Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 22.07.2022, Az.: 12 B 5486/21

allgemeines Wohngebiet desorientiert; Bestandskraft; Drittschutz; Gebietsverträglichkeit; Nachbarschutz; Nachbarschutz; psychisch Kranke; Regelbebauung; Rücksichtnahmegebot; Sozialtherapeutisches Zentrum; verhaltensauffällig

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
22.07.2022
Aktenzeichen
12 B 5486/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59270
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Baugenehmigung, die der Antragsgegner der Beigeladenen erteilt hat.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der postalischen Anschrift F. in G. (Flurstück H., Flur I. der Gemarkung G.), das mit einem von ihr bewohnten Einfamilienhaus bebaut ist. Die Beigeladene ist Eigentümerin des südwestlich angrenzenden Nachbargrundstücks mit der postalischen Anschrift J. (Flurstück K., Flur I. der Gemarkung G.). Beide Grundstücke liegen an der Westseite der L. und grenzen mit den straßenabgewandten Seiten an den Außenbereich an. Sie befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. M. der Gemeinde G., der das Gebiet als allgemeines Wohngebiet ausweist. Die Beigeladene betrieb auf ihrem Grundstück zunächst ein Alten- und Pflegeheim mit 55 Wohnheimplätzen. Am 03.05.2018 beantragte sie die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung zu einem sozialtherapeutischen Zentrum. Dafür waren kleinere bauliche Veränderungen in und an den Bestandsgebäuden (Ein- und Umbau einiger Bäder, Errichtung von Außentreppen an den rückwärtigen Gebäudeseiten), die Umzäunung eines rückwärtig an die Gebäude angrenzenden Bereichs mit einem 3 m hohen Zaun und daran anschließend die Aufstellung von zwei Containern geplant. In der mit dem Bauantrag eingereichten, grüngestempelten Betriebsbeschreibung heißt es unter anderem:

„Das sozialtherapeutische Zentrum N. besteht aus 2 Bereichen mit insgesamt 41 Wohnheimplätzen. Davon sind 17 Wohnheimplätze dem beschützenden Bereich und 24 Wohnheimplätze dem allgemeinen Betreuungsbereich zugeordnet. Die Heimplätze für den beschützenden Bereich befinden sich im 2. OG. Die Heimplätze für den allgemeinen Bereich im EG und 1. OG. Die Bewohner werden 24 h täglich betreut. (…)

Bei den Bewohnern der Einrichtung handelt es sich meist um Menschen, die aufgrund ihrer krankheitsbedingten Einschränkungen einen Anspruch auf Betreuungsleistungen im Sinne des § 53 SGB XII haben. Bei den Bewohnern des beschützenden Bereichs bestehen regelmäßig psychiatrische Störungen, verbunden mit krankheitsbedingten Verhaltensauffälligkeiten und Desorientierung. Die Bewohner des beschützenden Bereichs weisen ein ausgeprägtes Krankheitsbild auf, das zu einer Eigengefährdung führen kann. Diese Gefahr der Eigengefährdung führt zu einem besonderen Bedarf an Betreuung und Kontrolle. Die Aufnahme in den beschützenden Bereich bedingt regelmäßig einen gerichtlichen Beschluss gem. § 1906 BGB. (…)

Im beschützenden Bereich im 2. OG, sowie im zugehörigen Außenbereich in Containern, stehen ausreichend Räume zu Therapiezwecken zur Verfügung, hier finden kreative und therapeutische Tätigkeiten, sowie Gruppenbeschäftigungen statt. Im beschützenden Außenbereich werden die Bewohner an der Gartenarbeit und der Grundstückspflege beteiligt, weiterhin steht hier eine Fläche zum Gemüseanbau zur Verfügung. Die Versorgung mit warmen Speisen (Mittagessen) erfolgt über einen externen Zulieferer. Die kalten Speisen (Frühstück oder Abendbrot) werden von den Bewohnern selbst zubereitet.“

Mit Bescheid vom 02.05.2019 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Bei einer Baukontrolle im Februar 2021 stellte der Antragsgegner fest, dass die Umbauten im Erdgeschoss fertiggestellt worden waren.

Mit Schreiben vom 24.08.2021 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung vom 02.05.2019 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Über beides hat der Antragsgegner bislang nicht entschieden.

