Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 14.01.2008, Az.: L 8 SO 88/07 ER
Vorläufige Gewährung von Arbeitslosengeld II; Erwerbsfähigkeit eines Ausländers mit einer Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitsgenehmigung; Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe; Verwehrung von Arbeitslosengeldleistungen und Sozialhilfeleistungen aufgrund des Aufenthaltszwecks; Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes; Gewöhnlicher Aufenthaltsort eines Ausländers in der BRD als Voraussetzung zur Gewährung von Elterngeld; Verstoß gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbotes
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 14.01.2008
- Aktenzeichen
- L 8 SO 88/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 11771
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0114.L8SO88.07ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 20.02.2007
Rechtsgrundlagen
- § 26 AufenthG
- § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II
- § 2 Freizügigkeitsgesetz/EU
- § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU
- § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII
- § 21 S. 1 SGB XII
- § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II
- Art. 6 GG
- Nr. 3101 Anlage zur BKV
Fundstellen
- InfAuslR 2008, 227-230 (Volltext mit red. LS)
- NVwZ 2008, 621-624 (Volltext mit amtl. LS)
- NVwZ-RR 2008, 621-624 (Volltext mit amtl. LS)
- ZfF 2009, 67-68
- info also 2008, 141-142 (amtl. Leitsatz)
- info also 2008, 283
- info also 2009, 42
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 20. Februar 2007 aufgehoben. Die Beigeladene wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - ab dem 14. Dezember 2006 bis 30. Juni 2007 Arbeitslosengeld II auf ihren Antrag vom 29. Juni 2006 zu gewähren.
Die Beigeladene erstattet der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 20. Februar 2007 ist begründet. Das Begehren der Antragstellerin war darauf gerichtet, entweder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) oder nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zu erhalten. In diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie einen Leistungsanspruch auf die Gewährung des Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem SGB II hat. Dementsprechend war die Beigeladene im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zur Gewährung zu verpflichten.
Die im Mai 1982 geborene Antragstellerin ist niederländische Staatsangehörige afghanischer Herkunft. Ihr Geburtsort ist F., (Afghanistan). Die Antragstellerin ist verheiratet mit dem im März 1977 ebenfalls in F. geborenen afghanischen Staatsangehörigen G. H ... Die Eheschließung fand am 26. Mai 2004 in den Niederlanden statt (Standesamt I.). Aus dieser Ehe stammt der am 26. März 2007 in J. geborene Sohn K ... Seit der Geburt ihres Sohnes erhält die Antragstellerin Elterngeld nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG). Der Ehemann ist anerkannter Konventionsflüchtling (Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Genfer Konvention ) und besitzt eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Der Ehemann war - soweit das aus den Akten ersichtlich wird -, zu Beginn des Jahres 2006 erwerbstätig und erzielte monatlich cirka 1.000,00 EUR netto. Eine Kündigung dieses Beschäftigungsverhältnisses erfolgte laut Kündigungsschreiben vom 21. Juni 2006 "ab 01.07.2006". Die Antragstellerin reiste am 1. April 2006 - aus den Niederlanden kommend - nach Deutschland ein und wohnt seitdem bei ihrem Ehemann. Sie hat eine Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU vom 12. April 2006 der Landeshauptstadt J. erhalten, in welcher ihr bescheinigt wird, dass das Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU am heutigen Tage bestehe, weil sie - die Antragstellerin - glaubhaft gemacht habe, dass sie nicht erwerbstätig sei, aber über ausreichende Existenzmittel für den Lebensunterhalt sowie über Krankenversicherungsschutz verfüge.
