Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 12.03.2003, Az.: 2 A 166/02
Bodendenkmal; Rekultivierung; Schutz
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 12.03.2003
- Aktenzeichen
- 2 A 166/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48354
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die übrigen Beteiligten zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen Anordnungen zum Schutz eines archäologischen Bodendenkmals durch den Beklagten.
Der Kläger ist mit seiner Mutter, Frau F., seiner Schwester, Frau G., und einer Erbengemeinschaft nach seinem verstorbenen Vater Miteigentümer des Flurstücks H. der Flur I., Gemarkung J.. Es handelt sich um ein ca. 4 ha großes Grundstück, für das im Grundbuch als Wirtschaftsart Ackerland, Wald und Holzung eingetragen ist. Die Familie erwarb das ausweislich des Grundbuchs als K. bezeichnete Grundstück im Jahre 1971.
Bereits 1898 wurden im Zuge des Sandabbaus auf dem Grundstück charakteristische Funde für ein urgeschichtliches Urnengräberfeld freigelegt. Es handelte sich beispielsweise um tönerne, mit Leichenbrand gefüllte Urnen. Außerdem fand man Beigaben der Bestatteten wie metallene Messer und Trachtbestandteile der Toten wie Fibeln zum Verschließen der Gewänder, Gürtelhaken oder Glasperlen. Nach den Ausführungen des Beigeladenen im Gerichtsverfahren sind die Funde und die Bestattungssitte charakteristisch für die so genannte Vorrömische Eisenzeit. Die Funde datieren in die Zeit um 500 bis 400 v. Chr.. Die ersten Urnen wurden in einer Tiefe von etwa 0,5 m unter der Grasnarbe angetroffen. Heute ist nach den Darlegungen des Beigeladenen die schützende Bedeckung sehr viel geringer. In der Zeit nach 1983 wurden zudem mehrfach Funde mittelsteinzeitlicher Jäger und Sammler sowie Fundstücke aus der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit (ca. 4000 v. Chr.) geborgen (Werkzeuge, Pfeilspitzen und Keramikscherben). Der Beigeladene trägt vor, diese Funde deuteten auf eine bäuerliche Siedlung auf der exponierten Geländekuppe schon vor der Anlage des Urnenfriedhofs. Es seien die ältesten Belege menschlicher Besiedlung in J.. Probegrabungen im Jahre 1985 hätten dann den Denkmalcharakter zweifelsfrei festgestellt. Auf der Basis der gewonnen Ergebnisse und angesichts der fortschreitenden Zerstörung des Denkmals durch einen ungenehmigten Sandabbau und die Nutzung als Moto-Cross-Gelände habe der zuständige Bezirksarchäologe 1995 die Aufnahme der Fundstelle als Nr. 101 in das Verzeichnis der Kulturdenkmale nach § 4 NDSchG veranlasst. Die Eigentümer des Flurstücks wurden darüber mit Schreiben vom 17.01.1996 benachrichtigt (vgl. den ersten Teil der Verwaltungsvorgänge). Die Archäologen bezeichnen das Flurstück als L. (vgl. Auszug aus der niedersächsischen Denkmalkartei, Bl. 46 GA).
Mit Bescheid vom 18.04.2000 traf der Beklagte gegenüber M. folgende Anordnungen:
Die Fläche im Bereich des archäologischen Bodendenkmals auf dem o. g. Flurstück ist zu rekultivieren und zwar innerhalb einer Frist von 6 Wochen ab Unanfechtbarkeit dieser Verfügung. Die Erledigung dieser Arbeiten hat unter Leitung von Herrn N. (Tel.: 05371/3014) zu erfolgen.
Die Fahrspur, die sich auf der Fläche des Bodendenkmals gebildet hat, ist mit einer ausreichenden Anzahl zweijähriger Eichen (Höhe: 50 - 80 cm) zu bepflanzen. Als ausreichend wird die Pflanzung einer Eiche pro Quadratmeter angesehen. Die Eichen sind gegen Wildverbiß zu schützen und dauerhaft zu erhalten; Abgänge sind durch gleichartige Pflanzen zu ersetzen. Für die Erledigung räume ich Ihnen ebenfalls eine Frist von 6 Wochen ab Unanfechtbarkeit dieser Verfügung ein. Sofern dann keine Pflanzzeit ist, wird diese Frist bis zum Ablauf der nächsten Pflanzperiode verlängert.
Der Weg über das Bodendenkmal ist so dauerhaft abzusperren, daß er nicht mehr befahren werden kann. Dies hat innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Unanfechtbarkeit dieser Verfügung zu erfolgen.
Ferner drohte der Beklagte unter Punkt 4. Zwangsgelder an. Die Mutter und die Schwester des Klägers erhielten unter dem 18.04.2000 eine Verfügung, als Miteigentümer des Grundstücks die gegenüber O. angeordneten Maßnahmen zu dulden. Einen Bescheid dieses Inhalts erging auch gegenüber P..
