Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.01.2014, Az.: 10 WF 4/14
Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Scheidungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.01.2014
- Aktenzeichen
- 10 WF 4/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 10161
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2014:0117.10WF4.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 30.12.2013 - AZ: 611 F 2801/13
Rechtsgrundlage
- § 1566 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- FF 2014, 86-87
- FamRB 2014, 261
- FamRZ 2014, 1479
- JurBüro 2014, 204-205
- MDR 2014, 229
Amtlicher Leitsatz
Für ein Scheidungsverfahren, in dem Härtegründe nicht geltend gemacht werden, kommt vor Ablauf des Trennungsjahres eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) nicht in Betracht.
In der Familiensache
R. W.,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B. S.,
gegen
B. W.,
Antragsgegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro M.,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 21. November 2013 durch die Richter am Oberlandesgericht H. und G. sowie den Richter am Amtsgericht Dr. P. am 17. Januar 2014
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 7. Mai 2013 um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) für die Scheidung der am .... 2004 geschlossenen Ehe der Beteiligten nachgesucht.
Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin rechtliches Gehör zum VKH-Gesuch gewährt. Dabei hat diese der Scheidung widersprochen und ausdrücklich die Nichteinhaltung des Trennungsjahres gerügt. Sie hat die vom Antragsteller selbst vorgetragene räumliche Trennung der Beteiligten durch Auszug des Antragstellers aus der bisherigen Ehewohnung zum 1. April 2013 bestätigt, ein von diesem - lediglich pauschal - behauptetes vorheriges Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung jedoch - auch unter Hinweis darauf, daß es sich lediglich um eine Zwei-Zimmer-Wohnung handele, die ein Getrenntleben im Rechtssinne bereits technisch nicht zulasse - bestritten. Der Antragsteller hat auch in der Folgezeit die Voraussetzungen für ein früheres Getrenntleben im Rechtssinne nicht weiter dargetan, aber auf einer alsbaldigen Bewilligung der VKH bestanden.
Daraufhin hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 21. November 2013 die nachgesuchte VKH versagt, da derzeit keine Erfolgsaussicht für ein Scheidungsverfahren bestehe.
Gegen diesen, ihm am 26. November 2013 zugestellten Beschluß richtet sich die am 27. Dezember 2013 eingegangene sofortige Beschwerde des Antragstellers, der sein Begehren weiterverfolgt. Er vertritt dabei die Auffassung, daß "eine Gerichtspraxis dahingehend bestehe, daß nach neunmonatiger Trennung bereits ein Scheidungsantrag eingereicht werden darf. Weil noch bis zum Scheidungstermin die üblichen Auskünfte zum Versorgungsausgleich und so weiter eingeholt werden müssen, ist nunmehr die beantragte Prozeßkostenhilfe entsprechend zu bewilligen."
Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 30. Dezember 2013 unter Hinweis auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie darauf, daß die Beschwerde verspätet eingelegt sein dürfte, der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der originär berufene Einzelrichter hat die Sache auf den Senat übertragen.
II.
1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zwar zulässig, insbesondere - entgegen der vom Amtsgericht geäußerten Auffassung - auch fristgerecht eingelegt. Angesichts der am 26. November 2013 erfolgten Zustellung des angefochtenen Beschlusses und der Tatsache, daß es sich bei dem 26. Dezember 2013 um einen allgemeinen Feiertag im Sinne von § 222 Abs. 2 ZPO handelt, war die einmonatige Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen, als am 27. Dezember 2013 die Beschwerdeschrift beim Amtsgericht einging.
2. Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet. Zutreffend hat das Amtsgericht dem Antragsteller die nachgesuchte VKH versagt, da - unverändert auch im Zeitpunkt der vorliegenden Beschwerdeentscheidung - der beabsichtigten Rechtsverfolgung aufgrund des noch nicht abgelaufenen Trennungsjahres die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt und der vorfristige Scheidungsantrag des Antragstellers zudem im verfahrenskostenhilferechtlichen Sinne mutwillig ist.
Ein Antrag auf - wie vorliegend nach dem ausdrücklichen Widerspruch der Antragsgegnerin gegeben - streitige Scheidung hat nur Erfolgsaussicht, wenn feststeht, daß die Ehe im Sinne von § 1566 BGB unheilbar gescheitert ist. Dies ist selbst im Falle einer einvernehmlichen Scheidung allein nach Ablauf des Trennungsjahres gemäß § 1566 Abs. 1 BGB der Fall.
Nach herrschender Auffassung der (neueren) obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat ausdrücklich anschließt, kommt - soweit nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine sog. "Härtefallscheidung" substantiiert dargetan sind - eine Bewilligung von VKH erst nach Ablauf des gesetzlich ausdrücklich vorgeschriebenen Trennungsjahres in Betracht, (vgl. OLG Rostock - Beschluß vom 15. Juni 2006 - 11 WF 103/06 - NJW 2006, 3648 f. = OLGR Rostock 2007, 12 f. = [...]; OLG Köln - Beschluß vom 5. November 2003 - 26 WF 258/02 - FamRZ 2004, 1117 = [...]; OLG Dresden - Beschluß vom 5. Dezember 2001 - 20 WF 794/01 - FamRZ 2002, 890 f. = [...]; OLG Hamm - Beschluß vom 20. Dezember 1995 - 12 WF 440/95 - OLGR Hamm 1996, 154 f. = [...]; etwas weiter noch OLG Hamm - Beschluß vom 18. April 1980 - 2 WF 121/80 - [...], für den Fall des "unmittelbar bevorstehenden" Ablaufs).
Entgegen der vom Antragsteller - allerdings bereits ohne jegliche Substanz - vertretenen Auffassung vermag der Senat auch weder eine vermeintliche "Gerichtspraxis" festzustellen, nach der bereits nach einer neunmonatigen Trennung ein Scheidungsantrag eingereicht werden dürfte, noch wäre eine tatsächliche derartige "Praxis" überhaupt geeignet, die ausdrückliche gesetzliche Regelung außer Kraft zu setzen.
Der Gesetzgeber hat das Erfordernis einer einjährigen Trennung selbst für eine einvernehmliche Scheidung bewußt eingeführt, um damit übereilten Scheidungen vorzubeugen (BT-Drs. 7/650 S. 112 und 7/4362 S. 11). Der Gesetzgeber geht damit ersichtlich davon aus, daß einem nicht bereits über die Dauer eines Jahres bestehenden Scheidungswillen rechtlich keine erhebliche Bedeutung zukommt. Deswegen darf eine - für die Bewilligung von VKH erforderliche - hinreichende Erfolgsaussicht (selbst für eine - im Streitfall nicht einmal gegebene - einvernehmliche Scheidung) erst dann angenommen werden, wenn die vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnete Jahresfrist bereits tatsächlich abgelaufen ist.
Nachdem der Antragsteller im Streitfall ausdrücklich auf einer unmittelbaren Entscheidung über sein VKH-Gesuch bestand, blieb für das Amtsgericht auch keine Möglichkeit, wie in der Literatur (vgl. Zimmermann, Prozeßkosten- und Verfahrenskostenhilfe4, Rz. 188) angeregt wird und grundsätzlich sachgerecht sein dürfte, die Entscheidung über das VKH-Gesuch bis zu einem Zeitpunkt nach Ablauf des Trennungsjahres zurückzustellen.