Am 24.09.2021 hat die Antragstellerin um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachgesucht. Sie hält den Eilantrag für zulässig, da die Baugenehmigung ihr gegenüber noch nicht bestandskräftig geworden sei. Sie habe erst im Spätsommer 2021 nach einer Akteneinsicht durch ihren Verfahrensbevollmächtigten davon erfahren, dass die Beigeladene eine „geschlossene psychiatrische Einrichtung“ errichten wolle. Nunmehr habe die Beigeladene auch mit Baumfällungen und Umbaumaßnahmen begonnen. Selbst wenn die Baugenehmigung bestandskräftig geworden wäre, sei sie zurückzunehmen, weil sie hinsichtlich der Genehmigung einer „geschlossenen psychiatrischen Einrichtung“ rechtswidrig sei. Die Baugenehmigung sei formell rechtswidrig, weil weder eine Nachbarbeteiligung durchgeführt worden sei noch die erforderlichen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans beantragt oder erteilt worden seien. Materiell verletze die Baugenehmigung ihren Gebietserhaltungsanspruch und verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot. Bei dem „beschützenden Bereich“ der genehmigten Einrichtung handele es sich nicht um eine Wohnnutzung, da es an der dafür erforderlichen Freiwilligkeit fehle. Unter § 1906 Abs. 1 Satz 1 BGB würden nur freiheitsentziehende Unterbringungen gegen den Willen des Betroffenen fallen. Daher sei jede Einrichtung, in der Unterbringungen nach § 1906 BGB erfolgten, bauplanungsrechtlich einer Klinik oder einem Krankenhaus gleichzustellen und in einem allgemeinen Wohngebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig. Hierfür hätte ein Sondergebiet ausgewiesen werden müssen, weil nur so die Abwägungsbelange der Nachbarn ausreichend hätten berücksichtigt werden können. Die Behauptung des Antragsgegners, dass eine Unterbringung oder Verwahrung der betroffenen Personen gegen ihren Willen nicht stattfinde, sei entweder contra legem oder unrichtig, was im Hauptsacheverfahren aufgeklärt werden müsse. Aus der geplanten Nutzung würden sich sehr viel stärkere Belastungen als durch eine reine Wohnnutzung ergeben. Mit dem Charakter eines allgemeinen Wohngebietes sei es unvereinbar, ein Freigelände einer geschlossenen Einrichtung mit hohem Sicherheitszaun zu installieren, in dem sich Menschen, denen die Freiheit entzogen worden sei, zwangsweise aufhielten. Zudem würden sich die Container im Freigelände nicht in die Umgebung einfügen, zu massiven optischen Beeinträchtigungen führen und mangels Lärmschutzes unzumutbare Lärmbelästigungen verursachen. Es hätte zumindest ein Sachverständigengutachten zum Lärmschutz eingeholt werden müssen. Das Vorhaben sei in keiner Weise mit den Grundzügen der Planung vereinbar. Das Plangebiet sei durch eine Villenstruktur geprägt, die überwiegend unter Denkmalschutz stehe, da G. in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts ein weltbekannter Kurort gewesen sei, in dem sich Staatsoberhäupter und berühmte Schriftsteller aufgehalten hätten. Kur- und Wanderwege würden direkt an den betroffenen Grundstücken vorbeiführen, der Englische Garten liege in unmittelbarer Nähe. Der Bebauungsplan schließe ausdrücklich störende Einwirkungen von Gewerbebetrieben und diesen gleichstehenden Einrichtungen auf das Wohnumfeld aus. Städteplanerisch strebe die Gemeinde eine Stärkung der Kurortqualität an und habe einen kostenintensiven Erholungsbereich mit gepflegtesten Gartenanlagen und Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet im historischen Kern geschaffen, der mit einer käfigartigen Verwahrsituation (Container, hoher Sicherheitszaun) nicht vereinbar sei. Zwischen den erholungssuchenden Kurgästen und den zwangsweise untergebrachten Personen komme es zwangsläufig zu Spannungen. Erstere würden sich optisch und hochwahrscheinlich auch akustisch bedrängt und eingeschüchtert fühlen, letztere würden mit ebenfalls kranken Personen konfrontiert, die ihre Freiheit genießen dürften, und müssten die Schönheit des Naturschutzgebietes ohne die Möglichkeit, es zu betreten, ertragen. Die bodenrechtlichen Spannungen seien im konkreten Fall sogar noch höher als bei einer herkömmlichen Klinik oder einem Krankenhaus, weil die Betriebsbeschreibung keine hinreichende Betreuung sicherstelle. Ungeachtet dessen, dass keine Behandlung der Erkrankungen durch geschultes Personal stattfinde, fehle es an hinreichend qualifiziertem Personal. Eine 24-stündige Betreuung von Personen mit psychiatrischen Störungen und Desorientierung könne durch einen Sozialpädagogen und fünf Heilerziehungspfleger nicht geleistet werden. Der Antragsgegner hätte sich mit der Heimaufsicht abstimmen müssen, ob das Nutzungskonzept überhaupt genehmigungsfähig sei. Es werde bestritten, dass die notwendigen Räumlichkeiten zur Verfügungen stünden und dass die pflegerischen Leistungen sachgerecht in Containern erbracht werden könnten. Sollte es zutreffen, dass die Untergebrachten - wie vom Antragsgegner und der Beigeladenen behauptet - die Station jederzeit verlassen könnten, würde dies angesichts der massiven psychischen Störungen mit Verhaltensauffälligkeiten und Desorientierung der Personen zu nachbarlichen Spannungen und Gefährdungen führen, deren Umfang im Rahmen des Hauptsacheverfahrens durch ein Sachverständigengutachten zu klären sei. Beim Verlassen des Geländes bestehe eine unzumutbare Gefahr von unkalkulierbarem und damit fremdgefährdendem Verhalten. Die Betroffenen seien nicht in der Lage, sich im offenen Bereich kontrolliert sozialadäquat zu verhalten. Im Plangebiet gebe es typischerweise keine Gartenzäune und -tore und in unmittelbarer Nachbarschaft befänden sich ein Reitstall und eine Kindertagespflegeeinrichtung. Wenn Reiter, insbesondere ausreitende Kinder, an der Einrichtung vorbeiritten, könnten durch unbedachte laute Geräusche, Bewegungen und Reaktionen gefährliche Schrecksituationen entstehen. Für die Untergebrachten stelle der Reitstall mit seinen Sport- und Turnierpferden ein erhebliches Reizgefährdungspotential dar. Es drohten Verunfallungen von Reitern, Pferden, Untergebrachten und Anwohnern. Für die orientierungslosen Personen bedeute auch die direkte Nähe zum O. eine Gefährdung. An anderer Stelle in der Samtgemeinde sei ein neues Krankenhaus in einem Sondergebiet errichtet worden, in dem eine entsprechende Abteilung ohne bodenrechtliche Spannungen hätte integriert werden können. Es fehle an Feststellungen, weshalb das Vorhaben gerade am beabsichtigten Standort verwirklicht werden solle und warum die Therapieräume nicht im Hauptgebäude unterbracht würden. Das Gebot der Rücksichtnahme sei verletzt, da von der geschlossenen Einrichtung und insbesondere von dem vorgesehenen Freigelände mit zwei Containern erhebliche Lärmbelästigungen und erhebliche beeinträchtigende Lichteinwirkungen etwa durch die Grundstückssicherung durch Scheinwerfer ausgingen, Einsichtsmöglichkeiten entstünden und der vorgesehene Zaun erdrückende Wirkung habe. Angesichts der Gefahrensituation für die Nachbarn und die Untergebrachten wäre selbst bei offenen Erfolgsaussichten die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen. Da die Beigeladene die psychiatrischen Störungen mit krankheitsbedingten Auffälligkeiten nicht weiter konkretisiert habe, könne nicht verlangt werden, dass sie, die Antragstellerin, bestimmte Verhaltensweisen benenne.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 02.05.2019 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er nimmt Bezug auf den angegriffenen Bescheid und die Verwaltungsvorgänge und führt ergänzend aus: Der Antrag sei bereits unzulässig, weil die Baugenehmigung gegenüber der Antragstellerin bestandskräftig geworden sei. Die Widerspruchsfrist laufe ab dem Zeitpunkt, an dem der Nachbar Kenntnis von der Baugenehmigung habe erlangen müssen. Hinsichtlich einer möglichen Rechtsverletzung reiche ebenfalls die Erkennbarkeit. Hier sei zwar noch nicht mit dem Umbau des beschützenden Bereichs im 2. Obergeschoss begonnen worden, der übrige Bereich im Erdgeschoss sei aber schon genutzt worden. Daher sei es der Antragstellerin zumutbar gewesen, Informationen über den Umfang der Genehmigung einzuholen. Daneben sei der Antrag auch unbegründet, da die erteilte Baugenehmigung weder in formeller noch in materieller Hinsicht zu beanstanden sei. Dass keine Nachbarbeteiligung durchgeführt worden sei, sei nach § 46 VwVfG unbeachtlich, weil der Bauherr unabhängig von der Nachbarbeteiligung einen gebundenen Anspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung habe. Zudem hätten die Nachbarn zwischenzeitlich umfassend Gelegenheit gehabt, die Bauvorlagen einzusehen. Ihre Beteiligung könne während des Widerspruchs- und sogar während eines Klageverfahrens noch nachgeholt werden. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handele es sich vorliegend um eine Wohnnutzung, nämlich um eine besondere Form des betreuten Wohnens. Das Nutzungskonzept einer sozialtherapeutischen Einrichtung mit einem beschützenden Bereich sei nicht mit einer klassischen Psychiatrie und einer damit verbundenen krankenhausähnlichen Struktur zu vergleichen. Zwar litten die betroffenen Personen an ähnlichen Krankheitsbildern, in einer sozialtherapeutischen Einrichtung finde aber keine Behandlung der Erkrankungen durch Fachpersonal statt. Anders als in einer psychiatrischen Einrichtung würden keine Zwangsmaßnahmen wie Einsperren, Festhalten oder Zwangsmedikation angewandt, es sei denn, diese seien angeordnet und beschränkten sich beispielsweise auf die Nutzung von Bettgittern. Eine Unterbringung gemäß dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten zur Krisenintervention oder zur Medikamenteneinstellung wie in einer Psychiatrie finde nicht statt. Eine Unterbringung oder Verwahrung der betroffenen Person gegen ihren Willen werde ebenfalls nicht praktiziert. Die Bewohner seien freiwillig in dem Wohnheim. Ein Beschluss nach § 1906 BGB werde nur erwirkt, um die Voraussetzungen für eine Freiheitseinschränkung zu gewährleisten. Hierbei sei jedoch stets eine Mitwirkung des Betreuten erforderlich. Der Beschluss sei insbesondere notwendig, da die Bewohner das Gebäude nicht verlassen könnten, ohne dass es den Mitarbeitern auffalle. Es werde ein üblicher Heimvertrag geschlossen. Ziel des Aufenthalts sei eine Wiedereingliederung und die Rückführung in eine selbstständige Lebensführung. Je nach Ausprägung der seelischen Erkrankung sei es teils notwendig, durch den beschützenden Bereich eine Reduzierung von Umweltreizen herbeizuführen, um Überforderungssituationen zu vermeiden, die in einem klassischen offenen Wohnumfeld nicht vermeidbar wären. Um die Bewohner von äußeren Einflüssen abzuschirmen, sei der geschlossene Bereich gegen das Betreten von außen mit einem Schloss gesichert. Das Verlassen des geschützten Bereichs von innen sei hingegen grundsätzlich jederzeit möglich. Daneben finde im beschützenden Bereich wegen der möglichen Eigengefährdung der Bewohner ein erhöhtes Maß an Betreuung statt. Im Rahmen der Möglichkeiten und mit gewisser Unterstützung durch das Personal würden die Bewohner aber auch dort ihren Alltag mit lebenspraktischen Tätigkeiten wie Verpflegung, Raum- und Wäschepflege und Gartenarbeit selbstständig organisieren. Im Rahmen der sozialtherapeutischen Betreuung fänden regelmäßige Gespräche und Beobachtungen statt. Daraufhin würden gegebenenfalls vorhandene Maßnahmen abgeändert oder die Durchführung begleiteter oder unbegleiteter Ausgänge vereinbart. Sollte der Bewohner gegen Vorgaben des beschützenden Bereichs verstoßen oder fremdgefährdendes Verhalten festgestellt werden, würde der Aufenthalt in der Einrichtung unmittelbar beendet werden. Da die Plätze nur zur Unterbringung von Personen auf der Grundlage des Betreuungsrechts genutzt werden dürften, sei eine Unterbringung von Personen mit Fremdgefährdungspotential ausgeschlossen. Selbst wenn die genehmigte Nutzung nicht als Wohnnutzung einzustufen wäre, sei sie als Einrichtung für soziale oder gesundheitliche Zwecke gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet regelmäßig zulässig. Die rechtliche Einordnung dürfte ähnlich sein wie bei Pflegeinrichtungen für Demenzkranke. An dem Angebot entsprechender Hilfsleistungen für die betroffenen Personengruppen bestehe ein nicht gering zu bewertendes öffentliches und gesellschaftliches Interesse. Das Vorhaben könne keinen nennenswerten negativen Einfluss auf die Kurortqualität der Gemeinde G. haben, da es nicht groß sei und das Grundstück sich in einer Ortsrandlage befinde und zu großen Teilen von Bäumen umgeben sei. Der Zaun diene den Bewohnern – die sich auch außerhalb davon aufhalten dürften – lediglich dazu, in einem klar abgegrenzten und geschützten Bereich an der frischen Luft sein zu können. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt. Da es allein auf die städtebaulichen Wirkungen des Vorhabens ankomme, spiele die Art der Gestaltung des umzäunten Freigeländes keine Rolle. Es sei nicht ersichtlich, dass die beiden Bereiche der Einrichtung in dem weitläufigen Gebiet mit dem Erholungsbereich des Kurortes zu bewältigungsbedürftigen Spannungen führen könnten. Der Aufenthalt von psychisch kranken Menschen ohne Fremdgefährdungspotential könne nicht als städtebauliche Spannungslage begriffen werden. Lautäußerungen der Bewohner auf dem Freigelände seien von der Antragstellerin hinzunehmen. Ein kostenintensives Gutachten zum Lärmschutz habe nicht eingeholt werden müssen, da sich die immissionsschutzrechtlich zu bewertende Situation durch die Nutzungsänderung nicht maßgeblich geändert habe. Die Anzahl der Bewohner habe sich von 57 auf 41 Personen vermindert und hinsichtlich des Personalstandes und des Zu- und Abgangsverkehrs würden sich die Nutzungen nicht nennenswert unterscheiden. In den geplanten Therapiecontainern würden nichtstörende Therapiesitzungen insbesondere in Form von Ergotherapie durchgeführt. Sollte die Antragstellerin auf das konkrete Verhalten der Bewohner abstellen, sei dies möglicherweise aufgrund der diskriminierenden Wirkung einer solchen Annahme gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG unzulässig. Die Installation von Suchscheinwerfern sei nicht Teil des genehmigten Bauantrags. Eine erdrückende Wirkung des Zaunes oder der beiden Container könne sicher ausgeschlossen werden, da diese jeweils im Abstand von ca. 37,5 m von der Grundstücksgrenze der Antragstellerin errichtet würden.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie bestätigt die Darstellung des Beklagten und präzisiert: Die Baugenehmigung sei nicht für eine geschlossene psychiatrische Einrichtung erteilt worden, sondern für ein offenes Wohnheim mit einem beschützenden Wohnbereich. Der Gebietscharakter des Wohngebiets werde dadurch nicht verändert. Der beschützende Bereich verfüge über erweiterte bauliche Maßnahmen wie gesicherte Türen und Fenster. Die Bewohner könnten den beschützenden Bereich nicht verlassen, ohne dass es ihren Mitarbeitern auffiele. Sie könnten den Bereich jedoch jederzeit und ohne Hilfsmittel verlassen, während ein Zugang von außen nur mit einem Schlüssel möglich sei. Der Beschluss nach § 1906 BGB werde nur wegen der geschilderten erweiterten baulichen Maßnahmen benötigt. Es handele sich nicht um eine Freiheitsentziehung, sondern lediglich um eine Freiheitseinschränkung, weil die Bewohner den beschützenden Bereich nicht heimlich verlassen könnten. Durch den eingeschränkten Zugang zum beschützenden Bereich werde eine Überforderung der Bewohner vermieden, ihnen die Orientierung erleichtert und dem Personal ein maximaler Überblick über den Gesundheitszustand der Bewohner ermöglicht. Die Bewohner seien zur Mitwirkung verpflichtet, indem sie die Besonderheiten und Regeln des beschützenden Bereichs akzeptieren und die lebenspraktischen Tätigkeiten nach Möglichkeit selbst verrichten müssten. Bei fehlender Akzeptanz der Bedingungen oder fremdgefährdendem Verhalten werde der Aufenthalt im beschützenden Bereich sofort beendet. Die Aufnahme in den beschützenden Bereich erfolge befristet und mit dem Ziel, sie möglichst zeitnah wieder zu beenden. Der Wohnheimbetrieb sei nicht störend und es gebe keine besonderen Geräuschimmissionen. Das Grundstück liege auch weder im „historischen Teil“ noch sei das Plangebiet durch eine Villenstruktur geprägt. Vielmehr sei die Bebauung im gesamten Quartier neuzeitlich. Die Antragstellerin zeichne ein Bild von den Bewohnern des beschützenden Bereichs, das diese diffamiere und unwürdig stigmatisiere. Tatsächlich handele es sich um erkrankte Menschen, die freiwillig Hilfe in Anspruch nähmen, um ihren Krankheitszustand zu verbessern oder zu heilen. Von ihnen gingen keine Gefahren oder Störungen aus. Die Antragstellerin möge substantiiert darlegen, zu welchen Spannungen und Gefährdungslagen es kommen solle. Da es für die Bewohner des beschützenden Bereiches ausgeschlossen sei, diesen unbemerkt zu verlassen, werde sich bei Bedarf ein Mitarbeiter etwa um einen desorientierten Bewohner kümmern. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Schrecksituationen und Ähnliches entstehen sollten und dadurch Reiter und Kinder durch die Bewohner gefährdet würden und umgekehrt. Im Übrigen müssten Reiter ihre Pferde kontrollieren können, denn es könne auch durch den Verkehr und andere Personen immer wieder zu Schrecksituationen kommen. Die Bewohner dürften genauso in einem allgemeinen Wohngebiet wohnen wie die Antragstellerin auch. Die Antragstellerin versuche mit Mutmaßungen und Spekulationen, ganz normale Menschen mit einer Erkrankung auszugrenzen. Schließlich werde auch genügend qualifiziertes Personal vor Ort sein. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin durch das Gericht würde das Vorhaben erheblich verzögern. Da es für den vorhandenen Hilfebedarf zu wenig Einrichtungen gebe, würde sich der Gesundheitszustand potentieller Bewohner verschlechtern. Daneben würde ihr, der Beigeladenen, ein erheblicher finanzieller Schaden entstehen. Sie benötige die Einnahmen, um Personal, insbesondere Pflegekräfte, zu bezahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der Eilantrag hat keinen Erfolg. Er ist möglicherweise bereits unzulässig (A.), jedenfalls aber unbegründet (B.).

