Landgericht Oldenburg
Urt. v. 29.11.2007, Az.: 9 S 574/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 29.11.2007
- Aktenzeichen
- 9 S 574/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 61010
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2007:1129.9S574.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Delmenhorst - 04.08.2006 - AZ: 4 A C 4063/06 (IV)
- nachfolgend
- BGH - 08.07.2009 - AZ: VIII ZR 314/07
In dem Rechtsstreit
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 01.11.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx, die Richterin am Landgericht xxx und die Richter am Landgericht xxx für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Delmenhorst vom 04.08.2006 - 4A C 4063/06 (IV) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von"! 10 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Berechtigung der Gaspreiserhöhungen der Beklagten zum 01.10.2004, 01.10.2005 und 01.01.2006.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Amtsgericht hat dem klägerischen Begehren auf Feststellung, dass die von der Beklagten in dem zwischen der Beklagten und den Klägern geschlossenen Gaslieferungsvertrag zum 01.10.2004, zum 01.10.2005 und zum 01.01.2006 vorgenommenen Erhöhungen des Arbeitspreises Erdgas unbillig und unwirksam sind, stattgegeben.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und führt unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Begehren weiter aus, dass bereits ein Feststellungsinteresse nicht vorliege. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts unterlägen die Preiserhöhungen im Allgemeinen Gastarif nicht der Überprüfung nach § 315 Abs. 3 BGB, denn es gäbe sehr wohl einen Wettbewerb, nämlich zum einen gegenüber anderen Energieträgern und zum anderen mit einem Wettbewerber aus dem Gasversorgungsmarkt, nämlich im Rahmen von Beistellungsverträgen mit anderen Gasversorgungsunternehmen. Insoweit liege ihr Preis auch unter dem benachbarter Gasversorger und sie liege mit ihren Preisen im Bundesdurchschnitt im unteren Mittelfeld. Zudem hätte das Amtsgericht auch nur die jeweiligen Erhöhungen prüfen dürfen. Schließlich habe sie durch entsprechende Testate der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft xxx GmbH zuletzt vom 05.10.2007 nachgewiesen, dass sie im streitigen Zeitraum nicht einmal ihre eigenen Bezugskostensteigerungen an die Kunden weiter gegeben habe.
Die Beklagte beantragt,
in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Delmenhorst - Az.: 4A C 4063/06 (IV) - vom 04.08.2006, die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Amtsgericht Delmenhorst zur Beweisaufnahme zurückzuverweisen,
weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung. Sehr wohl unterlägen die Gaspreise der Billigkeitskontrolle des § 315 Abs. 3 BGB. Die Überreichung von Wirtschaftsprüfertestaten sei zur Darlegung und zum Beweis angemessener Gaspreise nicht geeignet. Unabhängig davon aber seien die Erhöhungen auch nicht wirksam vereinbart. Auch könne die Beklagte sich insoweit nicht auf § 4 AVBGasV berufen, da diese Vorschrift keine Preisänderungsbefugnis enthalte. Eine solche Befugnis ergebe sich auch nicht aus den Vertragsbedingungen der Beklagten. Die Beklagte verkenne Sinn und Zweck des § 1 EnWG. Schließlich komme es auf die Behauptung der Beklagten, sie habe bei den streitigen Erhöhungen nicht einmal ihre eigene Bezugskostensteigerung an ihre Kunden weitergegeben nicht an, weil sie nicht nur die Billigkeit der Erhöhung angegriffen hätten, sondern sich auf die Unbilligkeit des Gesamtpreises beriefen.
II.
Die Berufung ist zulässig und in der Sache auch begründet.
Den Klägern steht der begehrte Feststellungsanspruch nicht zu,.§ 256 ZPO, § 315 Abs. 3 BGB.
Der Feststellungsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, § 256 ZPO. Das notwendige Feststellungsinteresse ist gegeben, denn die Kläger können nicht auf einen Rückforderungsprozess verwiesen werden. Nichts anderes ergibt sich aus der Regelung des § 30 AVBGasV, nach welcher Einwände gegen Rechnungen und Abschlagszahlungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur berechtigen, "soweit sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen". Das Bestreiten der Billigkeit der Preisbestimmung des Versorgungsunternehmens wird davon nicht erfasst (BGH NJW 2003, 3131 ff.). Denn der von einem Kunden eines Versorgungsunternehmens erhobene Einwand der Unbilligkeit der Preisbestimmung nach § 315 BGB betrifft nicht Rechen- und Ablesefehler oder andere Abrechnungsgrundlagen, sondern die Leistungspflicht des Kunden, der im Falle der Unangemessenheit des verlangten Preises von Anfang an nur den vom Gericht bestimmten Preis schuldet, § 315 Abs. 3 BGB (BGH a.a.O.). Die Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, dass die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen, § 315 Abs. 3 S. 1 BGB. Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen. Erst diese vom Gericht neu festgesetzten Tarife sind für den Kunden verbindlich und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH v. 05.07.2005 Az.: X ZR 60/04).