Mit Antrag vom 29. Juni 2006 begehrten die Eheleute Leistungen nach dem SGB II. Dem Ehemann wurden Leistungen bewilligt (Bescheid vom 1. August 2006, ab 1. August bis 31. Dezember 2006, monatlicher Zahlbetrag 429,79 EUR). Leistungen an die Antragstellerin wurden mit Bescheid vom 2. August 2006 abgelehnt. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vom 6. November 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Der Leistungsausschluss ergebe sich aus § 7 Abs. 1 Satz 2 erste Alternative SGB II; diese Regelung lehne sich an § 2 Freizügigkeitsgesetz/EU an in den Fällen, in denen sich das Aufenthaltsrecht ausschließlich auf den Grund der Arbeitsuche stütze, § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU. Die Antragstellerin sei im Besitz einer Bescheinigung nach § 4 (richtig § 5) Freizügigkeitsgesetz/EU, da sie zum Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung glaubhaft gemacht habe, dass sie aufgrund der Erwerbstätigkeit ihres Ehemannes über ausreichende Mittel zur Deckung des Lebensunterhaltes verfüge. Dies habe sich durch den Arbeitsplatzverlust des Ehemannes geändert. Damit verliere die Bescheinigung ihre Gültigkeit. Weiterhin habe sie mitgeteilt, dass sie sich auch auf Arbeitsuche befinde und bei der Arbeitsagentur gemeldet habe. Zwar sei der Grund der Antragstellerin für den Aufenthalt in Deutschland nicht allein die Arbeitssuche; doch der einzige begünstigte Aufenthaltszweck der Antragstellerin, der sich aus dem Freizügigkeitsgesetz/EU herleiten lasse, sei der Aufenthalt zur Arbeitsuche. Dieser Aufenthaltszweck führe zum Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II. Dagegen führt die Antragstellerin Klage beim SG Hannover ( S 55 AS 1950/06 ).
Nach der Ablehnung der Leistungen nach dem SGB II begehrte die Antragstellerin die Gewährung von Sozialhilfe. Die für die Antragsgegnerin handelnde Landeshauptstadt J. lehnte dies mit Verfügung vom 13. September 2006 ab. Leistungen nach dem SGB XII könnten nicht gewährt werden, da die Antragstellerin grundsätzlich arbeitsfähig und damit die Zuständigkeit des Leistungsträgers nach dem SGB II gegeben sei. Die Ablehnung der Beigeladenen könne nicht nachvollzogen werden, da die Antragstellerin als EU-Bürgerin in der Bundesrepublik Deutschland Anspruch auf entsprechende Leistungen nach dem SGB II habe. Sozialhilfe könne gemäß §§ 21 Satz 1, 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (neue Fassung - nF -) nicht gezahlt werden. Gegen die nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Verfügung vom 13. September 2006 hat die Antragstellerin am 29. November 2006 Widerspruch eingelegt, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.
Die Antragstellerin hat am 14. Dezember 2006 beim SG Hannover um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Ihr Begehren war ursprünglich gerichtet auf die Zahlung von Sozialhilfe, nach Beiladung der Arbeitsgemeinschaft Job-Center Region J. auch wahlweise auf die Gewährung von Alg II.
Das SG hat das Begehren mit Beschluss vom 20. Februar 2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Ausschluss der Sozialhilfegewährung aus § 21 SGB XII folge, weil die Antragstellerin zu dem dem Grunde nach leistungsberechtigten Personenkreis des SGB II gehöre. Daran ändere § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nichts. Selbst wenn ihr Anspruch gegenüber der Beigeladenen danach ausgeschlossen sein sollte, weil der Aufenthalt ausschließlich dem Zwecke der Arbeitsuche diene, folge daraus keine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers. Den Vorschriften des SGB XII komme keine Auffangfunktion zu für Personen, die zwar dem Grunde nach entsprechend den Bestimmungen des SGB II leistungsberechtigt seien, der Anspruch jedoch aus anderen Gründen ausgeschlossen sei. Dies ergebe sich bereits aus der Neufassung des § 23 Abs. 3 SGB XII ab 7. Dezember 2006, der die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II inhaltsgleich übernommen habe, und entsprechend auch der Zielrichtung des Gesetzgebers, Ausländer, denen aufgrund der aufenthalts- und arbeitsgenehmigungsrechtlichen Bestimmungen der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht verwehrt sei, als erwerbsfähig anzusehen. Zwar habe die Beigeladene den Anspruch der Antragstellerin zu Unrecht abgelehnt, weil sie im April 2006 zu ihrem zu dieser Zeit in der Bundesrepublik beschäftigten Ehemann nachgereist sei, um mit diesem die nach Artikel 6 Grundgesetz geschützte eheliche Lebensgemeinschaft aufzunehmen. Als EU-Angehörige bedürfe sie weder einer gesonderten Aufenthalts- noch Arbeitsgenehmigung und sei im Besitz einer Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU. Der Umstand, dass der Ehemann später seine Arbeit verloren habe, ändere daran nichts. Von der nach § 75 Abs. 5 SGG grundsätzlich möglichen Verurteilung der Beigeladenen sei abgesehen worden, weil in dieser Sache bereits ein Klageverfahren anhängig sei ( S 55 AS 1950/06 ).