A.

1. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin nicht zunächst gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO eine ablehnende Entscheidung des Antragsgegners über ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgewartet hat. Aufgrund der begonnenen Bauarbeiten drohte hier im Sinne von § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO die Vollstreckung (vgl. zu dieser Ausnahme Nds. OVG, Beschl. v. 04.09.2018 – 1 ME 65/18 -, juris Rn. 6). Denn die Antragstellerin hatte mit der befürchteten erdrückenden Wirkung der geplanten Außenanlagen auch Belange geltend gemacht, die bereits mit der Errichtung und nicht erst mit der Inbetriebnahme der genehmigten Einrichtung eintreten.

2. Es kann dahinstehen, ob der Widerspruch und damit auch der daran anknüpfende Eilantrag unzulässig ist, weil die Baugenehmigung vom 02.05.2019 gegenüber der Antragstellerin bestandskräftig geworden ist. Zur Frage, ab wann die einjährige Frist zur Erhebung eines Widerspruchs für einen Nachbarn zu laufen beginnt, hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht Folgendes ausgeführt (Beschl. v. 14.04.2021 - 1 ME 140/20 -, juris Rn. 16 f.):

„Ist dem Nachbarn die Baugenehmigung, durch die er sich beschwert fühlt, - wie hier - nicht amtlich bekanntgegeben worden, so läuft für ihn weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsfrist. Hat er jedoch gleichwohl sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt oder hätte er sie erlangen müssen, so kann ihm nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein, dass sie ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde. Dann läuft für ihn die Widerspruchsfrist nach den vorgenannten Vorschriften so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Der Zeitpunkt, zu dem der Nachbar von der Baugenehmigung zuverlässige Kenntnis nehmen konnte, tritt ein, wenn sich ihm das Vorliegen der Baugenehmigung aufdrängen musste - beispielsweise aufgrund eines sichtbaren Beginns der Bauausführung - und es ihm möglich und zumutbar war, sich hierüber - etwa durch Anfrage bei dem Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde - Gewissheit zu verschaffen. Daraus folgt: Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Nachbar davon ausgehen muss, dass der Bauherr eine Baugenehmigung erhalten hat, hat er sich regelmäßig innerhalb eines Jahres über die Genehmigungslage zu informieren (BVerwG, Beschl. v. 11.9.2018 - 4 B 34.18 -, BRS 86 Nr. 184 = juris Rn. 9, 11; bestätigt Beschl. v. 21.1.2021 - 4 B 15.20 -, juris Rn. 6; Urt. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294 = juris Leitsatz 2 und Rn. 25; Senatsurt. v. 17.1.1997 - 1 L 6347/95 -, BRS 59 Nr. 195 = juris Rn. 9 f.). Maßgebend für den Verlust des Widerspruchsrechts gegen eine dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls (BVerwG, Beschl. v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 -, BVerwGE 78, 85 = juris Rn. 16; Beschl. v. 17.2.1989 - 4 B 28.89 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87 = juris Rn. 4; Senatsurt. v. 27.11.2019 - 1 KN 20/17 -, juris Rn. 33).

