Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 11.07.2022, Az.: 12 A 2491/18

Agroforst; agroforstliche Nutzung; bewirtschaftungshindernder Standort; Erledigung; gute fachliche Praxis; Holzeinschlag; Lebenststätte wild lebender Tiere und Pflanzen; maßgeblicher Zeitpunkt; tägliche Wirtschaftsweise; umsetzen; Umsetzung; vernünftiger Grund; Vollziehung eines Verwaltungsakts

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
11.07.2022
Aktenzeichen
12 A 2491/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59786
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • NuR 2023, 644-648

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei vier alten Eichen und einer 110 m langen Weißdornhecke handelt es sich um Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG.
2. § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG dient dem allgemeinen Schutz regelmäßiger Aufenthaltsorte von wild lebenden Individuen. Es bedarf keiner konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer aktiven Lebensstätte.
3. Es ergeben sich weder aus der Gesetzessystematik noch aus der Gesetzeshistorie Anhaltspunkte dafür, dass der Verbotstatbestand des § 39 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG entgegen seinem Wortlaut ausgelegt und angewandt werden müsste.
4. Ein vernünftiger Grund i. S. d. § 39 Abs. 1 BNatSchG liegt bei einem Wechsel einer landwirtschaftlichen Nutzungsart nicht vor.
5. Die Beseitigung von naturbetonten Strukturelementen entspricht nicht der guten fachlichen Praxis.

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom D. in Gestalt des Änderungsbescheides vom E. sowie des Widerspruchsbescheides vom F. wird hinsichtlich der Nummer 1.5 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Verfügung zur Wiederherstellung des vorherigen Zustandes nach der Beseitigung von vier Eichen und einer Weißdornhecke.

Der Kläger ist Landwirt und Eigentümer mehrerer Flurstücke u.a. in der Gemarkung G., die er landwirtschaftlich nutzt. Am 4. und 7. Oktober 2016 ließ er auf dem Flurstück H., Flur I. der Gemarkung G. eine Weißdornhecke mit einer Länge von ca. 110 m und eine Eiche mit einem Stammdurchmesser von etwa 70 cm sowie auf dem Flurstück J., Flur I. der Gemarkung G. drei weitere in Reihe stehende Eichen ähnlichen Durchmessers beseitigen. Bei dem Arbeitseinsatz war ein Baumsachverständiger zugegen, der nach einer Untersuchung sowohl der Bäume als auch der Hecke ausschließen konnte, dass Nistplätze oder -höhlen vorhanden waren. Der Kläger verwertete das gewonnene Holz in seinem landwirtschaftlichen Betrieb (Zaunbau, Brennholz). Der Kläger beabsichtigte, auf dem Grundstück, von dem er die Weißdornhecke entfernt hatte, eine neue Weißdornhecke auf einer Länge von 150 m entlang der Bundesstraße neu zu pflanzen, und bestellte noch im Oktober 2016 die hierfür benötigten Heckenpflanzen.

Mit Schreiben vom 9. November 2016 hörte der Beklagte den Kläger wegen möglicher Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz zur Einleitung eines Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahrens an. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren stellte der Beklagte später ein.

Mit Bescheid vom D. ordnete der Beklagte die Wiederherstellung der auf dem Grundstück Gemarkung G., Flur I., Flurstück H. auf einer Länge von 110 m entfernten Hecke in vollem Umfang und des dort entfernten Einzelbaumes durch Pflanzung von drei Eichen an; die Hecke könne dabei abweichend von der ursprünglichen Situation in einen Randbereich der Ackerfläche verschoben werden (Nummern 1.1, 1.1.1). Ferner ordnete der Beklagte die Wiederherstellung der auf dem Grundstück Gemarkung G., Flur I., Flurstück J. beseitigten drei Eichen durch Pflanzung von drei neuen Eichen für jeden beseitigten Baum an (Nummern 1.2, 1.2.1). Des Weiteren ordnete er an, dass das Anwachsen der Gehölze zu gewährleisten, die gesamte Pflanzung gegen Wildverbiss zu sichern, ausfallende Pflanzen umgehend durch gleichartige und gleichwertige Pflanzen zu ersetzen und in Trockenperioden die Anpflanzung so lange zu wässern sei, bis eine eigendynamische Gehölzentwicklung gegeben sei (Nummer 1.3). Der Beklagte setzte hierfür eine Frist bis zum 31. März 2017 (Nummer 1.4). Darüber hinaus ordnete er an, dass die Gehölze dauerhaft zu erhalten und nach ökologischen Gesichtspunkten zu pflegen seien (Nummer 1.5) und dass die Fertigstellung der Anpflanzung unmittelbar nach Vollzug anzuzeigen sei (Nummer 1.6). Für den Fall, dass der Kläger den Anordnungen der Nummern 1-5 nicht, nicht vollständig, nicht in der angeordneten Art und Weise oder nicht fristgerecht Folge leisten sollte, drohte der Beklagte ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR an (Nummer 1.7). Zudem ordnete er die sofortige Vollziehung für die in den Nummern 1.1 und 1.2 getroffenen Regelungen an (Nr. 1.8). Zur Begründung führte er aus, dass es verboten sei, wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) und Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Weiter verbiete § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, wobei nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 b) bb) BNAtschG alle europäische Vogelarten als besonders geschützte Arten gälten. Darüber hinaus hätten die entfernten Landschaftselemente der Vernetzung von Biotopen (als lineare Elemente) gedient und seien somit Teil eines örtlichen Biotopverbundes gewesen. Auf eine Nachfrage hinsichtlich der beabsichtigten Beseitigung der Hecke bei einer Mitarbeiterin der Naturschutzbehörde außerhalb der Dienstzeit sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass nichts gegen eine Beseitigung in dem Zeitraum vom 1. Oktober bis 28. Februar sprechen dürfe, er sich aber im Vorfeld noch einmal in der Dienststelle melden und bei der zuständigen Mitarbeiterin im Hinblick auf artenschutzrechtliche Aspekte nachfragen solle. Dies sei nicht geschehen. Bei Hecken und Bäumen auf intensiv bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen handele es sich um wild lebende Pflanzen bzw. Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen. Darüber hinaus dienten diese Landschaftselemente regelmäßig auch als Fortpflanzungs- oder Ruhestätten wild lebender Tiere der besonders geschützten Arten, wozu auch alle europäischen Vogelarten zählten. Der besondere Artenschutz gelte nicht nur „in der Natur“, sondern überall. Ein Antrag auf eine Ausnahmezulassung gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG sei nicht gestellt worden. Die angeordneten Maßnahmen seien geeignet und erforderlich, um die erheblichen Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes, auch in ihrer Funktion im Rahmen eines Biotopverbundes, zu beheben. Die entstehenden Kosten hielten sich in angemessenem Rahmen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 9. März 2017 Widerspruch ein und beantragte bei Gericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.

Mit Bescheid vom E. änderte der Beklagte seinen Bescheid vom D. unter neuer Fristsetzung bis zum 31. Dezember 2017 dahingehend ab, dass angesichts des am ursprünglichen Anpflanzungsorts vorhandenen Regenwasserkanals die in Nummer 1.2.1 angeordnete Anpflanzung gemäß dem neuen anliegenden Lageplan entlang der westlichen Grenze des Flurstücks K., Flur L., Gemarkung G. zu erfolgen habe.