Dagegen hat die Antragstellerin fristgemäß Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, aus Rechtsprechung zum Beispiel des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen folge, dass sie einen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen habe, sofern ihr § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegen gehalten werde. Weiterhin sei zu bedenken, dass sich ihr Aufenthaltsrecht nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Sie sei auch eingereist, um mit ihrem hier dauerhaft lebenden Ehegatten eine Familie zu gründen. Ihr stehe ein Aufenthaltsrecht gemäß § 5 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU i.V.m. §§ 29, 30 AufenthG zu. Die Antragsgegnerin erwidert, dass dem Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe jedenfalls § 21 SGB XII entgegenstehe. Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II finde sich annährend inhaltsgleich in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nF wieder. Wenn Leistungen nach dem SGB II aufgrund des Aufenthaltszwecks der Antragstellerin ausgeschlossen sein sollten, komme ein Anspruch nach dem SGB XII aufgrund der genannten Regelung ebenfalls nicht in Betracht. Die Beigeladene hält an ihrer im Widerspruchsbescheid genannten Begründung fest.
Das Begehren der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist in dem in der Beschlussformel festgelegten Umfang erfolgreich. Der vorläufige Rechtsschutz richtet sich bei der vorliegenden Fallgestaltung nach § 86b Abs. 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hier kommt eine Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Hierzu muss glaubhaft gemacht werden, dass das geltend gemachte Recht der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner bzw. Beigeladenen besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung wesentliche, in § 86b Abs. 2 SGG näher gekennzeichnete Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, soweit durch diesen Beschluss Leistungen nach dem SGB II zugesprochen worden sind.
Das Begehren der Antragstellerin ist auslegungsbedürftig. Zwar war der ursprüngliche Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtet auf die Zahlung von Sozialhilfe, zuständig hierfür ist die Antragsgegnerin. Doch mit dieser Einschränkung wäre das Begehren der Antragstellerin nicht umfassend gewürdigt. Denn sie will die Zahlung von Sozialleistungen unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt erreichen. Deshalb kann ihr Begehren nicht allein auf mögliche Anspruchsgrundlagen aus dem SGB XII gestützt werden, es müssen auch die weiterhin in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen nach dem SGB II herangezogen werden. Bei verständiger Würdigung ist ihr Begehren mithin darauf gerichtet, Sozialleistungen entweder von der Antragsgegnerin oder der Beigeladenen zu erhalten.
Der Antragstellerin stehen bei der in Verfahren dieser Art gebotenen summarischen Prüfung Leistungen nach dem SGB II zu. Diese sind vorrangig vor den Leistungen nach dem SGB XII, § 2 Abs. 1 SGB XII. Folglich ist die Beigeladene in Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet worden. Denn der Antragstellerin kann der Leistungsausschließungsgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II erfolgreich nicht entgegengehalten werden.
