Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.01.2014, Az.: 2 W 275/13

Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten im Spruchverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.01.2014
Aktenzeichen
2 W 275/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 10015
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0103.2W275.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 24.10.2013

Fundstellen

  • AGS 2014, 150-152
  • DAR 2014, 296-298
  • NJW 2014, 8
  • NJW 2014, 2806
  • NJW-RR 2014, 952-953
  • NJW-Spezial 2014, 189
  • RVGreport 2014, 115-116

Redaktioneller Leitsatz

Die Kosten einer außerhalb eines Spruchverfahrens eingeholten Rechtsberatung sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn der Beteiligte im Spruchverfahren anwaltlich nicht vertreten war und die Kosten der Beratung niedriger waren als es die Kosten der Vertretung im Spruchverfahren gewesen wären.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 4. November 2013 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss II der Rechtspflegerin der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 24. Oktober 2013 geändert und die aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Landgerichts Hannover vom 22. August 2013 von der Antragsgegnerin an die Antragsteller zu 20 und 21 zu erstattenden Kosten auf 380,90 € festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegnerin 25 % und die Antragsteller zu 20 und 21 75 %.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.580,90 €.

Gründe

I.

Das Landgericht Hannover hat in der Kostenentscheidung des am 22. August 2012 verkündeten Beschlusses (Bd. XXV Bl. 207 ff. d.A.) u.a. der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 20 und 21 auferlegt.

Die Antragsteller zu 20 und 21 haben mit Kostenfestsetzungsantrag vom 14. Juli 2013 (Bd. XXVII Bl. 613 d.A.) beantragt, die ihnen in Höhe von insgesamt 1.865,40 € erstinstanzlich entstandenen außergerichtlichen Kosten des Spruchverfahrens gegen die Antragsgegnerin festzusetzen. Sie machen mit ihrem Antrag 1.190,00 € Beratungskosten ihres Rechtsanwalts gemäß Honorarabrechnung vom 16. Oktober 2012 (Bl. 618 d.A.), 665,40 € Reisekosten für die Wahrnehmung des Termins am 9. Mai 2012 sowie 10,00 € Auslagenpauschale geltend.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 13. August 2013 (Bl. 619 ff. d.A.) Einwendungen gegen diese von den Antragstellern geltend gemachten Kosten erhoben. Pauschale Beratungskosten seien wie auch pauschale Kosten der Korrespondenz nicht nach § 91 ZPO erstattungsfähig. Die Antragsteller zu 20 und 21 seien in B. wohnhaft bzw. geschäftsansässig und hätten daher von dort aus - und nicht von M. - zum Termin nach Hannover anreisen können.

Die Antragsteller haben dazu mit Schreiben vom 30. August 2013 (Bl. 624 d.A.) und 8. Oktober 2013 (Bl. 628 d.A.) ausgeführt, dass die Kosten der anwaltlichen Beratung erstattungsfähig seien, weil eine anwaltliche Vertretung im Termin am 9. Mai 2012 weitaus höhere Rechtsanwaltskosten verursacht hätte. Der Antragsteller zu 20 sei seit 2009 in Berlin wohnhaft und arbeite seit Januar 2011 dauerhaft in M., so dass er am Vortage von M. nach B. gereist sei und am Termintag (9. Mai 2012) frühmorgens von Berlin mit dem Pkw nach Hannover gefahren sei. Von Hannover aus sei er noch am selben Tag mit dem Pkw zurück nach M. gefahren, wobei er wegen der langen Dauer des Termins gegen Mitternacht in der Nähe von N. eine Zwischenübernachtung habe vornehmen müssen. Der Schriftverkehr sei für beide Antragsteller umfangreich gewesen; aus Vereinfachungsgründen werde lediglich die Pauschale geltend gemacht.

Die Rechtspflegerin hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss II vom 24. Oktober 2013 (Bl. 630 ff. d.A.) die aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Landgerichts Hannover vom 22. August 2012 von der Antragsgegnerin an die Antragsteller zu 20 und 21 zu erstattenden Kosten auf 1.580,90 € festgesetzt. Die Rechtspflegerin hat dabei die Beratungskosten in Höhe von 1.190,00 € und die Auslagenpauschale von 10,00 € in vollem Umfang berücksichtigt, hinsichtlich der Fahrtkosten jedoch lediglich 380,90 € (statt 665,40 €) festgesetzt und die Kosten für eine Informationsreise nach Braunschweig zum Rechtsanwalt abgesetzt.

Gegen diesen ihr am 1. November 2011 zugestellten (Bl. 638 d.A.) Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Antragsgegnerin mit vorab per Telefax am 5. November 2013 eingegangenem Schriftsatz vom 4. November 2013 sofortige Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass keine anwaltlichen Gebühren erstattungsfähig seien, da die Antragsteller zu 20 und 21 im Verfahren nicht anwaltlich vertreten gewesen seien und eine Beratungsvergütung im Sinne des § 34 RVG im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erstattungsfähig sei. Die Antragsteller hätten auch nicht glaubhaft gemacht, dass eine Anreise aus M. erforderlich gewesen sei. Als Parteien seien sei auch nicht zur Erhebung von Pauschalgebühren (Auslagenpauschale) berechtigt.