In der Folge pflanzte der Kläger eine Weißdornhecke im Randbereich der Ackerfläche, auf der die beseitigte Hecke ursprünglich gestanden hatte, entlang der dort verlaufenden Bundesstraße.

Mit Beschluss vom 18. September 2017 – 12 B 2436/17 – ordnete die Kammer die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nummer 1.7. des Bescheides des Beklagten vom D. in Gestalt des Änderungsbescheides vom M. an und lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der in den Nummern 1.1 und 1.2 getroffenen Regelungen ab. Die Voraussetzungen für Wiederanpflanzungsverfügungen lägen gemäß § 3 Abs. 2 BNatSchG und § 2 Abs. 2 NAGBNatSchG vor. Die Beseitigung der vier Bäume und der Hecke sei rechtswidrig gewesen, weil gegen das Verbot in § 39 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG verstoßen worden sei, eine wild lebende Pflanze ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen.

Die von dem Kläger gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. November 2017 – 4 ME 352/17 – zurück. Der von dem Kläger erhobene Einwand, dass es sich weder bei den Eichen noch bei der Hecke um wild lebende Pflanzen gehandelt habe, könne der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn selbst für diesen Fall wäre jedenfalls der Verbotstatbestand des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG (Verbot der Beeinträchtigung oder Zerstörung von Lebensstätten wild lebender Individuen) verwirklicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom F., zugestellt am N., wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom D. und den Änderungsbescheid vom M. zurück. Zur Begründung führte er aus, das Abholzen der Hecke und des Einzelbaumes stellten Verstöße gegen § 39 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG dar. Der Kläger vertrete irrtümlich die Auffassung, dass es sich vorliegend um Kulturpflanzen gehandelt habe. Kulturpflanzen seien vielmehr angebaute Nutzpflanzen, wie z.B. Obstbaum- oder Beerenobstplantagen. Eichen sowie Heckenpflanzen seien wild lebende Pflanzen. Hecken, Feldgehölze und Baumreihen seien regelmäßig Fortpflanzungs- und Ruhestätten wild lebender Tiere. Diese Nutzung sei durch die Maßnahme des Klägers zerstört worden, unabhängig von der möglicherweise durchgeführten Bestandsaufnahme durch einen Baum-Sachverständigen. Auch das Verwaltungsgericht Hannover und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hätten die Rechtmäßigkeit der Verfügung bestätigt.

Im Frühjahr 2018 nahm der Kläger die in dem streitgegenständlichen Bescheid angeordneten Ersatzpflanzungen der Eichen vor.

Am 3. April 2018, dem Dienstag nach Ostermontag, hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, er habe im Hinblick auf die beabsichtigte Beseitigung telefonisch bei dem Beklagten, bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sowie bei der involvierten Flurbereinigungsbehörde angefragt, ob seinem Vorhaben rechtliche Bedenken entgegenstehen könnten. Aus dem Hause des Beklagten sei ihm mitgeteilt worden, dass es sich bei der vorbezeichneten Hecke nicht um einen geschützten Landschaftsbestandteil handele und diese nicht im Wallheckenverzeichnis eingetragen sei. Eine Baumschutzverordnung sei nicht vorhanden, so dass lediglich die Brut- und Setzzeiten zu beachten seien. Weder der Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer noch der der Flurbereinigungsbehörde hätten Bedenken geäußert. Die von ihm zum damaligen Zeitpunkt beabsichtigte Neupflanzung der Hecke auf demselben Grundstück entlang der Bundesstraße, die zu einer Verlängerung um 50% geführt habe, sei begrüßt worden. Eine Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts sei nicht eingetreten, weil dieser weiterhin den Rechtsgrund für den Vollzug der Verfügung darstelle. Die angeordneten Ersatzpflanzungen könnten jederzeit rückgängig gemacht werden. Für den Fall der Annahme einer Erledigung bestünde jedoch ein Fortsetzungsfeststellunginteresse. Weder die Voraussetzungen der von dem Beklagten genannten Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 NAGBNatSchG noch der Vorschrift des § 17 Abs. 8 BNatschG seien erfüllt. Er habe keine wild lebenden Pflanzen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 2 BNatschG entfernt; sowohl bei den Bäumen als auch bei der Hecke handele es sich um kultivierte Pflanzen, die seinerzeit von seinem Rechtsvorgänger zum Zwecke einer „Ernte“ gepflanzt worden seien. Viele Eichenwälder in Deutschland seien anthropogenen Ursprungs. Die drei entfernten Eichen auf dem Flurstück J. hätten, wenngleich mit größeren Lücken, auf einer gedachten Linie entlang früherer Grundstücksgrenzen – zwischen Acker und Grünland – gestanden und ein separates Mittelstück zwischen zwei noch bestehenden Eichenreihen mit gleichmäßigen, streng in Reihe stehenden Pflanzabständen gebildet. Bei einer natürlichen Verbreitung von Pflanzen würden sich diese nicht in strengen Linien oder mit gleichmäßigen Abständen aussäen. Anhaltspunkte dafür, dass die Eichen im Rahmen einer Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme gepflanzt oder sonst sich selbst überlassen worden seien, seien nicht ersichtlich oder vom Beklagten ermittelt worden. Die drei Eichen seien – ebenso wie die übrigen Eichen in den nahgelegenen Baumreihen – durch regelmäßig erfolgte Pflegeschnitte als Jungbaum in einen schlanken, geraden Wuchs zur Ausbildung eines dicken, gut verwertbaren Stammes mit ausschließlich hohen Astgabelungen gezwungen worden. (Unwetter-)Schäden seien fachmännisch beseitigt worden, um einem Hohlwerden oder Absterben vorzubeugen. Die Kultivierung der Eichen sei seit ihrer Pflanzung zu keiner Zeit aufgegeben worden. Dies werde anhand von Lichtbildern anderer Eichen in seinem Eigentum deutlich, die diverse Schnittflächen und einen gerade aufgewachsenen Stammkörper sowie kein Totholz oder Sturmschäden aufwiesen. Dem könne das Alter der Bäume nicht entgegengehalten werden. Es mache für einen vernünftig denkenden Landwirt keinen Sinn, etwas zu ernten, was noch nicht reif sei. Entsprechendes gelte in Bezug auf die Hecke und den am Ende dieser Hecke gelegenen Einzelbaum. Diese habe in der Flucht zum ehemaligen Haus- und Wirtschaftsgarten gelegen und sei regelmäßig – alle paar Jahre – zurückgeschnitten und gepflegt worden. Auch insofern werde auf Lichtbilder einer „Vergleichshecke“ verwiesen sowie auf eine Rechnung über einen Hecken- und Astschnitt aus dem Jahr 2010. Belege darüber, welcher seiner Rechtsvorgänger die Hecke in welchem Jahr genau gepflanzt habe, könnten nicht mehr beigebracht werden. Es liege jedoch auf der Hand, dass sich eine homogene Weißdornhecke nicht von alleine aussäe. Überwiegend seien die Pflegemaßnahmen/Heckenschnitte ohnehin durch ihn persönlich unter Mithilfe von Familienmitgliedern durchführt worden. Nur selten sei ein Lohnunternehmer mit größerem Gerät zur Hilfe genommen worden. Die Eichen hätten nach ihrer langjährigen Kultivierungszeit dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb dienen sollen. Er habe das Holz seinem bestimmungsgemäßen Zweck, nämlich dem Zaunbau und der Verwendung als Brennholz, zugeführt. Es habe sich auch nicht um Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatschG gehandelt. Dass es sich um einen Lebensraum handele, sei nicht ausreichend. Das Gesetz unterscheide zwischen der konkreten Lebensstätte (§ 7 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG) und dem allgemeinen Lebensraum (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG). Die Veränderung eines Lebensraumes durch die Entnahme eines Baumes oder die „Umsetzung“ einer Hecke könne nicht pauschal als Beeinträchtigung oder Zerstörung einer konkreten Lebensstätte gewertet werden. Es müssten mindestens Anhaltspunkte dafür vorliegen, wessen Lebensstätte genau tangiert sein solle. Hieran habe es nach einer genauen Untersuchung durch einen Baum-Sachverständigen gefehlt. Gelte der Lebensstättenschutz nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG für sämtliche Bäume und Hecken, wäre die zeitlich eingegrenzte Schutzbestimmung nach § 39 Abs. 5 BNatSchG etwa für freistehende Bäume und Hecken von vornherein überflüssig. Im Ergebnis würde die Ansicht des Beklagten eine absolute Veränderungssperre bezüglich aller Bäume und Hecken bedeuten. Veränderungen an alten Bäumen und Hecken in Gärten würden vom Beklagten nicht geahndet. Hierin liege eine Ungleichbehandlung der Landwirte. § 17 Abs. 8 BNatschG sei nicht einschlägig, weil kein Eingriff im Sinne der §§ 14, 15 BNatschG vorliege. Der niedersächsische Landesgesetzgeber habe durch § 5 NAGBNatSchG zum Ausdruck gebracht, von der allgemeinen Eingriffsregelung abweichen und nur Verstöße gegen konkrete Verbotsnormen des BNatSchG ahnden zu wollen. Auch eine erhebliche Beeinträchtigung von Natur und Landschaft gemäß § 13 BNatSchG sei nicht gegeben. § 14 Abs. 1 BNatSchG definiere und konkretisiere, wann eine erhebliche Beeinträchtigung von Natur und Landschaft vorliege. Als Landwirt unterfalle er dem sog. Landwirtschaftsprivileg. Die Rechtsprechung lege dieses zu eng aus, wenn sie annehme, dass eine Veränderung der Landschaft, die eine landwirtschaftliche Nutzung erst ermöglichen oder effektiver gestalten solle, nicht hierunter falle, sondern nur die tägliche Wirtschaftsweise des Landwirts durch diese Bestimmung von naturschutzrechtlichen Anordnungen freigestellt und mittelbare Nutzungen nicht erfasst würden. Schon der Gesetzgeber habe den Wortlaut der Bodennutzung und die Tatbestandsmerkmale „Veränderung der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen“ „unstringent“ in die Voraussetzungen des „Agrarprivilegs“ hineininterpretiert. Aus heutiger Sicht sei der Schwerpunkt auf den Begriff der „guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft“ zu legen. Diesbezüglich habe der Bundesgesetzgeber auf die fachgesetzlichen Regelungen (Pflanzenschutzgesetz, Düngemittelgesetz) und das dazugehörige fachliche Regelwerk (z.B. Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, Düngeverordnung) verwiesen. Der niedersächsische Gesetzgeber habe es seinerseits in § 2 Abs. 1 Satz 2 LwKG der Landwirtschaftskammer übertragen, die Wirtschaftsberatung unter besonderer Berücksichtigung der guten fachlichen Praxis durchzuführen und zur Verbesserung der Betriebsergebnisse beizutragen, zum Beispiel durch die Erstellung von Leitlinien. Auf diese Leitlinien käme es maßgeblich hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft an. Es könne hingegen nicht darauf ankommen, wie in früheren Zeiten der Gesetzwortlaut „Bodennutzung“ definiert worden sei. Vielmehr sei der Begriff der „Bodennutzung“ nur als Hinweis auf die landwirtschaftliche Urproduktion zu verstehen, hierunter falle auch die Umsetzung einer Hecke und die Gewinnung des Rohstoffs Holz. An diese gute fachliche Praxis habe er sich gehalten. Es müsse einem vernünftig denkenden Landwirt unbenommen bleiben, auch Veränderungen an Landschaftselementen vorzunehmen und diese an die aktuellen sowie zu erwartenden Begebenheiten und Umweltveränderungen auf seinen Nutzflächen nach eigenem Ermessen anzupassen. Da eine Anpassung in diesem Fall auch mit hohem wirtschaftlichen Einsatz und Pflanzkosten sowie erhöhtem Pflegeaufwand verbunden gewesen sei, und diese für ihn in einem Kosten- und Nutzenausgleich stehen müssten, müsse es ihm unbenommen bleiben, sich nicht nur für eine Neuanpflanzung zu entscheiden, sondern in diesem Zuge, die spätere Pflege für ihn erleichternd und begrenzend, auch den Altbestand im Sinne einer Umsetzung zu entfernen. Bei der „Ernte“ der Bäume habe es sich nicht um land-, sondern um forstwirtschaftliche Nutzung gehandelt. Aus der Formulierung in § 5 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG „bei der forstlichen Nutzung des Waldes“ folge, dass der Gesetzgeber auch eine forstliche Nutzung außerhalb der Wälder gesehen habe, an diese aber keine besonderen Verhaltensdirektiven gestellt habe. Auch in der Bundestagsdrucksache 13/6441 vom 5. Dezember 1996 zum BNatSchG werde „Holzeinschlag“ exemplarisch als Handlungsweise aufgeführt, die nicht dem Eingriffsbegriff unterfiele. § 5 Abs. 1 BNatSchG mache deutlich, dass eine Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Einzelnen und den Interessen von Naturschutz und Landschaftspflege zu treffen sei. Nur wenn eine solche Abwägung zu seinen Gunsten ausfalle, habe die Reetablierung von Agro-Forstsystemen in Deutschland und Europa eine Chance. Er habe zudem nicht wahllos abgeholzt, sondern habe mit Bedacht „reife“ Stämme ausgewählt mit einem gewissen Mindestdurchmesser und einer gewissen Mindestqualität. Totholz lasse sich nicht mehr weiterverarbeiten. Außerdem habe er nur so viele Bäume gefällt, wie er für sein Vorhaben benötigt und Abtrocknungsfläche zur Verfügung gehabt habe. Die Annahme des Beklagten, dass die Beseitigung der Entfernung von Bewirtschaftungshindernissen diene, entbehre tatsächlicher Anhaltspunkte. Er werde mit dieser Annahme als Umweltsünder stigmatisiert. Anhand der Satellitenbilder werde ersichtlich, dass er durch die Wegnahme der Bäume und die „Umsetzung“ der Hecke keinen die Bewirtschaftung der Grundfläche erleichternden Vorteil wie etwa eine Rationalisierung von Fahrwegen oder einen signifikanten Rückgewinn von landwirtschaftlich nutzbarer Produktions- bzw. Grundfläche gewonnen habe. Er habe die Hecke „umgesetzt“ und sogar verlängert. Ihre „Umsetzung“ diene einer Verlegung von Wildquerungen, dem Schutz vor Winderosionen und Staubbelästigung auf der Straße während Ernte- oder Pflegemaßnahmen sowie dem Schutz der Anwohner vor Straßenlärm und nächtlichem Scheinwerferlicht. Die Situation habe sich hinsichtlich des Hecken-Pflanzenbestandes somit quantitativ und qualitativ verbessert, für einen Eingriff fehle es an einer Beseitigung bzw. einer erheblichen Beeinträchtigung. Im Übrigen werde die „Umsetzung“ der guten fachlichen Praxis gerecht. Letzteres gelte auch hinsichtlich der Eichen. Die Verwendung des Eichenholzes für den Zaunbau sei unter ökologischen wie betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll. Vor diesem Hintergrund könne dahinstehen, ob die Bagatellgrenze des Eingriffsbegriffs überschritten werde. Eine erhebliche Beeinträchtigung könne jedenfalls nicht allein anhand des Stammdurchmessers begründet werden. Außerdem erscheine aufgrund einer Kulisse von diversen Eichen-Baumreihen und Einzelbäumen ähnlichen und jüngeren Alters auch eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes fraglich. Die sog. Positivliste in § 5 NAGBNatSchG n.F. könne dem Beklagten rückwirkend keine Ermächtigungsgrundlage bieten. Es sei nicht nachvollziehbar, warum für einen älteren Baum drei junge Bäume gepflanzt werden müssten. Der von dem Beklagten gewählte Standort für die Ersatzpflanzungen sei bedenklich. Er erweise sich für das Anwachsen als problematisch. Sein Angebot, die Lücken in den umliegenden Baumreihen zu bepflanzen, sei von den Mitarbeitern des Beklagten abgelehnt worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom D., nebst Änderungsverfügung vom M. in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom F. aufzuheben,

hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom D., nebst Änderungsverfügung vom M. in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom F. rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die gerichtlichen Beschlüsse im Verfahren zum vorläufigen Rechtsschutz. Ferner ist er der Auffassung, dass sich der streitgegenständliche Verwaltungsakt aufgrund seiner Vollziehung erledigt habe. Dass die Anpflanzungen rückgängig gemacht werden könnten, stehe einer Erledigung nur dann entgegen, wenn dies bei objektiver Betrachtung – anders als hier – sinnvoll erscheine. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei nicht ersichtlich. Für die Einstufung einer Pflanze als wild lebend könne es nach Rücksprache mit der fachlich zuständigen Mitarbeiterin des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz nicht darauf ankommen, ob diese von Menschen gepflanzt worden sei. Andernfalls würde der Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG leerlaufen. Entscheidend sei vielmehr, dass die Pflanzen im Freien vorkämen und ihre Exemplare nicht ausschließlich vom Menschen angebaut oder künstlich vermehrt würden. In den Fällen, in denen die Exemplare vom Menschen angebaut oder künstlich vermehrt würden, hänge die Einstufung davon ab, ob das einzelne Exemplar in der Natur überlebe und sich dort selbstständig fortpflanze. Diese Voraussetzungen erfüllten sowohl die Eichen als auch die Hecke. Unregelmäßige Pflegemaßnahmen änderten nichts an den Fähigkeiten der Pflanzen zum Überleben und zur selbstständigen Fortpflanzung. Nach einhelliger Meinung sei es zudem unerheblich, ob das einzelne Exemplar durch künstliche Vermehrung gewonnen worden sei, wenn es sich um Vermehrungen grundsätzlich wildlebender Arten handele. Daher würden auch vom Menschen gepflanzte Pflanzen unter den Begriff der wild lebenden Pflanze fallen. Andernfalls würden auch Pflanzen, die zur Durchführung einer Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme gepflanzt worden seien, nicht als wild lebenden Pflanzen einzuordnen sein, was jedoch herrschende Meinung sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso der Kläger meine, die Entfernung der Hecke und der Bäume entspreche guter fachlicher Praxis in der Landwirtschaft. Auch warum die Entfernung der Hecke sogar zu einer quantitativen und qualitativen Verbesserung der Ökobilanz geführt haben solle, leuchte nicht ein. Angesichts des langsamen Wachstums von Eichen dauere es sehr lange, bis wieder ein vergleichbarer Naturzustand erreicht werde. Die zeitliche Verzögerung, mit der die Nachpflanzung die Funktion der beseitigten Bäume erfüllen könne, sei durch die Pflanzung von entsprechend mehr Bäumen auszugleichen. Die Beseitigung der Hecke und der älteren Bäume stelle zudem eine erhebliche Beeinträchtigung von Natur und Landschaft gemäß § 13 Abs. 1 BNatSchG dar. Die Hecke sei für die dortige Fauna ökologisch wertvoll gewesen und habe ein landschaftlich verbindendes Element dargestellt. Die Baumreihe sei ein bedeutendes Landschaftselement gewesen, da sich die Gehölzstruktur parallel zum Gewässer O. befunden habe und dort einen alten Verlauf des Gewässers bzw. eine Abgrenzung zwischen den regelmäßig überschwemmten Grünlandflächen und den dahinter liegenden trockeneren Ackerflächen beschrieben habe. Bereits die Entfernung eines einzelnen alten Baumes habe erhebliche Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes zur Folge. Die Beseitigung von drei Bäumen dieses Alters in einer landschaftsprägenden Gehölzstruktur führe für den Naturhaushalt aufgrund der ökologischen Funktion des Baumes als Lebensraum und verbindendes Element zu erheblichen Beeinträchtigungen – auch für das Landschaftsbild. Auf die Frage, ob die Handlungen des Klägers von § 14 Abs. 2 BNatSchG gedeckt seien, käme es nicht an, weil diese Vorschrift nach der seinerzeit geltenden Gesetzesfassung des § 5 NAGBNatSchG keine direkte Anwendung finde. Im Übrigen sei § 14 Abs. 2 BNatSchG auch deshalb nicht einschlägig, weil lediglich der Kernbereich landwirtschaftlicher Tätigkeiten privilegiert werde. Vom Begriff der Bodennutzung würden Veränderungen der Form und Gestalt von Grundflächen, die eine landwirtschaftliche Nutzung ermöglichen, erleichtern oder ertragreicher gestalten sollten, nicht erfasst. § 14 Abs. 2 BNatSchG betreffe daher nicht die Entfernung von Baumgruppen, Einzelbäumen und Hecken.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs und der Sitzungsniederschriften vom 22. März 2022 und vom 11. Juli 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I. Sie ist hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Nummer 1.7 des streitgegenständlichen Bescheides vom D. bereits unzulässig. Der Beklagte hat diese in der mündlichen Verhandlung aufgehoben, sodass insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis mehr besteht. Im Übrigen ist die Klage zulässig. Insbesondere haben sich die weiteren Anordnungen in dem streitgegenständlichen Bescheid nicht durch ihre Vollziehung erledigt. Die bloße Erfüllung oder sonstige Vollziehung eines Verwaltungsaktes führt grundsätzlich noch nicht zu seiner Erledigung (Riese in: Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 113, Rn. 119). Die regelnde Wirkung des Verwaltungsaktes dauert selbst bei einer Vollstreckung fort, wenn hierdurch keine irreversiblen Verhältnisse geschaffen werden und sich die Vollstreckungsmaßnahmen rückgängig machen lassen (vgl. BVerwG, Urteile vom 16.5.2013 – 8 C 14/12 –, NVwZ 2013, 1481, Rn. 18 und vom 14.12.2016 – 1 C 11/15 –, NVwZ 2017, 1064, Rn. 29). Vorliegend könnten die Anpflanzungen wieder entfernt werden. Auf die von dem Beklagten aufgeworfene Frage, ob und aus wessen Sicht eine Rückgängigmachung sinnvoll erscheint, kommt es nicht an.

II. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie überwiegend unbegründet. Die Wiederherstellungsanordnung in den Nummern 1.1 bis 1.4 sowie 1.6 des angefochtenen Bescheides vom D. in der Fassung des Änderungsbescheides vom M. in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom F. ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Wiederherstellungsanordnung ist § 3 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 NAGBNatSchG. Gem. § 3 Abs. 2 BNatSchG überwachen die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßen Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach § 2 Abs. 2 NAGBNatSchG kann die Naturschutzbehörde auch die Wiederherstellung des bisherigen Zustandes anordnen, wenn Natur oder Landschaft rechtswidrig zerstört, beschädigt oder verändert wurden.

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 NAGB-NatSchG waren im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt erfüllt.

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer naturschutzrechtlichen Wiederherstellungsanordnung, die – wie hier – auf die Vornahme einer bestimmten Handlung gerichtet ist, ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2.2.2022 – 4 ME 231/21 –, juris, Rn. 10 und Beschluss vom 4.12.2017 – 4 LA 335/16 –, juris, Rn. 5; Bay. VGH, Urteil vom 25.9.2021 – 14 B 10.1550 –, juris, Rn. 22; Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 17.4.1998 – 2 L 2/98 –, juris, Rn. 20). Etwas anderes gilt auch nicht in Bezug auf die Nummer 1.3 des streitgegenständlichen Bescheides „Sicherung und Herstellungspflege“. Schon aus der Überschrift der entsprechenden Anordnung folgt, dass es sich hierbei um zeitlich begrenzte Pflichten zur Gewährleistung des Anwachsens der Pflanzen handelt. Steht bei einer naturschutzrechtlichen Wiederherstellungsanordnung der Wiederherstellungsakt dergestalt im Vordergrund, ist sie nicht vergleichbar mit von der Rechtsprechung als Dauerverwaltungsakte angesehenen Verfügungen, bei denen der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit jener der mündlichen Verhandlung wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.6.2017 – 10 S 739/16 –, juris, Rn. 39; zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bei naturschutzrechtlichen Dauerverwaltungsakten Nds. OVG, Beschluss vom 2.2.2022 – 4 ME 231/21 –, juris, Rn. 10).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass insgesamt vier Eichen und eine Weißdornhecke durch den Kläger beseitigt wurden. Diese Beseitigung war rechtswidrig, weil die Entnahme der Pflanzen gegen § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verstieß. Danach ist es verboten, Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen ohne vernünftigen Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören.

a) Bei den vier alten Eichen und der 110 m langen Weißdornhecke handelte es sich um Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG ist eine Lebensstätte ein regelmäßiger Aufenthaltsort der wild lebenden Individuen einer Art. Da das Gesetz auf sämtliche Individuen wild lebender Arten abhebt und sich nicht auf Tiere beschränkt, umfasst der Begriff der Lebensstätte auch die Wuchsorte von Pflanzen (Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BNatSchG, 97. EL Dezember 2021, § 7, Rn. 21). Das Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht hat diesbezüglich in seinem Beschluss vom 24. November 2017 (– 4 ME 352/17 –, n.v.) wie folgt ausgeführt:

„Dass sowohl alte Eichen mit einem Stammdurchmesser von ca. 70 cm - wie die vom Antragsteller beseitigten Bäume - als auch eine 110 m lange ausgewachsene Weißdornhecke Lebensstätten, d. h. regelmäßige Aufenthaltsorte (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG) wild lebender Tiere sind, liegt auf der Hand. Dass ein Baum-Sachverständiger ausweislich der Angaben des Antragstellers bei seiner Anhörung sowohl die Hecke als auch die Bäume unmittelbar vor deren Beseitigung untersucht hat und das Vorhandensein von Nistplätzen oder Nisthöhlen ausschließen konnte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn der Begriff der Lebensstätte umfasst nicht nur Nistplätze und Nisthöhlen, sondern auch alle Örtlichkeiten, die von wild lebenden Tieren regelmäßig zur Nahrungssuche, zur Rast, zum Schutz, zur Balz oder zu anderen Zwecken aufgesucht werden. Dass sich gerade wild lebende Vögel und Insekten regelmäßig in alten Bäumen und Hecken aufhalten, steht außer Frage. Daher ist ohne weiteres davon auszugehen, dass auch die von dem Antragsteller beseitigten Gehölze Lebensstätten wild lebender Tiere gewesen sind. Folglich hat der Antragsteller durch die Entfernung dieser Gehölze Lebensstätten wild lebender Tiere zerstört.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich die Kammer an. Der hohe ökologische Wert sowie die besondere Bedeutung von alten Eichen und Weißdornhecken als regelmäßige Aufenthaltsorte wild lebender Individuen sind allgemein bekannt.

Nach der gesetzlichen Definition bedarf es – entgegen der Auffassung des Klägers – auch keiner konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer aktiven Lebensstätte. § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG dient vielmehr dem allgemeinen Schutz regelmäßiger Aufenthaltsorte von wild lebenden Individuen (Keller in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Auflage 2022, BNatSchG, § 39, Rn. 2). Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers meint, ein solcher Schutz bestünde nur für „Lebensräume“, nicht aber für „Lebensstätten“, setzt sie sich mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht auseinander. § 7 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG setzt für die Annahme einer Lebensstätte gerade nur deren regelmäßige Nutzung voraus. Der Umstand, dass einzelne Lokalitäten von wild lebenden Tieren nur während bestimmter Phasen des jährlichen Zyklus (Brut-, Rast-, Überwinterungsphase) genutzt werden, schließt es nicht aus, von einer regelmäßigen Nutzung zu sprechen. Regelmäßig erfolgt eine Nutzung auch dann, wenn ein Ort nur einmalig über einen länger andauernden Zeitraum genutzt wird. Das gilt beispielsweise für Nester von Singvögeln, die nach Beendigung der Brutperiode ihre Funktion verlieren, während der zeitlichen Phase der Brut- und Aufzucht der Jungvögel aber einer nicht bloß regelmäßigen, sondern sogar dauerhaften Nutzung unterliegen und daher während dieses Zeitraums als Lebensstätte anzusprechen sind (vgl. zum Vorstehenden Gellermann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 97. EL Dezember 2021, BNatSchG, § 7, Rn. 21). Der Status als Lebensstätte geht erst dann verloren, wenn ihre Nutzung aufgegeben wird (Keller in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Auflage 2022, BNatSchG, § 7, Rn. 13).

Es ergeben sich weder aus der Gesetzessystematik noch aus der Gesetzeshistorie Anhaltspunkte dafür, dass der Verbotstatbestand des § 39 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 7 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG entgegen seinem Wortlaut ausgelegt und angewandt werden müsste.

Bei einer Subsumtion unter den Gesetzeswortlaut unterliegt nicht jeder Baum und jede Hecke dem Verbot der Beeinträchtigung oder Zerstörung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Zum einen liegt beispielsweise bei jungen oder nicht heimischen Pflanzen ein regelmäßiger Aufenthalt der hiesigen Flora und Fauna jedenfalls nicht gleichsam auf der Hand wie in dem vorliegenden Fall, sodass es diesbezüglich konkreter Feststellungen im Einzelfall bedürfte. Zum anderen ist der Verbotstatbestand dann nicht verwirklicht, wenn ein „vernünftiger Grund“ für die Beeinträchtigung oder Zerstörung gegeben ist.