Die Antragstellerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet, sie ist erwerbsfähig, hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Gemäß § 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - ( SGB I) hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Voraussetzungen sind bei der Antragstellerin zu bejahen. Ihr Aufenthaltsrecht als Unionsbürgerin mit niederländischer Staatsangehörigkeit ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU. Danach haben Unionsbürger, die, wie die Antragstellerin, sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitsuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Diese Voraussetzungen haben beide Leistungsträger bejaht, auch aus den Akten ergibt sich, dass sich die Antragstellerin zur Arbeitsuche hierher begeben und bei der Arbeitsagentur gemeldet hat. Das Vorliegen des gewöhnlichen Aufenthalts hier in der Bundesrepublik wird bestätigt durch die Gewährung des Elterngeldes an die Antragstellerin. Denn die Gewährung von Elterngeld setzt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 BEEG den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland voraus. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, auf welche die Ablehnung gestützt wurde, ist hier anwendbar in der Fassung, die es durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (vom 24. März 2006, BGBl. I Seite 558) erhalten hat. Danach sind von der Anspruchsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausgenommen Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ihre Familienangehörigen sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Das Änderungsgesetz trat gemäß seines Artikel 5 Abs. 1 allgemein am 1. April 2006 in Kraft. Der durch das Änderungsgesetz eingefügte § 68 SGB II bestimmt, dass die §§ 7, 9, 11 und 20 Abs. 1, 3 und 4 in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden sind für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. Juli 2006 beginnen. Der für die Antragstellerin in Betracht kommende Bewilligungszeitraum dürfte - nach ihrem Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren - am 1. August 2006 beginnen, da für die davor liegenden Zeiträume Alg II - wohl aufgrund noch vorhandenen Einkommens des Ehemannes - nicht begehrt wurde. Dem entspricht die Bewilligung an den Ehemann für die Zeit ab 1. August 2006. Mithin ist § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab 1. April 2006 geltenden Fassung der Entscheidung zu Grunde zu legen.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II wurde nochmals geändert durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (vom 19. August 2007, BGBl. I Seite 1970 - Artikel 6 Nr. 2). Satz 2 lautet nunmehr folgendermaßen:
"Ausgenommen sind
1.
Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.Satz 2 Nr. 1 gilt nicht für Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten."
Diese Regelung trat gemäß Artikel 10 Abs. 1 des vorgenannten Gesetzes am 28. August 2007 in Kraft. Im Hinblick auf die Antragstellerin ergibt sich daraus keine Änderung der Rechtslage, weil die neu eingefügte Nr. 1 für ihre Fallgestaltung nicht einschlägig ist und die neue Nr. 2 mit dem vorher geltenden § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II inhaltlich übereinstimmt.
Wenn die Antragstellerin im Hinblick auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU eingereist ist, hat sie aus diesem Grunde hier ein Aufenthaltsrecht und ist berechtigt eine Arbeit aufzunehmen. Für diese Fallgestaltung sieht die fragliche Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II den Leistungsausschluss vor. Der Gesetzgeber hat dies damit begründet (BT-Drucksache 16/688), dass mit der Neufassung von Satz 2 Artikel 24 Abs. 2 i.V.m. Artikel 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/ 38 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 umgesetzt werde. Hiernach könnten im nationalen Recht Personen und ihre Familienangehörigen vom Bezug sozialer Leistungen ausgeschlossen werden, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein auf den Zweck der Arbeitsuche gründe. Betroffen von der Regelung seien vor allem EU-Bürger, die von ihrem Recht auf Unionsbürgerschaft Gebrauch machten und sich zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhielten (vgl zu dieser Regelung Brühl/Schoch, Lehr- und Praxiskommentar- SGB II, 2. Auflage 2007, § 7 Rdnr 18f; Schumacher in Oestreicher, Kommentar zum SGB XII/SGB II, Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende, Loseblattsammlung Stand: September 2007, § 7 SGB II, Rdnrn 5 und 11). Die vorgenannte Regelung führte weiterhin dazu, dass der von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II erfasste Personenkreis auch keine Leistungen nach dem SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII erhalten könnte, da diese Personen dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sind (vgl die vorgenannte Gesetzesbegründung; Schumacher, a.a.O., Rdnr 11b).
