Landgericht Oldenburg
Urt. v. 29.11.2007, Az.: 9 S 561/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 29.11.2007
- Aktenzeichen
- 9 S 561/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 61009
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2007:1129.9S561.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Oldenburg/Oldenburg - AZ: E7 C 7209/06
In dem Rechtsstreit
hat die xxx. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 18.10.2007 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx, den Richter am Landgericht xxx und die Richterin am Landgericht xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.07.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Oldenburg - Az.: E7 C 7209/06 (X) - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Billigkeit und Wirksamkeit des Gastarifs S I nach dem die Beklagte ihre Erdgaslieferungen an die Klägerin berechnet.
Im Tarif S I rechnet die Beklagte ihre Gaslieferungen nach einem Grundpreis von 120,00 EUR/Jahr und einem Arbeitspreis ab, den sie zum 01.09.2004 von 3,00 Cent/kWh auf 3,40 Cent/kWh erhöhte. Zum 01.08.2005 erfolgte eine Erhöhung des Arbeitspreises auf 3,88 Cent/kWh und zwischenzeitlich zum 01.02.2006 auf 4,26 Cent/kWh.
Die Klägerin war der Ansicht, da die Beklagte den Gaspreis einseitig bestimme, unterliege ihre Preisbestimmung entsprechend § 315 Abs. 3 BGB der Billigkeitskontrolle. Die Beklagte habe auch eine Monopolstellung als Gaslieferantin inne. Der allgemeine Hinweis der Beklagten auf gestiegene Ölpreise sei nicht ausreichend, vielmehr habe sie bei Überprüfung ihrer Preiskalkulation für den Tarif S I auch ihre übrigen Kalkulationsgrundlagen offen zu legen. Dies gelte unbeschadet des Umstandes, dass die Kartellbehörde ein Missbrauchsverfahren nach § 19 GWB zur Zeit für nicht erforderlich halte und der Tatsache, dass die Beklagte im Bundesvergleich einer der günstigsten Anbieter sei. Auch sei § 19 GWB nicht als Spezialregelung zu § 315 BGB zu sehen, da beide Regelungen unterschiedliche gesetzliche Zielrichtungen hätten.
Dagegen war die Beklagte der Ansicht, die Klage sei schon deshalb nicht begründet, weil kein substantiierter Vortrag dazu vorliege, warum § 315 Abs. 3 BGB analog anwendbar sein solle. Sie habe zudem die Kopplung an den Ölpreis vorprozessual hinreichend dargelegt. Ferner sei § 19 GWB als Spezialregelung zu § 315 BGB anzusehen, die Vorrang habe. Eine mißbräuchliche Preisfestsetzung, wie sie § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB untersage, liege jedoch nicht vor. Der geforderte Preis liege nicht erheblich über demjenigen anderer Versorger. Vielmehr liege ihr Preis ausweislich des Preisspiegels der xxx per 01.01.2006 unter demjenigen der allermeisten Gasversorger in Deutschland. § 315 BGB sei aber auch schon deshalb nicht anwendbar, da eine Monoplostellung ihrerseits gar nicht gegeben sei. Neu- und Altkunden würden identische Tarife zahlen, sie befinde sich daher im Bereich der Neukunden im stetigen harten Wettbewerb zu alternativen Ernergieversorgern. Es bestehe insoweit keine Abhängigkeit des Klägers von der Erdgasversorgung. Einer gerichtliche Überprüfung bedürfe es daher nicht, da nicht von einem einseitig bestimmten Preisdiktat ausgegangen werden könne, unabhängig davon sei der Gaspreis aber auch nicht unbillig. Die Billigkeit bestimme sich nach der Marktüblichkeit, deren Vorliegen bereits der Preisvergleich ergeben habe. Sie stehe zudem in Konkurrenz mit anderen Energielieferanten z.B. leichtes Heizöl. Insoweit seien ihre langfristigen Erdgasbezugsverträge, die allein eine Belieferung des Endkunden sichern würden, an den Preis für leichtes Heizöl gekoppelt. Insoweit weise die Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers sowie die Bestätigungen ihrer Erdgaslieferanten nach, dass ihre Preiserhöhungen für Haushaltskunden nicht höher sei als die Bezugskostensteigerung (Anlagen B 9 Bezugskostensteigerungen laut Bestätigung der Lieferanten von 0,50 Cent/kWh bis 0,71 Cent/kWh). Schließlich bestehe kein Anspruch auf Offenlegung der Kalkulationsgrundlage, denn es handele sich um einen Wettbewerbs- und nicht um einen Kostenpreis. Mangels gesetzlicher Festlegung eines Kostenpreises (anders als bei Strom) bestehe für Erdgas gerade keine Genehmigungspflicht, weshalb es sich um einen reinen Wettbewerbspreis handele. Dieser sei - wie ausgeführt - marktüblich und sogar günstig im Bundesvergleich.