Anders als die Antragstellerin meint, können auch (verfahrensfreie) Abbrucharbeiten ein Aspekt sein, aufgrund dessen sich in der Zusammenschau mit anderen Umständen im konkreten Einzelfall das Vorliegen einer Baugenehmigung aufdrängt. Der „sichtbare Beginn der Bauausführung“ bzw. „deutlich wahrnehmbare Bauarbeiten“ sind ein häufiger (vgl. z.B. VGH BW, Urt. v. 14.05.2012 - 10 S 2693/09 -, BRS 79 Nr. 183 = juris Rn. 40 m.w.N.; VG Hamburg, Beschl. v. 4.9.2015 - 9 E 3623/15 -, juris Rn. 31, 37), aber dennoch nur der späteste (vgl. OVG Berl.-Bbg., Urt. v. 20.12.2005 - OVG 10 B 10.05 -, juris Rn. 23) unter den möglichen Anknüpfungspunkten dafür, dass sich die Erteilung einer Baugenehmigung aufdrängen muss. Es existiert kein Rechtssatz, wonach aus verfahrens- bzw. genehmigungsfreien Baumaßnahmen oder Abbruch- und Beseitigungsmaßnahmen generell nicht auf das Vorliegen einer Baugenehmigung für andere Baumaßnahmen geschlossen werden muss. Dahingehend ist weder das Urteil des Senats vom 17. Januar 1997 (- 1 L 6347/95 -, BRS 59 Nr. 195 = juris Rn. 11) noch die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 20.12.2004 - 1 EO 1077/04 -, BRS 67 Nr. 196 = juris Rn. 29) zu verstehen. Maßgebend ist, ob die Einzelfallumstände das Vorliegen einer Baugenehmigung für ein genehmigungsbedürftiges Vorhaben nahelegen und nicht lediglich einen verfahrens- oder genehmigungsfreien Abbruch oder eine verfahrens- oder genehmigungsfreie Errichtung oder Änderung einer baulichen Anlage.“

Hier muss im Hauptsacheverfahren aufgeklärt werden, ob und gegebenenfalls wann nach außen erkennbar mit Umbauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen oder der neuen Nutzung begonnen wurde. Spätestens mit der offiziellen Eröffnung des sozialtherapeutischen Zentrums und dem Anbringen entsprechender Schilder - deren Zeitpunkt die Kammer nicht kennt - war für die Antragstellerin erkennbar, dass hier eine Nutzungsänderung vom Alten- und Pflegeheim zu einem sozialtherapeutischen Zentrum genehmigt worden war. Das hätte ihr Veranlassung geben müssen, sich über Art und Umfang der genehmigten Umnutzung und der gegebenenfalls damit verbundenen baulichen Veränderungen zu informieren. Auch wenn man annimmt, dass die Kenntnis bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme sich nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung beziehen muss, sondern es auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn ankommt (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.052012 - 10 S 2693/09 -, juris Rn. 37; VG Hannover, Beschl. v. 15.06.2022 - 4 B 258/22 -, V.n.b., S. 7), war damit ersichtlich, dass hier eine Umnutzung stattfinden sollte, die zur Aufnahme eines Personenkreises mit sozialtherapeutischem Bedarf und daher auch mit möglichen Auffälligkeiten im Sozialverhalten führen würde.

B.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist unbegründet. In Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist „ausgewogener“ Rechtsschutz zu gewähren. Nicht nur auf Seiten des Nachbarn drohen vollendete, weil unumkehrbare Tatsachen einzutreten, wenn das Vorhaben verwirklicht wird. Auch auf Seiten des Bauherrn können solche nicht oder nur schwer wiedergutzumachenden Folgen eintreten. Diese bestehen im Falle einer Antragsstattgabe in jedem Fall darin, die durch den Aufschub verlorene Zeit nicht nachholen und damit die in dieser Zeit erzielbaren Gewinne nicht mehr realisieren zu können. Da der Antragsteller von den Folgen des § 945 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Nachbarstreit verschont bleibt, kommt in Verfahren des vorläufigen Nachbarrechtsschutzes den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Sachverhalt ist dabei in aller Regel nur summarisch zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung gibt dem Vollzugsinteresse des Bauherrn nicht erst dann Vorrang, wenn die Baugenehmigung danach mehr oder minder zweifelsfrei Nachbarrechte dieses Antragstellers nicht verletzt. Ein derartiger Rechtsschutz wäre nicht ausgewogen, weil er das Risiko, die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung bei nur summarischer Prüfung nicht vollständig und zweifelsfrei ermitteln zu können, einseitig dem Bauherrn auferlegte, obwohl dessen Bauabsicht nach der gesetzlichen Wertung (§ 212a BauGB) grundsätzlich Vorrang genießen soll. Eine Stattgabe des vorläufigen Rechtsschutzantrags kommt deshalb erst dann in Betracht, wenn Überwiegendes für die Annahme spricht, der Rechtsbehelf des Nachbarn in der Hauptsache sei jedenfalls derzeit begründet (Nds. OVG, Beschl. v. 25.01.2007 - 1 ME 177/06 -, juris Rn. 11, und Beschl. v. 14.06.2017 - 1 ME 64/17 -, juris Rn. 13).

Eine danach vorgenommene Überprüfung ergibt, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer erteilten Baugenehmigung, die nach § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO nur dann versagt werden darf, wenn das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Genehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat. Eine Verletzung solcher drittschützender, dem Schutz der Antragstellerin dienender Normen durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist voraussichtlich nicht gegeben. Diese verstößt weder gegen nachbarschützende formelle Vorschriften (1.) noch gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin (2.) oder gegen das Rücksichtnahmegebot (3.).

1. Eine Nachbarbeteiligung nach § 68 Abs. 2 Satz 1 NBauO musste nicht durchgeführt werden. Danach soll die Bauaufsichtsbehörde den betroffenen Nachbarn, soweit sie erreichbar sind, Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist von längstens vier Wochen geben, wenn eine Abweichung oder Ausnahme von Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die auch dem Schutz von Nachbarn dienen, zugelassen oder eine Befreiung von solchen Vorschriften erteilt werden soll. Da hier keine Abweichung oder Ausnahme von nachbarschützenden Bauvorschriften beantragt worden war, musste der Antragsgegner die Nachbarn nicht beteiligen.Ob für die beantragte Nutzungsänderung eine Befreiung nach § 31 BauGB hätte beantragt werden müssen, ist keine Frage des Verfahrensrechts, sondern der materiellen Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung. Sofern die Festsetzungen des Bebauungsplans dem beabsichtigten Vorhaben entgegenstehen und keine Befreiung beantragt und erteilt wird, ist das Vorhaben nicht genehmigungsfähig.

2. Die Genehmigung der Nutzungsänderung zum sozialtherapeutischen Zentrum mit einem beschützenden Bereich verletzt nicht den Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin.

Nach ständiger Rechtsprechung hat die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan grundsätzlich nachbarschützende Funktion zugunsten der Planbetroffenen. Das bedeutet, dass sich ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll nämlich jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.02.2000 - 4 B 87/99 -, Rn. 9 m.w.N.). Die genehmigte geänderte Nutzung ist jedoch nicht gebietsfremd. Die angegriffene Genehmigung bezieht sich auf ein Wohnheim mit therapeutischem Angebot und beschützendem Bereich und nicht auf eine geschlossene psychiatrische Einrichtung (nachfolgend unter a)). Bei dieser Nutzung handelt es sich um eine Regelnutzung in einem allgemeinen Wohngebiet (nachfolgend unter b)), die nicht im Einzelfall unzulässig ist (nachfolgend unter c)). Auf ein unzureichendes Sich-Einfügen kann die Antragstellerin sich im Rahmen des Gebietserhaltungsanspruchs nicht berufen (nachfolgend unter d)).

a) Entgegen der Deutung der Antragstellerin umfasst die angegriffene Genehmigung nicht den Betrieb einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung.

