Landgericht Oldenburg
Urt. v. 03.01.2007, Az.: 5 S 401/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 03.01.2007
- Aktenzeichen
- 5 S 401/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 61000
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2007:0103.5S401.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Westerstede - 24.05.2006 - AZ: 21 C 160/06 (V)
- nachfolgend
- BGH - 19.02.2008 - AZ: VI ZR 32/07
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 24.05.2006 - 21 C 160/06 - geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 105 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen (§ 540 Nr. 1 ZPO).
Der Kläger nimmt nunmehr ergänzend auf die Erklärung Anlage BE1 (Bl. 205 d.A.) Bezug, die seine Mutter bei der Anmietung des PKW bei der Firma Warnken unterzeichnet habe. Die Beklagte bestreitet, daß Vorlage und Unterzeichnung der Urkunde bereits bei der Anmietung erfolgt seien.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
1.)
Entgegen der im Schriftsatz vom 05.12.2006 geäußerten Ansicht des Klägers verkennt die Kammer nicht die Zweistufigkeit der vom BGH vorgegebenen Prüfung. Vorliegend kommt es im Ergebnis jedoch nicht darauf an, ob der von der Firma Warnken mit der Rechnung vom 01.11.2005 geltend gemachte Unfallersatztarif der Höhe nach durch betriebswirtschaftliche Erwägungen gerechtfertigt werden kann oder dem Kläger ein anderer Tarif zugänglich war. Denn es kann bereits nicht festgestellt werden, daß die Inanspruchnahme gerade der speziellen Leistungen, die nach dem Unfallersatztarif abgerechnet werden - also insbesondere die sofortige Überlassung eines Mietwagens ohne Vorkasse und Sicherheitsleistung - überhaupt aus der Sicht eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Klägers unfallbedingt erforderlich (§ 249 BGB) war. Dies wäre jedoch Mindestvoraussetzung für die Begründetheit des Klageanspruchs und für die weitergehende Prüfung der Frage, ob die Höhe des Tarifs berechtigt ist oder ein anderer Tarif zugänglich war.
Im erstinstanzlichen Verfahren hatte der Kläger lediglich vorgetragen, seine Mutter sei darauf angewiesen gewesen, am Unfalltag sofort mit einem Ersatzfahrzeug weiterfahren zu können (Schriftsatz vom 03.05.2006). Dies reicht nicht aus. Zum einen ist dieser Vortrag zu pauschal. Zum anderen ist unerheblich, ob die Mutter des Klägers weiterfahren musste. Sie ist offenbar nicht die Geschädigte, wenn auch unklar geblieben ist, wer eigentlich Eigentümer des beschädigten PKW ist.
Trotz des deutlichen Hinweises der Kammer vom 23.10.2006 hat der Kläger jedoch keinerlei Einzeltatsachen zu der Behauptung vorgetragen, er sei auf die Leistungen des Unfallersatztarifes angewiesen gewesen. Er hat sich im Schriftsatz vom 15.11.2006 darauf beschränkt vorzutragen, daß er am Unfalltag sofort ein Fahrzeug zur Weiterfahrt anmieten musste, und diesen Umstand als unstreitig zu bezeichnen. Das reicht immer noch nicht. Die Notwendigkeit der sofortigen Weiterfahrt rechtfertigt ohne weiteres noch nicht die sofortige Anmietung eines Ersatzfahrzeugs. Es ist nach wie vor nicht hinreichend erkennbar, warum ein über die Heimfahrt - hier innerhalb derselben Ortschaft! - hinausgehender sofortiger Bedarf für ein Ersatzfahrzeug bestanden haben soll. Auch der lediglich pauschale Hinweis auf eine Behinderung des Klägers reicht dazu nicht aus.