Das Amtsgericht hat im vereinfachten Verfahren nach § 495 a ZPO die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass eine Verpflichtung zur Offenlegung der Preiskalkulation nicht bestehe. Im Rahmen des § 315 BGB sei ein objektiver Maßstab anzulegen, der sich an der Marktüblichkeit zu orientieren habe. Liege der geforderte Preis im Rahmen des marktüblichen, könne von einer Unangemessenheit oder Unbilligkeit nicht die Rede sein. So liege es hier. Die Beklagte zähle in ganz Deutschland unter über 600 Anbietern zu den günstigsten Anbietern. Allein dieser Umstand bedeute, dass das Günstigkeitsprinzip des Energiewirtschaftsgesetzes gewahrt sei. Auch ein Rechtsmißbrauch einen marktbeherrschenden Stellung sei nicht dargelegt.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Entgegen dem Amtsgericht meint sie, dass im Rahmen des § 315 Abs. 3 BGB die Billigkeit des Gaspreises nur bei Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen zu prüfen sei. Grundsätzlich unterliege auch der Gaspreis der Billigkeitskontrolle, tatsächlich sei der Gaspreis von der Beklagten einseitig bestimmt. Im Rahmen des § 315 BGB habe die Bestimmung der Billigkeit unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen zu erfolgen, wobei auf die jeweiligen Verträge und die jeweiligen Fallgestaltungen abzustellen sei. Die Marktüblichkeit allein sei nur ein Gesichtspunkt. Dies berücksichtige aber nicht, das selbst ein Gaspreis der unter dem Durchschnitt liege im Einzelfall noch unbillig sein könne. Das Amtsgericht habe ihr Interessen an einem möglichst günstigen und leistungsgerechten Preis völlig außer Acht gelassen. Schon aufgrund des eingeschränkten Wettbewerbs sei es denkbar, dass allein der kalkulierte Gewinnanteil am Preis im Verhältnis zu ihr unbillig sein könne. Aus diesem Grunde sei die Offenlegung der Preiskalkulation notwendig. Daher sei es gerade nicht ausreichend nur darzulegen, dass die an den Endkunden weitergegeben Erhöhung der Bezugskostenerhöhung entspreche, denn sie habe sich nicht nur gegen die Erhöhung gewandt, sondern gegen den Gastarif S I insgesamt. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz erstmals weitere Wirtschaftsprüfungsberichte und weitere Auswertungen zur Darlegung einer Bezugskostensteigerung vorlege, die aussagten, dass auch keine Gewinne aus anderen operativen Bereichen die erfolgten Bezugskostensteigerungen kompensieren würden, sei sie mit diesem Vortrag nach § 531 ZPO ausgeschlossen.
