Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 20.07.2022, Az.: 4 B 3866/21
Baugrenze; bauliche Anlage; Beseitigungsanordnung; Lagerplatz; Nutzungsuntersagung; Rechtschutzbedürfnis Eilantrag
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 20.07.2022
- Aktenzeichen
- 4 B 3866/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59906
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs 3 BauNVO
- § 23 Abs 5 BauNVO
- § 2 Abs 1 S 2 Nr 2 BauO ND 2012
- § 79 Abs 1 BauO ND 2012
- § 79 Abs 1 S 2 Nr 4 BauO ND 2012
- § 79 Abs 1 S 2 Nr 5 BauO ND 2012
- § 80 Abs 5 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bei freiwilliger Befolgung der Beseitigungsanordnung.
2. Ein Lagerplatz im baurechtlichen Sinne liegt auch dann vor, wenn auf der Fläche Lagergut - hier: Obst- und Gemüsepaletten einschließlich eines Schirmes - nur zu den Geschäftszeiten aufgestellt wird.
3. Materielle Baurechtswidrigkeit bei Überschreiten der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen.
4. Ermessen der Behörde bei Wahl der bauaufsichtlichen Maßnahmen (hier: Verhältnis zwischen Beseitigungsanordnung und Nutzungsuntersagung).
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine bauaufsichtliche Anordnung der Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks D. in E.. Das Grundstück grenzt an der östlichen Seite an die F. Straße und ist im südlichen Teil mit einem zweigeschossigen Gebäude bebaut. Im nördlichen Teil befindet sich ein Kundenparkplatz, der mehrere Einstellplätze umfasst. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans G., rechtskräftig seit dem 12. April 1973. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans umfasst den Bereich zwischen der F. Straße und H. straße und in südlicher Richtung noch die Bebauung südlich der I. straße. Er setzt für das Grundstück des Antragstellers ein Mischgebiet sowie ein Baufenster mittels Baugrenzen fest, welches den südlichen Teil des Grundstücks nahezu ausfüllt und durch das Gebäude fast vollständig ausgenutzt ist. Das Gebäude grenzt in nördlicher und westlicher Richtung nahezu an die Baugrenzen und befindet sich – wohl aufgrund einer Messungenauigkeit – in östlicher Richtung leicht außerhalb des Baufensters. In südlicher Richtung bzw. an der südlichen Grundstücksgrenze findet sich innerhalb des Baufensters ein Streifen ohne Bebauung.
Der Antragsteller betreibt im Erdgeschoss des Gebäudes einen Supermarkt für Lebensmittel J.). Dafür erteilte die Antragsgegnerin am 13. Februar 1990 eine Baugenehmigung, mit der eine an die nördliche Seite des Gebäudes angrenzende Anlieferfläche außerhalb des Baufensters genehmigt wurde. Die Antragsgegnerin führte bereits mehrere bauaufsichtliche Verfahren gegen den Antragsteller wegen auf dem Grundstück errichteter baulicher Anlagen (u.a. freistehende bzw. angebaute Kühlhäuser und eine Überdachung), die auch Gegenstand gerichtlicher Verfahren waren bzw. sind. Bei Ortsbesichtigungen stellte die Antragsgegnerin sodann fest, dass auf der nördlichen Seite des Gebäudes neben dem Haupteingang der Antragsteller eine Fläche nutzt, um dort Waren zum Verkauf aufzustellen. Auf dieser Fläche stehen tagsüber Obst- und Gemüsepaletten; die Verkaufsfläche wird teilweise von einem (Sonnen-)Schirm vor Witterungseinflüssen geschützt. Nach Geschäftsschluss werden die Obst- und Gemüsepaletten sowie der Schirm abgebaut und von der Fläche entfernt. Zudem stellte der Antragsteller im nordwestlichen Grundstücksbereich an die Stelle eines ehemaligen, aufgrund einer bauordnungsrechtlichen Verfügung beseitigten Kühlraums dauerhaft einen LKW ab, den er als Kühlraum für seinen Lebensmittelmarkt nutzte.
Mit Schreiben vom 9. März 2021 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller nach § 79 Abs. 4 der Nds. Bauordnung (im Folgenden: NBauO) bezüglich einer beabsichtigten Beseitigung der Verkaufsfläche für Obst und Gemüse sowie des LKW an. Daraufhin äußerte sich der Antragsteller mit E-Mail vom 26. März 2021 und trug vor, dass hinsichtlich des Lagerplatzes zum Verkauf von Obst und Gemüse ein vorübergehender Stand aufgebaut worden sei, um geringe Mengen Obst und Gemüse anzubieten. Der Stand werde mit einem vorübergehenden Sonnenschirm abgeschirmt. Das Obst und Gemüse als auch der Schirm würden jeden Tag eingeräumt werden, sodass es sich nicht um eine dauerhafte Lagerfläche handele. Der LKW sei zudem nur vorübergehend aufgestellt und permanent in Benutzung und Bewegung.