Die Kläger sind daher nicht darauf beschränkt, die Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen (vgl. BGH . 05.07.2005 Az.: X ZR 60/04 -S.8), denn - wie ausgeführt - die Einrede der unbilligen Tarifsetzung ist vom sachlichen Anwendungsbereich des § 30 AVBGasV gerade nicht erfaßt (BGH NJW 2003, 3131 ff.). Eine Rechtfertigung, dem Versorgungsunternehmen darüber hinaus die Befugnis zuzugestehen, zunächst eine unter Umständen gar nicht geschuldete Leistung zu vereinnahmen und den Abnehmer auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen ist nicht zu erkennen (BGH v. 05.07.2005 Az.: X ZR 60/04 -S. 18).
Der Feststellungsanspruch ist jedoch unbegründet.
Auch die von der Beklagten festgesetzten Gaspreise unterliegen in - zumindest entsprechender Anwendung - des § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB findet statt, wenn einer Vertragspartei ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist.
Ein solches Leistungsbestimmungsrecht haben die Parteien der Beklagten zwar nicht ausdrücklich eingeräumt, gleichwohl ergibt sich dieses aber aus AVBGasV, die auf das Lieferverhältnis der Parteien Anwendung findet. Nach § 4 AVBGasV liefert die Beklagte zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen, wobei Änderungen nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Danach bestimmt die Beklagte die Höhe der Tarife sowie Zeitpunkt und Umfang von Tarifänderungen, ohne dass die Kläger beteiligt werden. Sie unterliegt damit einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB.
Im übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Tarife für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil im Bedarfsfalle angewiesen ist - auch im Rahmen privatrechtlich ausgestalteter Benutzungsverhältnisse - , einer Kontrolle - zumindest analog - nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (BGH NJW 1987, 1828 "Hausanschluss" AVBGasV; BGH NJW 1992, 183 "Strompreisbestimmung"; BGH NJW 1992, 171 "tarifliche Abwasserentgelete"; BGH WuM 2005, 593 "Abfallentsorgung"; BGH NJW-RR 2006, 133 "Baukostenzuschuss" AVBWasserV m.w.N.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB nicht durch § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB ausgeschlossen.
Auch nach der xxx-Novelle von 1999 haben das Kartellgesetz und § 315 BGB unterschiedliche Zielrichtungen. Das xxx will den Mißbrauch von Monopolstellungen unterbinden und die Nachteile ausgleichen, die sich aus einem fehlenden Wettbewerb ergeben. § 315 BGB soll im Unterschied dazu die der einen Vertragspartei übertragene Rechtsmacht, den Inhalt des Vertrages, hier Höhe des Preises, einseitig festzusetzen, eingrenzen, und erfordert damit im wesentlichen eine Prüfung und Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessenlage nur bei den beiden Vertragspartnern (BGHZ 41, 271 ff.; BGH NJW 1992, 183 ff "Strompreis"). Für die Anwendung dieser Vorschrift ist die Tatsache, dass die zur Leistungsbestimmung berufene Partei eine marktbeherrschende Stellung innehat, jedenfalls insofern ohne Belang, als dieser Umstand die Grenzen ihres Ermessens nicht erweitern kann (BGH NJW 1992, 183 ff.). Die Grenzen allgemeiner kartellrechtlicher Ge- und Verbote fallen daher nicht mit den Grenzen der Billigkeitsentscheidung nach § 315 BGB zusammen (vgl. LG Heilbronn v. 19.01.06Az.:6S 16/05 Ab).
Im Rahmen der somit nach § 315 Abs. 3 BGB vorzunehmenden Billigkeitsprüfung ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen festzustellen, was billigem Ermessen entspricht (Palandt-Grüneberg § 315 Rn. 10).
