewirtschaftung dar, und zwar auch nach Maßgabe des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages vom 29. Juni 1989, der den Erhalt des lebenden Inventars nur insoweit fordert, als es die wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen einer nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung zu leistenden Betriebsführung zulassen (§ 8 des Vertrages).

cc) Soweit der Kläger die fristlose Kündigung auch auf den Gesundheitszustand des Klägers gestützt hat, fehlt es an einem für Kündigungen nach §§ 594 e, 543 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderlichen Verschulden des Beklagten. Denn in Anbetracht heute weit verbreiteter Beauftragung von Lohnunternehmen ist eine unverschuldete Unfähigkeit zur direkten Eigenbewirtschaftung unter Einsatz eigener Körperkräfte nicht geeignet, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung zu liefern.

dd) Die fristlose Kündigung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Beklagte den Erlös aus dem Viehverkauf nicht alsbald an den Kläger auskehrte. Die gerichtliche Interessenverfolgung ist nur in Ausnahmefällen als vertrauenszerstörende Vertragsverletzung zu qualifizieren. Der Kläger hat bezüglich der Pflicht zur Auskehrung des Erlöses die Sach- und Rechtslage selbst nicht als eindeutig bewertet, denn er hat insoweit in erster Instanz einen Hilfsantrag dahin gestellt, dass der Beklagte über den im Oktober 2012 getätigten Viehverkauf erst zum 30. Juni 2014 Rechnung zu legen und den Erlös an den Kläger herauszugeben hat. Der Kläger hat es danach selbst für vertretbar erachtet, dass die Rechenschafts- und Herausgabepflicht erst mit der Beendigung des Wirtschaftsvertrages eintritt.

ee) Schließlich kann die fristlose Kündigung vom 30. Oktober 2012 auch nicht auf die vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgebrachten Beschimpfungen seitens des Beklagten und die behauptete Verrümpelung des Grundstücks gestützt werden. All diese behaupteten Ereignisse erfolgten lange nach der Kündigungserklärung und erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils. Das Nachschieben von wichtigen Gründen ist aber nur zulässig, wenn diese Gründe zur Zeit der Kündigung schon vorgelegen haben (Härtel/Kleineke, aaO., Kap. 36, Rdnr. 98; Faßbender/Lukanow, aaO., § 594 e Rdnr. 27). Eine neue, auf diese neuen Gründe gestützte fristlose Kündigung hat der Kläger nicht erklärt. Eine neue Kündigung bedarf wiederum der Schriftform nach § 594 f BGB. Die Schriftsätze des Klägers in der Berufungsinstanz, mit denen diese nachträglichen Gründe vorgebracht werden, können auch nicht als neue, gesonderte Kündigungserklärung ausgelegt werden. In der Berufungsbegründung hat der Kläger insoweit vorgetragen: "Bekanntlich ist es möglich, einer Kündigungserklärung weitere Gründe nachzuschieben. Wir werden dies kurzfristig tun." Darin kann keine neue Kündigung gesehen werden. Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2014 hat der Kläger unter Bezugnahme auf die behaupteten Beschimpfungen und den immer noch nicht herausgegebenen Erlös aus dem Viehverkauf vorgetragen: "Auch auf diese beiden Aspekte wird die Kündigung des Wirtschaftsüberlassungsvertrages gestützt." Damit wird aber wiederum nur auf eine bereits erklärte Kündigung Bezug genommen und keine neue Kündigung erklärt.

b) Auch die ordentliche Kündigung vom 2. Januar 2013 zum 30. Juni 2014 bleibt ohne Erfolg.

aa) Der Kläger hat vor dem Senat verdeutlicht, dass er selbst den Prozess gewünscht hat. Damit bestehen auch keine Zweifel mehr an der vom Kläger ausgestellten und der ordentlichen Kündigung beigefügten Vollmacht vom 19. Dezember 2012 (Bl. 221 d. A.), die zugleich die Prozessvollmacht darstellt.