Mit Bescheid vom 21. April 2021 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller bis zum 18. Juni 2021 die Beseitigung des an der nördlichen Seite des Hauptgebäudes neben dem Haupteingang errichteten dauerhaften Lagerplatzes für den täglichen Verkauf von Obst und Gemüse inklusive des dazugehörigen (Sonnen-)Schirms (Ziff. 1 des Bescheides) sowie die Beseitigung des dauerhaft abgestellten LKW im nordwestlichen Grundstücksbereich (Ziff. 2 des Bescheides) auf, ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an (Ziff. 3 des Bescheides), drohte für den Fall der nicht fristgerechten Durchführung der Maßnahmen Zwangsgelder in Höhe von 5.500,00 € (hinsichtlich des Lagerplatzes) und 5.000,00 € (hinsichtlich des LKW) an (Ziff. 4 des Bescheides) und legte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf (Ziff. 5 des Bescheides). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass es sich bei dem täglich wiederholt aufgestellten Verkaufsstand um einen Lagerplatz und damit um eine bauliche Anlage handele. Der Begriff des Lagerplatzes sei weit auszulegen und umfasse auch Flächen, auf denen dauerhaft Gegenstände gelagert, abgestellt oder abgelegt würden. Dabei genüge das ständige wiederholte Aufstellen. Bei dem täglichen Aufstellen des Obstes und Gemüses zum Verkauf vor dem Haupteingang sei angesichts des Fortsetzungszusammenhangs von einer hinreichenden Verfestigung auszugehen. Die Nutzung als Lagerplatz sei formell und materiell rechtswidrig. Der Verkaufsstand führe zu einer Erweiterung der genehmigten Verkaufsfläche, die insoweit eine genehmigungsbedürftige Änderung darstelle. Der Lagerplatz sei materiell baurechtswidrig, weil er außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen liege und diese nicht nur in geringfügigem Maße, sondern vollständig überschreite. Eine Zulassung gemäß § 23 Abs. 5 der Baunutzungsverordnung (im Folgenden: BauNVO) komme nicht in Betracht, da weder funktional noch optisch eine nebensächliche Bedeutung gegeben sei. Auch eine Befreiung komme nicht in Betracht, da damit die Grundzüge der Planung berührt werden würden. Nach Ermessensausübung sei eine Beseitigung des dauerhaften Lagerplatzes für den täglichen Verkauf von Obst und Gemüse geboten. Das für den Sofortvollzug erforderliche besondere Vollzugsinteresse sei ebenfalls gegeben. Der Grundsatz, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung bei bauordnungsrechtlichen Beseitigungsverfügungen für den Betroffenen durch die drohenden erheblichen wirtschaftlichen Nachteile regelmäßig schwerer wiege als die Nachteile, die mit dem vorläufigen weiteren Bestand von baulichen Anlagen für die öffentlichen Belange verbunden seien, gelte nicht uneingeschränkt. Von dem Lagerplatz zum täglichen Verkauf von Obst und Gemüse gehe eine negative Vorbildwirkung aus, da das Grundstück von der stark befahrenen Hildesheimer Straße nicht nur für Kunden, sondern auch für Passanten und andere Anlieger gut sichtbar sei. Ferner könnten andere Gewerbetreibende entlang der Hildesheimer Straße dazu verleitet werden, die begrenzten Gewerbeflächen auf vergleichbare Weise zu erweitern. Dies habe das Verwaltungsgericht Hannover bereits mit seinem Beschluss vom 30. Januar 2020 – 4 B 4827/19 – bestätigt und darin auch festgestellt, dass der Antragsteller als notorischer Schwarzbauer im Sinne der Rechtsprechung bezeichnet werden könne. Nach mehreren bauordnungsrechtlichen Verfahren habe er mit der Errichtung des Lagerplatzes sowie dem Aufstellen des LKW erneut baurechtswidrige Zustände auf seinem Grundstück geschaffen. Mit seinem bisherigen Vorgehen demonstriere er, dass ihm an einer Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften nicht gelegen sei und der wirtschaftliche Anreiz einer rechtswidrigen Nutzung zumindest für die Verfahrensdauer die mit diesem Verfahren verbundenen Risiken für ihn überwiegen würde. Zudem sei die Beseitigung des Lagerplatzes ohne Substanzverletzung möglich.
Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller am 11. Mai 2021 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Am 21. Mai 2021 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und am 25. Mai 2021 Klage erhoben (Az.: 4 A 3888/21), über die noch nicht entschieden ist. Den LKW hat der Antragsteller am 17. Juni 2021 vom Grundstück entfernt. Im Dezember 2021 hat er erneut einen LKW zu Lagerzwecken an einem anderen Ort auf dem Grundstück, namentlich an der westlichen Gebäudeseite, aufgestellt, weswegen von der Antragsgegnerin eine Anhörung wegen baurechtswidriger Zustände vorbereitet wird.
Zur Antragsbegründung führt er hinsichtlich der Obst- und Gemüsepaletten einschließlich des Schirmes aus, dass es sich dabei nicht um eine bauliche Anlage handele. Dies sei schon nach dem Wortsinn auszuschließen. Die Paletten und der Schirm würden keine Anlage darstellen, die auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich oder dazu bestimmt sei, vorwiegend ortsfest benutzt zu werden. Auch seien die Paletten nicht fest mit dem Erdboden verbunden. Das Obst, das feilgeboten werde, würde zudem nur einen sehr geringen Platz von der Gesamtfläche einnehmen.
Ferner gebe es keine Gründe für eine Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Hinsichtlich des bereits beseitigten LKW werde eine Erledigungserklärung nicht abgegeben, da es sich für ihn um eine grundsätzliche Frage mit Klärungsinteresse handele.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 11. Mai 2021 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid, wiederholt diese im Wesentlichen und führt ergänzend an, dass der Verkaufsstand ein Lagerplatz nach der NBauO sei. Eine bauliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 NBauO müsse nicht zwingend mit dem Erdboden verbunden sein, sondern könne auch nur kraft ihrer Schwere mit dem Boden verbunden sein, selbst wenn sie sich nicht zerlegt abheben oder fortbewegen lasse. Zudem sei von einer Fiktion nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NBauO auszugehen, wovon auch Lagerplätze ausdrücklich erfasst seien. Solche Lagerplätze würden oft nicht aus Bauprodukten hergestellt werden, sodass sie nicht unter die allgemeine Begriffsbestimmung aus Satz 1, jedoch ausdrücklich der Fiktion in Satz 2 unterfallen würden. Aufgrund des täglichen und sich ständig wiederholten Aufstellens von Obst und Gemüse zum Verkauf werde von einer hinreichenden Verfestigung und somit von einem Lagerplatz ausgegangen.
