Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 31.08.2017, Az.: L 8 SO 79/14

Brille; Down-Syndrom; Eigenanteil; EVS 2008; Gläserkorrektion; Hilfsmittel; Hilfsmittel-Richtlinie; Kostenvoranschlag; Krankenkasse; Sehbeeinträchtigung; Teilhabe am Arbeitsleben; Teilhabeleistung; Therapeutische Geräte; VersMedV

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
31.08.2017
Aktenzeichen
L 8 SO 79/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53701
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 20.01.2014 - AZ: S 22 SO 99/13

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein Anspruch auf Kostenübernahme für die Anschaffung einer sog. Normalbrille (ohne Tönung, Entspiegelung und Gleitsicht) als sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe besteht in der Regel nicht.
2. Für die Beurteilung, ob aufgrund einer Sehbeeinträchtigung eine Behinderung i.S. des § 2 Abs. 1 SGB IX vorliegt, ist nach dem ab dem 1. Januar 2009 geltenden versorgungsrechtlichen Bewertungssystem, der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 (VersMedV, BGBl. I 2412), nicht die Sehleistung (ohne Brille), sondern in erster Linie die korrigierte Sehschärfe (mit Brille) maßgebend. Ist eine Sehschwäche wie z.B. eine Kurz- oder Weitsichtigkeit durch die Versorgung mit einer Sehhilfe ausgeglichen, besteht keine "Sehbeeinträchtigung" und damit auch keine "Sehbehinderung" mehr (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 3 KR 21/15 R - juris Rn. 25, 26). Dies gilt entsprechend für die sozialhilferechtliche Bewertung einer Sehschwäche nach der Eingliederungshilfe-Verordnung.
3. Eigenanteile (Zuzahlungen) zu Brillen und Brillengläsern sind in den für das Jahr 2012 geltenden Regelbedarfen als Ausgaben aus dem Bereich der Gesundheitspflege (Abteilung 6 der EVS 2008) mit einem regelbedarfsrelevanten Gesamtbetrag von 15,55 € je Monat berücksichtigt worden.
4. Der Umstand, dass ein sozialrechtlicher Anspruch auf Kostenübernahme für die Anschaffung einer sog. Normalbrille (ohne Tönung, Entspiegelung und Gleitsicht) nicht besteht, verstößt nicht gegen die Verfassung.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 20. Januar 2014 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für die Anschaffung einer Brille i.H.v. 178,50 € aus Sozialhilfemitteln.

Bei der 1984 geborenen Klägerin besteht ein Down-Syndrom. Sie ist erkrankt an Diabetes Mellitus Typ I und Zöliakie, außerdem weitsichtig bei einem Dioptrie-Wert von 6,5 (rechts) bzw. 6,0 (links) und als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen G, H und RF anerkannt. Sie ist bei der im Berufungsverfahren beigeladenen Krankenkasse gesetzlich krankenversichert und bezieht Leistungen der sozialen Pflegeversicherung (bis Ende 2016 nach der Pflegestufe 2).

Die Klägerin lebte bis Ende 2016 im Haushalt ihrer Eltern, seit Januar 2017 wohnt sie in einem von ihr angemieteten Zimmer im Rahmen eines Wohnprojekts für behinderte Menschen. Sie besucht seit 2005 eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) mit Kostenübernahme durch die beklagte Stadt. Die Klägerin ist mit Ausnahme des Arbeitseinkommens, das sie durch ihre Tätigkeit in der WfbM erzielt (228,00 € je Monat), einkommens- und vermögenslos. Sie bezieht aus diesem Grund von der Beklagten (auch) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherungsleistungen).

