Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 31.01.2008, Az.: L 13 B 66/07 AS
Maßgeblichkeit der Rechtsfrage einer einkommensmindernden Anrechnung einer Versicherungspauschale zugunsten minderjähriger Angehöriger einer Bedarfsgemeinschaft
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 31.01.2008
- Aktenzeichen
- L 13 B 66/07 AS
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 17079
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0131.L13B66.07AS.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 23.02.2007 - AZ: S 46 AS 944/06
Rechtsgrundlagen
- § 3 Nr. 1 Alg II - VO
- § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II
- § 13 Nr. 3 SGB II
- § 114 S. 1 ZPO
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen den die teilweise Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffenden Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfordert nach § 114 Satz 1 ZPO "hinreichende Aussicht auf Erfolg" der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe bezweckt eine weitgehende Angleichung, aber keine vollständige Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten (BVerfG, Beschluss des 2. Senats vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347 (356 f.)). Die hinreichende Erfolgsaussicht ist i.d.R. dann gegeben, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang unbeantworteten Rechtsfrage abhängt (BVerfG, a.a.O. S. 358, m.w.N.).
Der Senat erachtet die im Hauptsacheverfahren maßgebliche Rechtsfrage einer einkommensmindernden Anrechnung einer Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR pro Monat zugunsten minderjähriger Angehöriger einer Bedarfsgemeinschaft weiterhin für einfach, zumal sie höchstrichterlich bereits - wenn auch nicht entscheidungstragend - im Sinne der Rechtsprechung des Senats beurteilt worden ist. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils des BSG vom 7. November 2006 (B 7b AS 18/06, SozR 4-4200, § 22 Nr. 3, Rn. 5 = FEVS 58, 271 (278 f.)) wird hingewiesen. Hiernach bestehen hinreichende Gründe, minderjährige Kinder, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil leben, in typisierender Betrachtung von einer Geltendmachung der Pauschale auszuschließen (BSG, a.a.O.). Diese Rechtsauffassung hält der Senat auch weiterhin für richtig, da Minderjährige regelmäßig keine Versicherungsverträge abschließen und der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eine typisierende Regelung von Massenerscheinungen zulässt. Für minderjährige Personen ist kein Pauschbetrag vorgesehen, da der Verordnungsgeber davon ausgeht, dass i.d.R. ohnehin nur volljährige Hilfebedürftige eigene private Versicherungen abschließen und diese üblicherweise auch einen entsprechenden Schutz für minderjährige Haushaltsangehörige enthalten (Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, Stand November 2007, § 11 Rn. 151a). Soweit Minderjährige entgegen dieser typisierenden Annahme aber doch Versicherungsverträge unterhalten, können diese nach der geltenden Rechtslage auf entsprechenden Nachweis nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 1. HS, 2. Alt. SGB II berücksichtigt werden (Hengelhaupt, a.a.O.). Aus den genannten Gründen verneint der Senat eine hinreichende Erfolgsaussicht des Klagebegehrens.
Auch der Umstand, dass der 14. Senat des BSG zu der hier interessierenden Rechtsfrage eine Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen hat, vermag nicht zum Erfolg der Beschwerde der Klägerinnen zu führen. Allein die Annahme grundsätzlicher Bedeutung durch das BSG macht die Rechtsfrage noch nicht zu einer schwierigen Rechtsfrage. Grundsätzliche Bedeutung kommt nach ständiger Rechtsprechung einer Rechtsfrage zu, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres beantworten lässt, die eine verallgemeinerungsfähige Antwort des Revisionsgerichts erwarten lässt und die nach den Gegebenheiten des Falles klärungsfähig ist (BSG, Beschluss vom 23. November 2006, B 11b AS 17/06 B, SozR 4-4225 § 2 Nr. 1 = FEVS 58, 304).