Die Antragsteller haben mit Schreiben vom 17. November 2013 (Bl. 645 ff. d.A.) zu der sofortigen Beschwerde Stellung genommen. Die Kosten ihrer anwaltlichen Beratung seien erstattungsfähig, da sie vor der Wahrnehmung des Termins am 9. Mai 2012, zu dem ihr persönliches Erscheinen vom Gericht angeordnet war, als im Bereich des Spruchverfahrensrecht rechtlich unerfahrene Parteien einer grundsätzlichen Beratung bedurft hätten. Die Kosten der Beratung seien auch erheblich niedriger als die Kosten einer - fiktiven - anwaltlichen Vertretung im Termin. Der Kammertermin habe an einem Mittwoch stattgefunden, so dass die Anreise des Antragstellers zu 20, der zugleich Geschäftsführer der Antragstellerin zu 21 sei, aus M. als dem Arbeitsort habe erfolgen müssen, weil es nicht zumutbar sei, ggf. mehrere Tage Urlaub nehmen zu müssen, um Fahrtkosten zu sparen.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts Hannover hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2013 (Bl. 673 ff. d.A.) der Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist gemäß § 11 Abs. 1 RpflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO, § 85 FamFG a.F. zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die sofortige Beschwerde hat auch überwiegend Erfolg.

1. Die Rechtspflegerin des Landgerichts Hannover hat die Kosten der außergerichtlichen anwaltlichen Beratung gemäß Honorarrechnung der Rechtsanwälte S. & P. vom 16. Oktober 2012 in Höhe von 1.190,00 € zu Unrecht gegen die Antragsgegnerin festgesetzt.

Erstattungsfähig sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO nur diejenigen Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendig waren. Ob eine Maßnahme notwendig war, richtet sich zunächst grundsätzlich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf also ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (vgl. BGH FamRZ 2004, 866 f., Rn. 27 Juris). Dieses Recht der Partei gilt indes nicht schrankenlos. Die Partei ist verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie bei einem Obsiegen vom Gegner erstattet haben will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (vgl. BGH - VI ZB 7/12 - Beschluss vom 10. Juli 2012; BGH NJW 2007, 2257 [BGH 02.05.2007 - XII ZB 156/06]; BVerfG NJW 1990, 3072, 3073; Senat - 2 W 238/13 - Beschluss vom 29. Oktober 2013; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 91 Rn. 12). § 91 ZPO bringt insoweit das Gebot einer sparsamen bzw. ökonomischen Prozessführung zum Ausdruck, welches als Ausprägung des die gesamte Privatrechtsordnung und das Prozessrecht beherrschenden Prinzips von Treu und Glauben wie auch der Schadensminderungspflicht i. S. von § 254 BGB verstanden wird (vgl. MüKo/Giebel, ZPO, 3. Auflage, § 91 Rn. 38). Der prozessuale Erstattungsanspruch besteht daher nur in den Grenzen einer sparsamen, nicht aber der einer optimalen Prozessführung (vgl. Senat aaO.; OLG Jena OLG-NL 2006, 207, 208; MüKo/Giebel, aaO.).

Danach sind die Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten, soweit die einzelne Maßnahme zur zweckentsprechenden Führung des Rechtsstreits notwendig war (vgl. Zöller/Herget, aaO., § 91 Rn. 13 "Rechtsanwalt").

Die Antragsteller haben sich im Verfahren nicht von einem Anwalt vertreten lassen, so dass dafür keine - nach der Kostengrundentscheidung nunmehr zu erstattenden - Rechtsanwaltsgebühren nach dem RVG entstanden sind. Dass diese fiktiven und tatsächlich nicht entstandenen Rechtsanwaltskosten für eine anwaltliche Vertretung im Verfahren höher wären als die tatsächlichen Kosten der erfolgten Beratung sind, kann für sich genommen jedoch keine Begründung dafür bilden, dass die in Bezug zu den nicht entstandenen fiktiven Kosten geringeren tatsächlichen Kosten allein wegen der Kostenersparnis dadurch zu notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung werden. Das Landgericht hat seine Kostenfestsetzung insoweit aber lediglich damit begründet, dass die festgesetzten Kosten unter den Kosten gemäß RVG liegen würden und hat sich mit den diesbezüglichen Einwänden der Antragsgegnerin weder im Kostenfestsetzungsbeschluss noch im Nichtabhilfebeschluss näher auseinandergesetzt.

Vor allem aber wird die Festsetzung von Gebühren, die durch außergerichtliche Anwaltstätigkeit entstanden sind, im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ff ZPO überwiegend abgelehnt (vgl. Zöller/Herget aaO. § 104 Rn. 21 "außergerichtliche Anwaltskosten" m.w.N.; OLG Rostock JurBüro 2008, 371-372; aA: LG Berlin AGS 2008, 268-269), auch wenn diese Kosten als prozessbezogen und damit dem Grunde nach erstattungsfähig anzusehen sein sollten.