Wegen des europarechtlichen Hintergrundes der vorgenannten Regelung wird von Teilen der sozialgerichtlichen Rechtsprechung darin ein möglicher Verstoß gegen das in Artikel 12 EG-Vertrag verankerte Diskriminierungsverbot gesehen, während dem entgegengehalten wird, dass sich aus Artikel 24 der Richtlinie 2004/38 EG (Amtsblatt der Europäischen Union L 158, Seite 77) selbst ergebe, dass für derartige Fallgestaltungen der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet sei, dem sich zur Arbeitsuche in dem jeweiligen Staat befindlichen Unionsbürger Sozialleistungen zu gewähren (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3. November 2006 - L 20 B 248/06 AS ER - Informationsbrief Ausländerrecht 2007, Seite 114; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. November 2006 - L 14 B 663/06 AS ER - FEVS 58, Seite 311; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2007 - L 19 B 116/07 AS ER - Informationsbrief Ausländerrecht 2007, Seite 317; dasselbe, Beschluss vom 5. September 2007 - L 29 B 828/07 AS ER ; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. September 2007 - L 7 SO 3970/07 ER - B; Hessisches LSG, Beschluss vom 13. September 2007 - L 9 AS 44/07 ER ; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Juni 2007 - L 9 B 80/07 AS ER ; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. Juli 2007 - L 6 AS 444/07 ER ; derselbe Senat, Beschluss vom 2. November 2007 - L 6 AS 664/07 ER -; siehe auch Gutmann, Rosstäuscherei im Ausländersozialrecht, Informationsbrief Ausländerrecht 2007, Seite 309, 311 ff).
Der Ausschließungsgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II - seine Vereinbarkeit mit dem Diskriminierungsverbot des Artikel 12 EG-Vortrag unterstellt -greift allerdings nur, wenn sich das Aufenthaltsrecht ausschließlich auf den Grund "zur Arbeitsuche" stützt. Das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin beruht demgegenüber auf einem weiteren Grund, nämlich dem des Ehegattennachzuges, §§ 27 ff AufenthG. Nach § 30 AufenthG ist dem Ehegatten eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis besitzt. Diese Fallgestaltung liegt hier vor. Denn der Ehemann der Antragstellerin, der Ausländer im Sinne des§ 30 Abs. 1 AufenthG ist, besitzt eine Niederlassungserlaubnis. Demnach beruht das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin nicht allein auf dem Grund "Arbeitsuche", sondern auf dem Grund Ehegattennachzug. Damit greift der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht mehr ein.
Darüber hinaus steht ein weiterer Grund der Anwendung der Ausschlussnorm des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegen. Dieser folgt aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) (vom 11. Dezember 1953, BGBl. II 1956, Seite 564, dazu Gesetz zum EFA vom 11. Dezember 1953 und zu dem Zusatzprotokoll zu dem Europäischen Fürsorgeabkommen vom 15. Mai 1956, BGBl. II Seite 563). Das EFA ist innerstaatlich anwendbares, Rechte und Pflichten des einzelnen begründendes Recht (vgl BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, Seite 200 = FEVS 51, Seite 433). Die Anwendbarkeit des EFA ergibt sich weiterhin aus § 30 Abs. 2 SGB I, wonach Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben. Das EFA ist daher von den Sozialleistungsträgern und den Gerichten zu beachten (vgl Timme in Lehr- und Praxiskommentar - SGB I, 2. Aufl. 2007, § 30 Rdnr 11). Zu den Mitgliedstaaten des EFA gehören u.a. die Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland (BGBl. II 1958, Seite 18).