Am 9. Juli 2012 beantragte der Vater der Klägerin, der ihr für sämtliche Angelegenheiten bestellte Betreuer, bei der Beklagten unter Vorlage einer augenärztlichen Sehhilfenverordnung vom 5. Juli 2012 eine Beihilfe zur Anschaffung einer Brille, die wegen der Verschlechterung des Sehvermögens der Klägerin erforderlich geworden war. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 10. Juli 2012 mit der Begründung ab, der geltend gemachte Bedarf sei in den Regelsätzen nach § 27a SGB XII enthalten und könne nicht gesondert neben den Grundsicherungsleistungen beansprucht werden. Zudem seien die Leistungen bei Krankheit nach § 48 SGB XII deckungsgleich mit den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die eine Kostenübernahme nur bei einer schweren Sehbeeinträchtigung vorsähen (§ 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V), nicht aber im Fall der Klägerin. Nachdem gegen diese Entscheidung für die Klägerin Widerspruch erhoben worden war, übersandte ihr Vater der Beklagten einen Kostenvoranschlag der Firma Fielmann vom 25. Juli 2012 über einen Anschaffungspreis der Brille von 178,50 € (die Fassung für 24,50 € und Gläser zu je 77,00 €), auf dem handschriftlich mit einem Stempelzusatz die „Ablehnung der Krankenkasse“ vermerkt war. Nach Einholung eines weiteren (inhaltsgleichen) Kostenvoranschlags vom 9. August 2012 schaffte sich die Klägerin die Brille am 15. August 2012 zu den o.g. Kosten an und erwirkte am 8. Februar 2013 beim Sozialgericht (SG) Oldenburg gegen die Beklagte eine einstweilige Anordnung zur Übernahme der Anschaffungskosten (- S 22 SO 211/12 ER -). Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch den der Klägerin am 30. April 2013 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 26. April 2013 in der Sache zurück.

Auf die hiergegen am 30. Mai 2013 erhobene Klage hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Verwaltungsentscheidung verurteilt, die Kosten für die Brillengläser i.H.v. 178,50 € zu erstatten, und die Berufung zugelassen (Urteil vom 20. Januar 2014). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen entsprechenden Anspruch auf Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 7 SGB IX habe (Leistungen zur sozialen Rehabilitation). Die für den Besuch der WfbM notwendige Brille diene nicht ausschließlich der Teilhabe am Arbeitsleben, sondern auch der Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben. Demgemäß stelle sie nicht nur ein Hilfsmittel der GKV dar, sondern falle darüber hinaus in den Leistungskatalog der Eingliederungshilfe.

Gegen die ihr am 4. Februar 2014 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 4. März 2014 Berufung eingelegt. Sie macht u.a. geltend, dass die Zuordnung der Sehhilfe ausschließlich als Teilhabeleistung der sozialen Rehabilitation nicht überzeuge und allenfalls eine Leistung der medizinischen Rehabilitation vorliege, die im Rahmen der Eingliederungshilfe auf das Leistungsniveau der GKV begrenzt sei. Der Bedarf an einer Brille sei im Falle der Klägerin aber schon kein Bedarf, der durch Eingliederungshilfeleistungen zu decken wäre, weil er - anders als bei einem vom LSG Berlin-Brandenburg entschiedenen (Urteil vom 12. Oktober 2010 - L 23 SO 257/07 -) und von der Klägerin angeführten Fall - nicht behinderungsbedingt sei. Die bloße Ersatzbeschaffung einer Brille sei zur Vermeidung von nicht gerechtfertigten Doppelleistungen mit den der Klägerin gewährten Grundsicherungsleistungen zu bestreiten. Im Übrigen übersteige der vom SG zugesprochene Betrag sogar den in den „Festbeträgen Sehhilfen“ der GKV festgelegten Satz von 30,46 €.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 20. Januar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Klägerin und die Beigeladene halten die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten haben durch Schriftsätze vom 6., 11. und 13. Juli 2017 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Prozessakte des von den Beteiligten beim SG geführten Eilverfahrens (- S 22 SO 211/12 ER -) und der ebenfalls beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet über die Berufung mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG.

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere wegen der Zulassung im Urteil des SG nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft.

