Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.07.2010, Az.: 10 WF 215/10
Beiordnung eines Rechtsanwalts in einem Gewaltschutzverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.07.2010
- Aktenzeichen
- 10 WF 215/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 18806
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0707.10WF215.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 29.03.2010 - AZ: 609 F 1087/10
Rechtsgrundlage
- § 78 Abs. 2 FamFG
Fundstellen
- FPR 2010, 579-580
- FamRZ 2010, 2005-2006
- NJW-Spezial 2010, 678
Amtlicher Leitsatz
1. Für ein einstweiliges Anordnungsverfahren nach demGewaltschutzgesetz, in dem die Antragstellerin unter Vorlage u.a. eines Polizeiberichtes über vom Antragsgegner begangene (wiederholte) Bedrohungen und einen infolgedessen erfolgten einwöchigen polizeilichen Platzverweis zum wiederholten Male eine Wohnungszuweisung begehrt, ist die Beiordnung eines Anwaltes nicht erforderlich.
2. Nach der Regelung durch § 78 Abs. 2 FamFG ergibt sich eine Notwendigkeit zur Anwaltsbeiordnung auch nicht allein daraus, daß ein anderer Beteiligter anwaltlich vertreten ist. dies gilt erst recht, wenn die Antragstellerin lediglich - ohne entsprechend dargelegte Grundlage - für den Antragsgegner einen Verfahrensbevollmächtigten angibt und der Antragsgegner den sodann ohne seine Anhörung ergangenen Beschluß ohne weitere Reaktion hinnimmt.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten sind Eheleute, zwischen denen ein Scheidungsverfahren rechtshängig ist. zwischen ihnen hat es in der jüngeren Vergangenheit - wie von der Antragstellerin selbst ausdrücklich angegeben - bereits drei Verfahren betreffend die Wohnungszuweisung und weitere Schutzanordnungen gegeben. das amtsgerichtliche Vorblatt belegt mindestens weitere vier einstweilige Anordnungsverfahren zwischen ihnen über andere Verfahrensgegenstände. Vorliegend hat die Antragstellerin mit am selben Tag per Fax eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 24. Februar 2010 im Wege einstweiliger Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt, ihr die Ehewohnung zur alleinigen Benutzung zuzuweisen und dem Antragsgegner das Betreten der Wohnung, jegliche Annäherung sowie Bedrohungen, Verletzungen und Beleidigungen der Antragstellerin zu untersagen. sie hat zugleich um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung ihrer Anwältin nachgesucht. Zur Begründung des Sachantrages hat sie sich auf einen - durch entsprechende Urkunden belegten - Vorfall vom 17. Februar 2010 berufen, der polizeilich vor Ort als Fall häuslicher Gewalt aufgenommen worden war und einen gegen den Antragsgegner für die Dauer einer Woche - also bis zum 24. Februar 2010 - ausgesprochenen polizeilichen Platzverweis sowie ein gegen diesen noch laufendes Strafverfahren zur Folge hatte. Im Rahmen der Antragsschrift hat die Antragstellerin für den Antragsgegner einen´Verfahrensbevollmächtigten´ angegeben. weder zu dessen Mandatierung für ein derartiges Verfahren noch zu dessen etwa außergerichtlichem Tätigwerden im Zusammenhang mit der aktuellen Gewaltschutzsache sind irgendwelche Angaben erfolgt.
Das Amtsgericht hat noch am selben Tag durch Beschluß dem Sachbegehren der Antragstellerin entsprochen. Der Beschluß ist in der Folgezeit dem angegebenen Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners von Anwalt zu Anwalt zugestellt worden. dessen Tätigwerden hat sich auf ein Akteneinsichtsgesuch und die Rückgabe der überlassenen Akte beschränkt.
Das Amtsgericht hat schließlich der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe bewilligt, zugleich aber die ebenfalls nachgesuchte Beiordnung einer Verfahrensbevollmächtigten versagt, da eine anwaltliche Vertretung nicht notwendig erscheine. Der dagegen form und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen. Das Amtsgericht hat dazu ausgeführt, daß die Sach und Rechtslage nicht als schwierig anzusehen sei und eine sachgerechte Antragstellung unproblematisch über die Rechtsantragstelle des Gerichts hätte erfolgen können. die zur zusätzlichen Stützung der Notwendigkeit einer Anwaltsbeiordnung angegebenen vermeintlichen Schwierigkeiten der Antragstellerin mit der deutschen Sprache seien angesichts deren aus den Akten ersichtlichen unproblematischen Verständigungsmöglichkeiten bei Polizei und der - nicht ersichtlich durch besondere entsprechende Sprachkenntnisse qualifizierten - Verfahrensbevollmächtigten sowie der Angaben im Rahmen der abgegebenen umfangreichen eidesstattlichen Versicherung (´Ich habe die eidesstattliche Versicherung selbst gelesen. Ich habe den Inhalt verstanden´) schon nicht nachvollziehbar und könne für sich eine Anwaltsbeiordnung nicht begründen. Weiter sei die Antragstellerin ausweislich der zahlreichen geführten Vorverfahren auch gerichtserfahren. Die Anwaltsbeiordnung könne nach der durch § 78 Abs. 2 FamFG veränderten Rechtslage auch nicht allein aufgrund einer anwaltlichen Vertretung des Gegners erfolgen, zumal es im Streitfall für eine derartige Vertretung allein die entsprechende Benennung durch der Antragstellerin gebe.
