Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.01.2014, Az.: 10 UF 248/13

Bewilligung der Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 S. 2 2. Hs. ZPO im Fall der Bewilligung innerhalb der Beschwerdefrist isoliert nachgesuchter Verfahrenskostenhilfe (VKH) nach fristgerecht nachgeholter Beschwerdeeinlegung; Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens im familiengerichtlichen Verfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.01.2014
Aktenzeichen
10 UF 248/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 10095
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0116.10UF248.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - - 27.08.2013 - AZ: 617 F 2525/13

Fundstellen

  • FamRZ 2014, 1046
  • JurBüro 2014, 210-211
  • NJW 2014, 8
  • NJW 2014, 1828

Amtlicher Leitsatz

Zwar ist gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes "bei ordnungsgemäßer Verfahrensführung" in Familienstreitsachen nach Beseitigung des Hindernisses für die Beschwerdeeinlegung innerhalb zweiwöchiger Frist einerseits beim Amtsgericht die Beschwerdeschrift, andererseits beim Oberlandesgericht ein Wiedereinsetzungsantrag einzureichen (vgl. Beschluss vom 26. Juni 2013 - XII ZB 83/13 - FamRZ 2013, 1385 ff. = MDR 2013, 1059 f. = juris m.w.N.). Jedoch ist - jedenfalls im Fall der Bewilligung innerhalb der Beschwerdefrist isoliert nachgesuchter Verfahrenskostenhilfe (VKH) - nach fristgerecht nachgeholter Beschwerdeeinlegung Wiedereinsetzung gemäß § 236 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz ZPO von Amts wegen auch ohne (rechtzeitig) parallel beim OLG eingereichten Antrag zu bewilligen.

In der Familiensache
H. M.,
Antragsgegnerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt H. L.,
gegen
K. M.,
Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt H. S.,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht H. und den Richter am Amtsgericht Dr. P. am 16. Januar 2014
beschlossen:

Tenor:

Der Antragsgegnerin wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 27. August 2013 gewährt.

Gründe

I.

Mit am 31. August 2013 zugestelltem Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 27. August 2013 hat das Amtsgericht den zugunsten der Antragsgegnerin bestehenden Unterhaltstitel des Amtsgerichts Springe dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin seit Mai 2013 keinen Unterhalt mehr schuldet.

Mit am selben Tag beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 27. September 2013 begehrte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für eine gegen diesen Beschluss beabsichtigte Beschwerde der Antragsgegnerin. Der Senat hat diesem Antrag nach Anhörung des Antragstellers mit Beschluss vom 10. Dezember 2013 entsprochen. Der Verfahrenskostenhilfe bewilligende Beschluss ist dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin am 19. Dezember 2013 zugestellt worden.

Mit an das Amtsgericht adressiertem und bei diesem am 30. Dezember 2013 eingegangenem Schriftsatz vom 20. Dezember 2013 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren, und legte Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 27. August 2013 ein.

Mit am 8. Januar 2014 ausgeführter Verfügung vom 6. Januar 2014 hat das Amtsgericht den Schriftsatz vom 20. Dezember 2013 dem Senat nachgesandt, wo er am 10. Januar 2014 eingegangen ist.

II.

Im Ergebnis war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO zu gewähren.

1.

Eine Wiedereinsetzung aufgrund des diesbezüglichen Antrags der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2013 gemäß § 233 Satz 1 ZPO kommt dabei nicht in Betracht.

a) Der Wiedereinsetzungsantrag erweist sich als verfristet. Er ist nicht rechtzeitig innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 Satz ZPO beim gemäß § 237 ZPO hierfür zuständigen Senat eingegangen (vgl. Nickel, MDR 2010, 1227, 1230). Fristablauf hierzu wäre am 2. Januar 2014 gewesen. Der Antrag ging jedoch beim Oberlandesgericht erst am 10. Januar 2014 ein.

b) Vorliegend ist unbeachtlich, dass zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim hierfür unzuständigen Amtsgericht am 30. Dezember 2013 die Frist noch nicht abgelaufen war. Zwar folgt aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Verpflichtung des Richters, einen fehlgeleiteten Schriftsatz im Falle der offensichtlichen eigenen Unzuständigkeit an das zuständige Gericht weiterzuleiten (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 2558/05 - NJW 2006, 1579; BGH, Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - NJW 1998, 908).

Allerdings besteht im Sinne dieser Rechtsprechung die Verpflichtung nur insoweit, als die Weiterleitung im üblichen Geschäftsgang erfolgen soll. Angesichts des Eingangs des Schriftsatzes vom 20. Dezember 2013 erst am 30. Dezember 2013 war gerade angesichts des bevorstehenden Jahreswechsels nicht zu erwarten, dass eine derartige Weiterleitung noch erfolgreich bis zum Ablauf des 2. Januar 2014 stattfinden konnte.

c) Vielmehr hätte es dem Verfahrensbevollmächtigten - wie im maßgeblichen Zeitpunkt auch geklärt war - bei ordnungsgemäßer Verfahrensführung oblegen, bis zum Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist einerseits die Beschwerde - wie geschehen - beim Amtsgericht einzulegen und andererseits beim Oberlandesgericht Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu beantragen (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2013 - XII ZB 83/13 - FamRZ 2013, 1385 = MDR 2013, 1059; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - XII ZB 50/11 - FamRZ 2011, 1649).

Letzteres ist, wie ausgeführt, nicht rechtzeitig erfolgt.

2.

Allerdings war die Wiedereinsetzung in die Versäumung der Beschwerdefrist gleichwohl zu gewähren.

§ 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO erlaubt ausdrücklich die Gewährung der Wiedereinsetzung von Amts wegen für den Fall, dass die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist. Mit der Einlegung der Beschwerde beim hierfür gemäß § 64 Abs. 1 FamFG zuständigen Amtsgericht noch innerhalb der Zweiwochenfrist ist diese Voraussetzung erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Versäumnisurteil vom 17. Januar 2013 - III ZR 168/12 - MDR 2013, 672) ist zudem erforderlich, dass der Wille des Beteiligten auf Fortsetzung des Verfahrens klar erkennbar ist. Dieser Wille wurde vorliegend schon durch den Akteninhalt und nicht zuletzt die Einreichung der Beschwerdeschrift innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist deutlich. Schließlich bedurfte es hier auch keiner weiteren Glaubhaftmachung zum fehlenden Verschulden an der Fristversäumung, da sich letzteres in Ansehung des VKH bewilligenden Senatsbeschlusses aus der Akte ergab.

Daher gelangt der Senat in Ausübung des ihm durch § 236 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO eingeräumten Ermessens zur Entscheidung, die Wiedereinsetzung zu gewähren.