bb) Der Beklagte hat mit der Klagerwiderung im Anschluss an Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl. 2012, § 7 HöfeO, Rdnr. 52, und OLG Hamm, Agrarrecht 1986, 234, vorgebracht, die einseitige Beendigung der dem Abkömmling übertragenen Bewirtschaftung des Hofes durch den Hofeigentümer sei rechtsmissbräuchlich, wenn es dafür keinen triftigen Grund gibt. Der Leitsatz der Entscheidung des OLG Hamm in Agrarrecht 1986, 234, lautet:

"Eine vom Erblasser vorgenommene formlose Hoferbenbestimmung kann der Hofvorerbe nur aus triftigen Gründen verändern. Die Beendigung der Bewirtschaftung durch formlos bestimmten Hofnacherben ist rechtsmissbräuchlich, wenn ein triftiger Grund nicht vorliegt."

Aus dem Sachverhalt zu dieser Entscheidung ergibt sich jedoch, dass zwischen dem Erblasser und dem wirtschaftenden Abkömmling kein schriftlicher Vertrag bestand; vielmehr hatte der Abkömmling tatsächlich auf dem Hof gewirtschaftet und sich darauf eingerichtet, den Hof später einmal zu übernehmen.

Vorliegend besteht aber ein schriftlicher Vertrag, der zunächst bis zum 30. Juni 1998 befristet war und im Fall der Verlängerung ausdrücklich eine ordentliche Kündigung vorsieht. Darin lag ein konkludenter Vorbehalt der formlosen Hoferbenbestimmung nach § 6 I Nr. 1 HöfeO.

In einer weiteren Entscheidung aus 1985 hat das OLG Hamm zudem entschieden (Agrarrecht 1986, 56):

"Die Aufhebung der formlosen Hoferbenbestimmung muss in Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 2294 und 2296 BGB durch eine ausdrückliche empfangsbedürftige Willenserklärung erfolgen."

In den Gründen heißt es dann (Agrarrecht 1986, 57):

"In der Folgezeit ist nichts geschehen; weder ist der Pachtvertrag, wie angedroht, fristlos gekündigt worden, noch ist er entsprechend Ziff. 7 des Pachtvertrages fristgemäß nach Ablauf der vereinbarten zehnjährigen Pachtzeit gekündigt worden."

Daraus ergibt sich, dass eine ordentliche Kündigung des Pachtvertrages, der offenbar eine ähnliche Regelung wie der vorliegende Bewirtschaftungsvertrag enthielt, durchaus zulässig gewesen wäre, wenn sie denn ausgesprochen worden wäre (soweit Wöhrmann zu § 7 Rdnr. 53 meint, dieser Widerruf, ggf. mit einer Kündigung, könne nur durch notariell beurkundete Erklärung erfolgen, liegt darin ein Missverständnis der Entscheidung des OLG Hamm in Agrarrecht 1986, 56).

Die fristgerechte Kündigung nach dem Inhalt des schriftlichen Vertrages (die Frist ist mit der Kündigung vom 2. Januar 2013 richtig berechnet) war deshalb grundsätzlich zulässig. Vorliegend besteht aber - und das hat das Landwirtschaftsgericht richtig gesehen - die Besonderheit, dass viele Jahre lang nach Ablauf der ursprünglichen Vertragslaufzeit von der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung kein Gebrauch gemacht worden war. Bei dem 1965 geborenen Beklagten, der 1989 seine abhängige Vollzeitbeschäftigung als Landmaschinenmechaniker-Geselle zugunsten der Hofbewirtschaftung aufgegeben hatte, konnte deshalb die berechtigte Erwartung entstehen, dass er den Hof, der bis zum Ausspruch der Kündigung mehr als 23 Jahre lang seine Lebensgrundlage bildete, einmal übernehmen würde, sei es durch lebzeitige Übertragung, sei es im Erbgang. Daraus ist mit dem Landwirtschaftsgericht der Schluss zu ziehen, dass der Kläger durch die lange Laufzeit des Vertrages sein Recht zur grundlosen fristgerechten Kündigung des Wirtschaftsüberlassungsvertrages nach Treu und Glauben verwirkt hat und auch die formlose Hoferbenbestimmung nicht mehr grundlos widerrufen kann. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des OLG Hamm in Agrarrecht 1986, 56. Denn dort wird die Möglichkeit zur fristgerechten Kündigung auch nur im Zusammenhang mit etwaigen Verfehlungen des Wirtschafters erörtert.