Mit Bescheid vom 3.5.2000 zog der Beklagte u. a. M. zu Verwaltungskosten in Höhe von 111,00 DM heran.
Auf die nicht begründeten Widersprüche des Klägers (gegen den Bescheid vom 18.04.2000 und gegen den Kostenbescheid) erließ die Bezirksregierung Braunschweig mit Datum vom 25.03.2002 gegenüber Herrn Q. einen Widerspruchsbescheid, der im Tenor unter 1.) Folgendes anordnete:
Die mit Ihrem Widerspruch angefochtene Verfügung des Landkreises Gifhorn ändere ich dahingehend, dass die Anordnungen, die Fläche im Bereich des archäologischen Bodendenkmals auf dem Flurstück R., Gemarkung J., zu rekultivieren (Anordnung zu 1.) und die Fahrspur, die sich auf der Fläche des Bodendenkmals gebildet hat, mit einer ausreichenden Anzahl zweijähriger Eichen zu bepflanzen (Anordnung zu 2.), erst ab dem Zeitpunkt gelten, in dem Ihnen vom Landkreis Gifhorn mitgeteilt wird, keine archäologischen Arbeiten am Bodendenkmal mehr erforderlich sind. Im übrigen weise ich Ihren Widerspruch zurück.
Die Mutter, Schwester und Herr S. erhielten einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 26.03.2002.
Der Kläger hat am 30.04.2002 Klage erhoben. Er trägt vor, die Duldungsverfügung gehe womöglich ins Leere. Sein Vater, Herr T., sei nämlich schon längst verstorben. Gegen ihn richteten sich jedoch die Forderungen in dem Bescheid vom 14.04.2000 und in dem Widerspruchsbescheid vom 25.03.2000. Im Übrigen sei die Aufforderung zur Aufforstung nicht nachvollziehbar. Sie sei willkürlich. Seit dem Kauf des Geländes habe die Familie keinen Baum gefällt und keinen Busch gerodet. Es hätten sich im Gegenteil in den letzten dreißig Jahren sehr schöne Solitärbäume (Eichen) entwickeln können. Den Charakter der Landschaft hätten sie nicht verändert. Das Grundstück U. sei schon sehr lange als Sandkuhle bekannt. Sie selbst hätten aber keinen Bodenabbau betrieben, sondern das Gelände nur von Verunreinigungen mit Bauschutt säubern wollen. Bis 1999 habe der Beklagte auf dem Gelände außerdem internationale Motorradtreffen mit weit über 150 Teilnehmern genehmigt. Er könne ferner nicht Zufahrten bepflanzen, die gar nicht in seinem Eigentum stünden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 18.04.2000 und den Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 3.5.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 25.03.2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf seinen Vorlagebericht vom 09.04.2001 an die Bezirksregierung Braunschweig und auf den Widerspruchsbescheid vom 25.03.2002. Dass auf dem Gelände Motorradtreffen stattgefunden hätten, sei ihm nicht bekannt.
Der Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 26.02.2003 Stellung genommen, jedoch keinen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 18.04.2000 und der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 03.05.2000, jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 25.03.2002 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger ist Adressat des Bescheides vom 18.04.2000, mit dem verschiedene Maßnahmen zum Schutz des archäologischen Bodendenkmals auf dem klägerischen Grundstück in J. angeordnet wurden. Im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides war der Kläger der im Adressfeld des Bescheides bezeichnete Herr T.. Er wohnte auf dem Grundstück V.. Da ein Duldungsbescheid vom selben Tag an Herrn W. gerichtet wurde, konnte es sich dabei nur um den Sohn des Klägers handeln. Aus der hier maßgeblichen Perspektive des Empfängers der Bescheide vom 18.04.2000 war damit klar, dass die umstrittenen Anordnungen gegenüber dem Kläger als T. getroffen wurden. Der Kläger hat nicht lediglich eine Verfügung zur Duldung der Maßnahmen erhalten. Dass der Beklagte aufgrund des noch nicht berichtigten Grundbuches offenbar davon ausging, den Vater des Klägers als Herrn T. in Anspruch zu nehmen, ist für die Auslegung des Bescheides unerheblich. Es kommt darauf an, wie der Kläger die Bescheide nach Treu und Glauben auffassen musste. Da der Vater des Klägers bereits 1973 verstorben ist, konnte der Kläger vernünftigerweise im April 2000 nicht annehmen, der Beklagte wolle den verstorbenen Vater zum Schutz des Bodendenkmals verpflichten.