Artikel 1 EFA bestimmt, dass jeder der Vertragsschließenden sich verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge (im folgenden als "Fürsorge" bezeichnet) zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. In Artikel 2a (i) EFA wird der Begriff der Fürsorge näher erläutert; als "Fürsorge" wird jede Fürsorge bezeichnet, die jeder der Vertragschließenden nach den in dem jeweiligen Teile seines Gebietes geltenden Rechtsvorschriften gewährt und wonach Personen ohne ausreichende Mittel die Mittel für ihren Lebensbedarf sowie die Betreuung erhalten, die ihre Lage erfordert. Danach erfasste das EFA ohne Zweifel die Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - wie sie jetzt im SGB XII geregelt ist (bis zum 31. Dezember 2004 im BSHG). Doch auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus den §§ 19 ff SGB II sind dem Begriff der Fürsorge im Sinne des EFA zuzurechnen. Das zum 1. Januar 2005 eingeführte Arbeitslosengeld II steht gemäß § 19 SGB II erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu. Die Leistung ist in Anlehnung an die Sozialhilfe nach dem SGB XII gestaltet. Sie sieht eine - pauschalierte - dem Regelsatz in der Sozialhilfe vergleichbare Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes vor, sowie die tatsächliche Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, §§ 20, 22 SGB II. Ähnlich wie in der Sozialhilfe werden für verschiedene Situationen Leistungen für Mehrbedarfe vorgehalten, § 21 SGB II. Das Arbeitslosengeld II weist daher eine sozialhilferechtliche Konzeption auf.
Im Anhang I zum EFA (Stand 1. März 2000, siehe Bekanntmachung der Neufassung der Anhänge I, II und III zum EFA vom 20. September 2001, BGBl. II 2001, Seite 186 ff) wird als Fürsorgegesetz im Sinne des Artikel 1 EFA u.a. das BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I Seite 646, 2975) aufgeführt. Eine Neufassung dieses Anhangs im Hinblick auf die Ablösung des BSHG durch das SGB XII und das SGB II zum 1. Januar 2005 ist - soweit ersichtlich - bislang nicht erfolgt. Nach Artikel 16a und b EFA haben die Vertragschließenden den Generalsekretär des Europarates über jede Änderung der Gesetzgebung zu unterrichten, die den Inhalt von Anhang I und III berührt und dem Generalsekretär alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen, die in Anhang I noch nicht aufgeführt sind. Daraus folgt keine Einschränkung der völkervertragsrechtlichen Fürsorgegewährleistung. Denn eine solche Mitteilung nach Artikel 16 EFA hat nur klarstellende Bedeutung, um die übrigen Vertragsstaaten über den Stand der Fürsorgegesetzgebung im mitteilenden Vertragsstaat zu informieren (so BVerwG a.a.O., Rdnr 19 im [...]Abdruck). Da das BSHG zum 1. Januar 2005 abgelöst worden ist durch das SGB XII und für erwerbsfähige Hilfebedürftige durch das SGB II treten diese Rechtsvorschriften an die Stelle des im Anhang I genannten BSHG als Fürsorgegesetz im Sinne des Artikel 1 EFA.
Das BVerwG (a.a.O., Rdnrn 19, 20 im [...]Ausdruck) hat weiterhin dazu folgendes ausgeführt: Will der mitteilende Vertragsstaat, dass sich eine spätere Änderung seiner Fürsorgegesetzgebung auf die Staatsangehörigen der übrigen Vertragsstaaten nicht in der gleichen Weise auswirken soll wie auf seine eigenen Staatsangehörigen, muss er seine Mitteilung an den Generalsekretär des Europarats mit einem entsprechenden Vorbehalt verbinden (vgl Artikel 16 Abs. b Satz 2 EFA ). Einen weitergehenden Vorbehalt als den nach Einführung des Bundessozialhilfegesetze abgegebenen, sich nicht zur Gewährung von sozialhilferechtlichen Hilfen zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage und von Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zu verpflichten, hat aber die Bundesrepublik Deutschland nicht abgegeben ( ). Sie hätte einen solchen Vorbehalt nach Artikel 16 Abs. b Satz 2 EFA ohnehin nur bei neuen, im Anhang II noch nicht aufgeführten Rechtsvorschriften machen können, zu denen das Bundessozialhilfegesetz als bereits in der Anhangsfassung 1982 aufgenommenes Fürsorgegesetz nicht gehört. Denn Artikel 16 Abs. b Satz 2 EFA soll den Vertragsstaaten nur die Vorbehalte offen halten, die sie bei Vertragsschluss noch nicht machen konnten, weil es ein entsprechendes Fürsorgegesetz noch nicht gab, nicht aber den Vertragsstaaten erlauben, sich aus bereits vorbehaltlos eingegangenen Verpflichtungen nachträglich einseitig zu lösen. Eine nachträgliche Absenkung des gesetzlichen Fürsorgestandards für den vom Europäisches Fürsorgeabkommen geschützten Ausländerkreis ist demnach unter der Geltung des Europäisches Fürsorgeabkommen nur durch Absenkung des Fürsorgestandards für Inländer möglich ( ).
