Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.11.1992, Az.: 18 L 8452/91
Mitbestimmungsrechte bei der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) im Bereich des Grundbuchamtes; Vorliegen einer Ordnungsregelung; Erprobung eines EDV-Systems als "Maßnahme"
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.11.1992
- Aktenzeichen
- 18 L 8452/91
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1992, 18131
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1992:1104.18L8452.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 31.01.1991 - AZ: PL A 22/89
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- CR 1993, 708-709 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Einführung von "Solum"-Arbeitsplätzen
In der Personalvertretungssache
hat der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
im Termin zur Anhörung am 4. November 1992
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schwermer und Dr. Uffhausen sowie
die ehrenamtlichen Richter Dr. Gatz und Kükelhahn
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 31. Januar 1991 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage der Mitbestimmung bei der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) im Bereich des Grundbuchamtes beim ....
Auf Anweisung des Niedersächsischen Justizministers vom 29. August 1988 wird bei dem ... seit April 1989 die Verwendung der EDV u. a. im Bereich des Grundbuchwesens erprobt. Das zu erprobende Verfahren heißt "Solum" und dient der Vornahme von Eintragungen in das Grundbuch. Damit ist ein Teil der Bediensteten des Grundbuchamtes beschäftigt. Die Erprobung des "Solum"-Verfahrens dauert an; 1993 soll das Verfahren endgültig eingeführt werden.
Der Antragsteller hält den Einsatz dieses Verfahrens für mitbestimmungspflichtig. Da seine Ansicht weder von dem Beteiligten noch dem ... geteilt wurde, hat er am 18. Mai 1989 die Fachkammer angerufen. Er hat gemeint, daß die ohne seine Zustimmung vorgenommene Einführung des Grundbuch-Eintragungsverfahrens "Solum" und die damit verbundene Schaffung von Bildschirmarbeitsplätzen sein Mitbestimmungsrecht verletzt habe. Seiner Ansicht nach soll sich die Mitbestimmungsbedürftigkeit aus § 75 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 13 und 14, möglicherweise auch Nr. 12, Nds. PersVG ergeben. Die Tätigkeit an Bildschirm-Arbeitsplätzen könne zu Gesundheitsschäden führen. Durch das "Solum"-Eintragungsverfahren werde das "gesamte alte Grundbuchsystem" entfallen.
Demgegenüber hat der Beteiligte das Vorliegen von Mitbestimmungstatbeständen verneint. Er hat darauf hingewiesen, daß zunächst nur erprobt werde, ob das "Solum"-Verfahren auch für ein "Großstadtgericht" geeignet sei, über dieses Projekt sei der Antragsteller von Anfang an informiert worden (§ 1 a NPersVG). Ein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Nds. PersVG bestehe nicht. Die Einführung neuer Arbeitsmethoden als solche sei nicht mitbestimmungspflichtig, sondern lediglich Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich damit verbundener besonderer Belastungen (Nr. 14). Auch sei eine neue Arbeitsmethode noch nicht eingeführt, werde vielmehr erst erprobt; zusätzliche Maßnahmen im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 Nds. PersVG lägen nicht vor. Das (zu erprobende) "Solum"-Verfahren sei schließlich auch nicht als Maßnahme im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 (Verhütung von Dienst- oder Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen) anzusehen.
Das Verwaltungsgericht hat den Feststellungsantrag mit Beschluß vom 31. Januar 1991 abgelehnt. Soweit er die Einführung des "Solum"-Grundbuch-Eintragungsverfahrens betreffe, sei er unzulässig, weil der Beteiligte insoweit eine Entscheidung nicht getroffen habe (sondern der Niedersächsische Justizminister). Bezüglich der Einrichtung automatisierter Bildschirmarbeitsplätze sei der Antrag zulässig, weil hier Entscheidungsspielräume und -zuständigkeiten des Beteiligten bestanden hätten, die dieser auch wahrgenommen habe. Insoweit sei der Antrag aber nicht begründet. Der Beteiligte habe Arbeitsschutzmaßnahmen im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 Nds. PersVG nicht getroffen; daß bei der Gestaltung der Bildschirmarbeitsplätze zugleich Maßnahmen getroffen worden seien, die dem Arbeits- oder Gesundheitsschutz der Betroffenen zugute kämen, reiche nicht aus. Auch der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 Nds. PersVG sei nicht gegeben. Mit dem "Solum"-Verfahren sei weder eine neue Arbeitsmethode eingeführt, noch eine Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung oder Erleichterung des Arbeitsablaufes getroffen worden.