Der Geschädigte muss sich grundsätzlich nicht auf billigere Verkehrsmittel verweisen lassen, es sei denn, diese bieten denselben Komfort wie ein jederzeit zur Verfügung stehendes Auto. Deshalb muss der Geschädigte eine Taxe in Anspruch nehmen, wenn dies (vor allem wegen einer geringen Fahrleistung in der Reparaturzeit) preiswerter ist. Voraussetzung dafür ist aber, dass eine Taxe jederzeit ohne weiteres erreichbar ist und als vergleichbares Ersatzfahrzeug in Betracht kommt. Hieran kann es fehlen, wenn der Geschädigte das Fahrzeug für tägliche Geschäftsbesorgungen benötigt (MüKo-Oetker, 4. Aufl., § 249 Rz. 401 m.N.). Im übrigen ist der Geschädigte wegen § 254 Abs. 1 verpflichtet, den für ihn voraussichtlich günstigsten Tarif zu wählen und sich ggf. nach Sonder- oder Pauschaltarifen zu erkundigen (MüKo a.a.O. Rz. 403 m.N.).
Der Kläger trägt im Schriftsatz vom 15.11.2006 selbst vor, daß die Preisliste für den Unfallersatztarif bei der Firma Warnken für jedermann einsehbar gewesen sei; er bzw. seine Mutter hätte also erkennen können, daß der Unfallersatztarif teurer ist als die übrigen Tarife. Selbst wenn ein Preisunterschied zwischen Normaltarif und Unfallersatztarif nicht ohne weiteres erkennbar gewesen wäre, hätte im Hinblick auf das Merkblatt für einen verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen Anlaß zur Frage nach Preisen bestanden. Offenbar ist diese Frage jedoch unterblieben.
Der Kläger hat unstreitig mit dem angemieteten Fahrzeug eine Kilometerleistung von durchschnittlich 51 km pro Tag erreicht. Die Kammer bezweifelt, daß er die entsprechenden Fahrten insgesamt mit einem Taxi günstiger hätte durchführen können. Sie hält aber an ihrer Auffassung fest, daß es dem Kläger bzw. seiner Mutter im Hinblick auf das - nach dem Vortrag des Klägers - bei der Anmietung unterzeichnete Merkblatt zumutbar gewesen wäre, sich mit der Beklagten kurzfristig wegen der Mietwagenkosten im Normaltarif in Verbindung zu setzen und eine Deckungszusage einzuholen (ebenso BGH NJW 2006, 2693, 2964 a.E.) bzw. einen Kostenvorschuß zu fordern und jedenfalls bis dahin billiger mit dem Taxi zu fahren. Warum dies nicht zumutbar gewesen wäre, kann das Gericht dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen.
Wie sich aus dem erst im Berufungsverfahren vorgelegten Merkblatt ergibt, hätte alternativ auch ein "Werkstatttarif" für 3 Tage in Anspruch genommen werden können. Von Vorauskasse ist dabei nicht die Rede. Es wäre jedenfalls mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zumutbar gewesen, diesen günstigeren Tarif in Anspruch zu nehmen und innerhalb dieser Zeit eine Klärung mit der Beklagten für die weitere Zeit herbeizuführen.
Auf die vom Kläger bestrittene Möglichkeit, am Unfalltag eine Deckungszusage zu erhalten, kommt es daher ebensowenig an wie auf die Frage, ob hier Konkurrenzangebote einzuholen gewesen wären. Die Kammer neigt allerdings dazu, diese letztgenannte Frage zu bejahen.
Soweit der Kläger sich im Schriftsatz vom 05.12.2006 darauf beruft, er habe im Zeitpunkt der Anmietung gar nicht gewusst, wer der Haftpflichtversicherer seines Unfallgegners gewesen sei, ist die Beklagte dem im Schriftsatz vom 12.12.2006 überzeugend und unwidersprochen entgegengetreten.
Tatsächlich hatte hier der Kläger wohl zunächst subjektiv keinen Anlaß, sich wegen der Mietwagenkosten zeitnah mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Jedoch dürfte dies auf die Hinweise in dem vorgelegten Merkblatt zurückzuführen sein, die jedoch unvollständig sind und auf eine überholte Rechtsprechung Bezug nehmen. Dies geht allerdings nicht zu Lasten der Beklagten.
2.)
Im Ergebnis war daher von der Beklagten allenfalls der günstigere Normaltarif zu zahlen. Diesen hat sie in der Klageerwiderung zutreffend berechnet, so daß kein weitergehender Anspruch mehr besteht und damit auch die Nebenforderungen unbegründet sind.
III.
Die Nebenentscheidungen haben, ihre Rechtsgrundlage in den §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.