Landgericht Oldenburg
Urt. v. 19.09.2007, Az.: 5 O 663/07

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
19.09.2007
Aktenzeichen
5 O 663/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 61005
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2007:0919.5O663.07.0A

Tenor:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, es künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Rahmen des Apothekenbetriebs Filzengel und/oder Organza-Tischdecken und/oder Engel aus Metall und/oder Keramik-Nikolause und/oder Drahtbäume und/oder Türschilder und/oder Tee- und Windlichter und/oder Holzfiguren und/oder Metallsterne und/oder Kinderdecken und/oder Plüschtiere mit Rasseln zu bewerben wie nachfolgend aufgeführt

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  6. oder zu verkaufen.

  7. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten Ordnungsgeld bis zu 250 000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

  8. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 176,64 € zzgl. 7 % MwSt. in Höhe von 12,36 €, insgesamt also 189,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2007 zu zahlen.

  9. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  10. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10 000 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit des Vertriebs bestimmter Waren durch die Beklagte. Es handelt sich um das Hauptsacheverfahren zu dem einstweiligen Verfügungsverfahren 5 O 3351/06.

2

Die Beklagte betreibt eine Apotheke in Oldenburg und vertrieb dort zur Weihnachtszeit 2006 u.a. die im Tenor genannten Waren, die sie mit dem im Tenor gezeigten Prospekt neben anderen Artikeln bewarb.

3

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe damit in wettbewerbswidriger Weise gegen § 25 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) verstoßen. Nachdem die Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat, beantragt die Klägerin,

  1. wie erkannt.

4

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

5

Die Beklagte meint, der Vertrieb der beanstandeten Waren sei nach seinem Umfang ein Nebengeschäft im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 8 des Apothekengesetzes. Der Verordnungsgeber habe von der in dieser Vorschrift enthaltenen Ermächtigung nur insofern Gebrauch gemacht, als er in § 25 ApBetrO die apothekenüblichen Waren definiert habe. Dagegen seien Regelungen zu den Nebengeschäften nicht getroffen worden, so dass insoweit keine Einschränkung bestehe.

6

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist zulässig und begründet.

8

I.

Die Klägerin ist klagebefugt.

9

Die Frage, ob die von der Klägerin in Bezug genommene Vorschrift des § 25 ApBetrO auch wettbewerbsregelnden Charakter hat, wird unterschiedlich beurteilt. So hat der BGH ( NJW 2001, 3411) - allerdings unter Geltung der alten Fassung des UWG - angenommen, § 25 ApBetrO diene nicht dem Schutz von Wettbewerbern, sondern solle vielmehr verhindern, dass der Apotheker durch ein zu weitgehendes Nebensortiment in der Erfüllung seiner Hauptaufgabe, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, beeinträchtigt wird. Die Kammer schließt sich insoweit jedoch der Ansicht von Piper (Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 4.11 Rz 11/208) zur aktuellen Fassung des UWG an, wonach die Vorschriften der ApBetrO wettbewerbsbezogen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG seien. Damit ist ein Verstoß gegen die Vorschrift zugleich als unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unzulässig.

10

Damit ergibt sich die Klagebefugnis der Klägerin aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

11

II.

Es besteht auch ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 1, 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V. mit § 25 ApBetrO. Der Vertrieb der im Tenor genannten Waren im Apothekenbetrieb der Beklagten verstößt gegen § 25 ApBetrO und ist wettbewerbswidrig.

12

1.)

Die Waren, deren Vertrieb die Klägerin beanstandet, fallen aus Sicht der Kammer eindeutig nicht unter den Begriff der apothekenüblichen Waren gemäß § 25 ApBetrO. Die Beklagte meint dies auch selbst nicht.

13

2.)

Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich beim Vertrieb der Waren jedoch nicht um ein zulässiges Nebengeschäft im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 8 ApoG. Zwar ist ihr zuzugeben, dass der Verordnungsgeber von der Ermächtigung zur Regelung der Nebengeschäfte keinen Gebrauch gemacht hat. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass der Katalog der apothekenüblichen Waren des § 25 ApBetrO sich nur auf das "Hauptgeschäft" beziehe und nicht für ein - aus Sicht der Beklagten hier vorliegendes - Nebengeschäft gelte.

14

Die Vorschrift betrifft allgemein das In-Verkehr-bringen von Waren (Pfeil/Pieck/Blume, ApBetrO, 7. Ergl. 2005, § 25 Rz 2). Waren, die in dem Katalog nicht ausdrücklich erwähnt und auch nicht unter die darin enthaltenen Begriffe subsumierbar sind, dürfen in Apotheken nicht in den Verkehr gebracht werden (Pfeil/Pieck/Blume a.a.O. Rz 4 unter Bezugnahme auf OLG Karlsruhe WRP 1993, 825), wobei bei der Frage der Subsumierbarkeit Art. 12 GG zu beachten ist.

15

Der Begriff des "Nebengeschäfts" ist vor diesem Hintergrund dahin zu verstehen, dass damit solche Tätigkeiten gemeint sind, die nicht das In-Verkehr-bringen von Waren betreffen. Solche Tätigkeiten sind z.B. Blutdruckmessungen, physiologisch-chemische Untersuchungen u.ä.. Bei Pfeil/Pieck/Blume a.a.O. Rz 8 wird als weiteres Beispiel eines (allerdings unzulässigen) Nebengeschäfts die Durchführung von Fotoarbeiten genannt.