Von einem geschlossenen Bereich ist in der Genehmigung einschließlich der grüngestempelten Unterlagen nicht die Rede, sondern die Bereiche im 2. Obergeschoss und im Garten werden jeweils als „beschützend“ bezeichnet. Dies ist kein Synonym für „geschlossen“. Im gerichtlichen Verfahren haben der Antragsgegner und die Beigelade erläutert, dass die Bewohner den beschützenden Bereich jederzeit verlassen können und dass sie dort lediglich vor von außen kommenden Reizen abgeschirmt und besonders intensiv betreut und beobachtet werden. Sofern die Antragstellerin aus der Erwähnung von gerichtlichen Beschlüssen gemäß § 1906 BGB ableitet, es müsse sich um eine geschlossene Einrichtung handeln, ist diese Schlussfolgerung nicht zwingend. Sie übersieht, dass Beschlüsse nach § 1906 BGB nicht nur Beschlüsse nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB sind, mit denen eine freiheitsentziehende Unterbringung angeordnet wird. Vielmehr können auch gemäß § 1906 Abs. 4 BGB freiheitsentziehende Maßnahmen angeordnet werden. Hierunter fällt beispielsweise die vom Antragsgegner erwähnte Nutzung von Bettgittern. Teile von Rechtsprechung und Literatur ordnen auch Überwachungsmaßnahmen wie das Anbringen einer Ortungsanlage an dem Betroffenen, die Installation von Überwachungskameras oder die Einrichtung einer Sitzwache als freiheitsentziehende Maßnahmen in diesem Sinne ein (vgl. Müller-Engels in BeckOK BGB, 62. Ed. 01.02.2022, § 1906 Rn. 25; a.A. Schneider in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1906 Rn. 47, jeweils m.w.N.). In diesem Sinne haben der Antragsgegner und die Beigeladene klargestellt, dass die Bewohner bei der Aufnahme in den beschützenden Bereich einen Beschluss gemäß § 1906 BGB benötigen, weil der Bereich mit alarmgesicherten Türen und Fenstern ausgestattet ist, die ein unbemerktes Verlassen verhindern. So kann auch die Formulierung in der Betriebsbeschreibung „Die Aufnahme in den beschützenden Bereich bedingt regelmäßig einen Beschluss gem. § 1906“ verstanden werden. Danach ist nicht der Beschluss nach § 1906 BGB ursächlich für die Aufnahme in den Bereich, sondern die Aufnahme führt zur Notwendigkeit, einen Beschluss nach § 1906 BGB herbeizuführen. Schließlich führt auch die Erwähnung verschlossener Türen im beschützenden Bereich in Ziffer 3.8 der Baugenehmigung vom 02.05.2019 und auf Seite 6 des grüngestempelten Brandschutzkonzepts nicht zur Annahme eines geschlossenen Bereichs. Nach den Ausführungen des Antragsgegners und der Beigeladenen sind diese Türen gegen einen Zutritt von außen in den beschützenden Bereich gesichert, nicht aber gegen das Verlassen des beschützenden Bereichs von innen.

Daneben handelt sich bei der genehmigten Nutzung auch nicht um eine psychiatrische Einrichtung im Sinne einer Klinik. Krankenhäuser und Kliniken dienen der Erkennung und Behandlung von Krankheiten einschließlich der Nachsorge und stehen unter ärztlicher Leitung (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 21.08.2002 - 1 LB 140/02 -, juris Rn. 21). Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich nicht erfüllt. Zwar werden Personen mit psychiatrischen Krankheitsbildern aufgenommen, aber nicht zur medizinischen Behandlung ihrer Erkrankungen, sondern um sozialtherapeutisch begleitet in der Einrichtung zu wohnen. Die Leitung ist daher auch nicht ärztlich besetzt.

b) Die geänderte Nutzung ist in dem betroffenen Gebiet als Regelnutzung allgemein zulässig. Die Art der baulichen Nutzung ist dort durch den Bebauungsplan Nr. M. als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Demnach sind gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2, § 4 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 BauNVO Wohngebäude und Anlagen für soziale und gesundheitliche Zwecke zulässig. Ob die Nutzung als sozialtherapeutisches Zentrum mit beschützendem Bereich als Wohnnutzung zu qualifizieren ist (nachfolgend unter aa)), kann offenbleiben, weil die Nutzung jedenfalls als Anlage für soziale oder gesundheitliche Zwecke zulässig ist (nachfolgend unter bb)).

aa) Nach summarischer Prüfung bestehen Zweifel, ob es sich bei der genehmigten Nutzung um eine Nutzung als Wohngebäude handelt. Der Begriff des Wohnens ist durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2016 - 4 B 49/16 -, juris Rn. 7).

Hier ist zum einen fraglich, ob die Nutzung der Wohnheimplätze im beschützenden Bereich auf Dauer angelegt ist. Zwar soll das Kriterium der Dauerhaftigkeit „durchaus flexibel“ zu handhaben sein (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.03.1996 - 4 B 302/95 -, juris Rn. 12; Beschl. v. 20.12.2016 - 4 B 49/16 -, juris Rn. 10). Jedoch erfolgt die Aufnahme in den beschützenden Bereich nach Auskunft der Beigeladenen mit dem Ziel, sie möglichst zeitnah wieder zu beenden, was wohl selbst einem flexibel verstandenen Begriff von Dauerhaftigkeit entgegensteht.

Zum anderen wäre noch genauer aufzuklären, in welchem Umfang die Haushaltsführung eigenständig gestaltet wird. § 3 Abs. 4 BauNVO in der ab dem 27.01.1990 geltenden Fassung, wonach zu den nach § 4 zulässigen Wohngebäuden auch solche gehören, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen, ist nicht anwendbar. Zwar ist der Bebauungsplan Nr. M. erst am 30.10.1991 in Kraft getreten, er wurde aber mit einem Stempel versehen, wonach die BauNVO vom „19. Dez. 1986“ anzuwenden ist. Daher wäre ein Mindestmaß an eigenständiger Haushaltsführung zu verlangen.

bb) Ein Wohnheim mit therapeutischem Angebot und beschützendem Bereich stellt aber jedenfalls eine Anlage für soziale und für gesundheitliche Zwecke dar. Anlagen für soziale Zwecke dienen in einem weiten Sinne der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt. Es handelt sich um selbstständige Hauptanlagen, die auf Hilfe, Unterstützung, Betreuung und ähnliche fürsorgerische Maßnahmen ausgerichtet sind. Anlagen für gesundheitliche Zwecke dienen im weitesten Sinne dem Schutz, der Pflege, der Erhaltung und der Wiederherstellung der Gesundheit (vgl. Stock in Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 144. EL Oktober 2021, § 4 BauNVO Rn. 92 u. Rn. 99 jeweils m.w.N.). Die Nutzung als sozialtherapeutisches Zentrum dient sowohl der sozialen Fürsorge als auch der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit, was auch die Antragstellerin nicht in Frage stellt. Sofern sie allerdings meint, Kliniken und Krankenhäuser seien ausschließlich in Sondergebieten zulässig, ist dies unzutreffend. § 11 Abs. 2 Satz 12 BauNVO eröffnet lediglich die Möglichkeit, für derartige Einrichtungen Klinikgebiete als sonstige Sondergebiete festzusetzen. Eine ausschließende Regelung, wie sie § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauNVO für bestimmte Vorhaben trifft, die nur in Kerngebieten und Sondergebieten zulässig sind, besteht für Kliniken nicht.

