Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.01.2014, Az.: 10 UF 319/13

Bewertung der Gleichartigkeit von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung u. aus einem Zeitsoldatenverhältnis i.S.v. § 18 Abs. 1 VersAusglG

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.01.2014
Aktenzeichen
10 UF 319/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 10747
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0123.10UF319.13.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 10.02.2016 - AZ: XII ZB 104/14

Fundstellen

  • FamRZ 2014, 764
  • NZS 2014, 302

Amtlicher Leitsatz

In der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Anrechte und Anrechte aus einem Zeitsoldatenverhältnis, die nach § 44 Abs. 4 VersAusglG mit dem Wert einer fiktiven Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bewerten sind, sind als gleichartig im Sinne von § 18 Abs. 1 VersAusglG anzusehen.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Bundesverwaltungsamts wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 23. Juli 2013 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (II des Tenors) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Hinsichtlich der Anrechte des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (Versicherungskonto Nr. ...) sowie der Anrechte der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, bei der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihres Dienstverhältnisses als Soldatin auf Zeit (Bundesverwaltungsamt, Aktenzeichen ...) und bei der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG (Versicherungsnummer: ...) findet ein Versorgungsausgleich nicht statt.

Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Beschwerdewert: Gebührenstufe bis 3.000 €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) schlossen am ... 2008 miteinander die Ehe und wurden auf den am ... 2012 zugestellten Antrag des Ehemannes durch den angefochtenen Beschluss geschieden. Zugleich hat das Amtsgericht über den Versorgungsausgleich entschieden und den Wertausgleich bei der Scheidung hinsichtlich sämtlicher von den Ehegatten in der Ehezeit (1. März 2008 bis 31. März 2012; § 3 Abs. 1 VersAusglG) erworbenen Anrechte aufgrund der Bagatellklausel des § 18 VersAusglG ausgeschlossen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung - der Ehemann nur in Form von Entgeltpunkten, die Ehefrau daneben auch in Form von Entgeltpunkten (Ost) - und die Ehefrau außerdem ein Anrecht aus privater Rentenversicherung erworben hätten. Es hat angenommen, dass die Ausgleichswertdifferenz zwischen den beiderseitigen Entgeltpunkten sowie die Ausgleichswerte der weiteren Anrechte der Ehefrau geringfügig i.S. des § 18 Abs. 3 VersAusglG seien und dass keine besonderen Umstände vorlägen, die gegen einen Ausschluss des Ausgleichs sprächen.

Das Bundesverwaltungsamt greift die Entscheidung über den Versorgungsausgleich mit der Begründung an, die Ehefrau habe im Gegensatz zum Ehemann, der zum 31. März 2013 aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit ausgeschieden sei und inzwischen in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden sei, während ihrer Dienstzeit als Soldatin auf Zeit, die am 5. Januar 2009 begonnen habe und voraussichtlich noch bis Dezember 2016 andauern werde, kein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Deshalb stünden ihr insoweit "Anwartschaften und Anwartschaften (Ost)" bei der Bundesrepublik Deutschland zu. Diese müssten gemäß § 16 Abs. 2 VersAusglG extern geteilt werden.

Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden, dass der Ausschluss des Ausgleichs nach § 18 VersAusglG auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Anwartschaften der Ehefrau aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit bei der Bundesrepublik Deutschland erworben worden seien, angemessen sein könnte, hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, er halte die Beschwerde aufrecht. Der Ehemann hat gegen den Ausschluss keine Bedenken erhoben und die Prüfung angeregt, ob die Entscheidung des Amtsgerichts berichtigt werden könnte. Die Ehefrau hat sich nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde des Bundesverwaltungsamts hat nur insoweit Erfolg, als im Tenor klarzustellen ist, dass die Ehefrau während ihres Soldatenverhältnisses auf Zeit kein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern ein Anrecht bei der Bundesrepublik Deutschland erworben hat. Auch dieses Anrecht ist jedoch gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG vom Ausgleich auszuschließen.

1. Zu Recht wird von dem Beschwerdeführer gerügt, dass das Amtsgericht davon ausgegangen ist, auch die Ehefrau habe - abgesehen von ihrem Anrecht bei der Zurich Versicherung, das nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist - ausschließlich Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Darauf konnte zwar die Auskunft der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Mitteldeutschland vom 26. November 2012 hindeuten, die keinen Hinweis darauf enthielt, dass die angegebenen ehezeitlichen Entgeltpunkte bzw. Entgeltpunkte (Ost) teilweise noch nicht wirklich gutgeschrieben worden waren, sondern hinsichtlich der im Versicherungsverlauf berücksichtigten "Pflichtbeitragszeit Nachversicherung" ab Januar 2009 nur auf einer fiktiven Nachversicherung beruhten. Allerdings ergab sich dies aus der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 23. Mai 2012, wonach das Dienstverhältnis der Ehefrau als Soldatin auf Zeit am 5. Januar 2009 begonnen hatte und aufgrund einer festgesetzten Dienstzeit von 8 Jahren voraussichtlich bis zum 31. Dezember 2016 andauern würde.

