Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 09.08.2017, Az.: L 3 KA 39/14
Gewährung einer Ausgleichszahlung wegen Honorarverlusten einer Berufsausübungsgemeinschaft
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 09.08.2017
- Aktenzeichen
- L 3 KA 39/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 19701
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 12.03.2014 - AZ: S 65 KA 39/11
Rechtsgrundlagen
- Teil A Nr 7.3 VNVV
- § 87 Abs. 4 SGB V
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 12. März 2014 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 13.532 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Ausgleichszahlung wegen Honorarverlusten im Quartal I/2010.
Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), die im streitbefangenen Zeitraum aus zwei zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Fachärzten für Allgemeinmedizin bestand. Im September 2010 wies sie die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) darauf hin, dass ihr Honorar für das Quartal I/2010 gegenüber dem Quartal I/2009 um mehr als 15 % zurückgegangen sei. Die Beklagte fasste dies als Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung wegen überproportionaler Honorarverluste für das Quartal I/2010 auf und lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 20. September 2010 ab. Nach der Ausgleichsrichtlinie der Beklagten seien nur solche Praxen anspruchsberechtigt, deren GKV-Gesamthonorar und Fallwert gegenüber dem entsprechenden Quartal 2008 um mindestens 9 % zurückgegangen sind. Gegenüber dem Quartal I/2008 seien das GKV-Gesamthonorar der Klägerin aber nur um 0,7 % und der Fallwert um 1,08 % zurückgegangen.
Der dagegen von der Klägerin erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2011).
Am 20. Januar 2011 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben und dort geltend gemacht, dass der Bewertungsausschuss (BewA) im Rahmen der Regelung zur Leistung von Ausgleichszahlungen wegen überproportionaler Honorarverluste das Vorjahresquartal als Bezugsquartal bestimmt habe. Von dieser Vorgabe hätten die Vertragspartner auf Landesebene nicht abweichen dürfen. Gegenüber dem Quartal I/2009 seien das GKV-Gesamthonorar der Klägerin um 16,46 % und der Fallwert um 23,96 % zurückgegangen. Daraus ergebe sich ein Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von 13.532,04 Euro.
Mit Urteil vom 12. März 2014 hat das SG Hannover die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung für das Quartal I/2010 zu. Maßgebend hierfür sei, dass sie gegenüber dem Quartal I/2008 keinen Honorarverlust erlitten habe, der eine solche Ausgleichszahlung nach sich ziehen müsse. Zwar beinhalte der Wortlaut der Regelung im Beschluss des BewA vom 22. September 2009 den von der Klägerin begehrten Bezug auf das Vorjahresquartal. Die Regelung in Teil F Abschnitt I Nr 3.7 des Beschlusses des BewA enthalte aber lediglich eine Ermächtigung, die ihrerseits habe umgesetzt werden müssen. Indem sie in Nr 7 der Vereinbarung zur Umsetzung der Beschlüsse des (Erweiterten) Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Versorgung im Jahr 2010 (VNVV) auf das sogenannte Basisquartal, mithin das entsprechende Quartal im Jahr 2008 abgestellt haben, hätten die Gesamtvertragspartner nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Insbesondere seien sie unter Berücksichtigung der Systematik, der historischen Entwicklung und des Zwecks der Ausgleichsregelung nicht zur Schaffung einer auf das Vorjahresquartal bezogenen Regelung verpflichtet gewesen.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 2. April 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. April 2014 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt, zu deren Begründung sie ihre bisherige Argumentation wiederholt. Ergänzend macht sie geltend, dass der Beschluss des BewA in seiner 215. Sitzung zur Weiterentwicklung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2010 frühestens ab dem Quartal II/2010 Geltung beanspruchen könne. Die Anwendung der darin getroffenen Regelung zur Festlegung des Bezugsquartals komme für das Quartal I/2010 nicht in Betracht, weil der Beschluss erst am 5. März 2010 amtlich bekanntgemacht worden sei und eine rückwirkende Änderung des Bezugsquartals gegen das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot verstoßen würde.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 12. März 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Januar 2011 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Ausgleichszahlung für das Quartal I/2010 in Höhe von 13.532,03 Euro zu gewähren,
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihren Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Beschluss des BewA in seiner 215. Sitzung lediglich eine Klarstellung beinhalte. Mit der Regelung über den Ausgleich überproportionaler Honorarverluste hätten nur solche Honorarverluste ausgeglichen werden sollen, die durch die Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung zum 1. Januar 2009 eingetreten sind. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung sei deshalb der Vergleich zwischen dem Abrechnungsquartal und dem letzten Vergleichsquartal vor der Umstellung der Mengensystematik zwingend. Deshalb habe sich durch die Anpassung des Bezugsquartals im Wortlaut der Regelung die Rechtslage nicht verändert. Jedenfalls liege keine unzulässige Rückwirkung vor, weil im Zeitpunkt der Beschlussfassung und Bekanntgabe des Beschlusses des BewA in seiner 215. Sitzung die Abrechnung für das Quartal I/2010 noch nicht erfolgt und deshalb nicht in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen worden sei.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Die Beigeladene zu 1. ist der Auffassung, dass die Klägerin für das betroffene Abrechnungsquartal zu keinem Zeitpunkt darauf habe vertrauen dürfen, dass es bei der Feststellung überproportionaler Honorarverluste auf die Honorarsituation im Jahr 2009 ankomme. Dem stehe schon entgegen, dass die Vertragspartner der VNVV von Anfang an auf das Basisquartal (das entsprechende Quartal des Jahres 2008) abgestellt hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die Klage ist im Hauptantrag als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 und 4 SGG und im Hilfsantrag als Neubescheidungsklage (§ 131 Abs 3 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache kann sie aber keinen Erfolg haben, weil es die Beklagte zutreffend abgelehnt hat, der Klägerin für das Quartal I/2010 eine Ausgleichszahlung wegen überproportionaler Honorarverluste zu gewähren.
2. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Ausgleichszahlung ist der Honorarverteilungsvertrag (HVV) der Beklagten, der für das Jahr 2010 in Form der VNVV (bekannt gemacht unter www.kvn.de/Ueber-uns/Amtliche-Bekanntmachungen/) mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen vereinbart worden ist. Nach der dort in Teil A Nr 7.3 getroffenen Regelung setzt der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung ua voraus, dass das Gesamthonorar im Abrechnungsquartal um mehr als 15 % unter dem Gesamthonorar des entsprechenden Basisquartals und der Fallwert im Abrechnungsquartal um mehr als 15 % unter dem Fallwert des entsprechenden Basisquartals liegen. Als Basisquartal ist in Nr 7 das entsprechende Quartal des Jahres 2008 definiert worden.
Darüber hinaus hat die Beklagte in der Richtlinie für die Gewährung von Sicherstellungszahlungen aus Mitteln des Sicherstellungsfonds idF des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 7. April 2010 (NÄBl 2010, Heft 5, S 71) einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung vorgesehen, der nach § 3 der Richtlinie voraussetzt, dass das Gesamthonorar und der Fallwert im Abrechnungsquartal jeweils um mindestens 9 % unter dem Gesamthonorar bzw dem Fallwert des entsprechenden Quartals 2008 liegen.
3. Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausgleichszahlung nicht. Nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten ist das Gesamthonorar der Klägerin im Quartal I/2010 gegenüber dem Quartal I/2008 um lediglich 0,7 % zurückgegangen; der Fallwert ist in dem selben Zeitraum um 1,08 % zurückgegangen. Damit sind weder die Anspruchsvoraussetzungen nach Teil A Nr 7.3 VNVV noch diejenigen nach § 3 der Richtlinie der Beklagten erfüllt.
4. Die Regelungen in der VNVV über die Gewährung von Ausgleichszahlungen wegen überproportionaler Honorarverluste sind mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie stützen sich auf die Vorgaben im Beschluss des BewA vom 22. September 2009 (DÄ 2009, A 2103) idF des Beschlusses in seiner 215. Sitzung zur Weiterentwicklung der vertragsärztlichen Vergütung (DÄ 2010, A 408).
a) Nach dem Wortlaut der ursprünglichen Fassung der Regelung in Teil F Abschnitt I Nr 3.7 konnten die KÄVen im Fall einer Verringerung des Honorars einer Arztpraxis um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich befristete Ausgleichszahlungen an die Arztpraxis leisten, sofern die Honorarminderung mit der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet ist, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sogenannten extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben. Die Einigung über das Verfahren der Umsetzung hat der BewA in S 2 der Regelung den Partnern der Gesamtverträge übertragen. Mit dem Beschluss in seiner 215. Sitzung hat der BewA mit Wirkung zum 1. Januar 2010 das Wort "Vorjahresquartal" durch das Wort "Vorvorjahresquartal" im S 1 der Regelung ersetzt. Infolge der Anordnung des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Änderung findet die geänderte Regelung für das streitbefangene Quartal I/2010 Anwendung.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Inkraftsetzung der Regelung ab dem 1. Januar 2010 nicht gegen das Verbot einer echten Rückwirkung von Normen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) liegt eine echte Rückwirkung vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte eingreift, eine unechte dann, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich Rechtspositionen nachträglich entwertet. Gesetze mit echter Rückwirkung sind grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar; solche mit unechter Rückwirkung hingegen sind grundsätzlich zulässig (BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 - 1 BvR 1299/15, Rn 20 mwN). Diese Grundsätze gelten auch für untergesetzliche Rechtsnormen des Vertragsarztrechts (BSG, Urteil vom 24. September 2003 - B 6 KA 41/02 R, Rn 16 - SozR 4-2500 § 85 Nr 4 mwN).
bb) Vorliegend ist das Vertrauen der Vertragsärzte in das geltende Recht aber schon deshalb nicht berührt, weil durch die in der 215. Sitzung des BewA beschlossene Änderung des Wortlauts der Regelung in Teil F Abschnitt I Nr 3.7 des Beschlusses vom 22. September 2009 keine Änderung der materiellen Rechtslage normiert worden, sondern lediglich eine Klarstellung des geltenden Rechts erfolgt ist. Die Änderung wirkt daher nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch; demzufolge stellt sich die Frage eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot hier gar nicht (vgl dazu BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08, Rn 38 ff - BVerfGE 135, 1 [BVerfG 17.12.2013 - 1 BvL 5/08]).