Die geplante Nutzung ist auch gebietsverträglich. Die Gebietsverträglichkeit ist ungeschriebenes Erfordernis jeder nach dem Wortlaut der Absätze 2 und 3 der §§ 2 ff. BauNVO zulässigen Nutzung. Die Nutzung muss mit dem Charakter zu vereinbaren sein, welchen der Gesetzgeber im jeweiligen Absatz 1 der genannten Vorschriften einem Baugebiet mit dem Ziel vorgegeben hat, dort ein verträgliches Nebeneinander der - wie es beim ersten Eindruck scheinen mag - zufällig nebeneinander statthaften Nutzungen zu ermöglichen. Der dort beschriebenen typischen Funktion des jeweiligen Baugebiets muss sich jede Regelnutzung, erst recht jede Ausnahmenutzung zu- und unterordnen. Ihre Zulassung hängt dementsprechend in besonderem Maße von deren Immissionsverträglichkeit ab. Zu würdigen ist mithin in jedem Fall, ob die typischerweise mit dem in Rede stehenden Vorhaben verbundenen Auswirkungen nach dessen räumlichem Umfang, der Größe seines (betrieblichen) Einzugsbereichs, der Art und Weise der Betriebsvorgänge, dem damit verbundenen Zu- und Abgangsverkehr sowie der Dauer all dieser Auswirkungen einschließlich ihrer Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten mit dem in Absatz 1 definierten Gebietscharakter zu vereinbaren sind (vgl. zum Vorstehenden Nds. OVG, Beschl. v. 03.11.2021 - 1 ME 42/21 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Zu fragen ist, ob ein Vorhaben dieser Art generell geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören. Das Korrektiv des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, für das die örtlichen Verhältnisse in der näheren Umgebung des beabsichtigten Vorhabens maßgeblich sind, greift auf dieser Ebene der Zulässigkeitsprüfung noch nicht ein (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.02.2008 - 4 B 60/07 -, juris Rn. 11 f.). Nach diesen Maßgaben ist ein Wohnheim mit sozialtherapeutischem Angebot mit 41 Wohnheimplätzen und einem beschützenden Bereich in einem allgemeinen Wohngebiet nicht gebietsunverträglich. Seine typische Nutzung wirkt nicht störend auf die Wohnnutzung im allgemeinen Wohngebiet. Sie ist vielmehr ebenfalls zumindest wohnähnlich und wird ergänzt durch die sozialtherapeutische Betreuung, die für die Personen im beschützenden Bereich besonders engmaschig ist. Der Zu- und Abgangsverkehr durch Bewohner, Mitarbeiter und Besucher verteilt sich über den Tag und ist bei einer Einrichtung dieser Größenordnung nicht besonders umfangreich. Weshalb sich aus der Nutzung für und durch psychisch kranke Personen mit Verhaltensauffälligkeiten und Desorientierung typischerweise unzumutbare Lärmbelästigungen für die umliegenden Wohngebäude ergeben sollen, erschließt sich der Kammer nicht.

c) Der Zulässigkeit des Vorhabens steht auch nicht § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO entgegen. Danach sind die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dafür ist hier ebenfalls nichts ersichtlich. Der Hinweis der Antragstellerin, dass der Bebauungsplan ausdrücklich störende Einwirkungen von Gewerbebetrieben und diesen gleichstehenden Einrichtungen auf das Wohnumfeld ausschließe, führt nicht zur Annahme einer besonderen Prägung des Gebiets des Bebauungsplans Nr. M.. Vielmehr war in der Ursprungsfassung die Möglichkeit, nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise sonstige nicht störende Gewerbebetriebe zuzulassen, ausgeschlossen worden. Da sich im Plangebiet tatsächlich aber diverse kleine und mittlere Handwerksbetriebe befanden, die nach Auffassung der Plangeberin keine erheblichen Beeinträchtigungen bewirkten und einen wichtigen Beitrag zur Grundversorgung leisteten, wurde im Jahr 2012 mit der 1. Änderung des Bebauungsplans bestimmt, dass sonstige nicht störende Gewerbebetriebe gemäß § 1 Abs. 6 i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig sind. Weitere Festsetzungen enthält der Bebauungsplan nicht. Die Lage der Einrichtung der Beigeladenen am Rande des Plangebietes angrenzend an den Außenbereich widerspricht der Eigenart des allgemeinen Wohngebiets ebensowenig wie ihr mit 41 Bewohnern überschaubarer Umfang.

d) Soweit die Antragstellerin moniert, die Container und der Zaun würden sich nicht in die nähere Umgebung einfügen, kann sie sich nicht auf den Gebietserhaltungsanspruch stützen, da dieser sich lediglich auf die Art der baulichen Nutzung bezieht. Festsetzungen zum Maß, zur Bauweise oder zur überbaubaren Grundstücksfläche können nur dann drittschützenden Charakter entfalten, wenn diese Regelungen nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin auch dem Schutz der Nachbarn dienen sollten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.10.1005 - 4 B 215/95 -, juris Rn. 3; zum Maß der baulichen Nutzung Nds. OVG, Beschl. v. 09.03.2020 - 1 ME 154/19 -, juris Rn. 8;). Da der Bebauungsplan Nr. M. lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung umfasst, kommt eine derartige Zweckbestimmung durch die Plangeberin nicht in Betracht. Ein fehlendes Sich-Einfügen kann in einer solchen Konstellation vom Nachbarn nur gerügt werden, wenn es sich gleichzeitig als Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme darstellt, beispielsweise, weil das Vorhaben eine erdrückende Wirkung ausübt oder Nachbargrundstücke unzumutbar verschattet (vgl. Nds. OVG, ebenda).