Die Zulassung der Revision hat der 14. Senat des BSG mit der "grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache" begründet, ohne dies aber näher auszuführen (Beschluss vom 31. Oktober 2007, B 14/7b AS 44/07 B). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die volljährige Klägerin zu 1.) jenes nunmehr vor dem BSG anhängigen Verfahrens regelmäßig über Einkünfte verfügte, nur im dort streitgegenständlichen Monat April 2005 nicht. Die Zulassung kann folglich darin begründet sein, dass eine verallgemeinerungsfähige Antwort durch eine Entscheidung des BSG möglich ist und dies die Schaffung von Rechtsfrieden erwarten lässt, ohne dass damit darauf geschlossen werden müsste, dass das BSG die Beantwortung der Rechtsfrage in der hier vorliegenden typischen Konstellation - anders ggf. in der atypischen Konstellation, für welche die Revision zugelassen worden ist - für schwierig hält. Die Darstellung des Revisionsverfahrens B 14 AS 55/07 R in der Pressemitteilung zu den anhängigen Rechtsfragen des 14. Senats des BSG rechtfertigt keine andere Sichtweise; die dortige Formulierung lässt nicht auf erhebliche Zweifel des 14. Senats des BSG an der auch vom Senat vertretenen Auffassung schließen, dass die Regelung des § 3 Nr. 1 Alg II - VO a.F. in Verbindung mit §§ 11 Abs. 2 Nr. 3, 13 Nr. 3 SGB II verfassungsgemäß und ermächtigungskonform ist.
Auch die Frage der Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen zu den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ist in der Rechtsprechung des BSG geklärt. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des gesetzlichen Regelungskonzepts bestehen auch insoweit nicht (s. z.B. BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 = FEVS 58, 271).
Wenn ein Gericht - wie vorliegend der Senat - eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage als einfach (oder geklärt) ansieht und deswegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert, ist es eine Frage des Einzelfalles, wann der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den gleichen Zugang zum Gericht ermöglichen, in verfassungsrechtlich relevanter Weise verfehlt wird (BVerfG, a.a.O., S. 359 f.). Dies hängt vornehmlich von der Eigenart der jeweiligen Rechtsmaterie und der Ausgestaltung des zugehörigen Verfahrens ab. So sind etwa die Voraussetzungen (Kostenvorschusspflicht, Anwaltszwang) und die weiteren Modalitäten (Schriftlichkeit oder Mündlichkeit des Verfahrens, Amtsermittlung, weiterer Rechtsmittelzug) des jeweiligen Rechtsschutzweges zu berücksichtigen (BVerfG, a.a.O. S. 360). Vor diesem Hintergrund wird der Rechtsschutz der Hilfebedürftigen angesichts der einschlägigen Bestimmungen des SGG (das Verfahren ist für Leistungsempfänger nach der Bestimmung des § 183 SGG kostenfrei; vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gilt der Untersuchungsgrundsatz, näher Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl. 2005, Vorbem. vor § 60 Rn. 4 ff.) nicht in verfassungsrechtlich relevanter Weise unzumutbar verkürzt.
Der Senat sieht auch keinen Anlass, die Verfahren der vorliegenden Art deswegen auszusetzen oder zum Ruhen zu bringen, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen mittlerweile zur Frage der Zulässigkeit der Prozesskostenhilfebeschwerde nach § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2, 2. HS ZPO gegen einen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des SG Oldenburg zum Verfahren S 44 AS 1119/07 Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben hat. Der Senat sieht eine Verfassungswidrigkeit der Ablehnung von Prozesskostenhilfe aus den vorstehenden Gründen nicht für gegeben an; bei bloßer Anhängigkeit einer Rechtsfrage vor dem BVerfG setzt eine ausnahmsweise zulässige Aussetzung voraus, dass schon mehrere Verfahren über den selben Sachverhalt beim BVerfG anhängig sind, dass nicht zu erwarten ist, dass weitere Vorlagen die Entscheidung beeinflussen können und dass mit einer Entscheidung des BVerfG in absehbarer Zeit zu rechnen ist (Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 114 Rn. 7b mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen sind derzeit nicht erfüllt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( § 177 SGG).