16

Dieses Verständnis läßt sich auch gut mit der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 21.09.2000 ( NJW 2001, 3411) in Einklang bringen. Der BGH hat dabei das Anpassen von Kompressionsstrümpfen als (zulässiges) Nebengeschäft angesehen, wobei die Strümpfe selbst als apothekenüblich im Sinne des § 25 ApBetrO eingestuft wurden. Auch die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Landesberufungsgerichts für Apotheker in Karlsruhe (DAZ 2004, 82) betrifft ersichtlich Tätigkeiten, die nicht das In-Verkehr-bringen von Waren, sondern sonstige Leistungen betreffen.

17

Die Argumente im nachgelassenen Schriftsatz vom 16.05.2007 rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

18

Der Katalog des § 25 ApBetrO ist daher unabhängig von der Frage maßgeblich, in welchem Umfang die jeweilige Ware in den Verkehr gebracht wird. Selbst wenn man als "Nebengeschäft" im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 8 ApG auch das In-Verkehr-bringen von Waren in unerheblichem Umfang ansehen wollte, müßte man davon ausgehen, dass der Verordnungsgeber die Nebengeschäfte in § 25 ApBetrO insoweit mitgeregelt hat. Wollte man dies anders sehen, liefen die Beschränkungen des § 25 ApBetrO weitgehend leer. Denn der Apotheker könnte sich dann immer darauf berufen, er vertreibe die nicht apothekenüblichen Waren nur im Nebengeschäft. Gesetzliche Vorgaben zum zulässigen Umfang eines so verstandenen Nebengeschäfts fehlen allerdings. Die Beklagte selbst geht offenbar davon aus, Nebengeschäfte seien zulässig, wenn sie weniger als die Hälfte (!) der Hauptgeschäfte ausmachen (Seite 2 des Schriftsatzes vom 12.12.2006 im einstweiligen Verfügungsverfahren). Der Betrieb eines nach diesem Maßstab handelnden Apothekers würde den Charakter einer Apotheke einbüßen.

19

Im übrigen ist auch in Bezug auf Nebengeschäfte unabhängig von einer ausdrücklichen Regelung davon auszugehen, dass diese nur insoweit zulässig sind, als sie unmittelbar oder mittelbar der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dienen (Pfeil/Pieck/Blume a.a.O. Rz 8). Daran fehlt es hinsichtlich der hier beanstandeten Waren.

20

3.)

Soweit die Beklagte auf die Liberalisierung des Apothekenrechts und die Ausweitung des § 25 ApBetrO im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 hinweist, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Das o.g. Verständnis der Vorschrift wird durch die Erweiterung des Begriffs der apothekenüblichen Waren nicht berührt. Die Kammer schließt sich hierzu der Auffassung des OLG Saarbrücken in dem von der Klägerin angeführten Urteil 24.03.2004 ( WRP 2004, 785) an, das nach der Gesetzesänderung ergangen ist und in dem ausdrücklich klargestellt wird, dass sich an der Unzulässigkeit des Vertriebs eines Parfüms durch eine Apotheke durch die Neufassung des § 25 ApBetrO nichts geändert hat und dass das In-Verkehr-bringen nicht apothekenüblicher Waren weiterhin vollständig untersagt ist. Nach wie vor betrifft § 25 ApBetrO also ganz allgemein das In-Verkehr-bringen von Waren, unabhängig von dessen Umfang. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen sog. DM-Urteil des OVG Münster. Dass die Apotheken im Wettbewerb zu Drogeriemärkten stehen und der Versandhandel mit Arzneimitteln nunmehr zulässig ist, mag eine Ausweitung des Begriffs der apothekenüblichen Waren begründen. Es rechtfertigt jedoch kein neues Verständnis vom Begriff der Nebengeschäfte.

21

§ 25 ApBetrO verstößt auch nicht gegen Art. Art. 2, 12 GG. Diese Vorschrift hat einen sachlichen Grund und den Einschränkungen der wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeit stehen die Vorteile gegenüber, dass nicht Jedermann eine Apotheke eröffnen kann. Die Apotheker sind demgemäss nur einem eingeschränkten Wettbewerb ausgesetzt, der auch alle gleichmäßig trifft.

22

Nicht völlig ohne Bedeutung ist auch der Umstand, dass der Normgeber in Kenntnis der Problematik § 25 ApBetrO erst kürzlich die jetzige Fassung gegeben hat.

23

4.)

Der Verstoß ist wesentlich im Sinne des § 3 UWG. Zwar handelt es sich nicht um eine Gefährdung der Gesundheit, was regelmäßig nicht als Bagatellfall angesehen wird. Die Zulassung der Ausweitung des Sortiments auf apothekenunübliche Waren in dem beanstandeten Ausmaß birgt eine Nachahmungsgefahr und Sogwirkung des Verstoßes auf Mitbewerber in sich. Das sind typische Fälle, die den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (Piper/Ohly, a.a.O., § 3 Rz 84).

24

Art und Umfang der Bewerbung und des Verkaufs der beanstandeten Gegenstände sind auch kein flüchtiges Versehen, kein Einzelfall und kein einmaliges Ereignis und somit keine Bagatelle.

25

Der mögliche Einwand, der Verstoß gegen § 25 ApBetrO sei unverschuldet und damit unwesentlich, weil zuvor rechtlicher Rat eingeholt worden wäre, hätte keinen Erfolg. Die rechtliche Beratung dürfte nicht verschweigen, dass ein Verstoß gegen Normen stets riskant ist und von den Gerichten anders gesehen werden könnte.

26

III.

Die Klägerin hat weiterhin einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in der geltend gemachten Höhe (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, Rn 1.98).

27

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Kramarz
Klattenhoff
Freitag