cc) Es ist deshalb zu fragen, ob der Kläger "triftige Gründe" für seine Kündigung vom 2. Januar 2013 hatte. Da es um eine fristgerechte Kündigung geht, können triftige Gründen auch dann ausreichend sein, wenn diese Gründe vom Beklagten nicht verschuldetet sein sollten.

Ein solcher triftiger Grund liegt nicht in dem Verkauf des lebenden Inventars, weil diese Maßnahme eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung war (s. o.).

Soweit der Kläger behauptet hat, der Beklagte sei aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft überhaupt nicht mehr zu einer unmittelbaren Eigenbewirtschaftung in der Lage, kann dahingestellt bleiben, ob der Wegfall der Wirtschaftsfähigkeit des Beklagten aus gesundheitlichen Gründen die Kündigung rechtfertigen könnte. Denn eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit des Beklagten liegt nicht vor. Der im Termin anwesende Beklagte hat bei seiner Anhörung erklärt, er sei zurzeit beschwerdefrei. Anhaltspunkte für körperliche Beeinträchtigungen waren auch nicht erkennbar. Es gibt auch keinen Antrag auf Erwerbsunfähigkeit des Beklagten.

Ein triftiger Grund liegt auch nicht darin, dass der Beklagte die Bewirtschaftung des Hofes weitestgehend im Lohnbetrieb durchführen lässt und zurzeit auch weit außerhalb wohnt. Es mag sein, dass der Kläger eine unmittelbare Eigenbewirtschaftung erwartet und dass eine solche ursprünglich nach dem Bewirtschaftungsvertrag auch geschuldet war. Dieser Erwartung und ursprünglichen Verpflichtung ist der Beklagte mehr als 23 Jahre hindurch nachgekommen. Inzwischen ist aber nach Abschluss des Bewirtschaftungsvertrages so viel Zeit verstrichen und der Kläger hat ein so hohes Alter erreicht, dass eine Hofübergabe an den Beklagten überfällig war. Wäre eine solche Hofübergabe zu angemessener Zeit erfolgt, wäre der Beklagte sein eigener Herr und es stünde ihm unzweifelhaft frei, die Lohnbewirtschaftung zu betreiben. Da zudem die Lohnbewirtschaftung als Bewirtschaftungsart weit verbreitet ist, gelangt der Senat mit seinen ehrenamtlichen Richtern zu der Bewertung, dass dieses Bewirtschaftungsverhalten des Beklagten, das bei Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 2. Januar 2013 bereits im Wesentlichen geplant und angelegt gewesen sein dürfte, keinen triftigen Grund für die ordentliche Kündigung darstellt. Soweit der Beklagte inzwischen Al. verlassen hat, gilt Folgendes: Zum einen ist dieses Ereignis erst geraume Zeit nach der ordentlichen Kündigung eingetreten (mit der Folge, dass dieser Umstand nicht nachgeschoben werden kann als Grund für die seinerzeitige Kündigung) und beruht auf dem Verkauf des Hauses der Lebensgefährtin des Beklagten. Zum anderen ist für den Beklagten und seine Lebensgefährtin im Hofhaus bei nur einer gemeinsamen Küche und einem Badezimmer kein Raum; der Beklagte und seine Lebensgefährtin sind dort seitens des Klägers und seiner Ehefrau unerwünscht. Schließlich hat der Beklagte erklärt, er werde sich zum Jahr 2014 zur Bewirtschaftung der Hofstelle eine Wohnung in Hofnähe suchen.