Die Berufung ist begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Kosten für die Brillengläser i.H.v. 178,50 € zu erstatten. Das entgegenstehende Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Gegenstand der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 10. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2013 (§ 95 SGG), mit dem diese den Antrag auf Erstattung der Kosten der bereits am 15. August 2012 von der Klägerin zu einem Preis von 178,50 € selbst beschafften Brille abgelehnt hat. Die Verpflichtungsklage ist gerichtet auf eine endgültige Leistungsbewilligung. Für eine Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist neben der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kein Raum, weil nach der vorläufigen Kostenübernahme durch den Beklagten aufgrund des gerichtlichen Eilverfahrens (- S 22 SO 211/12 ER -) dessen Verurteilung zur (erneuten) Zahlung nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 8/15 R - juris Rn. 17). Für die Beurteilung der Verpflichtungsklage ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Anschaffung der Brille im August 2012 maßgeblich. Nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts ist für die Beurteilung des Anspruchs auf ein Verwaltungshandeln zwar grundsätzlich auf die letzte mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz abzustellen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rn. 34). Dies gilt allerdings nicht für Ansprüche auf Kostenerstattung, bei denen regelmäßig - wie auch hier - auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschaffung der Leistung abzustellen ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 7. Oktober 2010  - B 3 KR 5/10 R - juris Rn. 10).

2. Die Klage richtet sich zutreffend gegen die Beklagte, die für die Entscheidung über den Antrag der Klägerin vom 9. Juli 2012 zuständig gewesen ist. Die Beklagte ist als kreisfreie Stadt nach sozialhilferechtlichen Vorgaben für die Entscheidung über die geltend gemachte Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53, 54 SGB XII und auch über Hilfen nach dem Vierten bzw. Neunten Kapitel des SGB XII (§ 73 SGB XII) sachlich (§ 97 Abs. 1, § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. §§ 1, 6 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des SGB XII vom 16. Dezember 2004, Nds. GVBl. 2004, 644) und örtlich (§ 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) zuständig.

Soweit die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX (hier und bei weiteren Vorschriften des SGB IX ist jeweils nur die bis zum 31. Dezember 2017 geltende Fassung - a.F. - gemeint) zu beurteilen sein sollte, ergibt sich nichts anderes, weil die Beklagte auch nach dieser Vorschrift als zuerst angegangener Rehabilitationsträger zuständig wäre. Insoweit kann dahinstehen, ob die Versorgung mit einer die Sehschwäche ausgleichenden Sehhilfe überhaupt eine Teilhabeleistung i.S. des § 14 SGB IX darstellt (dazu auch später).

§ 14 SGB IX a.F. sieht eine besondere Zuständigkeitsklärung bei der Beantragung von Teilhabeleistungen i.S. der §§ 4, 5 SGB IX a.F. vor. Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX a.F.). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F.). Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs (§ 14 Abs. 3 SGB IX a.F.).

Die Beklagte, ein örtlicher Träger der Sozialhilfe, ist Rehabilitationsträger (§ 6 Abs. 1 Nr. 7 SGB IX a.F.) für Teilhabeleistungen der medizinischen, beruflichen oder sozialen Rehabilitation (§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB IX a.F.), der Leistungen zur Teilhabe von Amts wegen erbringt. Da sie den Antrag der Klägerin, mit dem sie zugleich Kenntnis von dem geltend gemachten Bedarf erlangt hat (vgl. § 18 Abs. 1 SGB XII), nicht innerhalb von zwei Wochen an einen anderen Rehabilitationsträger, z.B. die beigeladene Krankenkasse (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX a.F.), weitergeleitet hat, wäre sie im Außenverhältnis (Klägerin/Rehabilitationsträger) gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F. endgültig für die Entscheidung über den Antrag vom 9. Juli 2012 zuständig, soweit der Antrag der Klägerin eine Teilhabeleistung i.S. des §§ 4, 5 SGB IX a.F. betrifft. Eine vorherige Antragstellung bei der beigeladenen Krankenkasse ist nicht bewiesen und nach dem Vortrag der Beteiligten und Aktenlage auch fernliegend, selbst wenn bereits durch die Vorlage einer Sehhilfenverordnung bei dem Optiker eine Antragstellung (bei der Krankenkasse) anzunehmen wäre (vgl. zur Antragstellung durch Vorlage einer Hörgeräteverordnung beim Hörgeräteakustiker BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 R 8/14 R - juris Rn. 36). Der Kostenvoranschlag der Firma Fielmann, auf dem später die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beigeladene dokumentiert worden ist, ist am 25. Juli 2012 erstellt worden, also etwa zwei Wochen nach der Beantragung der Leistungen bei der Beklagten.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte oder die Beigeladene keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung der Brille in Höhe von 178,50 €, weder als Leistung der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe gemäß § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII noch nach anderen Rechtsgrundlagen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein sozialhilferechtlicher Erstattungsanspruch i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX a.F. ausscheidet, weil diese Anspruchsgrundlage nur bei Sachleistungen einschlägig ist (vgl. BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 32/07 R - juris Rn. 12 m.w.N.) und der Sozialhilfeanspruch der Klägerin von vornherein auf eine Geldleistung gerichtet gewesen ist (§ 10 Abs. 3 SGB XII).

a) Die Klägerin hat weder einen Rechts- noch einen Ermessensanspruch nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder 2 SGB XII auf Kostenübernahme für die selbst angeschaffte Brille als sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII.

