Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 31.08.2017, Az.: L 11 AS 836/16 B

Vorläufigkeit der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; SGB-II-Leistungen; Vorläufigkeit einer Bewilligungsentscheidung; Unzulässigkeit der Beschwerde; Nichterreichen des Beschwerdewertes; Geldwerter Vorteil; Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Zulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren; Ermittlung des Beschwerdewertes im Rechtsstreit um die endgültige Bewilligung vorläufig bewilligter Geldleistungen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
31.08.2017
Aktenzeichen
L 11 AS 836/16 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 23986
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 17.08.2016 - AZ: S 50 AS 1138/16

Redaktioneller Leitsatz

1. Wird im Kern die Beseitigung eines Vorläufigkeitsvorbehalts in Leistungsbescheiden begehrt, ist damit ein geldwerter Vorteil verbunden.

2. Als Folge der Beseitigung würden die in den jeweiligen Bescheiden bewilligten Geldleistungen endgültig zustehen.

Tenor:

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 17. August 2016 wird verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich in der Hauptsache gegen die Vorläufigkeit einer Bewilligungsentscheidung.

Die verheirateten 1970 und 1985 geborenen Kläger zu 1. und 2. sowie die drei minderjährigen Kinder (Kläger zu 3. bis 5.) bezogen laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Mit Bescheiden vom 10. November, 29. November und 9. Dezember 2015 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit von Dezember 2015 bis Mai 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Bewilligung erfolgte jeweils vorläufig (Hinweis auf § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Zur Begründung führte der Beklagte im Bescheid vom 10. November 2015 aus, dass das Erwerbseinkommen des Klägers zu 1. zunächst "fiktiv" berücksichtigt und daher regelmäßig um Vorlage der jeweiligen Gehaltsbescheinigungen gebeten werde. Mit weiterem vorläufigem Änderungsbescheid vom 25. Februar 2016 bewilligte der Beklagte für die Monate April und Mai 2016 geringere Leistungen, weil nunmehr erstmals das laufende Kindergeld der Klägerin zu 5. als Einkommen berücksichtigt wurde. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Widerspruch ein. Sie führten aus, dass die ihnen zustehenden Leistungen "zu hoch angesetzt seien". Das Erwerbseinkommen sei höher, als im Bescheid berücksichtigt. Als Reaktion hierauf änderte der Beklagte die angefochtene Entscheidung mit dem weiterhin vorläufigen Änderungsbescheid vom 8. April 2016 ab und berücksichtigte ein höheres "fiktives" Einkommen (1.900 EUR brutto statt vorher 1.230 EUR brutto). Den Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2016 als unbegründet zurück. Die Kläger seien nicht beschwert. Die nunmehr angenommene Höhe des Erwerbseinkommens entspreche eher der tatsächlichen Höhe.

Nachdem die Kläger bereits mit Schreiben vom 10. Mai 2016 einen Leistungsverzicht erklärt und in der Folge die Gehaltsbescheinigungen für das tatsächlich im April und Mai zugeflossene Einkommen eingereicht hatten, berücksichtigte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 13. Juni 2016 dieses tatsächliche Einkommen (abzgl. der Freibeträge) und bewilligte höhere Leistungen (insgesamt für April 143,40 EUR und für Mai 239,22 EUR). Im Bescheidtext heißt es unter anderem: "Leistungen ( ...) werden ( ...) vorläufig in folgender Höhe bewilligt." Nach der Übersicht der bewilligten Leistungen wird unter "Begründung" ausgeführt: "( ...). Das zuvor fiktiv berücksichtigte Einkommen wurde durch das tatsächliche des neuen Arbeitgebers ersetzt, Grundlage hierfür sind die Gehaltsabrechnungen der Monate März 2016 und April 2016 ...". Sodann folgt wiederum ein Hinweis zur Rechtsgrundlage der vorläufigen Bewilligung. Die nunmehr anwaltlich vertretenen Kläger haben am 24. Juni 2016 beim Sozialgericht (SG) Braunschweig Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Bescheide vom 13. Juni 2016, die die Zeiträume Januar 2016 und April bis Mai 2016 regeln, Gegenstand des Verfahrens sein dürften. Diese Bescheide seien formell rechtswidrig, da sie ohne Rechtsgrundlage vorläufig seien. Das SG lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 17. August 2016 mangels hinreichender Erfolgsaussichten ab. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Anhaltspunkte für formelle Fehler bestünden nicht. Die Kläger seien eher begünstigt worden, als dass sie beschwert seien.

Gegen den dem Bevollmächtigten am 22. August 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 13. September 2016 eingelegte Beschwerde. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da ihnen eine vorläufige Leistungsbewilligung zugrunde liege, ohne dass hierfür ein Grund ersichtlich sei.

Der Beklagte hat ausgeführt, dass vor dem Hintergrund des schwankenden Erwerbseinkommens des Klägers zu 1. bereits im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 10. November 2015 eine vorläufige Bewilligung erfolgt sei.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Sie ist nicht nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil sie nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG ausgeschlossen ist. Nach dieser Norm ist die Beschwerde ausgeschlossen, wenn die Berufung in der Hauptsache der Zulassung bedürfte. Bei Klagen, die eine Geld-, Dienst-, oder Sachleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betreffen, ist die Berufung ausgeschlossen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigt und die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG).

Die Voraussetzungen von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG sind hier erfüllt. Die Klage betrifft eine Geldleistung bzw. einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. Es genügt, dass der umstrittene Verwaltungsakt zu einer Geldleistung oder einem geldwerten Vorteil führt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 144 Rn. 10a). Die Kläger begehren im Kern die Beseitigung des Vorläufigkeitsvorbehalts in den Leistungsbescheiden. Würden Sie mit diesem Anliegen Erfolg haben, wären die Bescheide vorbehaltlich der §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch endgültig. Den Klägern würden die in den jeweiligen Bescheiden bewilligten Geldleistungen endgültig zustehen. Mit der Beseitigung des Vorläufigkeitsvorbehalts ist also ein geldwerter Vorteil verbunden, weil den Klägern ein bestimmter Betrag erstmals endgültig bewilligt werden würde.

Der so verstandene Beschwerdegegenstand hat keinen Wert von mehr als 750 EUR. Streitgegenständlich ist ausschließlich der Zeitraum April bis Mai 2016, denn nur diesen Zeitraum regelte der ursprünglich angegriffene Änderungsbescheid vom 25. Februar 2016. Dieser Bescheid ist nach § 96 SGG durch den Bescheid vom 13. Juni 2016 ersetzt worden, mit dem den Klägern Leistungen in Höhe von insgesamt 382,62 EUR bewilligt worden sind (ebenfalls für die Monate April und Mai 2016). Auf die Gewährung dieses Betrages als endgültige Leistung ist das Begehren der Kläger gerichtet. Dass die mit Bescheid vom 13. Juni 2016 bewilligten Leistungen der Höhe nach unzutreffend festgesetzt worden, behaupten die Kläger nicht. Der den Monat Januar 2016 betreffende (weitere) Änderungsbescheid vom 13. Juni 2016 ist kein zulässiger Streitgegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).