Schon vor diesem Hintergrund greift das weitere Argument der Klägerseite nicht durch, dass im Falle einer Geltung des Lebensstättenschutzes nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG für sämtliche Bäume und Hecken die zeitlich eingegrenzte Schutzbestimmung nach § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG etwa für freistehende Bäume und Hecken überflüssig wäre. Darüber hinaus kommt § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG neben § 39 Abs.1 Nr. 3 BNatSchG auch noch aus anderen Gründen ein eigener Anwendungsbereich zu. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen. Wenn für die Beseitigung von Lebensstätten wild lebender Tiere und Pflanzen ein vernünftiger Grund oder eine Befreiung nach § 67 BNatSchG vorliegt, kann der Beseitigung temporär § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG entgegenstehen. Dieser Verbotstatbestand dient neben weiteren Regelungen u.a. dazu, das Blütenangebot für Insekten während des Sommerhalbjahres sicherzustellen, brütende Vogelarten zu schützen sowie Gehölze als Brutplatz in der Saison zu erhalten (BT-Drs. 16/12274, S. 67) und damit insbesondere dem Schutz aktiver Lebensstätten sowie dem Erhalt konkreten Nahrungsangebotes. Es ergänzt insofern die Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, die auf den allgemeinen Erhalt von Lebensstätten gerichtet ist (s.o.).

Ähnliches gilt im Hinblick auf die Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG. Hiernach sind geschützte Landschaftsbestandteile rechtsverbindlich festgesetzte Teile von Natur und Landschaft, deren besonderer Schutz aus enumerierten Schutzgründen, hierunter ihre Bedeutung als Lebensstätte bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten, erforderlich ist. Die Rechtsform der Unterschutzstellung richtet sich nach Landesrecht und folgt aus der Zuständigkeitsverteilung zwischen Landesbehörden und Kommunen. Üblich ist die Unterschutzstellung durch Rechtsverordnung, im Falle des kommunalen Baumschutzes auch durch Satzung (vgl. Albrecht in: BeckOK UmweltR, 62. Ed. 1.7.2020, BNatSchG, § 29, Rn. 4). Dieser Regelung verbleibt neben § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ein eigener Anwendungsbereich. So ist die Beseitigung eines geschützten Landschaftsbestandteils gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG sowie alle Handlungen, die zu seiner Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung führen können, nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Je nach Ausprägung dieser näheren Bestimmungen ist somit mit einer Unterschutzstellung durch Rechtsverordnung oder Satzung ein anderes Schutzregime verbunden.

Zuzugeben ist dem Kläger, dass der bundesgesetzliche Schutz von Bäumen und Hecken weiter ist, als wohl landläufig angenommen wird. Der Gesetzgeber hat diese grundsätzlich weitreichenden Schutzwirkungen der Norm allerdings gesehen und ihnen durch die Schaffung eines Befreiungstatbestandes unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten Rechnung getragen. Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BNatSchG kann von den Verboten des § 39 BNatSchG auf Antrag u.a. dann Befreiung gewährt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist. Dieser Befreiungstatbestand im privaten Interesse soll nach der gesetzgeberischen Intention im Rahmen der Bestandsgarantie des Artikels 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten (BT-Drs. 16/12274, S. 76-77).

b) Die Zerstörung der Lebensstätten geschah auch ohne vernünftigen Grund i. S. d. § 39 Abs. 1 BNatSchG. Ein vernünftiger Grund ist anzunehmen, wenn die Handlung durch die Rechtsordnung erlaubt oder sonst im Rahmen einer Abwägung aus der Sicht eines durchschnittlich gebildeten, dem Naturschutz aufgeschlossenen Betrachters gerechtfertigt erscheint (vgl. Gläß in: Giesberts/Reinhardt, Umweltrecht, 62. Edition Stand 1.4.2022, BNatSchG, § 39, Rn. 6; Keller in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Auflage 2022, BNatSchG, § 39, Rn. 3). Vor diesem Hintergrund fällt eine Vielzahl von Maßnahmen – insbesondere im heimischen Garten – schon nicht unter den Tatbestand des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Eine Ungleichbehandlung der Landwirte – wie sie der Kläger moniert – liegt hierin jedoch aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht. Ein vernünftiger Grund im o.g. Sinne kann sich für die Landwirte insbesondere aus einer der guten fachlichen Praxis entsprechenden land- und forstwirtschaftlichen Bodennutzung ergeben (vgl. zum Vorstehenden Gellermann in: Landmann/Rohmer, BNatSchG, 97. EL Dezember 2021, § 39, Rn. 8; Lou in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Auflage, § 39, Rn. 8; Müller-Walter in: Lorz, Naturschutzrecht, 3. Auflage 2013, BNatSchG, § 39, Rn. 12). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Rahmen des definitionsgleichen naturschutzrechtlichen Privilegs für die ordnungsgemäße Landwirtschaft jedoch geklärt, dass dieses nicht für solche Veränderungen der Landschaft gilt, die eine landwirtschaftliche Nutzung erst ermöglichen oder diese effektiver gestalten sollen. Vielmehr soll die “tägliche Wirtschaftsweise" des Landwirts von naturschutzrechtlichen Anordnungen freigestellt werden. Dazu gehört weder der Wechsel einer landwirtschaftlichen Nutzungsart noch die Umwandlung von Natur- in Kulturlandschaft (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Beschluss vom 26.2.1992 – 4 B 38/92 –, NVwZ-RR 1992, 467; BVerwG, Beschluss vom 4.6.2003 – 4 BN 27/03 –, juris, Rn. 9; BVerwG, Beschluss vom 14.4.1988 – 4 B 55/88 –, juris, Rn. 3). Dementsprechend hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 24. November 2017 (– 4 ME 352/17 –, n.v.) in Bezug auf die Beseitigung der vier Eichen sowie der Weißdornhecke durch den Kläger wie folgt ausgeführt:

„Danach ist ein vernünftiger Grund für die Entfernung von Gehölzen wie Bäumen, Baumreihen oder Hecken, die Lebensstätten wild lebender Tiere sind, in aller Regel zu verneinen, wenn diese Maßnahme in erster Linie durchgeführt wird, um bewirtschaftungsbehindernde Landschaftselemente zu beseitigen. Von einem solchen Fall ist das Verwaltungsgericht hier ausgegangen. Denn die Vorinstanz hat ausdrücklich ausgeführt, dass die Beseitigung bewirtschaftungsbehindernder Strukturen als Motivation für die vom Antragsteller durchgeführten Maßnahmen anzunehmen sei. Die Beschwerdebegründung gibt keine Veranlassung, diese Einschätzung der Vorinstanz, die bei lebensnaher Betrachtung durchaus naheliegend ist, ernsthaft in Frage zu stellen. Der Antragsteller hat dort zwar ausgeführt, schon in seiner Antragsschrift angegeben zu haben, dass das gewonnene Eichenholz als Baumaterial in seinem landwirtschaftlichen Betrieb Verwendung finden solle; die Verwendung von Holz im eigenen Betrieb als Baumaterial werde seit Jahrhunderten in Niedersachsen praktiziert, vorhandene Baumbestände, besonders aus Eichen, würden von nachhaltig denkenden Landwirten als besonderes Kapital und Wertanlage des landwirtschaftlichen Betriebs geschätzt und von Generation zu Generation gepflegt, weitergegeben und bei Bedarf genutzt. Diese Ausführungen sind jedoch ebenso wie die anderen Angaben des Antragstellers viel zu allgemein gehalten, um die o. a. Beurteilung des Verwaltungsgerichts ernsthaft in Zweifel ziehen zu können. Außerdem bieten die Ausführungen des Antragstellers keinerlei Anhaltspunkte dafür, aus welchen anderen als den vom Verwaltungsgericht angenommenen Gründen die Weißdornhecke beseitigt worden sein soll; die Verwendung des Weißdorns als Baumaterial scheidet offensichtlich aus. Im Übrigen stellt das Fällen der Bäume und die Beseitigung der Hecke entgegen der Annahme des Antragstellers auch keine der guten fachlichen Praxis entsprechende landwirtschaftliche Bodennutzung dar.“

Diese Erwägungen beanspruchen nach wie vor Gültigkeit. Anhand der im Erörterungstermin gefertigten Lichtbildaufnahmen sowie eines Vergleichs aktueller Satellitenbildaufnehmen mit Satellitenbildaufnahmen aus dem Jahr 2004 im Termin zur mündlichen Verhandlung lässt sich mittlerweile eindeutig nachvollziehen, dass der Kläger durch die Beseitigung der Pflanzen Natur- in Kulturlandschaft umgewandelt hat. Er hat hierbei nicht nur Bewirtschaftungsfläche hinzugewonnen, sondern durch die Vereinigung jeweils zweier Teilflächen auch eine deutlich effizientere Bewirtschaftung ermöglicht.

Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers meint, es sei verfehlt, bereits das Tatbestandsmerkmal der „Bodennutzung“ zu verneinen und nicht den Schwerpunkt auf das Tatbestandsmerkmal der „guten fachlichen Praxis der Landwirtschaft“ zu legen, verkennt sie, dass eine Beseitigung bewirtschaftungshindernder Elemente nicht der guten fachlichen Praxis entspricht. Den ihrerseits angeführten Leitlinien der Landwirtschaftskammer ist ausdrücklich zu entnehmen, dass naturbetonte Strukturelemente aus Bodenschutzgründen zu erhalten oder im Bedarfsfall neu anzulegen sind; diese erfüllten insbesondere durch Eingliederung in ein Gesamtkonzept (zum Beispiel Biotopvernetzung) wichtige Funktionen im Hinblick auf die Förderung des biologischen Gleichgewichts (Nützlinge/Schädlinge), der Eigenart, Vielfalt und Schönheit der Landschaft sowie des Klimaschutzes.

Sofern der Kläger darüber hinaus geltend macht, bei dem Fällen der Bäume habe es sich um eine forstliche Nutzung gehandelt, greift auch dieses Argument nicht durch. Unter dem Begriff der Forstwirtschaft wird die bewusste Erhaltung, Aufforstung und Bewirtschaftung von Wäldern, aber auch die Nutzung von sekundären Waldprodukten verstanden (vgl. Brinktrine in: BeckOK UmweltR, 62. Ed. 1.1.2022, BNatSchG, § 5, Rn. 12). Die agroforstliche Nutzung ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG von dem Waldbegriff ausdrücklich ausgenommen (Heugel in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2. Auflage, § 39, Rn. 12).

Hinsichtlich einer möglichen agroforstlichen Nutzung der Eichen im Sinne einer Anpflanzung „zum Zwecke der Ernte“ schließt das Gericht nicht aus, dass solche Nutzungsformen existieren. Allerdings wäre im Rahmen einer der guten fachlichen Praxis entsprechenden agroforstwirtschaftlichen Bodennutzung ein Ersatz der gefällten durch neue Bäume zu erwarten gewesen. Ohne eine entsprechende (Wieder-)Aufforstung liegt ein Wechsel der landwirtschaftlichen Nutzungsart von einer agroforstlichen zu einer rein landwirtschaftlichen Nutzung vor. Hierbei handelt es sich nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade nicht um die „tägliche Wirtschaftsweise“ eines Landwirts bzw. um eine der guten fachlichen Praxis entsprechende landwirtschaftliche Bodennutzung. Mit einer solchen Nutzungsform ist des Weiteren kaum an einem bewirtschaftungshindernden Standort zu rechnen. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein vernünftig denkender Landwirt mitten in seine Bewirtschaftungsfläche einen Baum „zur Ernte“ in mehreren Jahrzehnten anpflanzt.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass in den Gesetzgebungsmaterialien zum Privileg für die ordnungsgemäße Land-, Forst-, und Fischereiwirtschaft ausdrücklich der Holzeinschlag als Form der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Bodennutzung aufgeführt wird, die dem Eingriffsbegriff in § 14 BNatSchG nicht unterfällt. Denn in den Gesetzgebungsmaterialien werden sämtliche Formen der Bodennutzung unterschiedslos aufgeführt, also neben der land- auch die forstwirtschaftliche Bodennutzung (vgl. BT-Drs. 13/6441, S. 51), bei der der Holzeinschlag denklogisch privilegiert sein muss. Um eine forstwirtschaftliche Bodennutzung handelt es sich hier jedoch gerade nicht (s.o.).

Ein vernünftiger Grund für die Beseitigung und Zerstörung der Lebensstätten wild lebender Individuen liegt schließlich auch nicht in der beabsichtigten „Umsetzung“ der Hecke. Selbst wenn gute Gründe für die Anpflanzung einer Hecke parallel zu der Bundesstraße sprechen sollten, rechtfertigte dies nicht die Beseitigung der Hecke, die auf dem Grundstück bereits an anderer Stelle vorhanden war. Entgegen dem klägerischen Sprachgebrauch wurde die vorhandene Hecke nicht „umgesetzt“. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger gerade nicht beabsichtigte, die bestehende Lebensstätte zu erhalten, sondern diese durch eine neue – mit zunächst weit geringerem ökologischen Wert auch hinsichtlich möglicher Aufenthaltsorte für Tiere und Pflanzen – zu ersetzen.

Die Anliegen des Klägers sowohl hinsichtlich der Fällung der Eichen als auch hinsichtlich der Beseitigung der Weißdornhecke hätten ein einem Verfahren auf Erteilung von Befreiungen nach § 67 BNatSchG Berücksichtigung finden können. In einem derartigen Verfahren wäre die Pflanzung von Eichen an anderer Stelle oder einer neuen Weißdornhecke entlang der Bundesstraße als Ausgleichsmaßnahme in Betracht gekommen. Entsprechende Pläne lassen jedoch nicht den Verbotstatbestand des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG entfallen. Anderenfalls würde die gesetzliche Konzeption eines repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt unterlaufen, die die Entscheidung über geeignete Ausgleichsmaßnahmen nicht den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, sondern der zuständigen Fachbehörde zuweist.

2. Der Beklagte war nicht aufgrund einer Zusicherung i. S. d. § 38 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG an dem Erlass der streitgegenständlichen naturschutzrechtlichen Wiederherstellungsanordnung gehindert. Es fehlt bereits – legte man das klägerische Vorbringen zugrunde – an der für die Wirksamkeit einer solchen Zusage schriftlichen Form (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) sowie an einem erkennbaren Rechtsbindungswillen. Dass ein Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer bzw. einer der Flurbereinigungsbehörde mit dem klägerischen Vorgehen einverstanden waren bzw. gewesen sein sollen, ist unerheblich, da es sich bei diesen nicht um Vertreter der zuständigen Behörde handelt. Diese ist gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 NAGBNatSchG der Beklagte als Untere Naturschutzbehörde.

3. Der Beklagte hat von dem ihm in § 3 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 NAGBNatSchG eingeräumten Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Er hat die Interessen des Naturschutzes mit den privaten Interessen des Klägers ermessensfehlerfrei abgewogen. Auch im Hinblick auf die für die Ersatzpflanzung ausgewählten Standorte sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Soweit der Kläger geltend gemacht hatte, dass hinsichtlich des vorgesehenen Standorts der drei Einzelbäume eine Abwasserleitung im Wege sei und dass die bisherige Bewirtschaftungs- und Durchfahrtsmöglichkeit für landwirtschaftliche Maschinen komplett vereitelt werde, hat der Beklagte diesem Einwand unter dem E. bereits durch Erlass eines Abänderungsbescheids Rechnung getragen. Es ist angesichts des langsamen Wachstums von Eichen auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte der zeitlichen Verzögerung, mit der die Nachpflanzung die Funktion der beseitigten Bäume erfüllen kann, durch die Anordnung der Pflanzung von entsprechend mehr Bäumen Rechnung getragen hat.

4. Ob der als Generalklausel ausgestaltete § 3 Abs. 2 BNatSchG vorliegend durch § 17 Abs. 8 BNatSchG verdrängt wird (so VG Lüneburg, Urteil vom 18.8.2017 – 2 A 144/16 –, juris, Rn. 24 f. m. w. N.; a. A. VG Stade, Urteil vom 8.10.2013 – 1 A 1676/12 –, juris, Rn. 22; offen gelassen Nds. OVG, Beschluss vom 21.9.2018 – 4 LA 293/17 –, n.V.; Urteil vom 30.6.2015 – 4 LC 285/13 –, juris, Rn. 54) und dem Beklagten für seine Anordnung ein Rückgriff auf diese Regelung verwehrt ist, kann offen bleiben. Denn eine auf die Generalklausel gestützte naturschutzrechtliche Wiederherstellungsverfügung lässt sich ohne Wesensänderung auch auf der Grundlage des § 17 Abs. 8 Satz 2, 2. Halbsatz BNatSchG aufrechterhalten (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2.2.2022 – 4 ME 231-/21 –, juris, Rn. 43-45). Nach § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG soll, soweit nicht auf andere Weise ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden kann, die zuständige Behörde bei einem Eingriff ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige Maßnahmen nach § 15 BNatSchG oder die Wiederherstellung des früheren Zustands anordnen.

a) Vorliegend hat der Kläger einen Eingriff ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommen. Eingriffe in die Natur und Landschaft sind gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Werden – wie hier – charakteristische Pflanzenbestände entnommen, bewirkt dies eine Veränderung der Gestalt der Grundfläche (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.2.2017 – 8 A 2206/15 –, BeckRS 2017, 106442, Rn. 6-7; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.8.2019 – 8 A 11472/18 –, Rn. 33, juris). Durch die Beseitigung der siedlungsnahen Landschaftselemente durch den Kläger ist zudem das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt worden, weil deutlich prägende Gehölzstrukturen verloren gegangen sind und damit die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der näheren Umgebung P. auch bei einer großflächigen Betrachtung verarmt und ihr Erholungswert derart beeinträchtigt worden ist, dass dies von einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird. Hierfür spricht im vorliegenden Fall – neben den im Erörterungstermin gefertigten Lichtbildern –, dass ausweislich eines entsprechenden Vermerks vom 11. Oktober 2016 gleich mehrere Beschwerden bei der Samtgemeinde G. hinsichtlich der Gehölzbeseitigung eingegangen sind. Aufgrund des besonderen ökologischen Werts alter Eichen und Hecken liegt zudem eine erhebliche Beeinträchtigung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes vor. Auf das Landwirtschaftsprivileg aus § 14 Abs. 2 BNatSchG konnte der Kläger sich nicht berufen (s.o.).

b) Für diesen Eingriff hätte es aufgrund des Eingreifens des Verbotstatbestandes des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG einer – nicht vorliegenden – Befreiung gemäß § 67 BNatSchG bedurft (s.o.). Diese Befreiungspflicht stellt eine spezialgesetzliche Zulassungs- bzw. Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 BNatSchG dar. Zu den „anderen Rechtsvorschriften“ im Sinne des § 17 Abs. 1 BNatSchG gehören auch solche des Bundesnaturschutzgesetzes (Gellermann in: Landmann/Rohmer UmweltR, 97. EL Dezember 2021, BNatSchG § 17 Rn. 5; vgl. zum Vorstehenden auch VG Lüneburg, Urteil vom 18.8.2017 – 2 A 144/16 –, juris, Rn. 35). In Anbetracht dieses spezialgesetzlichen Genehmigungserfordernisses war der Eingriff auch nicht nach § 5 NAGBNatSchG a.F. aus der Eingriffsregelung des § 14 BNatSchG ausgeschlossen (VG Lüneburg, Urteil vom 18.8.2017 – 2 A 144/16 –, juris, Rn. 34). Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage einer möglichen Verfassungswidrigkeit von § 5 NAGBNatSchG a.F. keiner Vertiefung (vgl. hierzu VG Stade, Urteil vom 1.12.2021 – 1 A 4064/17 –, juris, Rn. 109; VG Oldenburg; Urteil vom 30.8.2017 – 5 A 4483/16 –, juris, Rn. 26 – 28).

III. Hinsichtlich der Anordnung in Nummer 1.5 des streitgegenständlichen Bescheides ist die Klage hingegen begründet. Hierin wird dem Kläger aufgegeben, die Gehölze dauerhaft zu erhalten und nach ökologischen Gesichtspunkten zu pflegen. Diese Anordnung genügt nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 37 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG. Nach § 37 Abs. 1 VwVfG ist die hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts Voraussetzung seiner Rechtmäßigkeit. Kann einem Verwaltungsakt durch Auslegung kein eindeutiger Regelungsgehalt beigemessen werden, ist er rechtswidrig. Hinreichend bestimmt ist ein Verwaltungsakt dann, wenn der Adressat erkennen kann, was von ihm gefordert wird und wenn der Bescheid darüber hinaus geeignet ist, Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung zu sein (st. Rspr. BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16 –, NVwZ 2018, 895 Rn. 13, m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Anordnung in Nummer 1.5 des streitgegenständlichen Bescheides nicht. Diese wirft sowohl hinsichtlich ihres Inhalts als auch hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer Fragen auf. Es ist für den Kläger nicht erkennbar, was genau er unter einem „Erhalt“ der Gehölze zu verstehen hat, und ebenso wenig ist klar, welche Pflegemaßnahmen aufgegeben werden und für welche Dauer. Zwar hat die Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung erläutert, dass der Regelungsgehalt dieser Anordnung sich darauf beschränke, dass der Kläger die Bäume nicht wieder entfernen solle. Ein Wässern über den Zeitpunkt der eigendynamischen Gehölzentwicklung werde hiermit nicht angeordnet. Diese Interpretation findet jedoch keine Stütze im streitgegenständlichen Bescheid, zumal das Wässern bereits Gegenstand der Anordnung in Nummer 1.3 des Bescheides ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.