Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.07.2007, Az.: 6 T 1091/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 05.07.2007
- Aktenzeichen
- 6 T 1091/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 61001
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2007:0705.6T1091.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Vechta - 24.10.2006 - AZ: 2 M 6686/06
Fundstellen
- JurBüro 2007, 500-502 (Volltext mit red. LS)
- ZVI 2007, 523-524
In der Zwangsvollstreckungssache
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg am 05.07.2007 durch den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Vechta vom 24. Oktober 2006 - Az.: 2 M 6686/06 - dahin abgeändert, dass die von dem Rechtspfleger abgesetzten unverzinslichen Kosten für den in der Forderungsaufstellung angeführten Gerichtsvollzieherauftrag vom 6. September 2005 in Höhe von 206,25 € der beizutreibenden Gesamtforderung wieder hinzugerechnet werden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Schuldner zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 300,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 14. Juli 2005 - Az.: 05-0723720-0-9. Auf Antrag des Gläubigers erließ das Amtsgericht Vechta am 24. Oktober 2006 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem angebliche Rentenansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin gepfändet wurden. In seinem Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hatte der Gläubiger seine Gesamtforderung zum 25. September 2006 mit 13 959,62 € zuzüglich der Kosten des Antrags beziffert. Von dieser Summe setzte der Rechtspfleger einen in der Forderungsaufstellung als unverzinsliche Kosten angeführten Betrag in Höhe von 206,25 € ab, so dass in dem erlassenen Beschluss die Gesamtforderung per 25. September 2006 mit 13 753,37 € zuzüglich der Kosten des Antrags angegeben wurde. Zur Begründung verwies der Rechtspfleger darauf, dass es sich bei dem abgesetzten Betrag um Kosten eines Inkassobüros handele. Diese könnten nicht als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung angesehen werden, weil das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz einen Gebührentatbestand für Inkassobüros nicht enthalte. Hielte man die Inkassokosten bis zur Höhe von Rechtsanwaltsgebühren für erstattungsfähig, wäre auch der Partei selbst eine entsprechende Entschädigung zu zahlen, wenn sie auf die Beauftragung eines Rechtsanwalts verzichte.
Unter dem 17. November 2006 übermittelte der Gläubiger ein als "sofortige Erinnerung" bezeichnetes Rechtsmittel, mit dem er rügt, dass der Rechtspfleger die geltend gemachten nachprozessualen Inkassokosten in Höhe von 206,25 € zu Unrecht abgesetzt habe. Diese, so der Gläubiger, überstiegen nicht die Gebühren, die ein Rechtsanwalt abrechnen könne, und gehörten in diesem Umfang zu den Kosten der Zwangsvollstreckung.
Der Rechtspfleger half dem Rechtsmittel nicht ab, sondern legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
II.
Das Rechtsmittel des Gläubigers ist in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht als sofortige Beschwerde auszulegen. Rechtsbehelfe mit Blick auf Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788 ZPO) bestimmen sich nach der Zwangsvollstreckungshandlung mit der sie beigetrieben oder vollstreckt werden sollen. Deshalb steht dem Gläubiger gemäß § 793 ZPO die sofortige Beschwerde zu, wenn das Vollstreckungsgericht - wie hier - einen Antrag wegen verlangter Zwangsvollstreckungskosten (teilweise) zurückweist (vgl. Stöber, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 788, Rn. 17).
Die sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere erscheint sie rechtzeitig. Grundsätzlich beginnt die zweiwöchige Beschwerdefrist mit der Zustellung der Entscheidung (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zwar ist der fragliche Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 24. Oktober 2006, aus dem sich die Absetzung der 206,25 € ergibt, bereits am Tag seines Erlasses vom Amtsgericht abgesandt worden, während die Beschwerdeschrift erst unter dem 17. November 2006 verfasst worden und im Original am 28. November 2006 bei dem Amtsgericht Vechta eingegangen ist. Der Akte kann jedoch keine Verfügung entnommen werden, der zufolge die ablehnende Entscheidung zu den geltend gemachten Inkassokosten zugestellt werden sollte. Ebensowenig findet sich ein Beleg für eine tatsächlich erfolgte Zustellung. Vielmehr hat der Rechtspfleger unter dem 24. Oktober 2006 auf dem dafür vorgesehenen Formular lediglich verfügt, dem Gläubiger-Vertreter sei eine "Nachricht vom Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses [...] unter Rückgabe von Titel und Anlagen" zu übersenden.
Eine Heilung des damit vorhandenen Zustellungsmangels erscheint auch nicht nach § 189 ZPO möglich. Eine Anwendung dieser Vorschrift scheidet dann von vornherein aus, wenn gar keine Zustellung, sondern etwa nur eine formlose Übersendung erfolgen sollte (vgl. Stöber, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 189, Rn. 2 m.w.N.). Nach der zitierten Verfügung des Rechtspflegers war Letzteres der Fall. Da die angefochtene - nicht verkündete - Entscheidung dem Gläubiger nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, wurde die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt (zu dieser Rechtsfolge Gummer, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 569, Rn. 4).
III.
Auch in der Sache hatte die Beschwerde Erfolg.
1.
Gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO fallen die Kosten der Zwangsvollstreckung, soweit sie notwendig waren, dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Die Notwendigkeit im Sinne der §§ 788 Abs. 1 Satz 1, 91 ZPO bestimmt sich für Art und Umfang der Vollstreckungsmaßnahmen nach den Erfordernissen zweckentsprechender Rechtsverfolgung (vgl. Stöber, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 788, Rn. 9). Dementsprechend sind Inkassokosten im Rahmen der Zwangsvollstreckung grundsätzlich bis zur Höhe von Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig, sofern der Gläubiger die Einschaltung des Inkassobüros zur Beitreibung der betreffenden Forderung für erfolgversprechend und damit notwendig halten konnte, selbst wenn dessen Bemühungen letztlich erfolglos bleiben und der Gläubiger dann einen Rechtsanwalt zuzieht (vgl. Stöber, a.a.O., Rn. 13, Stichwort "Inkassobüro";LG Bremen, JurBüro 2002, S. 212). Anders kann es sich - unter dem Aspekt einer Obliegenheit zur Vermeidung unnötiger Kosten - in Konstellationen verhalten, in denen für ein und dieselbe Tätigkeit Inkassounternehmen und Rechtsanwalt bemüht werden oder die Tätigkeit des Inkassounternehmens höhere Kosten auslöst, als es bei der Einschaltung eines Rechtsanwalts der Fall gewesen wäre (vgl. LG Bremen, a.a.O.; AG Frankfurt, Beschluss vom 21. April 1994, Az.: 83 M 15703/93 ).
2.
Nach dem skizzierten Maßstab ist in der vorliegenden Konstellation eine Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten für die Einschaltung der ... zu bejahen.
a) Wie der Gläubiger dargelegt hat, ist der durchzusetzende Vollstreckungsbescheid das Amtsgerichts Uelzen vom 14. Juli 2005 dem Schuldner am 19. Juli 2005 zugestellt worden. Da der Schuldner darauf nicht reagiert hat, hat die ... im Auftrag des Gläubigers mit Schreiben vom 22. August 2005 eine Zahlung unter Fristsetzung auf den 29. August 2005 angemahnt. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat die ... den Gerichtsvollzieher in Vechta unter dem 6. September 2005 beauftragt, die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners zu betreiben und - für den Fall fruchtloser Pfändungsversuche oder des Vorliegens einer der anderen Voraussetzungen des § 807 Abs. 1 ZPO - die eidesstattliche Versicherung abzunehmen. Ein Rechtsanwalt war nach dem Vortrag des Gläubigers in diesem Verfahrensstadium noch nicht mit der Zwangsvollstreckung betraut. Diesen mit Belegen untermauerten Darlegungen ist der von der Kammer schriftlich angehörte Schuldner nicht entgegengetreten. Danach erscheinen die Kosten, die durch die Tätigkeit der ... ausgelöst worden sind, auf der Basis der oben niedergelegten rechtlichen Grundsätze dem Grunde nach als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dass dem Gläubiger oder der ... die Beauftragung des Gerichtsvollziehers von vornherein aussichtslos erscheinen musste, ist nicht erkennbar.
b) Was die Höhe der fraglichen Kosten betrifft, so macht der Gläubiger mit dem Betrag von 157,80€ zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20,00€ und Mehrwertsteuer keine Summe geltend, die die Gebühren eines Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) übersteigen. Bei dem damaligen Gegenstandswert von bis zu 13 000,00 € beliefe sich die Verfahrensgebühr für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in der Zwangsvollstreckung mit dem vorgeschriebenen Satz von 0,3 (Nr. 3309 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG) ebenfalls auf 157,80 €.
c) Kein durchgreifendes Argument gegen eine Erstattungsfähigkeit der Kosten für das Inkassounternehmen ist der Umstand, dass das RVG dafür keinen Gebührentatbestand vorsieht. Denn § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO bezieht sich nicht nur auf Kosten, die auf einen Gebührentatbestand zurückgehen. Vielmehr belastet die Vorschrift den Schuldner prinzipiell mit allen denjenigen Aufwendungen, die aus Anlass der Zwangsvollstreckung notwendig werden. Dazu gehört grundsätzlich auch das nicht unmittelbar aus einem Gebührentatbestand abgeleitete Entgelt für die Tätigkeit eines Inkassounternehmens. Die Vergütung für die entsprechende Tätigkeit eines Rechtsanwalts wird lediglich als Vergleich herangezogen, um die notwendigen von den nicht mehr notwendigen Kosten abzugrenzen.
Zu keiner anderen Vorgehensweise veranlasst der Einwand des Amtsgerichts, auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung musste einer Partei selbst zugestanden werden, Kosten für den eigenen Bearbeitungsaufwand bis zur Höhe der RVG-Gebühren abzurechnen, wenn sie darauf verzichtet, einen Rechsanwalt mit der Zwangsvollstreckung zu betrauen. Auch nach der hier vertretenen Auffassung geht es nicht um die Anerkennung einer allgemeinen, stets zu erstattenden Aufwandspauschale in Höhe der Gebühren eines Rechtsanwalts. Vielmehr ist dem Gläubiger vorliegend durch die Beauftragung eines Inkassounternehmens im Rahmen der Zwangsvollstreckung ein tatsächlicher Aufwand entstanden, der unter den gegebenen Umständen dem Grunde und der Höhe nach als notwendig im Sinne des § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO angesehen wird. Andere vom Gläubiger geltend gemachte Aufwände wären ebenfalls - unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten - anhand des gesetzlichen Maßstabs der §§ 788 Abs. 1, 91 ZPO auf ihre Erstattungsfähigkeit zu überprüfen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der auch im Beschwerdeverfahren Anwendung findet (vgl. Gummer, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 567, Rn. 51).