Eine einseitige Preisbestimmung kann unter Umständen als billig im Sinne von § 315 BGB angesehen werden, wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird. Grundsätzlich ist aber eine umfassende Würdigung des Vertragszweckes sowie der Interessenlage beider Parteien erforderlich, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können ( BGHZ 41, 271 ff.; BGH NJW 1992, 183 ff m.w.N.).
§ 4 AVBGasV regelt nur die Gaslieferung zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und in Abs. 2 die Möglichkeit einer Tarifänderung und macht deren Wirksamkeit von der öffentlichen Bekanntgabe abhängig. Zur Frage, wie die Tarife zu ermitteln sind verhält sich die AVBGasV nicht.
Im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 315 Abs. 3 BGB ist anerkannt, dass jedenfalls die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an die Tarifkunden im Grundsatz der Billigkeit entspricht (BGH v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Rn. 19 ff). Durch Preiserhöhungen wegen gestiegener Bezugskosten nimmt das Gasversorgungsunternehmen nämlich nur sein berechtigtes Interesse wahr, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben. Auch § 4 Abs. 2 AVBGasV beruht auf diesen Erwägungen. Diese Anpassungsregelung dient dazu, einerseits dem Gasversorger das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Gasversorger mögliche künftige Kostensteigerungen bereits bei Vertragsschluss durch Risikoaufschläge aufzufangen versucht (BGH a.a.O. m.w.N.). Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB nur die Prüfung erlaubt, ob die Leistungsbestimmung unter Berücksichtigung eines dem Berechtigten zustehenden unternehmerischen Gestaltungsspielraums vertretbar ist (Palandt-Grüneberg § 315 Rn. 10). Dabei steht dem Berechtigten ein Entscheidungsrahmen zur Verfügung, innerhalb dessen Bandbreite mehrere mögliche Entscheidungen dem billigen Ermessen entsprechen können.
Vorliegend hat die Beklagte zu den Bezugskostensteigerungen, die den Preiserhöhungen zum 01.10.2004 und 01.10.2005 und 01.01.2006 zu Grunde lagen, dezidiert vorgetragen und ihre Bezugskostensteigerungen durch Vorlage eines entsprechenden Wirtschaftsprüfungsberichts unabhängiger Wirtschaftsprüfer nachgewiesen.
Die Bescheinigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft xxx GmbH vom 05.10.2007 mit dem die Preisentwicklung in der Zeit vom 01.01.2004 bis 01.10.2007 geprüft wurde, vermag durchaus darzulegen und zu beweisen, dass eine entsprechende Bezugskostensteigerung stattgefunden hat. Es wird ausgeführt, dass nur die eingetretenen Bezugskostensteigerungen über die streitgegenständlichen Erhöhungen an die Kunden weitergegeben wurden. Hierzu ist eine nachvollziehbare Grafik erstellt worden, die Bezugskosten und Verkaufspreis gegenüberstellt. Daraus ergibt sich, dass in allen Monaten von Januar 2004 bis Oktober 2007 die Preise sich stets mit den veränderten Bezugskosten entwickelt haben. Daraus ergibt sich für den gesamten Zeitraum, dass nur die gestiegenen Bezugspreise durch die jeweiligen Erhöhungen an die Kunden weitergegeben wurden. Dies gilt auch für Oktober 2004, denn mit dieser Erhöhung wurde die zwischenzeitlich seit der Senkung des Preises im April 2004 erfolgte Bezugskostensteigerung weitergegeben. Das Wirtschaftprüfungsunternehmen hat klargestellt, auf der Basis welcher vorgelegten Verträge, insbesondere der Erdgaslieferverträge, und Buchungsbelege die Prüfung erfolgte. Hierzu haben die Kläger nicht weiter substantiiert dargelegt, warum diese Unterlagen nicht aussagekräftig sein sollen, bzw. welche weiteren Unterlagen sie für erforderlich gehalten hätten. Das pauschale Bestreiten der ermittelten Ergebnisse ist in diesem Zusammenhang daher nicht beachtlich. Es besteht keine Verpflichtung der Beklagten, ihre gesamten betriebswirtschaftlichen Unterlagen, insbesondere die Kalkulation des Gesamtpreises offen zu legen (vgl. LG Heilbronn v. 19.01.06 - 6 S 16/05 Ab), da zunächst einmal nur die Weitergabe der Bezugskostensteigerung maßgeblich für die Billigkeitskontrolle ist und nicht die Frage, ob auch der Grund- Sockelpreis billig ist (dazu siehe unten).