Nach alledem muss es bei der Fortsetzung des Bewirtschaftungsvertrages verbleiben.

3. Die Anschlussberufung des Beklagten ist ebenfalls unbegründet.

Der Beklagte ist nach § 590 Abs. 3 BGB i. V. m. § 582 a Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 BGB zur Herausgabe des Verkaufserlöses verpflichtet. Wie vorstehend unter Ziffer 2. a) ausgeführt, stand das gesamte Vieh im Eigentum des Klägers. Der Beklagte war aber zum Verkauf befugt, weil er die Aufgabe der Milchwirtschaft als erlaubnisfreie Nutzungsänderung im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung vorgenommen hat (s. o.). § 590 Abs. 3 BGB gilt aber auch bei einer nach § 590 Abs. 2 BGB erlaubten Nutzungsänderung, und zwar gerade auch bei einem erlaubten Übergang zu viehloser Bewirtschaftung unter Abschaffung des übernommenen Lebendinventars (Faßbender/Lukanow, aaO., § 590 Rdnr. 80). Unstreitig hat der Beklagte den Erlös nicht zur Verbesserung der Pachtsache verwendet (§ 590 Abs. 3 letzter Halbsatz); vielmehr liegt der gesamte Erlös aus dem Viehverkauf noch auf einem Sonderkonto; eine Reinvestition ist auch nicht geplant. Deshalb ist der Beklagte nach § 590 Abs. 3 BGB schon während der Pachtzeit zu einem Geldausgleich in entsprechender Anwendung des § 582 a Abs. 3 BGB verpflichtet. In solchen Fällen, in denen eine erlaubnisfreie Nutzungsänderung unter Aufgabe eines Betriebszweiges vorgenommen wird, ist nicht nur ein Differenzausgleich nach § 582 a Abs. 3 Satz 3 BGB vorzunehmen; vielmehr ist in diesen Fällen unabhängig von dem ursprünglichen Inventarverzeichnis der erzielte Erlös nach § 582 a Abs. 3 Satz 4 BGB herauszugeben (Faßbender/Lukanow, aaO., § 590 Rdnr. 82).

Um diesen Zahlungsanspruch beziffern und gerichtlich geltend machen zu können, ist der Kläger auf die Rechnungslegung durch den Beklagten angewiesen. Da der Beklagte Eigentum des Klägers veräußert hat (s. o.), entspricht sein Verhalten einer Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. einer angemaßten Geschäftsführung nach § 677 BGB bzw. § 687 Abs. 2 BGB. In ihren Grundvoraussetzungen werden diese Vorschriften durch die vertragliche Sonderregelung der §§ 582 a, 590 BGB verdrängt; das ändert aber nichts daran, dass § 667 BGB anwendbar ist. Die Pflicht zur Rechnungslegung folgt deshalb, wenn nicht schon aus dem Bewirtschaftungsvertrag selbst, so doch jedenfalls aus § 667 BGB.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Bei der Verteilung der Kostenlast hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Feststellungsbegehren betreffend die Beendigung des Bewirtschaftungsvertrages in vollem Umfang unterlegen ist. Zwar hat sich der Beklagte in dem vor dem Senat abgeschlossenen Teil- und Zwischenvergleich verpflichtet, den Wohnteil des Hofhauses nicht mehr zu nutzen; darin liegt aber kein endgültiger Teilerfolg in Gestalt einer dauerhaften Teil-Räumung. Der Vergleich geht zwar über den Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits hinaus, die Verpflichtung des Beklagten ist aber nicht endgültig, sondern zeitlich beschränkt durch das Ende aller Auseinandersetzungen zwischen den Parteien.

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 543 ZPO.