Nachdem die Klägerin erstinstanzlich neben der begehrten Feststellung, dass die zum 01.09.2004 und 01.08.2005 vorgenommenen Gaspreiserhöhungen unbillig seien weiter einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte verfolgte, wonach dieser untersagt werden sollte, ihren Gasanschluss zu sperren, bis die Beklagte den Nachweis der Angemessenheit ihrer Gebührenerhebung ihr gegenüber offengelegt habe, verfolgt sie mit ihrer Berufung ausweislich der Berufungsbegründung nur noch den Feststellungsantrag und beantragt,
das Urteils des Amtsgerichts Oldenburg vom 18.07.2006 - Az.: E7 C 7209/06 (X) aufzuheben und festzustellen, dass der in dem zwischen den Parteien bestehenden Gaslieferungsvertrag zum 01.09.2004 und folgende vorgenommene Erhöhungen der Gastarife unbillig und unwirksam sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen. Nach der zwischenzeitlich vorliegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu dem Problemkreis, biete die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Da sie im Substitutionswettbewerb stehe, handele es sich um einen Wettbewerbspreis dessen Billigkeit sehr wohl durch einen Preisvergleich ermittelt werden könne. Zudem sei die vorgenommene Preiserhöhung durch die dargelegte Bezugskostensteigerung gerechtfertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Der Feststellungsantrag ist zwar zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt unter Heranziehung des klägerischen Sachvortrags zur streitgegenstandsbestimmenden Auslegung (BGH NJW 2001, 445 ff.), § 256 ZPO. Das notwendige Feststellungsinteresse ist gegeben, denn die Klägerin kann nicht auf einen Rückforderungsprozess verwiesen werden. Nichts anderes ergibt sich aus der Regelung des § 30 AVBGasV, nach welcher Einwände gegen Rechnungen und Abschlagszahlungen zum Zahlungsaufschub oder zur Zahlungsverweigerung nur berechtigen, "soweit sich aus den Umständen ergibt, dass offensichtliche Fehler vorliegen". Das Bestreiten der Billigkeit der Preisbestimmung des Versorgungsunternehmens wird davon nicht erfasst (BGH NJW 2003, 3131 ff.). Denn der von einem Kunden eines Versorgungsunternehmens erhobene Einwand der Unbilligkeit der Preisbestimmung nach § 315 BGB betrifft nicht Rechen- und Ablesefehler oder andere Abrechnungsgrundlagen, sondern die Leistungspflicht des Kunden, der im Falle der Unangemessenheit des verlangten Preises von Anfang an nur den vom Gericht bestimmten Preis schuldet, § 315 Abs. 3 BGB (BGH a.a.O.). Die Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, dass die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen, § 315 Abs. 3 S. 1 BGB. Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen. Erst diese vom Gericht neu festgesetzten Tarife sind für den Kunden verbindlich und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH v. 05.07.2005 Az.: X ZR 60/04).
Die Klägerin ist daher nicht darauf beschränkt, die Einrede der unbilligen Leistungsbestimmung im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen (vgl. BGH . 05.07.2005 Az.: X ZR 60/04 -S.8), denn - wie ausgeführt - ist die Einrede der unbilligen Tarifsetzung vom sachlichen Anwendungsbereich des § 30 AVBGasV gerade nicht erfaßt (BGH NJW 2003, 3131 ff.). Eine Rechtfertigung, dem Versorgungsunternehmen darüber hinaus die Befugnis zuzugestehen, zunächst eine unter Umständen gar nicht geschuldete Leistung zu vereinnahmen und den Abnehmer auf einen Rückforderungsprozess zu verweisen ist nicht zu erkennen (BGH v. 05.07.2005 Az.: X ZR 60/04 -S. 18).
Auch die von der Beklagten festgesetzten Gaspreise unterliegen in - zumindest entsprechender Anwendung - des § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB findet statt, wenn einer Vertragspartei ein Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist.
Ein solches Leistungsbestimmungsrecht haben die Parteien der Beklagten zwar nicht ausdrücklich eingeräumt, gleichwohl ergibt sich dieses aber aus der AVBGasV, die auf das Lieferverhältnis der Parteien Anwendung findet. Zwar handelt es sich bei der Klägerin nicht um einen allgemeinen Tarifkunden, denn sie hat mit der Beklagten einen Sondertarif S I abgeschlossen. Der Sondertarif S I ist aber nicht als Individualvereinbarung zwischen der Beklagten und einzelnen herausgehobenen Kunden getroffen worden. Vielmehr handelt es sich um einen Tarif, der neben dem allgemeinen Tarif, einer unbestimmten Vielzahl von Endabnehmern/Haushaltskunden angeboten wird. Im Rahmen dieses Sondertarifs S I wird die Klägerin als Kundin auf der Grundlage der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht zu den jeweils öffentlich bekannt gemachten Tarifen und Allgemeinen Bedingungen von der Beklagten versorgt. Hierbei steht der Sondertarif S I den Endverbrauchern als Allgemeinheit in gleicher Weise zur Verfügung wie der Allgemeine Tarif. Auf dieser Grundlage kann die nur formale Bezeichnung als Sondertarif S I nicht zu einer abweichenden rechtlichen Einordnung führen, auch bei diesem Tarif handelt es sich letztlich um Tarifkunden, die aus einem Angebot mehrerer Tarife der Beklagten den für ihr Abnahmeverhalten günstigsten Tarif auswählen; ohne dabei jedoch Sonderbedingungen für sich im einzelnen aushandeln zu können. Ein Sonderkundenvertrag wird dadurch nicht begründet (so auch LG Berlin v. 28.06.2007 - 51 S 16/07). Die Preisanpassungsklausel des § 4 AVBGasV findet daher zwischen den Parteien direkt Anwendung.