Da für die Dienstzeit als Soldatin auf Zeit tatsächlich bisher keine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt ist, hat die Ehefrau in der Zeit von Januar 2009 bis zum Ende der Ehezeit am 31. März 2012 ein Versorgungsanrecht bei der Bundesrepublik Deutschland erworben. Dabei handelt es sich um ein alternativ ausgestaltetes Anrecht, das sich je nach dem weiteren Verlauf des Dienstverhältnisses entweder - bei einem Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis - auf (spätere) Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder - im Fall einer späteren Begründung des Soldatenverhältnisses auf Lebenszeit - auf eine Soldatenversorgung richtet. Versorgungsträger ist aber jedenfalls derzeit die Bundesrepublik Deutschland, was auf die Beschwerde im Tenor klarzustellen ist. Eine Berichtigung des Versorgungsträgers ist nicht möglich, weil die falsche Bezeichnung kein offensichtliches, d.h. ohne weiteres erkennbares Versehen des Amtsgerichts darstellt. Das Anrecht beruht, wie sich aus der Auskunft der DRV Mitteldeutschland ergibt, teilweise auf Zeiten in den alten Bundesländern (Januar 2009 bis Juni 2011) und teilweise auf Zeiten im Beitrittsgebiet (Juli 2011 bis März 2012).

Neben diesem Anrecht hat die Ehefrau aber in der Ehezeit auch tatsächlich ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Wie sich weiter aus der Auskunft der DRV Mitteldeutschland entnehmen lässt, stand die Ehefrau (auch) in der Zeit von März bis Dezember 2008 in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. In dieser Zeit hat sie 0,3915 Entgeltpunkte zuzüglich 0,0088 Entgeltpunkte aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung erworben.

2. Unbegründet ist die Beschwerde, soweit sie eine externe Teilung des von der Ehefrau ab Januar 2009 erworbenen Anrechts bei der Bundesrepublik Deutschland erstrebt. Zwar sind die alternativen Anrechte von Zeitsoldaten grundsätzlich durch externe Teilung nach § 16 Abs. 2 VersAusglG auszugleichen. Hier hat das Amtsgericht jedoch zu Recht einen Ausschluss des Ausgleichs sämtlicher Anrechte beider Ehegatten aufgrund der Bagatellklausel des § 18 VersAusglG für angemessen gehalten.

Nach § 44 Abs. 4 VersAusglG ist bei einem Anrecht aus einem Dienstverhältnis als Soldatin oder Soldat auf Zeit im Versorgungsausgleich der Wert maßgeblich, der sich bei einer Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ergäbe. Daher ist das Anrecht der Ehefrau bei der Bundesrepublik Deutschland so zu bewerten, als sei sie bereits nachversichert. In diesem Fall würden ihr, wie sich der Auskunft der DRV Mitteldeutschland entnehmen lässt, für die Zeit von Januar 2009 bis Juni 2011 2,0440 Entgeltpunkte und für die Zeit von Juli 2011 bis März 2012 0,7957 Entgeltpunkte (Ost) in der gesetzlichen Rentenversicherung gutgeschrieben. Damit würde sich der Ehezeitanteil ihrer tatsächlich erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaft auf insgesamt 2,4443 Entgeltpunkte und 0,7957 Entgeltpunkte (Ost) belaufen. Für die Gesamtbewertung der Anrechte, die die Ehefrau in der Ehezeit erworben hat, spielt es keine Rolle, welches Anrecht sie in der gesetzlichen Rentenversicherung und welches sie aus dem Dienstverhältnis als Soldatin auf Zeit erworben hat, weil beide Anrechte nach den gleichen gesetzlichen Vorschriften des SGB VI bewertet werden.