Bei der Ratsgebühr nach § 34 RVG - wie sie vorliegend der Sache nach von den Antragstellern geltend gemacht wird - handelt es sich um eine vereinbarte Gebühr, welche grundsätzlich als im Kostenfestsetzungsverfahren nicht erstattungsfähig angesehen wird, sondern die ggf. im Wege eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs einzuklagen ist, weil sich das auf vereinfachte und klare Prüfungskriterien zugeschnittene Kostenfestsetzungsverfahren nicht für die Festsetzung von Beträgen aus Honorarvereinbarungen eignet (vgl. Zöller aaO. § 91 Rn. 13 "Ratsgebühr"; OLG Rostock JurBüro 2008, 371-372 m.w.N.).

2. Ebenso wenig sind die Kosten für die Korrespondenz mit pauschal 10,00 € von der Antragsgegnerin an die Antragsteller zu erstatten.

Der allgemeine Prozessaufwand, wie z.B. die Prozessvorbereitung durch Durcharbeiten des Prozessstoffes, Fertigung von Schriftsätzen, Recherchen, Sammlung und Sichtung von Tatsachen- und Beweismaterial, stellt für die Partei grundsätzlich keinen im Wege der Kostenfestsetzung erstattungsfähige Position dar (vgl. Zöller aaO. § 91 Rn. 13 "allgemeiner Prozessaufwand" m.w.N.). Zu den grundsätzlich insoweit jedoch erstattungsfähigen Kosten der Partei für die Prozessvorbereitung zählen hingegen Fotokopien, Post - und Telekommunikationsdienstleistungen, wenn diese für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendig waren (vgl. OLG Schleswig JurBüro 1992, 172; LG Bonn AGS 200, 596).

Allerdings hängt die Erstattungsfähigkeit von Telefon-, Kopier- und Portokosten von einer ausreichenden Darlegung des Antragstellers ab, weil die Kosten nur in der tatsächlich entstanden Höhe zu erstatten sind. Für Pauschalen - wie sie das RVG vorsieht - ist bezüglich der Partei jedoch kein Raum; Pauschalvergütungen können nur Rechtsanwälte und Rechtsbeistände verlangen (vgl. OLG Rostock, JurBüro 2008, 371-372; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.12.2002, 11 W 134/02, Rn. 6 Juris; OLG Koblenz AnwBl. 1996, 412). Der Beklagte hat zu seinen Korrespondenzkosten konkret jedoch nicht vorgetragen.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat insoweit auch weder im Kostenfestsetzungsbeschluss noch im Nichtabhilfebeschluss eine Begründung für die von ihr angenommene Erstattungsfähigkeit der pauschal geltend gemachten Auslagen benannt.

3. Mit Recht hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Hannover jedoch Reisekosten der Antragsteller zu 20 und 21 in Höhe von insgesamt 380,90 € gegen die Antragsgegnerin festgesetzt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig sind grundsätzlich die Fahrtkosten nebst Reiseaufwand und ggf. Übernachtungskosten der Partei (vgl. Zöller aaO. § 91 rn. 13 "Reisekosten"; OLG Celle NJOZ 2009, 2281), zumal wenn das persönliche Erscheinen der Parteien zum Verhandlungstermin durch das Gericht angeordnet worden war (OLG Brandenburg JurBüro 2009, 434).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind vorliegend auch die vom Landgericht festgesetzten Fahrtkosten M. - Hannover - M. nebst Übernachtung erstattungsfähig. Die Antragsteller haben insoweit unbestritten vorgetragen, dass der Antragsteller zu 20 seit dem Jahr 2011 dauerhaft in der Woche in M. wohnt und arbeitet, so dass er zu dem Termin am 9. Mai 2012, einem Mittwoch, aus M. anreisen musste und durfte. Die Antragsgegnerin hat zwar bemängelt, dass er die Tatsache "Arbeitsort M." nicht glaubhaft gemacht habe; dies war jedoch mangels Bestreiten des Vortrags durch die Antragsgegnerin auch nicht notwendig.

Der Antragsteller zu 20 war nicht verpflichtet, aus B. zum Termin anzureisen, da er dort ausweislich der Meldebestätigung vom 24. Juli 2009 bereits seit Mai 2009 nicht mehr wohnhaft war, sondern nach B. umgezogen ist. Eine Reise B. - Hannover - B. war ihm nicht zuzumuten, da er insoweit gezwungen gewesen wäre, bei seinem Arbeitgeber mehr als einen Tag Urlaub zu nehmen. Dazu ist er aber auch unter Kostenminderungsgesichtspunkten nicht verpflichtet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 1812 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus der Höhe der von dem Landgericht gegen die Antragsgegnerin festgesetzten Kosten.