Unabhängig davon sind die Bestimmungen der AVBGasV bei der Klägerin als Sondertarifkundin in das Vertragsverhältnis mit einbezogen worden. Die Regelungen der AVBGasV sind im Verhältnis der Parteien als Verordnung einzuordnen und unterliegen keiner Inhaltskontrolle nach den gesetzlichen Bestimmungen des BGB zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. LG Berlin a.a.O.). Allein der Umstand der Einbeziehung einer solchen einem Leitbild entsprechenden Verordnung in ein Vertragswerk macht diese nicht zu allgemeinen Vertragsbedingungen die einseitig bestimmt wurden, und selbst wenn man davon ausgehen würde, läge jedenfalls weder eine Benachteiligung der Kunden vor noch kann von einer Überraschungsklausel ausgegangen werden.
Nach § 4 AVBGasV liefert die Beklagte zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen und Änderungen werden nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam. Danach bestimmt die Beklagte die Höhe der Tarife sowie Zeitpunkt und Umfang von Tarifänderungen, ohne dass die Klägerin beteiligt wird.
Im übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Tarife für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil im Bedarfsfalle angewiesen ist - auch im Rahmen privatrechtlich ausgestalteter Benutzungsverhältnisse - , einer Kontrolle - zumindest analog - nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (BGH NJW 1987, 1828 "Hausanschluss" AVBGasV; BGH NJW 1992, 183 "Strompreisbestimmung"; BGH NJW 1992, 171 "tarifliche Abwasserentgelete"; BGH WuM 2005, 593 "Abfallentsorgung"; BGH NJW-RR 2006, 133 "Baukostenzuschuss" AVBWasserV m.w.N.).
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB nicht durch § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB ausgeschlossen.
Auch nach der xxx-Novelle von 1999 haben das Kartellgesetz und § 315 BGB unterschiedliche Zielrichtungen. Das xxx will den Mißbrauch von Monopolstellungen unterbinden und die Nachteile ausgleichen, die sich aus einem fehlenden Wettbewerb ergeben. § 315 BGB soll im Unterschied dazu die der einen Vertragspartei übertragene Rechtsmacht, den Inhalt des Vertrages, hier Höhe des Preises, einseitig festzusetzen, eingrenzen, und erfordert damit im wesentlichen eine Prüfung und Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessenlage nur bei den beiden Vertragspartnern (BGHZ 41, 271 ff.; BGH NJW 1992, 183 ff "Strompreis"). Für die Anwendung dieser Vorschrift ist die Tatsache, dass die zur Leistungsbestimmung berufene Partei eine marktbeherrschende Stellung innehat, jedenfalls insofern ohne Belang, als dieser Umstand die Grenzen ihres Ermessens nicht erweitern kann (BGH NJW 1992, 183 ff.). Die Grenzen allgemeiner kartellrechtlicher Ge- und Verbote fallen daher nicht mit den Grenzen der Billigkeitsentscheidung nach § 315 BGB zusammen (vgl. LG Heilbronn v. 19.01.06 Az.: 6 S 16/05 Ab).
Im Rahmen der somit nach § 315 Abs. 3 BGB vorzunehmenden Billigkeitsprüfung ist unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen festzustellen, was billigem Ermessen entspricht (Palandt-Grüneberg § 315 Rn. 10).