Im Rahmen der vorzunehmenden Bagatellprüfung sind zunächst die Ausgleichswerte der gleichartigen Anrechte beider Ehegatten gegenüberzustellen (§ 18 Abs. 1 VersAusglG). Dabei ist vorliegend dem Anrecht des Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht nur das von der Ehefrau tatsächlich in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbene Anrecht, sondern auch ihr bei der Bundesrepublik Deutschland erworbenes und mit dem Wert einer fiktiven Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bewertendes Anrecht gegenüberzustellen. Der Senat teilt die Ansicht des OLG Schleswig (FamRZ 2013, 1904), dass in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Anrechte und nach § 44 Abs. 4 VersAusglG mit dem Wert einer fiktiven Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bewertende Anrechte als gleichartig i.S. des § 18 Abs. 1 VersAusglG anzusehen sind. Dafür spricht, dass es für die Frage der Gleichartigkeit nicht entscheidend darauf ankommt, ob die zu vergleichenden Anrechte bei demselben Versorgungsträger oder auch nur im gleichen Versorgungssystem erworben worden sind, sondern darauf, ob die Anrechte in ihren wesentlichen strukturellen Elementen übereinstimmen. § 18 Abs. 1 VersAusglG verfolgt den Zweck, dass ein wirtschaftlich letztlich nicht erforderlicher Hin-und-her-Ausgleich von beiderseitigen Anrechten beider Ehegatten vermieden wird (BT-Drucks. 16/10144 S. 55; 16/11903 S. 54; BGH FamRZ 2012, 192, 194). Da das alternative Anrecht eines Zeitsoldaten nach der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 44 Abs. 4 VersAusglG mit dem Wert einer Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung in den Versorgungsausgleich fließt, wird es genauso bewertet wie wenn es in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben worden wäre. Damit entspricht die Bewertung in jeder Hinsicht einem Anrecht, das der andere Ehegatte bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat. Für die Frage der Gleichartigkeit völlig unerheblich ist, in welcher Form die zu vergleichenden Anrechte auszugleichen wären. Deshalb spielt es auch keine Rolle, dass das gesetzliche Anrecht des Ehemannes intern und das alternative Anrecht der Ehefrau gemäß § 16 Abs. 2 VersAusglG extern zu teilen wäre.

Nicht von gleicher Art sind allerdings die Teil-Anrechte, die die Ehefrau einerseits in den alten Bundesländern und andererseits im Beitrittsgebiet erworben hat, denn das in den alten Bundesländern erworbene Teil-Anrecht wird mit Entgeltpunkten, das im Beitrittsgebiet erworbene Teil-Anrecht mit Entgeltpunkten (Ost) bewertet (vgl. BGH FamRZ 2012, 192, 194). Demgemäß sind im Rahmen der Prüfung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG den Entgeltpunkten des Ehemannes nur die Entgeltpunkte bzw. fiktiven Entgeltpunkte gegenüberzustellen. Gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG ist der Vergleich der Ausgleichswerte allerdings auf Basis der korrespondierenden Kapitalwerte vorzunehmen (vgl. BGH FamRZ 2012, 192, 194). Der Ausgleichswert des Anrechts des Ehemannes, das ausschließlich auf Entgeltpunkten beruht, beträgt 10.771,58 €, der Ausgleichswert des auf Entgeltpunkten beruhenden Teil-Anrechts der Ehefrau 7.772,48 €. Die Differenz beträgt 2.999,10 € und liegt damit unter der für das Ehezeitende maßgeblichen Bagatellgrenze von 3.150 €. Damit kommt ein Ausschluss dieser Anrechte beider Ehegatten zugunsten des Ehemannes in Betracht.

Der Ausgleichswert des im Beitrittsgebiet erworbenen Teil-Anrechts der Ehefrau beträgt 0,3979 Entgeltpunkte (Ost). Diese haben einen korrespondierenden Kapitalwert von 2.152,81 €, der ebenfalls unter der maßgeblichen Bagatellgrenze liegt. Damit kommt - insoweit zugunsten der Ehefrau - ein Ausschluss des Ausgleichs nach § 18 Abs. 2 VersAusglG in Betracht.

Den Gerichten steht bei der Anwendung der Bagatellklausel ein Ermessensspielraum zur Verfügung. Sie haben in jedem Einzelfall die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten des Versorgungsträgers gegen das Interesse des jeweils ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen. Diese Abwägung fällt zwar bei gesetzlichen Rentenanwartschaften regelmäßig zugunsten der Durchführung des Ausgleichs aus, weil die Umbuchung von Entgeltpunkten zwischen den Ehegatten im Allgemeinen keinen wesentlichen Verwaltungsaufwand erfordert. Hier stehen sich jedoch nicht nur gesetzliche Rentenanwartschaften beider Ehegatten gegenüber. Die Ehefrau hat vielmehr in der Ehezeit auch ein alternatives Anrecht aus ihrem Zeitsoldatenverhältnis erworben. Dieses ist zwar kraft gesetzlicher Regelung wie eine gesetzliche Rentenanwartschaft zu bewerten. Es steht aber noch nicht fest, ob wegen der Dienstzeit im Soldatenverhältnis tatsächlich eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen wird. Es ist auch möglich, dass die Ehefrau in das Soldatenverhältnis auf Lebenszeit übertreten wird. Damit ist auch nicht abschließend abschätzbar, wie groß der Verwaltungsaufwand ausfallen wird.