In diesem Zusammenhang weist die Beklagte zu Recht auf den Sinn und Zweck der Ausgleichsregelung hin: Ausgeglichen werden sollten nur solche Honorarverluste, die auf der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik der RLV beruhen oder darauf, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Beschlusses des BewA vom 22. September 2009. Die Regelung sollte somit einem Ausgleich solcher Honorarverluste dienen, die durch die Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung zum 1. Januar 2009 eintreten würden. Dementsprechend hatte der BewA bereits in seinen vorangegangenen Beschlüssen für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 eine gleichlautende Regelung zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten normiert (vgl Teil F Nr 3.7 des Beschlusses des Erweiterten (E)BewA gemäß § 87 Abs 4 SGB V zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung vom 27./28. August 2008, DÄ 2008, A-1988). Wenn diese frühere Regelung in dem Beschluss vom 22. September 2009 wortgleich übernommen worden ist, handelt es sich angesichts des genannten Regelungsziels jedoch um ein offensichtliches Redaktionsversehen. Eine (Ausgleichs-)Regelung, nach der das Honorar im betroffenen Quartal mit dem Honorar für ein ebenfalls nach der Umstellung der Mengensteuerung auf eine neue Systematik liegendes Quartal verglichen werden soll, wäre ersichtlich sinnlos, weil ein etwaiger Honorarverlust in diesem Fall nicht auf den Änderungen im Rahmen der Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung beruhen könnte. Dementsprechend wäre eine solche Regelung ins Leere gelaufen. Da das nicht das Ziel des BewA gewesen sein kann, liegt auf der Hand, dass bei der Weiterentwicklung der Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2010 - die ersichtlich auf den früheren Beschlüssen des (E)BewA aufbaut - versehentlich eine Anpassung des Wortlauts der Regelung unterblieben ist. Mit dem Beschluss in seiner 215. Sitzung hat der BewA somit nur eine Berichtigung dieses Redaktionsversehens im Sinne einer Klarstellung vorgenommen.
cc) Selbst wenn man in dem Beschluss in der 215. Sitzung des BewA eine inhaltliche Änderung der Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch erblicken wollte, wäre dieser Änderung keine echte Rückwirkung beizumessen. Dem steht schon entgegen, dass die noch im Lauf des hier streitbefangenen Quartals I/2010 bekanntgemachte Regelung nicht in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen hat. Der Sonderfall der Änderung einer (verhaltens-)steuernden Norm, deren Rechtmäßigkeit nach den Grundsätzen für echte Rückwirkungen zu beurteilen ist, liegt hier nicht vor (vgl dazu BSG, Urteil vom 17. September 1997 - 6 RKa 36/97, Rn 28 ff - SozR 3-2500 § 87 Nr 18; Urteil vom 24. September 2003 aaO, Rn 19 ff). Damit ist maßgebend, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung und Bekanntmachung des Beschlusses im DÄ noch weitere Leistungen in diesem Quartal erbracht und abgerechnet werden konnten. Dementsprechend war die Abrechnung für das Quartal noch nicht erfolgt und noch nicht einmal die Höhe des Honoraranspruchs absehbar. Umso weniger konnte der Kläger auf der Grundlage des Beschlusses des BewA vom 22. September 2009 bereits auf das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs vertrauen. Bei der gegebenen Sachlage griff eine mögliche Änderung nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein. Damit kam der Änderung der Regelung lediglich unechte Rückwirkung zu, die grundsätzlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 22. Oktober 2014 - B 6 KA 3/14 R, Rn 24 - SozR 4-1500 § 106 Nr 48, mwN; Urteil vom 24. September 2003 aaO, Rn 18).
Im Übrigen wäre die Änderung der Regelung selbst dann als rechtmäßig anzusehen, wenn ihr echte Rückwirkung zukäme. Sofern nicht von einem offensichtlichen Redaktionsversehen des BewA auszugehen wäre, war die vorherige Rechtslage in Niedersachsen unklar. Nach der Regelung in der VNVV war von Anfang an das sogenannte Basisquartal, also das entsprechende Quartal im Jahr 2008 für die Prüfung eines überproportionalen Honorarverlusts maßgebend. Dem stand der Wortlaut der Regelung im Beschluss des BewA gegenüber, nach dem auf das Vorjahresquartal abzustellen war. Angesichts dieser voneinander abweichenden Wortlaute der Regelungen war die Rechtslage zumindest unklar. Mit dem Fortbestand der (zumal inhaltlich sinnlosen) Regelung im Beschluss des BewA vom 22. September 2009 konnten die Vertragsärzte in Niedersachsen aber nicht rechnen; mit der Anpassung des Wortlauts hat der BewA damit eine bisher unklare Rechtslage klargestellt. Damit wäre selbst eine echte Rückwirkung ausnahmsweise rechtmäßig (vgl BSG aaO, Rn 21 mwN).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG i.V.m. § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs 1 und 3 S 1, 47 Abs 1 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG).