Landgericht Oldenburg
Urt. v. 07.03.2007, Az.: 5 O 751/06

Amtspflicht; Aufklärung; Belehrungspflicht; Beratung; Beratungspflicht; Beweislast; Darlegungslast; Erbbaurecht; Erbbaurechtsübertragung; Firmenvermögen; Freibetrag; Geschäftshaus; Geschäftsinhaber; Gewerbebetrieb; Gewerbetreibender; Informationsvorsprung; Kenntnis; Ladenlokal; Notar; Notarhaftung; Privatvermögen; Rechtsbelehrung; Rechtsrat; Sohn; Steuerberater; Steuerrecht; Unternehmensgegenstand; Urkundsbeteiligter; Vater; Werkstatt; Wissensvorsprung; Wohnhaus

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
07.03.2007
Aktenzeichen
5 O 751/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71794
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG - 08.05.2007 - AZ: 6 U 63/07

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wird dem Notar vorgeworfen, er habe einen steuerrechtlich nachteiligen Vertrag entworfen, hat der geschädigte Urkundsbeteiligte alle Tatsachen, wie mangelnde eigene Kenntnis, Wissensvorsprung des Notars und dessen Kenntnis von den steuerrechtlich relevanten Hintergründen der Urkundsbeteiligten darzulegen und zu beweisen.

2. Ein Notar ist nicht gehalten, sich bei jedem bedeutenden Vertrag unter Beteiligung eines Gewerbetreibenden darüber zu vergewissern, dass sich die Urkundsbeteiligten hinsichtlich steuerrechtlichen Fragen genügenden Rechtsrat eingeholt haben. - LG Oldenburg Urt. vom 07.03.07 - 5 O 751/06.Das OLG Oldenburg hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren durch Beschluss vom 08.05.2007 - 6 U 63/07 - zurückgewiesen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten in Anspruch, weil dieser als Notar anlässlich einer Erbbaurechtsübertragung unzureichend über die steuerlichen Folgen aufgeklärt habe.

2

Der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin war Erbbauberechtigter eines Wohn- und Geschäftshauses in Wilhelmshaven. Darin wurde zumindest in früheren Jahren ein Handwerksunternehmen mit Ladenlokal und Werkstatt betrieben. Infolge sich abzeichnender Änderungen steuerrechtlicher Freibeträge entschloss sich der Ehemann der Klägerin, das Erbbaurecht unentgeltlich auf seinen Sohn zu übertragen. Den Vertrag vom 13.11.1995 hat der Beklagte beurkundet. Der Ehemann der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt 80 Jahre alt.

3

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe gewusst, dass sich das Erbbaurecht steuerlich im Vermögen des Betriebes befunden hat, so dass die Übertragung steuerliche Nachteile, insbesondere eine erhebliche Mehrbelastung an Einkommenssteuern mit sich brachte. Diese steuerliche Rechtslage sei den Urkundsbeteiligten nicht bekannt gewesen. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte hätte über diese steuerrechtlichen Nachteile aufklären müssen. Ihm sei aufgrund nachbarlicher Nähe, persönlicher Bekanntschaft und nicht zuletzt durch eine hiermit in Bezug genommene Beurkundung vom 13.11.1991, in der das Erbbaurecht ausgeweitet wurde, die rechtliche und wirtschaftliche Situation des Ehemannes der Klägerin als Betriebsinhaber und Erbbauberechtigter bekannt gewesen.

4

Den ursprünglichen Steuerbescheid hatte die Klägerin angefochten gehabt. Im Zuge von Verhandlungen im Anschluss an ein Finanzgerichtsverfahren, das durch die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Bundesfinanzhof am 06.12.2002 endete, erreichte die Klägerin im Jahr 2003, dass die Steuerschuld auf letztlich 48.323,40 € reduziert werden konnte. Ferner verlangt die Klägerin Ersatz von davon abhängigen Gewerbesteuern und IHK-Beiträgen.