Eine einseitige Preisbestimmung kann unter Umständen als billig im Sinne von § 315 BGB angesehen werden, wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird. Grundsätzlich ist aber eine umfassende Würdigung des Vertragszweckes sowie der Interessenlage beider Parteien erforderlich, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können ( BGHZ 41, 271 ff.; BGH NJW 1992, 183 ff m.w.N.).
§ 4 AVBGasV regelt nur die Gaslieferung zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und in Abs. 2 die Möglichkeit einer Tarifänderung und macht deren Wirksamkeit von der öffentlichen Bekanntgabe abhängig. Zur Frage, wie die Tarife zu ermitteln sind verhält sich die AVBGasV nicht.
Im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 315 Abs. 3 BGB ist anerkannt, dass jedenfalls die Weitergabe von gestiegenen Bezugskosten an die Tarifkunden im Grundsatz der Billigkeit entspricht (BGH v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Rn. 19 ff). Durch Preiserhöhungen wegen gestiegener Bezugskosten nimmt das Gasversorgungsunternehmen nämlich nur sein berechtigtes Interesse wahr, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben. Auch § 4 Abs. 2 AVBGasV beruht auf diesen Erwägungen. Diese Anpassungsregelung dient dazu, einerseits dem Gasversorger das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Gasversorger mögliche künftige Kostensteigerungen bereits bei Vertragsschluss durch Risikoaufschläge aufzufangen versucht (BGH a.a.O. m.w.N.). Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB nur die Prüfung erlaubt, ob die Leistungsbestimmung unter Berücksichtigung eines dem Berechtigten zustehenden unternehmerischen Gestaltungsspielraums vertretbar ist (Palandt-Grüneberg § 315 Rn. 10). Dabei steht dem Berechtigten ein Entscheidungsrahmen zur Verfügung, innerhalb dessen Bandbreite mehrere mögliche Entscheidungen dem billigen Ermessen entsprechen können.
Vorliegend hat die Beklagte zu den Bezugskostensteigerungen, die den Preiserhöhungen zum 01.09.2004 und 01.08.2005 und 01.02.2006 zu Grunde lagen, dezidiert vorgetragen und ihre Bezugskostensteigerungen durch Vorlage entsprechender Wirtschaftsprüfungsberichte unabhängiger Wirtschaftsprüfer nachgewiesen.
Die Bescheinigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft xxx vom 26.01.2007 (Anlage BB 9 ), mit der die Preiserhöhungen zum 01.09.2004, 01.08.2005, 01.02.2006 und 01.11.2006 geprüft wurden, vermag durchaus darzulegen und zu beweisen, dass eine entsprechende Bezugskostensteigerung stattgefunden hat. So wird seitens dieses unabhängigen Wirtschaftsprüfungsinstituts dargelegt, aufgrund welcher Unterlagen und Prüfungen die Preiserhöhungen jeweils mit den im den fraglichen Zeiträumen stattgehabten Bezugskostensteigerungen zusammenhängen. Danach ist die aus den vorgenommenen Preiserhöhungen resultierende Gesamtanhebung des Preises für Gaslieferungen an Haushaltskunden im Grundversorgungsgebiet der Beklagten nicht größer als die Steigerung der durchschnittlichen mengengewichteten Bezugskosten in den fraglichen vorangegangenen Bezugszeiträumen. Weiter hat die Beklagte schriftliche Bestätigungen ihrer Lieferanten beigebracht (Anaige B 9), wonach für das mengengewichtete Mittel der Gaspreis im Zeitraum von September 2004 bis März 2005 einen Anstieg von 0,50 Cent/kWh bis zu 0,71 Cent/kWh betrug aufgrund der Preisentwicklung bei leichtem Heizöl (xxx bzw. xxx GmbH Co.KG und xxx). Ferner hat die Beklagte Auszüge aus den entsprechenden Erdgaslieferverträgen mit ihren Vertragspartnern vorgelegt (Anlagen BB 5-7), aus denen sich ergibt, dass der der Beklagten berechnete Arbeitspreisanteil sich nach den jeweiligen Preisentwicklungen