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist allenfalls diskussionswürdig, ob die Bundesrepublik einen Vorbehalt im Hinblick auf das neu geschaffene SGB II anbringen könnte. Da dieses bislang - soweit ersichtlich - nicht geschehen ist, ist neben dem SGB XII auch das SGB II als Fürsorgegesetz im Sinne des Artikel 1 EFA zu behandeln.
Zum Teil wurde die Ansicht vertreten, dass das EFA nur auf diejenigen Ausländer anwendbar sei, die sich zur Zeit der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhielten und nicht auf diejenigen, die als bereits bedürftige Personen in einen Vertragsstaat einreisten, womit eine Wanderung aus einem Sozialleistungssystem in ein anderes vermieden werden sollte (vgl OVG Berlin, Beschluss vom 22. April 2003 - 16 S 9.03 - FEVS 55, Seite 186). Bei Berücksichtigung dieser Ansicht wäre das EFA auf die Antragstellerin anwendbar. Denn zur Zeit ihres Übertritts aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland verfügte sie über ausreichende existenzsichernde Mittel, und zwar aufgrund des Erwerbseinkommens ihres Ehemannes. Die finanzielle Notlage trat erst nach Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses ihres Ehemannes ein. Es sind daher keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin zur Erlangung von Sozialleistungen eingereist ist. Offenbarer prägender Zweck war vielmehr der Wunsch, mit ihrem Ehemann einen gemeinsamen Haushalt zu führen.
Die Leistung des Alg II ist weiterhin beitragsunabhängig und knüpft an die Bedürftigkeit des arbeitslosen Antragstellers an. Daraus ergibt sich, dass das EFA auch auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende Anwendung findet (vgl Fuchs, Deutsche Grundsicherung und europäisches Koordinationsrecht, Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2007, Seite 1, 3 ff; Schumacher a.a.O., Rdnr 11).
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II geht auch nicht als späteres Recht dem Artikel 1 EFA vor. Der gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtssatz, dass das später erlassene Gesetz, das den gleichen Sachverhalt regelt, das früher erlassene verdrängt (lex posterior derogat legi priori - vgl. hierzu BSG, Urteil vom 21. März 1991 - 4/1 RA 51/89 - SozR 3-2200 § 1259 Nr. 5 = NZA 1991, 830 [BSG 21.03.1991 - 4/1 RA 51/89]) führt hier nicht zur Unanwendbarkeit des EFA. Denn die Regelungen des EFA sind insoweit spezieller als die fragliche Norm des SGB II, mit anderen Worten: das spezielle Gesetz geht der allgemeineren Regelung vor (lex posterior generalis non derogat legi priori speciali). Das ergibt sich bereits daraus, dass sich § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II allein auf bestimmte Ausländer bezieht und daher keine Aussage über den Umfang der nach den völkerrechtlichen Bestimmungen gebotenen Gleichbehandlung mit Deutschen trifft. Im Übrigen ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will, sodass der Vorrang späteren Gesetzes - hier das SGB II - nur dann eingreifen kann, wenn der Gesetzgeber seinen Willen zur Nichtbeachtung des transformierten völkervertraglichen Rechts mit aller Deutlichkeit herausgestellt hat (vgl BVerwG, a.a.O. Rdnr 27 im [...]Abdruck). Eine derart klare Bekundung zur Derogation des EFA ist nicht ersichtlich. Aus der Gesetzesbegründung zu der hier fraglichen Vorschrift geht vielmehr hervor, dass an die Umsetzung einer EU-Richtlinie gedacht worden ist. Die Wirkungen des EFA haben hierbei keine Rolle gespielt. Ginge man davon aus, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II als späteres Gesetz die Anwendung des EFA ausschließt, wäre das EFA für zahlreiche vertragschließende Staaten des EFA außer Kraft gesetzt. Denn ein großer Teil der Vertragschließenden gehört auch der EU an, für deren Angehörige § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II die im SGB II vorgesehenen Fürsorgeleistungen ausschlösse. Eine derart weit reichende Außerkraftsetzung des EFA bedarf einer deutlichen Erklärung der Bundesrepublik, die bislang nicht vorliegt.