Die Beseitigung des Lagerplatzes sei angezeigt, weil nur damit eine endgültige, restlose und permanente Beseitigung der entsprechenden Paletten und der baulichen Anlage „Lagerplatz“ erreicht werde. Ein abendliches, vorübergehendes Wegräumen ändere nichts an dem täglichen baurechtswidrigen Zustand, der durch die wiederholte Aufstellung verursacht werde.
Ein Anspruch auf Zulassung gemäß § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO bestehe nicht. Zwar sei der Lagerplatz nicht abstandspflichtig, jedoch würden für einen Anspruch die Voraussetzungen einer Ermessensreduktion auf Null nicht vorliegen. Bei einer Zulassung des Verkaufsplatzes außerhalb der Baugrenzen werde das öffentliche Interesse an einer sinnvollen Verkehrsführung – u.a. die Zufahrt zum Grundstück sowie die Anlieferung für den Lebensmittelmarkt – berührt, da die Fläche des Parkplatzes mit dem Lagerplatz um ca. 20 m² eingeschränkt werde. Der freie Bereich vor der Hauptnutzung solle u.a. der Anlieferung sowie der Verbesserung der Verkehrsführung dienen und Rückstaubildungen auf der Hildesheimer Straße verhindern. Der nicht überbaubaren Fläche komme zudem eine städtebauliche Funktion zu. Sie diene als akustischer und optischer Puffer im Mischgebiet, wie das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in einem früheren Verfahren des Antragstellers bereits im Beschluss vom 15. März 2018 – 1 LA 75/17 – festgestellt habe. Außerdem beeinträchtige eine Überschreitung wesentlich einen Grundzug der Planung, da insbesondere auf dem Grundstück des Antragstellers die Festlegung der überbaubaren Fläche Ausdruck der planerischen Grundkonzeption des Bebauungsplans sei, wie bereits das Verwaltungsgericht Hannover in seiner Entscheidung vom 30. März 2017 – 4 A 4984/16 – und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 15. März 2018 – 1 LA 75/17 – festgestellt habe. Auch der Grundsatz der Gleichbehandlung spreche gegen eine Zulassung außerhalb der Baugrenze, da andere Lebensmittelgeschäfte im Gebiet der Antragsgegnerin Verkaufsflächen lediglich innerhalb der Baugrenzen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
1. Er ist nur teilweise zulässig.
Zwar ist der Antrag hinsichtlich der Beseitigungsverfügungen in Ziff. 1 und 2 des Bescheides als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (im Folgenden: VwGO), hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Ziff. 4 und der Kostengrundentscheidung in Ziff. 5 des Bescheides als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Der lediglich auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Antrag des Antragstellers wird nach §§ 88, 122 VwGO derart ausgelegt, dass sich das Begehren auf den gesamten streitgegenständlichen Bescheid bezieht.
Soweit der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes jedoch auf die Beseitigung des LKW in Ziff. 2 des Bescheides zielt, fehlt das Rechtschutzbedürfnis. Das Rechtschutzbedürfnis ist – abgesehen von einigen prozessualen Besonderheiten – (nur) gegeben, wenn die gerichtliche Anordnung oder (Wieder-)Herstellung der aufschiebenden Wirkung dem Antragsteller einen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringt (siehe dazu: Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 42. EL 2022, VwGO § 80 Rn. 493 m. w. N.). Der Antragsteller hat den LKW jedoch vor Ablauf der im Bescheid gesetzten Frist vom Grundstück freiwillig entfernt und ist damit der Beseitigungsanordnung nachgekommen. Mit diesem eigenen Willensentschluss fehlt es jedenfalls dem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an der Möglichkeit einer rechtlichen oder tatsächlichen Verbesserung durch eine gerichtliche Entscheidung (vgl. VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 13.07.2007 – 7 L 170/07 –, Rn. 5, juris). Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller im Dezember 2021 erneut einen LKW auf seinem Grundstück abgestellt hat. Denn er hat den LKW ausweislich der Lageskizze der Antragsgegnerin (Bl. 149 der Gerichtsakte) an einem anderen Ort aufgestellt. Der in der Beseitigungsanordnung in Ziff. 2 des Bescheides bezeichnete LKW stand im nordwestlichen Grundstücksbereich an der Stelle, an welcher sich bis September 2020 das inzwischen beseitigte Kühlhaus 1 befunden hat. Diese genaue Ortsbeschreibung findet sich auch im Tenor in Ziff. 2 des Bescheides. Den im Dezember 2021 aufgestellten LKW hat der Antragsteller jedoch an der westlichen Seite des Supermarktgebäudes und damit nicht an dem in Ziff. 2 des Bescheides bezeichneten Ort aufgestellt. Insoweit ist der nunmehr aufgestellte LKW bereits aufgrund seines abweichenden Aufstellungsortes nicht von der Beseitigungsanordnung in Ziff. 2 des Bescheides erfasst. Zudem weist der zuletzt aufgestellte LKW einen anderen baurechtlich zu beurteilenden Charakter auf. Der im streitgegenständlichen Bescheid bezeichnete LKW wurde vom Antragsteller zu Kühlzwecken aufgestellt, wovon – ausweislich der Nachbarbeschwerden (siehe Bl. 37 ff., 73 ff. BA001) – aufgrund des Kühlaggregates (auch) ständige Geräusche ausgingen. Den nunmehr aufgestellten LKW nutzt der Antragsteller – ausweislich der Angaben der Antragsgegnerin – hingegen nur als Lagerraum. Daraus wird bereits der anders einzustufende baurechtliche Charakter ersichtlich. Davon geht offensichtlich auch die Antragsgegnerin aus, indem sie angibt, dass wegen des neu aufgestellten LKW eine Anhörung wegen baurechtswidriger Zustände in Vorbereitung ist. Dies impliziert, dass sie ein eigenständiges bauaufsichtliches Verfahren angestoßen hat und den nunmehr aufgestellten LKW nicht als von der Beseitigungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid umfasst ansieht. Sowohl aus dem abweichenden Aufstellungsort als auch aus dem anderen baurechtlichen Charakter und dem eigenständigen bauaufsichtlichem Verfahren bestätigt sich vielmehr, dass der Antragsteller mit dem vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil mehr erlangen kann. Da sich die Beseitigungsanordnung insofern aber wohl nicht erledigt haben dürfte, kommt eine vom Antragsteller begehrte grundsätzliche Klärung lediglich im Hauptsachverfahren in Betracht. Auch für die Androhung des Zwangsgeldes i.H.v. 5.000 € hinsichtlich des LKW in Ziff. 4 des Bescheides fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da eine Festsetzung des Zwangsgeldes bei Befolgung nicht mehr droht und insoweit ebenfalls kein rechtlicher oder tatsächlicher Vorteil mit der gerichtlichen Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erlangt werden kann (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 10.08.2020 – 12 LB 64/20 –, Rn. 20, juris; VGH München, Beschl. v. 25.10.2019 – 11 CS 19.1577 –, Rn. 13, juris; Beschl. v. 26.04.2012 – 11 CS 12.650 –, Rn. 13, juris; VG Göttingen, Beschl. v. 23.07.2012 – 1 B 121/12 –, Rn. 6, juris).