II. Die zulässige Beschwerde kann in der Sache keinen Erfolg haben. Uneingeschränkt zutreffend hat das Amtsgericht für den Streitfall die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung durch die Antragstellerin verneint.
1. Nach der seit September 2009 - also auch für das vorliegende Verfahren - maßgeblichen Regelung in § 78 Abs. 2 FamFG erfolgt für Verfahren, in denen - wie vorliegend - die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, im Rahmen der VKH die Beiordnung eines Anwaltes nur noch dann, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Sach und Rechtslage erforderlich erscheint, also in qualifizierten Ausnahmefällen (vgl. insoweit etwa Zöller28Geimer, ZPO, § 27 FamFG Rz. 4f.).
2. Im Streitfall hat sich die Verfahrensbevollmächtigte im Rahmen der Antragsschrift darauf beschränkt, den bereits polizeilich aufgenommenen und dokumentierten Vorfall vom 17. Februar 2010 und die allgemeinen Daten der Beteiligten und ihrer vier gemeinsamen minderjährigen Kinder wiederzugeben sowie die der Antragstellerin vorliegenden Urkunden - den allein auf sie lautenden Mietvertrag und den polizeilichen Bericht zu dem Vorfall vom 17. Februar 2010 - sowie eine entsprechende eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin beizufügen. Es ist nicht ersichtlich, warum es der Antragstellerin nicht möglich gewesen sein sollte, auf der Grundlage der beiden ihr vorliegenden Urkunden eine entsprechende Schilderung und ihre eidesstattliche Versicherung auch mit Hilfe der Rechtsantragstelle des örtlichen Amtsgerichtes aufnehmen zu lassen und dort einen derartigen Antrag zu stellen. nach der Erfahrung des erkennenden Senates wird eine solche Vorgehensweise von einer großen Anzahl Betroffener (nicht nur) in vergleichbar eindeutiger Ausgangslage gewählt, ohne daß daraus erkennbar rechtliche oder tatsächliche Nachteile entstehen würden. Dies gilt umso mehr, als im vorliegenden Fall aufgrund des erfolgten einwöchigen Platzverweises für das Tätigwerden der - mit derartigen Anordnungsverfahren auch bereits gut vertrauten - Antragstellerin ausreichend Zeit zur Verfügung stand.
Es kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen begrenzte Kenntnisse der deutschen Sprache, die ggf. durch einen Dolmetscher behoben werden müßten, für sich allein überhaupt die Beiordnung eines Anwaltes rechtfertigen können. zutreffend hat bereits das Amtsgericht insofern darauf abgestellt, daß im Streitfall eine relevante sprachliche Einschränkung der Antragstellerin schon weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich ist.
3. Für eine im Streitfall dennoch ausnahmsweise bestehende Notwendigkeit der Anwaltsbeiordnung kann sich die Antragstellerin schließlich auch nicht erfolgreich unter dem Gesichtspunkt der´Waffengleichheit´ darauf berufen, der Antragsgegner sei seinerseits anwaltlich vertreten.
Wie der Senat bereits ausdrücklich ausgesprochen hat, ergibt sich nach der Regelung durch § 78 Abs. 2 FamFG eine Notwendigkeit der Anwaltsbeiordnung schon nicht allein aus der Tatsache, daß ein anderer Verfahrensbeteiligter anwaltlich vertreten ist (vgl. Senatsbeschluß vom 15. Februar 2010 - 10 WF 59/10 - Nds. Rpfl. 2010, 171 = AGS 2010, 187 = FamRB 2010, 175). Dies gilt umso mehr, wenn - wie im Streitfall - sich eine etwaige anwaltliche Vertretung des anderen Verfahrensbeteiligten in keiner Weise auswirkt, etwa weil der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners lediglich - ohne jegliche Angabe zu einer entsprechenden Mandatierung oder eines entsprechend erfolgten tatsächlichen Tätigwerdens - durch die Antragstellerin im Rubrum angegeben wird, der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners lediglich die Zustellung unwidersprochen entgegennimmt und der Antragsgegner abgesehen von einer Akteneinsicht über seinen angegebenen Verfahrensbevollmächtigten an dem Verfahren in keiner Weise aktiv beteiligt.