für leichtes Heizöl richtet. Aus dem vorgelegten Wirtschaftsprüfungsbericht ergibt sich konkret für die Zeit vom 01.09.04 bis 31.05.05 eine Bezugskostensteigerung von +0,609 Cent/kWh. Für den Zeitraum vom 01.08.05 bis 31.01.06 lag die Bezugskostensteigerung bei +1,517 Cent/kWh und für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis 31.10.06 sogar bei +1,624 Cent/kWh im Verhältnis zum Zeitraum 01.09.2003 bis 31.08.2004. Weitergegeben wurden an die Haushaltskunden im Tarif S I zum 01.09.2004 nur 0,40 Cent/kWh, zum 01.08.2005 weitere 0,44 Cent/kWh und zum 01.02.2006 weitere 0,38 Cent/kWh. Da mithin für die jeweiligen Zeiträume die Bezugskostensteigerung nicht umfänglich an die Kläger weitergegeben wurde, sondern jeweils eine Unterdeckung verblieben ist, ist davon auszugehen, dass die jeweiligen Preiserhöhungen der Beklagten im wesentlichen auf den aufgetretenen Bezugskostensteigerungen beruhten. Im Einzelnen hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft folgende Unterdeckungen ermittelt: 01.09.2004 bis 31.07.2007 von 0,209 Cent/kWh, 01.08.2005 bis 31.01.2006 von 0,637 Cent/kWh und vom 01.02.2006 bis 31.10.2006 von 0,364 Cent/kWh. Die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat sowohl in ihrem Bericht als auch nochmals im Schreiben vom 01.10.07 klargestellt, auf der Basis welcher vorgelegten Verträge und Buchungsbelege die Prüfung erfolgte, mit welchen Programmen die Preise errechnet werden und in welchem Umfange die Berechnungsmethoden geprüft und einzelne Berechnungen nachvollzogen wurden. Hierzu hat die Klägerin nicht weiter substantiiert dargelegt, warum diese Unterlagen nicht aussagekräftig sein sollen, bzw. welche weiteren Unterlagen sie für erforderlich gehalten hätten. Das pauschale Bestreiten der ermittelten Ergebnisse ist in diesem Zusammenhang daher nicht beachtlich. Es besteht keine Verpflichtung der Beklagten, ihre gesamten betriebswirtschaftlichen Unterlagen, insbesondere die Kalkulation des Gesamtpreises offen zu legen (vgl. LG Heilbronn v. 19.01.06 - 6 S 16/05 Ab), da zunächst einmal nur die Weitergabe der Bezugskostensteigerung maßgeblich für die Billigkeitskontrolle ist und nicht die Frage, ob auch der Grund- Sockelpreis billig ist. Für die Richtigkeit des gewonnenen Ergebnisses spricht zudem der Umstand, dass die Beklagte unstreitig zu den im Bundesgebiet günstigeren Anbietern gehört und bislang die Kartellbehörden gerade keine Veranlassung gesehen haben einzugreifen.
Mit den erweiterten in der Berufungsinstanz vorgelegten Berichten und Unterlagen, ist die Beklagte auch nicht nach § 531 ZPO ausgeschlossen, denn es handelt sich nicht um neue Angriffs- und Verteidigungsmittel. Soweit mit der einzig neuen Anlage BB 11 dargetan wird, dass die nachgewiesenen Bezugskostensteigerungen auch nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wurden, handelt es sich um einen Umstand, den das erstinstanzliche Gericht ersichtlich nicht für erheblich gehalten hatte, so dass auch insoweit eine Präklusionswirkung nicht eingetreten ist, § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Substantiierte Einwendungen gegen dieses Zahlenwerk erhebt die Klägerin nicht. Es ergibt sich aus diesen Unterlagen, dass die Beklagte die Bezugkostensteiergerungen auch nicht anderweitig kompensieren konnte.
Die vorgelegten Unterlagen belegen somit, dass die vorgenommenen Preiserhöhungen zum 01.09.2004 und 01.08.2005 und 01.02.2006 nicht einmal umfänglich die eingetretene Bezugskostensteigerung an die Kunden weitergeben, weshalb die Erhöhungen akzeptabel sind und sich noch im Rahmen des der Beklagten aus § 315 Abs. 3 BGB zu zubilligenden Entscheidungsrahmen bewegen.