3. Die Genehmigung der Nutzungsänderung verletzt nicht das Gebot der Rücksichtnahme. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme stellt, hängen wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge billigerweise zuzumuten ist (BVerwG, Beschl. v. 13.03.2019 - 4 B 39.18 -, juris Rn. 9 m.w.N.; Nds. OVG, Urt. v. 21.08.2020 - 1 LB 140/20 -, juris Rn. 8; VG Hannover, Urt. v. 22.04.2021 - 4 A 3809/20 -, juris Rn. 39; Beschl. v. 23.07.2021 - 12 B 3844/21 -, juris Rn. 30). Hier ergibt sich aus keinem der von der Antragstellerin angeführten Gesichtspunkte, dass die Nutzungsänderung einschließlich der damit verbundenen baulichen Veränderungen sie unzumutbar beeinträchtigt.

a) Unzumutbar ist ein Vorhaben für den Nachbarn insbesondere dann, wenn es auf sein Grundstück eine erdrückende Wirkung ausübt, dieses unzumutbar verschattet oder zu unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten führt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.02.2009 - 1 ME 282/08 -, juris Rn. 43, und Beschl. v. 09.03.2020 - 1 ME 154/19 -, juris Rn. 9; VG Hannover, Beschl. v. 23.07.2021 - 12 B 3844/21 -, juris Rn. 30). Inwiefern durch einen Zaun, der unwidersprochen über 37 m von ihrem Grundstück entfernt verläuft, eine erdrückende Wirkung ausgehen soll, hat die Antragstellerin ebensowenig konkretisiert wie den Vorwurf, es entstünden unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten. Da auch die Container in einem Abstand von über 37 m zu der Grundstücksgrenze der Antragstellerin genehmigt wurden, ist eine ernsthafte Beeinträchtigung fernliegend. In Bezug auf die geltend gemachten Beeinträchtigungen durch Lichtemissionen von Suchscheinwerfern hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass das genehmigte Vorhaben die Installation solcher Scheinwerfer nicht umfasst.

b) Für eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Geräuschimmissionen liegen ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte vor und es war auch keine schalltechnische Untersuchung zu veranlassen. Im Rahmen eines baurechtlichen Genehmigungsverfahrens einer - wie hier - nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz nicht genehmigungsbedürftigen Anlage ist nicht ausnahmslos die Einholung einer gutachterlichen Prognose zu fordern. Vielmehr ist entsprechend Nr. 4.2 der TA Lärm nur dann eine Prognose der Geräuschimmissionen erforderlich, soweit nicht aufgrund von Erfahrungswerten vergleichbarer Anlagen zu erwarten ist, dass der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche sichergestellt ist (vgl. VG Hannover, Beschl. v. 08.10.2021 - 12 B 5201/21 -, juris Rn. 53 m.w.N.). Von Letzterem kann hier ausgegangen werden.

c) Eine unzumutbare Gefahr von fremdgefährdendem Verhalten wird durch die genehmigte Nutzungsänderung ebenfalls nicht begründet. Die genehmigte Nutzung umfasst lediglich die Aufnahme von Personen, für die auf der Grundlage von § 1609 BGB wegen einer Eigengefährdung freiheitsentziehende Maßnahmen angeordnet werden können. Eine zwangsweise Unterbringung von Personen, bei denen die Gefahr einer Fremdgefährdung besteht, ist nicht vorgesehen. Die mögliche Gefahr individuellen Fehlverhaltens hat keine städtebaurechtliche Relevanz, sondern erfordert bei Bedarf eine Reaktion mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts. Bodenrechtliche Bedeutung haben nur solche Störungen, die typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Vorhabens auftreten, etwa weil sich die Bewohner einer solchen Einrichtung üblicherweise in dieser Weise verhalten (vgl. BayVGH, Beschl. v. 17.01.2022 - 9 ZB 20.18 - juris Rn. 17 m.w.N.; zu psychisch kranken Menschen BVerwG, Beschl. v. 06.12.2011 - 4 BN 20/11 -, juris Rn. 5 ff). Einen „Milieuschutz“ kann und soll das Bauplanungsrecht nicht gewährleisten (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 08.05.2019 - 1 LA 91/81 -, juris Rn. 31; BVerwG, Urt. v. 23.08.1996 - 4 C 13/94 -, juris Rn. 72). Dass desorientierte oder verhaltensauffällige Personen in ihrem Wohnumfeld typischerweise andere Personen gefährden, ist nicht erkennbar. Soweit die Antragstellerin anführt, es könne wegen des unkalkulierbaren Verhaltens der Bewohner des beschützenden Bereichs bei Ausritten von Kindern aus dem benachbarten Reitstall zu gefährlichen Schrecksituationen kommen, ist dies eine spekulative Annahme, für die es keine begründeten Anhaltspunkte gibt. Im Übrigen ist der Beigeladenen beizupflichten, dass Reiter ihre Pferde bei den unterschiedlichsten möglichen Schrecksituationen kontrollieren können müssen. Der Hinweis der Antragstellerin, es gebe im Plangebiet typischerweise keine Gartenzäune und -tore, impliziert, dass Bewohner des sozialpsychiatrischen Zentrums Grundstücke unerlaubt betreten könnten. Für ein solches Verhalten von Bewohnern einer sozialtherapeutischen Einrichtung liegen ebenfalls keine Hinweise vor. Im Übrigen ergäbe sich dadurch keine unzumutbare Gefährdung der Nachbarschaft, zumal diese sich durch das Errichten von Einfriedungen schützen kann. Soweit die Antragstellerin eine unzureichende Betreuung der Bewohner im beschützenden Bereich beanstandet, ist ihr entgegenzuhalten, dass das im Genehmigungsverfahren beteiligte Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie mit Schreiben vom 15.03.2019 mitgeteilt hat, dass gegen die geplante Nutzungsänderung aus heimaufsichtsrechtlicher Sicht keine Bedenken bestünden. Eine baurechtliche Relevanz käme diesem Vorbringen nach dem Vorstehenden des Weiteren nur dann zu, wenn von einer unzureichenden Betreuung auf ein üblicherweise auftretendes (Stör-)Verhalten geschlossen werden könnte. Hierfür fehlen abermals Anhaltspunkte.

d) Abschließend dringt die Antragstellerin auch mit ihrem Argument nicht durch, die Beigeladene hätte ihr Vorhaben in ein neugebautes Krankenhaus in einem Sondergebiet in der Samtgemeinde integrieren oder zumindest die Therapieräume in das Hauptgebäude legen können. Die Annahme, das Rücksichtnahmegebot könne allein deshalb verletzt sein, weil es einen aus der Sicht des Nachbarn günstigeren Standort für ein Vorhaben gebe, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verfehlt. Im Gegensatz zum Planfeststellungsrecht mit seiner aus dem Abwägungsgebot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eröffneten Alternativenprüfung ist die bebauungsrechtliche Prüfung an den Bauwunsch des Bauherrn gebunden; er allein bestimmt das Vorhaben, dessen Zulässigkeit - im Regelfall auf der Grundlage seines Bauantrags - von der Behörde zu prüfen ist. Maßgeblich ist allein die Intensität der Belastungen der Nachbarschaft im konkreten Fall; ergibt die Prüfung - wie hier -, dass die Belastungen an dem vom Bauherrn gewählten Standort für den Nachbarn im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbar sind, so muss der Nachbar die bauliche Anlage auch dann hinnehmen, wenn es einen besser geeigneten Alternativstandort gibt (vgl. VG Hannover, Beschl. v. 08.10.2021 - 12 B 5201/21 -, juris Rn. 57 m.w.N.).

C.

I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt und sich nach § 154 Abs. 3 VwGO damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.

II. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 17 Buchst. b und Nr. 7 Buchst. a der Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für ab dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren (BauR 2021, 1240). Der danach in der Hauptsache anzunehmende Wert von 20.000,- Euro ist im Hinblick auf das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.