5

Die Klägerin behauptet, bei Kenntnis der steuerlichen Folgen hätte sie entsprechenden Rechtsrat eingeholt. Bei anderen Übertragungsmodalitäten wären die nunmehr geltend gemachten Beträge nicht angefallen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22.06.06. nebst einer gutachterlichen Stellungnahme verwiesen.

6

Die Klägerin beantragt,

7

den Beklagten zu verurteilen, an sie 67.397,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.01.2006 zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er erhebt die Einrede der Verjährung.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage hat keinen Erfolg. Der Beklagte hat keine Beratungspflichten verletzt; er brauchte nicht ungefragt auf die Mitwirkung eines Steuerberaters hinzuwirken.

12

Die Amtspflichten des Notars zur Rechtsbelehrung (§ 17 Abs. 1 BeurkG) und zur allgemeinen Betreuung der Beteiligten (§ 14 Abs. 1 BNotO) erstrecken sich in der Regel nicht auf die steuerlichen Folgen des zu beurkundenden Geschäfts.

13

Allerdings haftet ein Notar, der nicht zu steuerlichen Belehrungen verpflichtet war, auch dann, wenn er tatsächlich belehrt hat und die Belehrung in einer Weise falsch oder unvollständig war, dass der Betroffene in die Gefahr eines folgenschweren Irrtums geriet (BGH, Urt. vom 24.09.96 - IX ZR 322/95 = LM BNotO § 19 Nr. 62 b; Urt. v. 2. Juni 1981 - VI ZR 148/79, WM 1981, 942, 943; v. 5. November 1982 - V ZR 217/81, WM 1983, 123). Dem muss gleichstehen, wenn die Beteiligten eine steuerrechtliche Beratung wünschen und der Notar sie im Glauben lässt, das Steuerrecht berücksichtigt zu haben.

14

Eine solche Konstellation lag hier nicht vor. Die Klägerin behauptet nicht, dass die Urkundsbeteiligten von dem Beklagten eine steuerrechtliche Beratung begehrt, das Erfordernis einer solchen mit ihm erörtert oder dass sie ansonsten fehlerhaft beraten worden sind.

15

Unabhängig davon kann jedoch eine erweiterte Belehrungspflicht bestehen, wenn im Hinblick auf eine in besonderen Umständen des Einzelfalls wurzelnde, den Beteiligten unbewusste steuerliche Gefahrenlage vorliegt und der Notar diese erkennt oder zumindest erkennen kann (BGH Urt. vom 22.05.2003 - IX ZR 201/01 = ZEV 04, 31; Urt. v. 14. 5. 1992, IX ZR 262/91, WM 1992, 1533; v. 13. 6. 1995, IX ZR 203/94, WM 1995, 1502). Inhalt und Umfang der Belehrungspflicht hängen davon ab, wie konkret der Notar die drohenden steuerlichen Folgen kennt. Kennt er sie positiv, muss er davor warnen (BGH, WM 1992, 1533). Kennt er sie zwar nicht, muss er aber annehmen, dass das geplante Geschäft von allen Beteiligten nicht erkannte und nicht gewollte steuerliche Auswirkungen haben könnte, muss er empfehlen, die steuerliche Seite von einem Fachmann überprüfen zu lassen (BGH, aaO.).

16

Die Klägerin hat keine genügenden Tatsachen vorgetragen, dass sich dem Beklagten der Schluss aufdrängen musste, es habe ein steuerlich riskantes Geschäft gedroht, dessen Auswirkungen die Urkundsbeteiligten nicht erkannt haben.

17

Zunächst ist die Übertragung eines Erbbaurechts von dem Vater auf den Sohn kein steuerrechtlich außergewöhnliches, mit Risiken versehenes Rechtsgeschäft, auch wenn ein Wohn- und Geschäftshaus betroffen ist.

