Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.08.1991, Az.: 17 M 8357/91
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ; Mitbestimmungsrecht im Stufenverfahren unter Einbeziehung der Einigungsstelle ; Umfang der Rechte des Personalrats
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.08.1991
- Aktenzeichen
- 17 M 8357/91
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1991, 17389
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1991:0820.17M8357.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 16.07.1991 - AZ: 7 B 1/91
Rechtsgrundlage
- § 83 Abs. 2 BPersVG
Verfahrensgegenstand
Inkraftsetzen von Dienstplänen in der Ferienzeit (ab 1.7.91)
Der 17. Senat
- Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes -
des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat
am 20. August 1991 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Stade - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 16. Juli 1991 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde, über die hier angesichts des Auslaufens der streitigen Dienstpläne am 31. August 1991 auch der Fachsenat gemäß §§ 83 Abs. 2 BPersVG, 85 Abs. 2 ArbGG, 944 ZPO durch den Vorsitzenden entscheidet, ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen kann zu keiner abweichenden Beurteilung führen.
1.
Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller für seinen Hauptantrag auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 1990 (- 6 PB 12.89 -, ZBR 1990, 354 m. Anm. v. Albers). Das Bundesverwaltungsgericht hat darin anläßlich der Erörterung der Frage, ob der Streit über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts im Stufenverfahren unter Einbeziehung der Einigungsstelle oder im Beschlußverfahren durch die Verwaltungsgerichte zu entscheiden ist, in einer kurzen Nebenbemerkung auch zum möglichen Inhalt einstweiliger Verfügungen in Beteiligungsangelegenheiten Stellung genommen. Es bedarf hier keiner Vertiefung, inwieweit diese Bemerkung - die im Schrifttum auch auf Kritik gestoßen ist (vgl. Dannhäuser, PersV 1991, 193 ff) und von der Beschwerde selbst als noch nicht ausgereifter Diskussionsvorschlag gewertet wird - einen neuen rechtlich gangbaren Weg aufzeigt, die auf gewichtigen Gründen beruhende herrschende Rechtsprechung der Obergerichte zum zulässigen Inhalt einstweiliger Verfügungen im Personalvertretungsrecht (vgl. dazu Albers a.a.O., S. 357 m. Nachw.) zu modifizieren.
Dem Hauptantrag des Antragstellers, dem Beteiligten die unverzügliche Außerkraftsetzung der ohne Zustimmung des Antragstellers in Kraft gesetzten Dienstpläne für Aushilfskräfte in den Sommermonaten im Bereich des Postamts R. sowie die Fortführung des Mitbestimmungsverfahrens aufzugeben, könnte nämlich auch dann nicht entsprochen werden, wenn den Vorstellungen des BVerwG in vollem Umfang zu folgen wäre. Denn danach kommt - entsprechend dem rein verfahrensrechtlichen Teilhabeanspruch des Personalrats - lediglich eine einstweilige Verfügung mit einem Ausspruch verfahrensrechtlichen Inhalts in dem Sinne in Betracht, daß er sich nur auf Verfahrenshandlungen bezieht (a.a.O., S. 355). Dagegen wird ein materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch des Personalrats, mit dem dieser eine Unterlassung oder Rückgängigmachung einer ohne seine Beteiligung vollzogenen Maßnahme verlangen könnte, auch vom BVerwG weiterhin verneint, weil die beabsichtigte Maßnahme selbst nicht Gegenstand des personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens ist (ebenso Albers a.a.O., S. 357; Dannhäuser, a.a.O., S. 200 m. Nachw.). Damit bleibt es aber auch rechtlich ausgeschlossen, entsprechend dem Hauptantrag des Antragstellers dem Beteiligten im Wege der einstweiligen Verfügung die Außerkraftsetzung der seit dem 1. Juli 1991 wirksamen Dienstpläne für die Aushilfskräfte aufzugeben. Das gleiche gilt für den ersten Hilfsantrag, mit dem die Feststellung einer solchen Verpflichtung des Antragstellers erstrebt wird.
2.