Die Anordnungen, die Fläche im Bereich des archäologischen Bodendenkmals zu rekultivieren und die Fahrspur mit einer ausreichenden Anzahl zweijähriger Eichen zu bepflanzen, sind gemäß § 63 Satz 2 NNatSchG rechtmäßig. Sind Natur oder Landschaft rechtswidrig zerstört, beschädigt oder verändert worden, so kann die Naturschutzbehörde gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 NNatSchG die Wiederherstellung des bisherigen Zustandes anordnen. Zwischen den Beteiligten ist nicht umstritten, dass die Natur im Bereich des Bodendenkmals auf dem als U. bezeichneten Grundstück verändert worden ist. Die Fotos Bl. 57 der Vw-Vorgänge belegen dies. Ungeachtet der Frage, ob die Veränderung schon deshalb rechtswidrig erfolgt ist, weil sie auf einen nicht gemäß §§ 17 ff. NNatSchG genehmigten Bodenabbau zurückzuführen ist, oder die Beseitigung von rechtswidrig abgelagertem Bauschutt nicht naturschutzgerecht i.S. des § 8 NNatSchG vorgenommen wurde, ist hier die Veränderung der Natur rechtswidrig, weil das Abtragen der oberen Bodenschichten und das Befahren des Geländes den Denkmalwert des Kulturdenkmals i.S. des § 6 Abs. 2 NDSchG i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 4 NDSchG beeinträchtigt hat. Das Bodendenkmal ist gemäß § 6 Abs. 2 NDSchG gefährdet worden.
Der Beklagte hat die Wiederherstellung des bisherigen Zustandes gemäß § 63 Satz 2 NNatSchG ermessensfehlerfrei angeordnet. Die Maßnahmen in dem Bescheid vom 18.04.2000 zu 1) und 2) sind auch verhältnismäßig. Insbesondere ist die Aufforderung, eine ausreichende Anzahl zweijähriger Eichen in einer Höhe von 50 bis 80 cm zu pflanzen, geeignet, den mit der Maßnahme verfolgten Zweck der Wiederherstellung eines natürlichen Zustandes zu erreichen. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, auch ein Anpflanzen von Kiefern sei denkbar. Sofern sich herausstellen sollte, dass tiefwurzelnde Eichen auf dem Sandboden nicht standortgerecht sind, kommt deshalb auch eine Aufforstung mit Kiefern, die dort bereits vorhanden sind, in Betracht. Von mehreren möglichen und standortgerechten Pflanzen, kann nach den Äußerungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung die preiswerteste Pflanzensorte gewählt werden. Selbstverständlich muss der Kläger die Anordnungen nur hinsichtlich seines eigenen Grundstückes befolgen.
Der Kläger ist der Notwendigkeit einer Rekultivierung mit dem Hinweis auf die natürliche Entwicklung des Geländes nicht überzeugend entgegengetreten. Die Ausführungen des Beklagten, der beigeladenen Denkmalschutzbehörde und insbesondere die Fotos in den Verwaltungsvorgängen belegen, dass Natur und Landschaft beschädigt und verändert wurden und eine natürliche Entwicklung zumindest auf Teilen des Geländes, die das Bodendenkmal betreffen, gerade nicht stattgefunden hat.
Die erst in dem Widerspruchsbescheid vom 25.03.2002 verfügte aufschiebende Bedingung, wonach die Maßnahmen erst nach Abschluss der archäologischen Arbeiten vorzunehmen sind, ist gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG rechtmäßig. Nach dieser Bestimmung kann ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer Bestimmung erlassen werden, nach der der Eintritt einer Belastung von einem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig (Bedingung). Inzwischen ist der Zeitpunkt des Abschlusses der archäologischen Arbeiten nicht mehr i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG „ungewiss“. Die Arbeiten sind abgeschlossen. Der Kläger ist mit Rechtskraft des Urteils verpflichtet, den Anordnungen nachzukommen.
Die Verfügung zu Ziffer 3) des Bescheides vom 18.04.2000, den Weg über das Bodendenkmal dauerhaft so abzusperren, dass er nicht mehr befahren werden kann, ist gemäß § 23 Abs. 1 i.V.m. § 6 NDSchG rechtmäßig. Wie ausgeführt dürfen Bodendenkmale nicht zerstört, gefährdet oder verändert werden. Sie sind instand zu halten, zu pflegen, vor Gefährdungen zu schützen und, wenn nötig, instand zu setzen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 NDSchG). Ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig ist deshalb auch die Verpflichtung, die Zufahrt abzusperren. Als Eigentümer des Grundstückes ist der Kläger gemäß § 63 Satz 3 NNatSchG i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 1 NGefAG und § 6 Abs. 1 Satz 2 NDSchG der richtige Adressat der Maßnahmen. Die Auswahl gerade des Klägers als einen von mehreren Miteigentümern ist ermessensfehlerfrei erfolgt.
Im Übrigen - auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Kostenbescheides vom 03.05.2000 - sieht das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt der zutreffenden Begründung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 25.03.2002 (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).