Weiter sei nicht ersichtlich, zu welchen "besonderen" Belastungen der Bediensteten das "Solum"-Grundbuch-Eintragungsverfahren führen sollte. Selbst wenn das der Fall wäre, lösten nicht bereits sie ein Mitbestimmungsrecht aus, sondern erst Maßnahmen des Dienststellenleiters zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich solcher Belastungen, die hier aber nicht angeordnet seien. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, daß seitens des Beteiligten Maßnahmen im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 Nds. PersVG hätten getroffen werden sollen.
Gegen diesen, ihm am 19. Februar 1991 zugestellten Beschluß richtet sich die am 15. März 1991 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, die er am 15. April 1991 begründet hat. Hierzu weist er auf die Änderungen hin, die das "Solum"-Verfahren bewirke; dadurch könne zudem auch das Verhalten der Bediensteten "geregelt und überprüft" werden.
Der Antragsteller beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, daß das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Einführung des Grundbucheintragungsverfahrens "Solum" und der Einrichtung automatisierter Bildschirmarbeitsplätze in diesem Zusammenhang verletzt worden ist.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt. Eine Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Antragstellers durch das (probeweise) Einführen des EDV-gestützten Grundbuch-Eintragungsverfahrens "Solum" beim ... liegt nicht vor.
Es kann dahinstehen, ob die Einführung des "Solum"-Verfahrens (zur Erprobung) eine Maßnahme des Beteiligten ist oder eine solche des Niedersächsischen Justizministers, wie die Fachkammer angenommen hat, was insofern von Bedeutung wäre, als im letzteren Falle schon mangels Vorliegens einer Maßnahme des Beteiligten für eine Mitbestimmung des Antragstellers kein Raum wäre (vgl. BVerwG, Beschl, v. 23.07.1979 - 6 P 28.78 - Buchholz 238.3 A § 68 BPersVG Nr. 1; VGH Ba.-Wü., Beschl, v. 08.05.1990 - 15 S 3130/89 -, BWVBl 1990, 337). Denn jedenfalls geht es hier nicht um mitbestimmungspflichtige Maßnahmen. Weder bei der Einführung des "Solum"-Verfahrens noch der damit verbundenen Einrichtung von Bildschirmarbeitsplätzen handelt es sich um Maßnahmen, die nach dem hier allein in Betracht kommenden § 75 Nds. PersVG der Zustimmung des Antragstellers bedurften.
Eine Ordnungsregelung im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 Nds. PersVG liegt schon deshalb nicht vor, weil es nicht um das Verhalten der Bediensteten des geht, sondern lediglich um die dortige Arbeitsweise (eines Teiles der Bediensteten). Die Erprobung des "Solum"-Systems stellt auch nicht eine Maßnahme im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 Nds. PersVG dar. Dadurch sollen nicht Dienst- und Arbeitsunfälle oder sonstige Gesundheitsschädigungen verhütet werden. Schließlich liegt auch ein Mitbestimmungsfall im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 Nds. PersVG nicht vor. Zwar mag (entgegen der Annahme der Fachkammer) mit dem "Solum"-System eine "neue Arbeitsmethode" im Sinne dieser Bestimmung (zwar nicht eingeführt, aber) erprobt werden (vgl. BVerwG, Beschl, v. 27.11.1991 - 6 P 7/90 -, ZBR 1992, 275). Das allein wäre aber noch nicht mitbestimmungspflichtig, sondern nur (darüber hinaus gehende) Maßnahmen zur Abwendung, zur Milderung oder zum Ausgleich von besonderen Belastungen, die sich aus der Anwendung des "Solum"-Verfahrens für die davon betroffenen Bediensteten ergeben. Solche Maßnahmen stehen hier aber nicht in Rede und hat der Beteiligte mit der bloßen Einrichtung von "Solum"-Arbeitsplätzen auch nicht getroffen. Daß dabei auch darauf geachtet worden ist, die Arbeitsplätze möglichst so auszustatten, daß etwaige Belastungen vermieden werden, ändert nichts an der Tatsache, daß dies weder mit der Einführung des "Solum"-Eintragungsverfahrens noch der sich daraus ergebenden Verwendung von Bildschirmgeräten bezweckt worden ist.
Hiernach ist die Beschwerde nicht begründet und deshalb zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür (§ 85 Abs. 2 NPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1, § 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
Schwermer
Dr. Uffhausen
Dr. Gatz
Kükelhahn