2. Der im Übrigen zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist in der Sache unbegründet.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist nur dann begründet, wenn im Rahmen einer Abwägung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes überwiegt. Bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist der Antrag darüber hinaus auch dann begründet, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.06.1988 – 4 C 1/88 –, Rn. 15, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.05.2010 – 13 ME 181/09 –, Rn. 3 f., juris; Beschl. v. 05.03.2008 – 7 MS 115/07 –, Rn. 25 ff., juris). Vorliegend erweist sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 21. April 2021 als rechtmäßig (a.). Auch die weiter vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus (b.).
a. Im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit einer Vollziehungsanordnung ist neben der Zuständigkeit insbesondere auf das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO abzustellen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 05.03.2008 – 7 MS 115/07 –, Rn. 26, juris). Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Dieses besondere öffentliche Interesse muss in der Regel über das Interesse, welches dem Verwaltungsakt zugrunde liegt, hinausgehen. Die Behörde darf sich daher nicht auf formelhafte Wendungen beschränken (OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.10.2004 – 1 ME 205/04 –, Rn. 24, juris). Vielmehr ist für eine hinreichende schriftliche Begründung eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses für die ausnahmsweise sofortige Vollziehbarkeit notwendig (OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.5.2010 – 13 ME 181/09 –, Rn. 3, juris; Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 42. EL 2022, VwGO § 80 Rn. 247).
Diesen Anforderungen genügt die Anordnung des Sofortvollzuges in dem streitgegenständlichen Bescheid. Die Antragsgegnerin stützt den Sofortvollzug auf eine negative Vorbildwirkung ausgehend von den Obst- und Gemüsepaletten, auf eine Verleitung anderer Gewerbetreibende entlang der F. Straße, die begrenzten Gewerbeflächen auf vergleichbare Weise zu erweitern, sowie auf das bisherige Verhalten des Antragstellers, welches ihn als notorischen Schwarzbauer erkennen lasse und die Nichteinhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften sowie den überwiegenden wirtschaftlichen Anreiz einer rechtswidrigen Nutzung zumindest für die Verfahrensdauer demonstriere. Des Weiteren stellt die Antragsgegnerin darauf ab, dass die Beseitigung der Obst- und Gemüsepaletten ohne Substanzverletzung möglich sei. Mit dieser Begründung geht sie über die Argumente für die Beseitigung der Obst- und Gemüsepaletten (einschließlich des Schirmes) aus der Entscheidung in Ziff. 1 des Bescheides hinaus. Ob diese Gründe tatsächlich vorliegen, ist im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzuges nicht zu prüfen. Diese Frage kann sich nur bei der in materieller Hinsicht vorzunehmenden Interessenabwägung auswirken (siehe OVG Bautzen, Beschl. v. 05.08.2011 – 2 B 259/10 –, Rn. 7 m. w. N., juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.05.2010 – 13 ME 181/09 –, Rn. 3, juris).
b. Bei der im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO weiter vorzunehmenden Abwägung der gegenläufigen Interessen, ist entscheidend, ob das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. seines Widerspruchs oder das Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides überwiegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.02.2017 – 9 VR 2/16 –, Rn. 2, juris). Dies beurteilt sich maßgeblich nach den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2014 – 7 VR 1/14 –, Rn. 10, juris). Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung ist in der Regel gegeben, wenn sich im Rahmen einer summarischen Prüfung ergibt, dass der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Sollte der Verwaltungsakt hingegen offensichtlich rechtmäßig sein und ist ein besonderes Vollzugsinteresse gegeben, hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig keinen Erfolg (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 17.01.2017 – 2 BvR 2013/16 –, Rn. 18, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.05.2010 – 13 ME 181/09 –, Rn. 4, juris).
Nach summarischer Prüfung fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus, denn der Bescheid der Antragsgegnerin hinsichtlich der für den Verkauf zu den Öffnungszeiten aufgestellten Obst- und Gemüsepaletten (einschließlich des Schirmes) ist aller Voraussicht nach rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die diesbezügliche Beseitigungsanordnung in Ziff. 1 des Bescheides ist § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO. Hiernach kann die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlichen Maßnahmen anordnen, wenn bauliche Anlagen oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist. Nach Satz 2 Nr. 4 dieser Vorschrift kann die Behörde dabei auch die Beseitigung von Anlagen anordnen.
Entgegen den Einwänden des Antragstellers sind die Obst- und Gemüsepaletten (einschließlich des Schirmes) als bauliche Anlage einzustufen. Ob es sich dabei um eine mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende, aus Bauprodukten hergestellte Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 NBauO handelt, kann offenbleiben. Denn vorliegend kann eine einer solchen Anlage gleichgestellte Fiktion nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NBauO, namentlich ein Lagerplatz nach Nr. 2 (Nr. 8 a. F.), angenommen werden.
Der Begriff des Lagerplatzes ist weit auszulegen und umfasst Grundstücksflächen, auf denen dauerhaft Gegenstände gelagert, abgelegt oder abgestellt werden, unabhängig zu welchem Zweck dies geschieht (Mann in: Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 10. Auflage 2020, NBauO § 2 Rn. 28 unter Bezugnahme auf die Rspr. des BVerwG). Ein Lagerplatz kann schon dadurch entstehen, dass jemand eine im Freien gelegene Fläche, über die er verfügt, zum Abstellen, Ablegen oder Ausstellen von Sachen in Gebrauch nimmt (vgl. VGH München, Beschl. v. 04.05.2020 – 9 ZB 18.2339 –, Rn. 14, juris; Mann in: Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 10. Auflage 2020, NBauO § 2 Rn. 28). Zwar führt nicht jedes Abstellen von Gegenständen auf einem Grundstück zur Annahme eines Lagerplatzes im baurechtlichen Sinne. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die Nutzung in zeitlicher Hinsicht so verfestigt, dass sie die Grundstückssituation prägt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.06.2022 – 1 ME 38/22 –, Rn. 11, juris mit Bezugnahme auf die Rspr. zu § 29 BauGB des BVerwG, Beschl. v. 29.06.1999 – 4 B 44/99 –, Rn. 7, juris). Eine unabsehbare Dauer ist hingegen nicht erforderlich; wie auch sonst können auch befristet konzipierte Nutzungen baurechtliche Relevanz erlangen. Wann nach diesen Maßstäben die erforderliche Verfestigung erreicht ist, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Während das befristete Abstellen einzelner Gegenstände von überschaubarer Größe auch über verhältnismäßig lange Zeiträume einem Grundstück noch nicht das Gepräge eines Lagerplatzes gibt, ist bei größeren Materialmengen ein strengerer Maßstab anzulegen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.06.2022 – 1 ME 38/22 –, Rn. 11, juris; Beschl. v. 26.01.2022 – 1 ME 119/21 –, Rn. 7, juris).
Diesen Maßstab zugrundlegend ist vorliegend von einem Lagerplatz als bauliche Anlage i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NBauO auszugehen. Zwar werden die Obst- und Gemüsepaletten und der Schirm nach dem Vortrag des Antragstellers nur zu den Öffnungszeiten des Supermarktes aufgestellt und nach Geschäftsschluss entfernt. Dieses lediglich mehrstündige Aufstellen kann zwar nicht als eine dauerhafte Lagerung in dem Sinne angesehen werden, dass die Gegenstände dort über einen längeren Zeitraum verbleiben. Dennoch ist für den konkreten Einzelfall von einer zeitlichen Verfestigung, die die Grundstückssituation prägt, auszugehen. Denn einerseits wird die Fläche, auf die der Antragsteller die Paletten aufstellt, unstreitig täglich zu den Öffnungszeiten und damit stetig wiederkehrend als erweiterte Verkaufsfläche genutzt. Anderseits umfasst die Fläche – dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin folgend – ca. 20 m2 und weist damit eine nicht nur geringfügige Größe auf, wodurch der Eindruck einer Fläche mit eigenständigen Gewicht vermittelt wird. Letzteres wird auch durch die bei dem Ortstermin der Antragsgegnerin angefertigten und vom Antragsteller selbst zur Verfügung gestellten Fotos ersichtlich (siehe Bl. 2 und Bl. 70 BA001). Aus Sicht eines objektiven Dritten wird der Eindruck geschaffen, dass durch das wiederkehrende Aufstellen während der Öffnungszeiten die Fläche dem Antragsteller als erweiterte Verkaufsfläche dient. Die dadurch erzeugte Verfestigung der Fläche weist insoweit einen prägenden Charakter in Bezug auf das Grundstück des Antragstellers auf.
Diese als Lagerplatz zu qualifizierende Verkaufsfläche mit den Obst- und Gemüsepaletten einschließlich des Schirmes ist ohne die nach § 59 Abs. 1 NBauO erforderliche Baugenehmigung errichtet worden und damit formell illegal.
Der Lagerplatz ist nach § 59 NBauO genehmigungspflichtig, da sich aus den §§ 60 bis 62, 74 und 75 NBauO im vorliegenden Fall nichts Gegenteiliges ergibt. Insbesondere liegt keine verfahrensfreie Baumaßnahme i.S.v. § 60 Abs. 1 i.V.m. Ziff. 14.11 der Anlage der NBauO vor, da der Antragsteller die Fläche weder für die Anzucht oder den Handel mit Pflanzen oder Pflanzenteilen noch für einen land- oder forstwirtschaftlichen oder der gartenbaulichen Erzeugung dienenden Betrieb nutzt.
Eine insoweit erforderliche Baugenehmigung liegt aber nicht vor. Zwar umfasst die Baugenehmigung für das Gebäude vom 13. Februar 1990 eine an die nördliche Seite des Gebäudes angrenzende Anlieferfläche. Davon ist jedoch keine Erweiterung der Verkaufsfläche bzw. kein Lagerplatz erfasst, sodass – wovon die Beteiligten auch übereinstimmend ausgehen – eine Baugenehmigung nicht gegeben ist.
Auch stellt sich der Lagerplatz als materiell illegal dar.
Zwar setzt eine nach § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NBauO erlassene Beseitigungsanordnung neben der formellen Baurechtswidrigkeit der Anlage die grundsätzlich auch zu bejahende materielle Baurechtswidrigkeit dann nicht voraus, soweit die Beseitigung ohne einen (wesentlichen) Eingriff in die Substanz erfolgen kann (siehe OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.05.2020 – 1 LA 150/18 –, Rn. 6 m. w. N., juris). Vorliegend kann zwar ein solch fehlender Eingriff in die Substanz angenommen werden. Dies wird bereits daraus ersichtlich, dass der Antragsteller die Obst- und Gemüsepaletten sowie den Schirm nach eigenem Vortrag täglich nach Geschäftsschluss abbaut und bei Wiederöffnung des Supermarktes wiederaufbaut. Dass er die Fläche, auf die er die Paletten und den Schirm aufbaut, baulich derart verändert hätte, dass er beim Befolgen der Beseitigungsanordnung substanzeingreifend zurückbauen o. ä. müsste, ist weder vorgetragen noch aus den in dem Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos (siehe Bl. 1 ff. und 70 BA001) ersichtlich. Die genutzte Fläche ist nicht besonders beschaffen, vielmehr einheitlich mit der restlichen Freifläche vor dem Supermarkt (einschließlich der Einstellplätze) gepflastert und auch nicht in anderer Art und Weise hervorgehoben. Trotz fehlendem Substanzeingriff muss vorliegend dennoch die materielle Baurechtswidrigkeit für die Rechtmäßigkeit der Beseitigungsanordnung bejaht werden können, da die Antragsgegnerin diese im streitgegenständlichen Bescheid ausdrücklich geprüft und damit zum Gegenstand gerichtlicher Überprüfung gemacht hat (siehe OVG Lüneburg, Beschl. v. 11.05.2015 – 1 ME 31/15 –, Rn. 16, juris; Beschl. v. 16.10.2006 – 1 ME 171/06 –, Rn. 12 f., juris).
Der Lagerplatz ist als materiell bauchrechtswidrig einzustufen. Er verstößt gegen die bauplanungsrechtlich festgesetzte Baugrenze.
Zunächst ist der Lagerplatz auch bauplanungsrechtlich als bauliches Vorhaben i.S.v. von § 29 Abs. 1 des Baugesetzbuches (im Folgenden: BauGB), namentlich als Lagerstätte, einzustufen. Insoweit ist für den Begriff der Lagerstätte nach § 29 Abs. 1 BauGB der identische Maßstab wie für den Lagerplatz im Sinne der NBauO anzuwenden (siehe obige Rspr. des OVG Lüneburg für die Begriffsbestimmung des Lagerplatzes nach der NBauO, die auf der Rspr. des BVerwG, Beschl. v. 29.06.1999 – 4 B 44/99 –, Rn. 7, juris, fußt), sodass die Obst- und Gemüsepaletten sowie der Schirm aufgrund der zeitigen Verfestigung die Grundstücksituation prägt.
Die Zulässigkeit dieses bauplanungsrechtlichen Vorhabens richtet sich nach § 30 Abs. 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes zulässig, wenn es den Festsetzungen über die Art, das Maß, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen nicht widerspricht (sog. qualifizierter Bebauungsplan).
Das Grundstück des Antragstellers liegt im räumlichen Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans K.. Der Lagerplatz widerspricht der in dem Bebauungsplan gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BauNVO getroffenen Festsetzung über die überbaubare Grundstücksfläche mittels Baugrenzen. Durch die im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen im Bebauungsplan liegt für das Grundstück des Antragstellers ein rechteckiges Baufenster im mittleren bis südlichen Bereich vor, welches nahezu vollständig von dem Baukörper des Supermarktes ausgefüllt wird. Lediglich im südlichen Teil des Baufensters, welches zugleich den südlichen Teil des Grundstücks darstellt, wurde das Baufenster nicht bebaut. Der nördlich dem Supermarkgebäude befindliche Lagerplatz, auf dem die Obst- und Gemüsepaletten und der Schirm aufgebaut werden, liegt ausweislich der Skizze der Antragsgegnerin (Bl. 74 der Gerichtsakte) unzweideutig außerhalb des Baufensters und verstößt damit gegen § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO.
Diese Überschreitung der Baugrenze ist auch nicht zuzulassen, weder nach § 23 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 3 BauNVO noch nach § 23 Abs. 5 BauNVO.
Eine Zulassung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO setzt ein Vortreten von Gebäude- oder Anlagenteilen (siehe zur Erstreckung über den Wortlaut hinaus auch auf Anlagenteile: Blechschmidt in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 144. EL 2021, BauNVO § 23 Rn. 40) in geringfügigem Ausmaß voraus. Für die Annahme einer Geringfügigkeit darf das Ausmaß gegenüber dem Gesamtbauvorhaben nicht nennenswert ins Gewicht fallen. Ein absolutes Maß für die Bestimmung der Geringfügigkeit einer Überschreitung gibt es nicht. Erforderlich ist eine Würdigung des Einzelfalls (Hornmann in: Spannowsky/Hornmann/Kämper BeckOK BauNVO, 29. Edition 2022, § 23 Rn. 55 i.V.m. Rn. 46). Dem Gesetzeszweck läuft es dabei zuwider, wenn Vorbauten in ihrer Funktion und ihrem Zweck dazu dienen, den Baukörper auszudehnen und damit zusätzliche Wohn- oder Nutzfläche zu schaffen (siehe VGH Kassel, Beschl. v. 12.10.1995 – 4 TG 2941/95 – Ls. 4, juris; VG Hannover, Beschl. v. 30.01.2020 – 4 B 4827/19 –, n. v.). Diesen Maßstab zugrunde legend ist der Lagerplatz mit den Obst- und Gemüsepaletten nicht als geringfügig einzustufen, denn er dient vordergründig der Erweiterung der Verkaufsfläche des Supermarktes und damit der Nutzfläche des Hauptgebäudes.