Soweit die Kläger meinen, die Beklagte sei mit diesen Unterlagen präkludiert, geht diese Annahme fehl. Bereits erstinstanzlich war das Verhältnis Bezugskosten - Verkaufpreis streitgegenständlich (Anlage B 3), so dass es sich insoweit nicht um, neue Angriff- und Verteidigungsmittel im Sinne von § 531 ZPO handelt.
Gleiches gilt für die vorgelegten Preisvergleiche der xxx jeweils zum 01.01.2005, 01.01.2006 und 01.01.2007. Daraus ergibt sich für die Beklagte, dass sie im Vergleich zwischen rund 600 Gasversorgungsunternehmen im Bundesgebiet mit dem für sie ermittelten Gaspreisindex von 94,1 bzw. 96,0 jeweils auch im Landesdurchschnitt im Mittelfeld der Anbieter angesiedelt ist. Insoweit hat die Beklagte durch die Vorlage dieser unbestrittenen Preisvergleiche zudem nachgewiesen, dass ihr Preis als marktüblich anzusehen ist. Damit entspricht der von der Beklagten jeweils zum 01.10.2004, 01.10.2005 und 01.01.2006 verlangte Gaspreis dem, was regelmäßig für vergleichbare Leistungen auf dem Markt verlangt wird. Die verlangten Preiserhöhungen liegen also im Rahmen des Marktüblichen. Auch unter diesem Gesichtspunkt bewegt sich die Beklagte mit den von ihr verlangten Erhöhungen im Rahmen des ihr durch §315 BGB eingeräumten Entscheidungsspielraumes. Diese Preise können daher nicht als unbillig angesehen werden. Insbesondere handelt es sich bei dem Gaspreis anders als bei dem Strompreis nicht um einen Kostenpreis, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt nicht die Offenlegung der gesamten Preiskalkulation verlangt werden kann.
Für die Richtigkeit des gewonnenen Ergebnisses spricht zudem der Umstand, dass bislang die Kartellbehörden gerade keine Veranlassung gesehen haben einzugreifen.
Auch der Umstand, einer Preiskoppelungsklausel, wonach der Gaspreis an den Preis für leichtes Heizöl gekoppelt ist, vermag die streitigen Preiserhöhungen nicht als unbillig im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB erscheinen lassen. § 315 BGB sieht eine Überprüfung der Billigkeit des von dem einen Vertragsteil einseitig bestimmten Preises vor. Entspricht dieser - wie hier- für sich genommen der Billigkeit, so kann die nur für das Vertragsverhältnis zwischen der die Leistung bestimmenden und der dieser Bestimmung unterworfenen Partei geltende Regelung des § 315 BGB nicht herangezogen werden, um auch die auf einer vorgelagerten Stufe der Lieferkette vereinbarten Preise einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (BGH v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Rn. 27). Auch eine etwaige Kartellrechtswidrigkeit der Bindung des Bezugspreises der Beklagten an den Preis für leichtes Heizöl würde daran nichts ändern (BGH a.a.O.).
Schließlich sind die Preiserhöhungen - entgegen der Ansicht der Kläger - auch nicht deshalb unbillig, weil etwa die bereits vor der Preiserhöhung geforderten Tarife -insbesondere der Sockeltarif - der Beklagten unbillig überhöht gewesen wären und diese dies im Rahmen der von ihr nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung über eine Weitergabe der gestiegenen Bezugskosten hätte berücksichtigen müssen.
Voraussetzung für die Berücksichtigung auch des Grund- bzw. Sockeltarifs bei der Entscheidung über die Billigkeit der Preiserhöhungen ist, dass es sich auch insoweit um Tarife handelt, die von der Beklagten einseitig nach billigem Ermessen zu bestimmen waren. Waren die bis zur Erhöhung geltende Tarife dagegen zwischen den Parteien vereinbart, kommt es auf die Frage, ob sie billigem Ermessen entsprechen, nicht mehr an (BGH a.a.O. Rn. 29 ff m.w.N.).
Eine Überprüfung auch des Sockeltarifs kommt nicht in Betracht, denn es handelt sich um vereinbarte Preise. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich bei den bis zum 01.10.2004 geltenden Tarifen um diejenigen seit Vertragsschluss handelte oder ob sie ihrerseits in der Vergangenheit durch Preiserhöhungen nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zustande gekommen sind.