Haupt- und erster Hilfsantrag müssen auch erfolglos bleiben, soweit der Antragsteller mit ihnen zugleich die Fortführung des abgebrochenen Mitbestimmungsverfahrens erreichen möchte. Zwar wäre eine Verpflichtung des Dienststellenleiters, dem Beteiligungsverfahren einstweilen Fortgang zu geben, ein vom BVerwG als zulässig angesehener, nur auf eine Verfahrenshandlung bezogener Ausspruch einer einstweiligen Verfügung. Es erscheint aber bereits zweifelhaft, ob diesem Begehren des Antragstellers neben seinem - nach den Ausführungen zu 1) abzulehnenden - Hauptziel der Außerkraftsetzung der Dienstpläne noch eine eigenständige, davon unabhängige Bedeutung zukommen soll. Selbst wenn das bejaht wird, sind Haupt- und erster Hilfsantrag auch insoweit jedenfalls deshalb abzulehnen, weil dafür - wie unter 3. auszuführen ist - der erforderliche Verfügungsgrund sowie Verfügungsanspruch nicht gegeben sind.
3.
Der zweite, auf die Feststellung gerichtete Hilfsantrag, daß der Beteiligte nicht ohne Zustimmung des Antragstellers bzw. deren Ersetzung zur Inkraftsetzung der Dienstpläne berechtigt war, kann ebenfalls nicht durchdringen. Soweit damit eine Unterlassung oder Rückgängigmachung der Maßnahme verfolgt wird, ist auf die Ausführungen unter 1. zu verweisen. Aber auch soweit mit dem Antrag - unter Berufung auf die Rechtsprechung des OVG Bremen - nur eine vorläufige Feststellung des Mitbestimmungsrechts erstrebt wird, ist er nicht begründet.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat auch das OVG Lüneburg bisher schon eine einstweilige Verfügung in Gestalt einer solchen vorläufigen Feststellung grundsätzlich für statthaft gehalten (Beschl. v. 1.8.1989 - 17 L 7/89 -; Beschl. v. 12.6.1991 - 18 M 8459/91). Da ein solcher Ausspruch mit dem Wesen der gesetzlich als vollstreckbarer Eingriff ausgestalteten Verfügung schwer vereinbar ist und in seiner Wirkung auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft, sind an die Darlegung des Verfügungsgrundes und des Verfügungsanspruchs allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere genügen nicht schon ein möglicher Verstoß gegen ein Beteiligungsrecht des Personalrats sowie der mögliche Nachteil, daß der Personalrat wegen der Dauer des Verfahrens in der Hauptsache eine etwaige Mißachtung des Beteiligungsrechts ggf. über einen längeren Zeitraum hinnehmen müßte. Vielmehr muß - als Verfügungsgrund - eine vorläufige Regelung in der Weise unabweisbar notwendig erscheinen, daß dem Personalrat ohne sie für die von ihm wahrzunehmenden Belange unzumutbare Nachteile drohen. Für den Verfügungsanspruch muß glaubhaft gemacht werden, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit der geltend gemachte Mitbestimmungstatbestand gegeben ist bzw. die vom Personalrat angeführten Verweigerungsgründe innerhalb dessen rechtlicher Grenzen liegen. Diese Voraussetzungen, über die im rechtlichen Ausgangspunkt weithin Einigkeit besteht (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.6.1991 - 18 M 8459/91 -; ebenso OVG Bremen, zuletzt Beschl. v. 28.5.1991 - OVG PV - B 3/91 -; VG Hamburg, Beschl. v. 23.2.1989 - 1 VG FL 7/89 -, PersR 1989, 204 ff. m.w.Nachw.; Dannhäuser, a.a.O. S. 203 m.w.Nachw.; vgl. auch Albers, a.a.O., 357 m.w.Nachw.), sind im vorliegenden Fall indessen nicht erfüllt.
a)
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, daß ihm ohne die erstrebte vorläufige Feststellung unzumutbare Nachteile entstünden. Die ohnehin auf zwei Monate befristeten Dienstpläne waren schon bei Einlegung der Beschwerde zu einem wesentlichen Teil verwirklicht; im jetzigen Zeitpunkt steht der Ablauf der Pläne mit der Folge, daß der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung unzulässig würde (OVG Berlin, Beschl. v. 31.7.1991 - OVG PV. Bln 10.91 -), in wenigen Tagen bevor. Bei dieser Sachlage erscheint es nicht unabweisbar dringlich, daß für den verbleibenden Zeitraum unter wesentlicher Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache noch eine vorläufige Feststellung über die Berechtigung zum Inkraftsetzen der Dienstpläne zum 1. Juli 1991 ergeht.
b)
Vor allem hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, daß die von ihm geltend gemachten Verweigerungsgründe mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem hier gegebenen Mitbestimmungstatbestand umfaßt werden. Im Gegenteil spricht bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß diese Gründe außerhalb des Rahmens des Mitbestimmungstatbestandes liegen.