Auch der Umstand, dass die Beklagte mit ihren Gaslieferanten Bezugsverträge mit einer Preiskoppelungsklausel geschlossen hat, wonach der Gaspreis an den Preis für leichtes Heizöl gekoppelt ist, vermag die streitigen Preiserhöhungen nicht als unbillig im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB erscheinen lassen. § 315 BGB sieht eine Überprüfung der Billigkeit des von dem einen Vertragsteil einseitig bestimmten Preises vor. Entspricht dieser - wie hier- für sich genommen der Billigkeit, so kann die nur für das Vertragsverhältnis zwischen der die Leistung bestimmenden und der dieser Bestimmung unterworfenen Partei geltende Regelung des § 315 BGB nicht herangezogen werden, um auch die auf einer vorgelagerten Stufe der Lieferkette vereinbarten Preise einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (BGH v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Rn. 27). Auch eine etwaige Kartellrechtswidrigkeit der Bindung des Bezugspreises der Beklagten an den Preis für leichtes Heizöl würde daran nichts ändern (BGH a.a.O.).
Heizenergieträger wie Heizöl, Strom, Kohle und Fernwärme. Gerade diese Bewertung entspricht auch den gesetzlichen Regelungen, denn die allgemeinen Tarife der Gasversorger unterlagen zu keinem Zeitpunkt einer behördlichen Genehmigung. Ein solches Erfordernis hielt der Gesetzgeber nicht für nötig, weil die Neukunden zur Deckung ihres Wärmebedarfs unmittelbar zwischen verschiedenen Energieträgern wählen können und durch eine solche Konkurrenzsituation ein Wettbewerbsdruck entsteht, der allen Kunden zugute kommt, auch wenn für den einzelnen Kunden unter Umständen der Wechsel zu einer anderen Energieart wegen des hiermit verbundenen Aufwandes und der Kosten keine echte Alternative darstellt.
Etwas anderes ergibt sich aber auch nicht, wenn es sich bei den bis zum 01.09.2004 geltenden Tarifen um solche handelte, die in der Vergangenheit durch von der Beklagten nach § 4 Abs. 1 u. 2 AVBGasV einseitig vorgenommene Preiserhöhungen zustande gekommene Preise gehandelt hat. In diesem Fall hätte der Kläger auch diese Preiserhöhungen nach § 315 BGB gerichtlich überprüfen lassen können. Einer Überprüfung früherer etwaiger unbilliger Erhöhungen im Rahmen der nunmehr streitigen Erhöhungen ab 01.09.2004 steht entgegen, dass der Kläger die auf diesen Tarifen basierenden Jahresabrechnungen unbeanstandet hingenommen hat. Kommt aber zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent (§ 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme aus dem Netz) - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen bzw. Sondertarif S I zustande, so ist der von dem Kunden zu zahlenden Preis durch den zuvor von dem Gasversorger veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrages zwischen den Parteien vereinbart. Er ist damit einer Prüfung nach § 315 BGB entzogen (BGH a.a.O. Rn. 36, s.o.). So liegt es auch bei einer öffentlich bekannt gemachten einseitigen Erhöhung, die der Kunde akzeptiert hat, indem er weiter Gas bezogen hat ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis (BGH a.a.O.).
Nach alledem hat daher der Sockeltarif bei der Billigkeitsprüfung der letzten Preiserhöhungen seit dem 01.09.2004 außer Betracht zu bleiben. Es verbleibt daher allein bei den tatsächlich erfolgten Erhöhungen, die - wie ausgeführt - noch unter den in den fraglichen Zeiträumen liegenden Bezugskostensteigerungen lagen und im Entscheidungsrahmen der Beklagten noch den Billigkeitsgrundsätzen des § 315 Abs. 3 BGB entsprechen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 und 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen, § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, denn soweit ersichtlich hat sich das Revisionsgericht zur Frage, ob die AVBGasV auch im Rahmen des vorliegenden Sondertarifs S I Anwendung finden kann und ob ein bundesweiter Preisvergleich als Grundlage einer Billigkeitskontrolie in Betracht kommt noch nicht geäußert hat.