Mithin ist der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II für die vom EFA erfassten Staatsangehörigen wirkungslos.
Weitere Voraussetzung für die Anwendung des EFA ist der erlaubte Aufenthalt der Antragstellerin im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 1, Artikel 11 EFA und Anhang III zum EFA. Bereits oben wurde dargelegt, dass die Antragstellerin sich aufgrund des Freizügigkeitsgesetzes/EU bzw. aufgrund ihrer Nachzugsberechtigung als Ehefrau erlaubt in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Das EFA ist daher auf die Fallgestaltung der Antragstellerin anzuwenden. Dies führt dazu, dass ihr der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II erfolgreich nicht entgegengehalten werden kann und sie wie ein Inländer Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat. Ein Anordnungsgrund steht der Antragstellerin ebenfalls zur Seite, da eine einstweilige Anordnung bereits dann im Sinne des § 86b Abs. 2 SGG nötig ist, wenn anderenfalls der notwendige Lebensunterhalt nicht gewährleistet ist. Da dieser Lebensunterhalt durch die Vorschriften der §§ 19 ff SGB II garantiert ist, um den Anspruchsberechtigten die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, kann einem Leistungsberechtigten nicht zugemutet werden, sich bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit einem geringeren Lebensunterhalt zu begnügen, wenn ein Anspruch darauf mindestens glaubhaft gemacht ist - wie hier -.
Bei der Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht abzustellen. Durch eine einstweilige Anordnung soll in Verfahren dieser Art eine gegenwärtige Notlage behoben werden, wobei die Zeit des Eingangs des Antrages bei Gericht bis zu seiner (Beschwerde-) Entscheidung nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Dementsprechend waren die Leistungen ab dem 14. Dezember 2006 zuzusprechen, dem Eingang des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim SG Hannover. Die Dauer der einstweiligen Anordnung richtet der Senat im Regelfall an dem Sechsmonatszeitraum des § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II aus. Zwar ist im Klageverfahren aufgrund der Ablehnung durch die Beigeladene der gesamte Zeitraum von Antragstellung bis zur mündlichen Verhandlung des SG streitig. Doch sofern im vorläufigen Rechtsschutzverfahren Leistungen zugesprochen werden, bleibt es regelmäßig bei dem Sechsmonatszeitraum des § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II, sodass hier Leistungen ab 14. Dezember 2006 bis zum 30. Juni 2007 zu erbringen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung des § 193 SGG. Da im Ergebnis die Beigeladene unterliegt, hat sie die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten. Ein Unterliegen der Antragstellerin liegt nicht vor, da sie wahlweise Leistungen von der Beigeladenen bzw. der Antragsgegnerin verlangt hat. Eine Kostenquotelung und eine teilweise Ablehnung der Beschwerde ist daher nicht angebracht. Vielmehr obsiegt die Antragstellerin mit ihrem Begehren auf Leistungsgewährung.
Gerichtskosten werden in Verfahren dieser Art nicht erhoben. Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Mit dem zusprechenden Beschluss und der damit verbundenen Kostentragungspflicht der Beigeladenen ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegenstandslos geworden. Eine Entscheidung über diesen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt daher nicht mehr.