Auch eine Zulassung nach § 23 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 BauNVO ist nicht einschlägig, da im maßgeblichen Bebauungsplan keine Ausnahme von der Überschreitung der Baugrenze vorgesehen ist.
Ebenso ist der Lagerplatz nicht nach § 23 Abs. 5 BauNVO zuzulassen. Es kann offenbleiben, ob es sich bei diesem um eine für Satz 1 vorausgesetzte Nebenanlage i.S.v. § 14 BauNVO handelt, was wegen der Erweiterung der Verkaufsfläche bereits anzuzweifeln ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2017 – 4 C 9/16 –, Rn. 10, juris). Eine Zulassung scheitert jedenfalls daran, dass kein Anspruch darauf besteht. Sowohl Satz 1 als auch Satz 2 von § 23 Abs. 5 BauNVO erfordern für die zu prüfende Genehmigungsfähigkeit, dass sich das darin enthaltene behördliche Ermessen auf Null reduziert hat, damit ein Rechtsanspruch auf Zulassung außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche besteht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Eine Ermessensreduktion ist nur anzunehmen, wenn öffentliche Belange und nachbarliche Interessen unter keinem Gesichtspunkt beeinträchtigt werden (jeweils m. w. N.: Blechschmidt in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 144. EL 2021, BauNVO § 23 Rn. 48; Hornmann in: Spannowsky/Hornmann/Kämper BeckOK BauNVO, 29. Edition 2022, § 23 Rn. 65).
Vorliegend stehen jedoch öffentliche Belange entgegen. Wie die Antragsgegnerin zutreffend anführt, berührt die Überschreitung der Baugrenze einen Grundzug der Planung. Sowohl das beschließende Gericht als auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht haben in einem vorherigen bauaufsichtlichen Verfahren des Antragstellers zu den in dem Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen bereits festgestellt, dass diese ganz wesentlich den Gebietscharakter bestimmen und mehrere städtebauliche Ziele aufweisen – namentlich eine Abgrenzung zur F. Straße sowie die Gewährleistung des erforderlichen Rhythmus im Mischgebiet in Form des gleichgeordneten Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe, wozu die nicht überbaubaren Bereiche als optischer und akustischer Puffer dienen; aus dem Bebauungsplan folgt daher die Einschätzung, die nicht überbaubaren Bereiche desto weniger für bauliche Zwecke in Anspruch nehmen zu dürfen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.03.2018 – 1 LA 75/17 –, n. v.; VG Hannover, Urt. v. 30.03.2017 – 4 A 4984/16 –, n. v.). Nach diesen Feststellungen widerspricht der Lagerplatz außerhalb des überbaubaren Bereichs den im Bebauungsplan niedergelegten Grundzügen, was einen Anspruch auf eine Zulassung nach § 23 Abs. 5 BauNVO ausschließt.
Die Antragsgegnerin hat auch das ihr nach § 79 Abs. 1 NBauO eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
Soweit zwar im vorliegenden Einzelfall die von der Antragsgegnerin erlassene Beseitigungsanordnung nach § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NBauO jedenfalls zu dem Zeitpunkt ins Leere laufen könnte, in dem außerhalb der Geschäftszeiten die Obst- und Gemüsepaletten (einschließlich des Schirmes) nicht aufgestellt sind, führt dies nicht dazu, dass z. B. eine Nutzungsuntersagung nach § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NBauO zielführender gewesen wäre.
Denn einerseits ist die Verkaufsfläche auch dann noch als Lagerplatz zu qualifizieren, wenn nach Geschäftsschluss die Paletten und der Schirm weggeräumt wurden. Da bei einem Lagerplatz auch regelmäßig wechselndes Gut lagern kann, ohne dass dadurch die Einstufung als Lagerplatz abgesprochen werden würde (siehe BVerwG, Beschl. v. 29.06.1999 – 4 B 44/99 –, Rn. 7, juris, für eine Lagerstätte bei einem Ausstellungsplatz von wechselnden aufgestellten Maschinen und Gerätschaften sowie die vorinstanzlichen Entscheidungen VGH München, Beschl. v. 18.02.1999 – 1 B 97.804 –, Rn. 16, juris, und VG München, Urt. v. 10.12.1996 – M 1 K 95.2485 –, Rn. 36, juris, welche insoweit eine Lagerstätte angenommen haben, wenn dort zeitweise auch keine Maschinen aufgestellt wurden), ist ein Lagerplatz nach der Gesamtbetrachtung als eine (dauerhafte) bauliche Anlage einzustufen, auch wenn dort zu gewissen Zeitpunkten kein Gut lagert.
Andererseits geht von der vorliegenden Beseitigungsanordnung in Ziff. 1 des Bescheides auch dann noch eine Rechtswirkung aus, wenn auf der Verkaufsfläche keine Paletten und kein Schirm aufgestellt sind. Denn der Sinn und Zweck jedes Beseitigungsgebots liegt darin, eine Entfernung der beanstandeten Anlage auf Dauer herbeizuführen. Die innere Rechtfertigung liegt nicht in dem Ziel, die Bausubstanz in einem einmaligen Akt zu beseitigen, sondern darin, rechtmäßige Zustände herzustellen, was gerade bei leicht auf- und abbaubaren baulichen Anlagen nur erreicht werden kann, wenn die Wiedererrichtung unterbunden wird. In dieser Wirkung liegt die fortbestehende Steuerungsfunktion der Beseitigungsverfügung nach ihrer (erstmaligen) Erfüllung (OVG Greifswald, Beschl. v. 19.10.2020 – 3 M 303/20 OVG –, Rn. 11, juris; VGH Mannheim, Beschl. v. 28.03.2007 – 8 S 159/07 –, Rn. 2 m. w. N., juris; vgl. auch VGH München, Urt. v. 25.11.2014 – 9 B 13.1401 –, Rn. 34, juris). Insoweit führt bei fehlender Substanzverletzung und leicht aufbaubaren Anlagen – wie den vorliegenden Paletten und dem Schirm – die Beseitigungsanordnung und die Nutzungsuntersagung zur identischen Rechtsfolge, sodass, selbst wenn die Paletten nach Geschäftsschluss freiwillig abgebaut wurden, dauerhaft die erneute Aufstellung mit der Beseitigungsanordnung ausgeschlossen ist. Dies lässt sich im vorliegenden Fall auch dem Tenor in Ziff. 1 des Bescheides entnehmen. Dieser ordnet die Beseitigung des „dauerhaften Lagerplatzes für den täglichen Verkauf von Obst und Gemüse“ an, wodurch hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht wird, dass auch der Wiederaufbau der Paletten zu den Geschäftszeiten untersagt werden soll. Insoweit ist die Wahl der Beseitigungsanordnung statt z. B. der Nutzungsuntersagung nicht weniger zielführend. Im Übrigen führt § 79 Abs. 1 Satz 2 lediglich Regelbeispiele für mögliche bauaufsichtliche Maßnahmen an (Schriftlicher Bericht zum Entwurf einer Niedersächsischen Bauordnung (NBauO), Nds. LT-Drs. 16/4621, S. 34; Franke in: Spannowsky/Otto, BeckOK Bauordnungsrecht Niedersachsen, 22. Edition 2022, NBauO § 79 Rn. 51) und enthält nur eine beispielhafte Aufzählung von in der Praxis häufigen Maßnahmen (Franke in: Spannowsky/Otto, BeckOK Bauordnungsrecht Niedersachsen, 22. Edition 2022, NBauO § 79 Rn. 51; vgl. auch Mann in: Große-Suchsdorf, Niedersächsische Bauordnung, 10. Auflage 2020, NBauO § 79 Rn. 26). Insoweit konnte die Antragsgegnerin auch losgelöst von der in § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NBauO aufgeführten Beseitigungsanordnung eine bauaufsichtliche Maßnahme eigener Art erlassen, sodass die im Tenor zum Ausdruck kommende dauerhafte Unterbindung des Lagerplatzes nicht ermessensfehlerhaft ist.
Auch das für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erforderliche besondere Vollzugsinteresse ist gegeben. Soweit dieses bei einer Beseitigungsanordnung zwar nur ausnahmsweise anzunehmen ist, ist dies vorliegend jedoch wegen des fehlenden Eingriffs in die Substanz der baulichen Anlage, hier des Lagerplatzes, und der davon ausgehenden negativen Vorbildwirkung zu bejahen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.07.2015 – OVG 10 S 14.15 –, Rn. 19, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.05.2010 – 1 ME 81/10 –, Rn. 6, juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 06.02.2008 – 3 M 9/08 –, Rn. 5 ff., juris).
Die Androhung des Zwangsgeldes i.H.v. 5.500 € bezüglich des Lagerplatzes unter Ziff. 4 des Bescheides ist ebenfalls aller Voraussicht nach rechtmäßig. Rechtsgrundlage dafür ist § 70 Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetz (NVwVG) i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67, 70 Nds. Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG), dessen formelle und materielle Voraussetzungen nach summarischer Prüfung erfüllt sind. Insbesondere erscheint die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers und des erneuten Baurechtsverstoßes durch Überschreitung der Baugrenze angemessen. In vorherigen bauaufsichtlichen Verfahren hat die Antragsgegnerin bereits Zwangsgelder i.H.v. 3.000 bis 4.000 € angedroht (siehe gerichtliches Verfahren zum Az. 4 B 4827/19), die den Antragsteller nicht davon abgehalten haben, erneut außerhalb der Baugrenzen eine bauliche Anlage zu errichten.
Ebenfalls bestehen nach summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Kostentragung aus Ziff. 5 des Bescheides
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (im Folgenden: GKG). Hinsichtlich des LKW orientiert sich die Höhe des Streitwertes an Ziff. 3a) und 10d) des Streitwertkataloges der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes nach dem 1. Januar 2002, wonach ein Streitwert von 4.000 € zuzüglich eines 50%igen Zuschlages für die gewerbliche Nutzung anzusetzen war. Der sich daraus für den LKW ergebende Streitwert i.H.v. 6.000 € war nach Ziff. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.) zu halbieren. Hinsichtlich des Lagerplatzes orientiert sich die Höhe des Streitwertes an Ziff. 3b) des Streitwertkataloges der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes nach dem 1. Januar 2002. Danach setzt das Gericht für die Fläche des Lagerplatzes mit 20 m2 einen Streitwert i.H.v. von 3.000 € an und reduziert diesen aufgrund des Umstandes einer lediglich unter freiem Himmel errichteten Verkaufsfläche auf 2.000 €. Eine Reduzierung des Streitwerts nach Ziff. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.) erfolgt wegen der Vorwegnahme der Hauptsache hinsichtlich des Lagerplatzes nicht. Die Streitwerte hinsichtlich des LKW und des Lagerplatzes waren gemäß § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.