18

Soweit hier Besonderheiten durch den Gewerbebetrieb vorlagen, hat die Klägerin keine genügenden Tatsachen vorgetragen, dass der Beklagte besondere steuerrechtliche Risiken annehmen musste. Weder durch den Anblick eines Gebäudes noch durch die persönliche Bekanntschaft eines Gewerbetreibenden kann darauf geschlossen werden, ob sich vom Unternehmen genutzte Gegenstände im Firmen- oder Privatvermögen befinden. Hierzu sagt auch der Vertrag vom 13.11.1991 nicht das Geringste aus. Daraus ist auch nicht zu ersehen und die Klägerin trägt auch nicht eine entsprechende Aufklärung des Beklagten vor, dass er davon ausgehen musste, ihr Ehemann sei seinerzeit Geschäftsinhaber gewesen. Bei der ersten Beurkundung war jener nämlich bereits 76 Jahre, bei der - steuerschädlichen - Übertragung 80 Jahr alt gewesen. In einem solchen Lebensalter haben Gewerbetreibende nach der Lebenserfahrung längst Regelungen zur Firmenführung und -nachfolge in die Wege geleitet und insbesondere auch die daraus resultierenden steuerrechtlichen Belange geregelt. Alles andere wäre völlig ungewöhnlich ebenso wie der Umstand, dass die Klägerin, ihr Ehemann und ihr Sohn zuvor keinerlei Beratung in steuerlichen Dingen in Anspruch genommen haben. Davon dass ein Gewerbetreibender in der Lage des Ehemannes die Umstrukturierung des Geschäfts nicht mit einem Steuerberater bespricht, brauchte der Beklagte nicht auszugehen.

19

Die Klägerin möchte dem Beklagten die volle Verantwortung für eine steuerliche Beratung, mindestens jedoch umfassende steuerrechtliche Kenntnisse anlasten. Den Ausnahmefall, den der BGH in seiner Entscheidung vom 22.05.03 entschieden hat, möchte die Klägerin zum Regelfall machen. Danach müsste ein Notar bei jeder Übertragung nennenswerten Vermögens oder Beteiligung eines Gewerbebetriebes nachfragen, ob die Urkundsbeteiligten sich ausreichenden steuerlichen Rat eingeholt haben. So ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofes indessen nicht zu verstehen. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass der Notar rechtliche Beratung, aber nicht steuerrechtliche Beratung schuldet. Dass er dabei nicht ohne Rücksicht auf die steuerlichen Auswirkungen von einem steuerlichen Fachmann stammende Regelungen eigenmächtig abändern darf, wie es in dem angesprochenen Fall des BGH geschehen ist, ergibt sich dann quasi von selbst.

20

Die Darlegungs- und Beweislast für eine Pflichtverletzung des Notars obliegt dem Geschädigten. Entsprechend ist es die Aufgabe der Klägerin, alle Tatsachen wie mangelnde eigene Kenntnis, Wissensvorsprung des Beklagten und dessen umfassende Kenntnis von den steuerlich relevanten persönlichen Hintergründen ihres Ehemannes unter Beweisantritt vorzutragen, da der Beklagte das alles bestritten hat. Dem hat die Klägerin nicht genügt.

21

Dass es Notare gibt, die sich im Steuerrecht überragend gut auskennen und dadurch in der Lage sind, Problemfälle überhaupt erst zu erkennen, kann angenommen werden. Diese können aber nicht zum Maßstab für die Notarhaftung genommen werden. Wie der BGH (aaO.) ausgeführt hat, müssen für ihn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das geplante Geschäft von allen Beteiligten nicht erkannte und nicht gewollte steuerliche Auswirkungen haben könnte. Eine Frage, ein Hinweis der Urkundsbeteiligten, dass sie trotz der angeschnittenen Fragen der Unternehmensführung, -nachfolge und damit verbundener Grundstücksgeschäfte in keiner Weise einen Steuerberater befragt haben, hätten möglicherweise solche Anhaltspunkte liefern können. Der Ehemann der Klägerin wusste, dass das Grundstück teilweise Unternehmensgegenstand war und dass er mit der Erbbaurechtsübertragung Bestandteile des Unternehmens übertrug. Dass der Beklagte davon Kenntnis hatte, ist bestritten und von der Klägerin nicht belegt worden. Für dieses Verfahren ist damit davon auszugehen, dass der Beklagte nicht über einen Informationsvorsprung verfügte.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.