Der Antragsteller hat seine Zustimmungsverweigerung in seinem Schreiben vom 20. Juni 1991 im Kern damit begründet, daß in den vorgelegten Dienstplänen für Aushilfskräfte im Zustelldienst in den Sommermonaten sinn- und sachwidrig eine Wochenarbeitszeit der Aushilfskräfte zugrunde gelegt wird, die gegenüber der normalen Wochenarbeitszeit eines eingearbeiteten, unbefristet beschäftigten Zustellers um 5,25 % auf 36,5 Stunden verkürzt ist. Auf diesen zeitlichen Umfang der Beschäftigung erstreckt sich die Mitbestimmung des Personalrats indessen nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ist das mit der Einstellung zu begründende Beschäftigungsverhältnis hinsichtlich seines Inhalts, insbesondere auch des Umfangs der Beschäftigung nicht Gegenstand der Mitbestimmung im Rahmen des § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG(BVerwG, Beschl. v. 14.11.1989 - 6 P 4.87 -, PersR 1990, 12 m. zahlr. Nachw.). Deshalb konnte der Antragsteller schon bei der Einstellung der Aushilfskräfte - der er hier im übrigen mit Schreiben vom 25. April 1991 zugestimmt hat - auf den Umfang der jeweiligen wöchentlichen Arbeitszeit der einzelnen Kraft keinen bestimmenden Einfluß ausüben. Ein darauf bezogenes Mitbestimmungsrecht läßt sich aber auch nicht aus § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG herleiten. Denn auch diese Vorschrift begründet nach ständiger Rechtsprechung kein allgemeines und umfassendes Mitbestimmungsrecht des Personalrats an Dienstplänen. Die generelle Regelung in einem Dienstplan unterliegt vielmehr nur insoweit der Mitbestimmung, als darin Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen festgelegt werden. Auch bei Dienstplänen ist danach Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG allein die Festlegung der zeitlichen Lage der wöchentlichen Arbeitszeit auf die zur Verfügung stehenden Arbeitstage und am einzelnen Arbeitstag. Dagegen sind der Mitbestimmung die Elemente der Dienstplangestaltung entzogen, die den zeitlichen Umfang der dem einzelnen Bediensteten obliegenden Arbeitsleistung betreffen oder als Vorgabe auf der arbeitszeitlichen Wertung der dienstlichen Inanspruchnahme beruhen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.6.1968 - VII P 9.66 -, BVerwGE 30, 39, 42 [BVerwG 14.06.1968 - VII P 9/66]; Beschl. v. 21.7.1982 - 6 P 24.79 -, PersV 1983, 241 m. Nachw.; Beschl. v. 4.4.1985 - 6 P 37.82 -, PersV 1987, 155). Darum geht es aber bei den hier vom Antragsteller erhobenen Einwänden gegen die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von Aushilfskräften. Das gilt auch im Hinblick auf die von ihm geäußerte Befürchtung, es werde zu Mißständen bei der Postzustellung kommen, weil die Aushilfskräfte mehr statt weniger Arbeitszeit als die ständig Beschäftigten für die gleiche Arbeitsmenge benötigten und das - vom Beteiligten durch eidestattliche Versicherung glaubhaft gemachte - statistische "Sommerloch" im Briefeingang gar nicht bestehe. Denn die Bemessung der Arbeitsleistung und des Personalbedarfs haben nichts mit der mitbestimmungspflichtigen Lage der Arbeitszeit zu tun, sondern fallen hier in die Kompetenz der Deutsehen Bundespost, die insoweit auch voll die Verantwortung und das Risiko einer Fehleinschätzung und falschen Bemessung zu tragen hat. Für die betroffenen Aushilfskräfte ist allein die in den Dienstplänen festgelegte Lage der Arbeitszeit maßgebend; sie wären ohne eine in zulässiger Weise getroffene ergänzende Regelung rechtlich nicht verpflichtet, mit ihrem planmäßigen Dienst früher zu beginnen oder ihn früher zu beenden, um eine eventuell falsche zeitliche Bemessung ihrer Arbeitsleistungen auszugleichen (BVerwG, Beschl. v. 14.6.1968, a.a.O. S. 42).
Dieser Beschluß ist gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. §§ 85 Abs. 2, 92 Abs. 1 S. 3 ArbGG unanfechtbar.