Die Klägerin erfüllt grundsätzlich die personenbezogenen Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe als gebundene Leistung nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, nach dem diejenigen Personen, die durch eine Behinderung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F. wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Klägerin ist aufgrund des Down-Syndroms geistig wesentlich behindert i.S. des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 2 Eingliederungshilfeverordnung (EinglH-VO) und bezieht aus diesem Grund Eingliederungshilfe u.a. in Form der Kostenübernahme für den Besuch der WfbM.

Die Klägerin ist aber nicht wegen ihrer Sehschwäche behindert, so dass eine Hilfegewährung nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder 2 SGB XII insoweit von vornherein ausscheidet. Für die Beurteilung, ob aufgrund einer Sehbeeinträchtigung eine Behinderung i.S. des § 2 Abs. 1 SGB IX a.F. vorliegt, ist nach dem ab dem 1. Januar 2009 geltenden versorgungsrechtlichen Bewertungssystem, der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 (VersMedV, BGBl. I 2412), nicht die Sehleistung (ohne Brille), sondern in erster Linie die korrigierte Sehschärfe (mit Brille) maßgebend (vgl. Teil B Nr. 4 der Anlage zu § 2 VersMedV). Ist eine Sehschwäche wie z.B. eine Kurz- oder Weitsichtigkeit durch die Versorgung mit einer Sehhilfe - wie hier - ausgeglichen, besteht (auch) nach der WHO-Klassifikation vom 10. November 1972 keine "Sehbeeinträchtigung" und damit auch keine "Sehbehinderung" mehr (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 3 KR 21/15 R - juris Rn. 25, 26).

Nach sozialhilferechtlichen Vorgaben ergibt sich nichts anderes. Gemäß § 1 Nr. 4 EinglH-VO liegt aufgrund einer Sehbeeinträchtigung eine wesentliche Behinderung wegen körperlicher Gebrechen nur bei Blinden oder solchen Sehbehinderten vor, bei denen mit Gläserkorrektion ohne besondere optische Hilfsmittel auf dem besseren Auge oder beidäugig im Nahbereich bei einem Abstand von mindestens 30 cm oder im Fernbereich eine Sehschärfe von nicht mehr als 0,3 besteht (Buchstabe a) oder Störungen der Sehfunktion von entsprechendem Schweregrad vorliegen (Buchstabe b). Für die Beurteilung, ob insoweit überhaupt eine Behinderung vorliegt, ist danach - auch hier - die korrigierte Sehschärfe (mit Brille) maßgebend. Dies unterscheidet die Bewertung einer Sehbeeinträchtigung maßgeblich von derjenigen einer Schwerhörigkeit, bei der auf die erforderliche Nutzung von Hörhilfen und nicht etwa auf das korrigierte Hörvermögen abzustellen ist (vgl. § 1 Nr. 5 EinglH-VO); die Entscheidung des BSG zur Übernahme der Kosten für Hörgerätebatterien als Leistung der sozialen Rehabilitation gemäß §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX a.F. (BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 32/07 R - juris) ist - entgegen den Ausführungen des SG - insoweit schon dem Grunde nach nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die Klägerin ist aufgrund ihrer Sehbeeinträchtigung nicht wesentlich behindert, weil diese durch die Brille - also mit Gläserkorrektion - ausgeglichen ist. Der geltend gemachte Anspruch bezieht sich auf das Hilfsmittel selbst - diese Hilfegewährung ist Aufgabe der Krankenkasse (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016      - B 3 KR 21/15 R - juris Rn. 25) - und nicht auf Beeinträchtigungen, die trotz des mit der Brille korrigierten Sehvermögens womöglich bestehen könnten. Solche Beeinträchtigungen sind weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren geltend gemacht worden. Insoweit bleibt zu beachten, dass die Beurteilung einer Behinderung wertend an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft auszurichten ist. Entscheidend ist mithin nicht, in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 30/10 R - juris Rn. 19; Senatsbeschluss vom 27. August 2015 - L 8 SO 177/15 B ER - juris Rn. 17). Gemessen hieran hat der Senat auch ohne Kenntnis von der konkreten Sehschärfe der Klägerin (mit Brille) keine Zweifel daran, dass bei der Klägerin - mit Gläserkorrektion - keine wesentlichen Teilhabebeeinträchtigungen bestehen.

Ungeachtet dessen kommt die begehrte Kostenübernahme insbesondere (auch) nicht als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 33 ff. SGB IX a.F. in Betracht. Gemäß § 33 Abs. 1 SGB IX a.F. werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihrer Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Diese Leistungen umfassen gemäß § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 SGB IX a.F. insbesondere Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (Nr. 1) sowie sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten (Nr. 6). Die Leistungen nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 SGB IX a.F. umfassen nach § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB IX a.F. auch Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung der Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg von und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistungen erbracht werden können.

Voraussetzung für einen Hilfsmittelanspruch als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ist mithin ein berufsspezifischer Zusammenhang - hier mit der Tätigkeit der Klägerin in der WfbM. Da die Klägerin die Brille schwerpunktmäßig nicht für den Beruf, sondern (auch) im täglichen Leben zur Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse - wozu auch allgemein die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit gehört (BSG, Urteil vom 12. Oktober 1988 - 3 RK 29/87 - juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 26. März 1980 - 3 RK 61/79 - juris Rn. 13) - benötigt, ist es vorrangig Aufgabe der Krankenkasse, ggf. für den Ausgleich des Funktionsdefizits zu sorgen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juli 1994  - 11 RAr 115/93 - juris Rn. 24; BSG, Urteil vom 26. März 1980 - 3 RK 61/79 - juris Rn. 13). Der Senat hat aus diesem Grund von einer Beiladung von Trägern der beruflichen Rehabilitation - etwa der Bundesagentur für Arbeit - abgesehen.

b) Die Klägerin hat gegen die Beigeladene keinen Anspruch auf Kostenerstattung für eine entsprechende Hilfsmittelversorgung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.V.m. §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 333 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB V (§ 33 SGB V in der hier bis zum 10. April 2017 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003, BGBl. I 2190; im Weiteren a.F.). Danach hat für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, der Anspruch auf Sehhilfen bestanden, wenn sie auf Grund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Nach § 12 Abs. 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinie / HilfsM-RL) in der Neufassung vom 21. Dezember 2011 und 15. März 2012 liegt diese unter anderem vor, wenn die Sehschärfe (Visus) bei bestmöglicher Korrektur mit einer Brillen- oder möglichen Kontaktlinsenversorgung auf dem besseren Auge ≤ 0,3 beträgt oder das beidäugige Gesichtsfeld ≤ 10 Grad bei zentraler Fixation ist. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall. Ein Anspruch auf therapeutische Sehhilfen nach § 33 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz SGB V a.F. besteht nicht, weil die Brille der Klägerin dem (bloßen) Ausgleich der Sehschwäche dient, nicht aber der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen.

c) Ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht auch nicht aufgrund anderer sozialhilferechtlicher Rechtsgrundlagen, insbesondere hat die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagte nach §§ 19 Abs. 2, 41 Abs. 1 , 42 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII (jeweils i.d.F. vom 24. März 2011, BGBl. I 453), nach dem Leistungen für Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten gesondert erbracht werden.

Die Klägerin ist zwar dauerhaft voll erwerbsgemindert, weil sie wegen der Art und Schwere ihrer Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein, und nach Maßgabe der §§ 82 ff. SGB XII bedürftig. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII sieht eine Übernahme von Anschaffungskosten nach seinem eindeutigen Wortlaut aber nur bei orthopädischen Schuhen vor. Eine Reparatur einer bereits vorhanden Brille, für die eine Kostenübernahme in Betracht kommt (vgl. dazu das nach der Entscheidung in diesem Verfahren ergangene Urteil des BSG vom 19. Oktober 2017 - B 14 AS 4/17 R - im Volltext noch nicht veröffentlicht, Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14. Dezember 2016 - L 13 AS 92/15 - juris; vgl. auch Blüggel in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 31 Rn. 49 m.w.N.), liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat sich eine neue Sehhilfe angeschafft.

d) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 Satz 1 SGB XII. Nach § 73 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen (Satz 1). Geldleistungen können als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden (Satz 2). Eine sonstige Lebenslage i.S. des § 73 Satz 1 SGB XII zeichnet sich dadurch aus, dass sie von keinem anderen Leistungsbereich des SGB XII erfasst ist und damit einen Sonderbedarf (atypische Bedarfslage) darstellt (BSG, Urteil vom 20. April 2016 - B 8 SO 5/15 R - juris Rn. 10 m.w.N.).

Die Kosten für die Anschaffung einer Brille, die nach dem Recht der GKV nicht (s. oben) oder nur teilweise übernommen werden, sind bereits in dem Regelbedarf und    -satz nach § 27a Abs. 1, 3 SGB XII enthalten (so auch LSG Hamburg, Urteil vom 21. November 2012 - L 4 AS 6/11 - juris Rn. 18), der auch bei der Bewilligung der Grundsicherungsleistungen für die Klägerin berücksichtigt worden ist.

Nach § 27a Abs. 1 SGB XII umfasst der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung (Satz 1). Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; dies gilt in besonderem Maß für Kinder und Jugendliche (Satz 2). Für Schülerinnen und Schüler umfasst der notwendige Lebensunterhalt auch die erforderlichen Hilfen für den Schulbesuch (Satz 3). Gemäß § 27a Abs. 2 Satz 1 SGB XII ergibt dieser gesamte notwendige Lebensunterhalt mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt (Mehrbedarfe, einmalige Bedarfe etc.) den monatlichen Regelbedarf. Nach Absatz 3 der Vorschrift sind zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 SGB XII ergeben, monatliche Regelsätze als Bedarf anzuerkennen (Satz 1). Der Regelsatz stellt einen monatlichen Pauschalbetrag zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich entscheiden; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen (Satz 2).

Die Grundsätze für die Ermittlung der Regelbedarfe sind in § 28 Abs. 2 bis 4 SGB XII geregelt. Danach sind bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen nach § 27a Abs. 2 SGB XII Stand und Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen (Abs. 2 Satz 1). Grundlage hierfür sind die durch die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen (Abs. 2 Satz 2), soweit sie in den Sonderauswertungen nach § 28 Abs. 3 SGB XII für Referenzhaushalte ausgewiesen und als regelbedarfsrelevant anzusehen sind (vgl. § 28 Abs. 4 SGB XII). Die konkrete Ermittlung der Regelbedarfe erfolgt durch das RBEG (BT-Drs. 17/3404, S. 121 zu § 28).

Nach diesen gesetzlichen Vorgaben und den einschlägigen Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 17/3404) sind die Eigenanteile (Zuzahlungen) zu Brillen und Brillengläsern, unabhängig davon, ob deren Kosten nur teilweise von der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen werden, in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitraum (August 2012) in den Regelbedarfen als Ausgaben aus dem Bereich der Gesundheitspflege (Abteilung 6 der EVS 2008) mit einem regelbedarfsrelevanten Gesamtbetrag von 15,55 € je Monat berücksichtigt worden (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 58; anders zu den Reparaturkosten einer Brille vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14. Dezember 2016 - L 13 AS 92/15 - juris Rn. 19 ff., 54 m.w.N., bestätigt durch das nach der Entscheidung in diesem Verfahren ergangene Urteil des BSG vom 19. Oktober 2017 - B 14 AS 4/17 R - im Volltext noch unveröffentlicht). Unter den Verbrauchsausgaben für „Therapeutische Geräte und Ausrüstungen“ (lfd. Nr. 0613) sind die Kosten für Brillen, Brillengläser (ohne Sonnenbrillen mit optisch nicht bearbeiteten Gläsern) aufgeführt (lfd. Nr. 0613 03) mit ausdrücklicher Nennung der Eigenanteile (Zuzahlungen) zu Brillen, Brillengläsern, deren Kosten nur teilweise von der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen werden (lfd. Nr. 0613 031), und Brillen und Brillengläser (ohne Sonnenbrillen mit optisch nicht bearbeiteten Gläsern), z.B. komplette Brillen, Brillenfassungen, Kontaktlinsen (lfd. 0613 032), vgl. das Systematische Verzeichnis der Einnahmen und Ausgaben der privaten Haushalte, Ausgabe 1998 (SEA 98; 23 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Verzeichnis/PrivateHaushalte3200500989004.html).

e) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens nach §§ 19 Abs. 2, 41 Abs. 1, 42 Nr. 5 SGB XII i.V.m. § 37 Abs. 1 SGB XII, nach dem auf Antrag notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden, wenn im Einzelfall ein von den Regelbedarfen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin hat die Kosten für die Brille noch im Verwaltungsverfahren aus eigenen Mitteln bzw. mit Hilfe ihres Vaters bestritten.

4. Dass die Klägerin keinen sozialrechtlichen Anspruch auf Übernahme bzw. Erstattung der Kosten für die im August 2012 angeschaffte Brille hat, verstößt nicht gegen die Verfassung.

Dies gilt zunächst für die - insbesondere bei Erwachsenen - eingeschränkte Versorgung mit Sehhilfen nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V a.F., bei der in besonderer Weise zumutbare Eigenleistungen gefordert werden (vgl. dazu ausführlich BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 3 KR 21/15 R - juris Rn. 28 ff.). Dass der Gesetzgeber den grundsätzlichen Leistungsausschluss bezüglich der Versorgung mit Sehhilfen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, mittlerweile modifiziert und die Ausnahmeklausel erweitert hat (vgl. das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz - HHVG vom 4. April 2017, BGBl. I 2017, 778), führt nicht dazu, an der Verfassungsmäßigkeit der im hier streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung des § 33 SGB V a.F. zu zweifeln.

Der Umstand, dass die Klägerin insoweit auch keinen sozialhilferechtlichen Anspruch hat, verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. hierzu insb. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - juris, sog. Regelsatzurteil; BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris, zum AsylbLG; BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - juris, zum RBEG; BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 - juris). Das BVerfG hat insbesondere in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2014 (- 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - juris Rn. 115 ff.) festgehalten, dass der Gesetzgeber der Gefahr, dass mit der Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf die Kosten für einzelne bedarfsrelevante Güter nicht durchgängig gedeckt sind, entweder mit einem (externen) Ausgleich durch zusätzliche Ansprüche auf Zuschüsse neben dem Regelbedarf begegnen kann oder aber die Anspruchsberechtigten durch die Gewährleistung eines ausreichend finanziellen Spielraums auf einen internen Ausgleich verweisen darf. Entscheidend ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nur, dass existenzsichernde Bedarfe insgesamt tatsächlich gedeckt sind (BVerfG, a.a.O., Rn. 115). Die Gefahr einer Unterdeckung könne etwa bei der notwendigen Anschaffung von sog. weißer Ware, also von Kühlschrank, Gefrierschrank und -truhe, Waschmaschine, Wäschetrockner, Geschirrspül- und Bügelmaschine (Abteilung 05; BT-Drs. 17/3404, S. 56, 140) entstehen oder, wenn Gesundheitsleistungen wie Sehhilfen weder im Rahmen des Regelbedarfs gedeckt werden können noch anderweitig gesichert sind (BVerfG, a.a.O., Rn. 120).

Nach diesen Maßgaben sind die in dem Regelbedarf berücksichtigten Ausgaben aus dem Bereich der Gesundheitspflege (Abteilung 6 der EVS 2008) für Brillen und Brillengläser im Regelfall für die Anschaffung einer sog. Normalbrille (ohne Tönung, Entspiegelung und Gleitsicht) in hinreichender Weise berücksichtigt worden (vgl. auch BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 3 KR 21/15 R - juris Rn. 33). Dies gilt auch für den Fall der Klägerin, der die Aufbringung der Mittel i.H.v. 178,50 € aus dem ihr gewährten Regelsatz bzw. ihrem beim Leistungsbezug teilweise nicht berücksichtigten Werkstatteinkommen zuzumuten ist.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

6. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).