Handelte es sich um die bei Abschluss des Versorgungsvertrages bereits geltenden Anfangspreise, unterlagen sie keiner Billigkeitskontrolle. § 315 BGB findet auf einen zwischen den Parteien vereinbarten Anfangspreis weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung. Es fehlt für eine unmittelbare Anwendung nämlich an dem Erfordernis des § 315 BGB, dass einer Partei ein Leistungsbestimmungsrecht zustehen soll. Der vom Gasunternehmen zu fordernde Preis ergab sich bei Abschluss bereits aus dem jeweiligen allgemeinen Tarif für die Versorgung mit Gas, so dass es sich um einen vereinbarten Preis handelte. Aber auch eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB scheidet aus (BGH a.a.O. Rn. 33 ff). Einem Anschluss- und Benutzungszwang unterlagen die Kläger hinsichtlich der Gasversorgung nicht. Es fehlt insoweit auch an einer Monopolstellung der Beklagten als Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 315 BGB. Zwar mag die Beklagte im Einzugsbereich von leitungsgebundener Versorgung mit Gas keinen unmittelbaren Wettbewerber haben, sie steht aber - wie alle Gasversorgungsunternehmen - auf dem Wärmemarkt in einem Substitutionswettbewerb mit Anbietern konkurriender Heizenergieträger wie Heizöl, Strom, Kohle und Fernwärme. Gerade diese Bewertung entspricht auch den gesetzlichen Regelungen, denn die allgemeinen Tarife der Gasversorger unterlagen zu keinem Zeitpunkt einer behördlichen Genehmigung. Ein solches Erfordernis hielt der Gesetzgeber nicht für nötig, weil die Neukunden zur Deckung ihres Wärmebedarfs unmittelbar zwischen verschiedenen Energieträgern wählen können und durch eine solche Konkurrenzsituation ein Wettbewerbsdruck entsteht, der allen Kunden zugute kommt, auch wenn für den einzelnen Kunden unter Umständen der Wechsel zu einer anderen Energieart wegen des hiermit verbundenen Aufwandes und der Kosten keine echte Alternative darstellt.
Etwas anderes ergibt sich aber auch nicht, wenn es sich bei den bis zum 01.10.2004 geltenden Tarifen um solche handelte, die in der Vergangenheit durch von der Beklagten nach § 4 Abs. 1 u. 2 AVBGasV einseitig vorgenommene Preiserhöhungen zustande gekommene Preise gehandelt hat. In diesem Fall hätten die Kläger auch diese Preiserhöhungen nach § 315 BGB gerichtlich überprüfen lassen können. Einer Überprüfung früherer etwaiger unbilliger Erhöhungen im Rahmen der nunmehr streitigen Erhöhungen ab 01.10.2004 steht entgegen, dass die Kläger die auf diesen Tarifen basierenden Jahresabrechnungen unbeanstandet hingenommen haben. Kommt aber zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent (§ 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme aus dem Netz) - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zustande, so ist der von dem Kunden zu zahlenden Preis durch den zuvor von dem Gasversorger veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrages zwischen den Parteien vereinbart. Er ist damit einer Prüfung nach § 315 BGB entzogen (BGH a.a.O. Rn. 36, s.o.). So liegt es auch bei einer öffentlich bekannt gemachten einseitigen Erhöhung, die der Kunde akzeptiert hat, indem er weiter Gas bezogen hat ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis (BGH a.a.O.).
Nach alledem hat daher der Sockeltarif bei der Billigkeitsprüfung der letzten Preiserhöhungen seit dem 01.10.2004 außer Betracht zu bleiben. Es verbleibt daher allein bei den tatsächlich erfolgten Erhöhungen, die - wie ausgeführt - noch unter den in den fraglichen Zeiträumen liegenden Bezugskostensteigerungen lagen und im Preisvergleich mit anderen Gasversorgern im Bundesgebiet sich als durchaus marktüblich erwiesen haben, so dass die erfolgten Erhöhungen im Entscheidungsrahmen der Beklagten noch den Billigkeitsgrundsätzen des § 315 Abs. 3 BGB entsprechen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 und 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, denn soweit ersichtlich hat sich das Revisionsgericht zur Frage, ob ein Preisvergleich unter den bundesweiten Gasanbietern für Haushaltskunden als Wettbewerbspreis ausreichend sein könnte, noch nicht geäußert.