Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 18.08.2017, Az.: 2 A 144/16

Artenschutz; Befreiung; Eingriff; Ermächtigungsgrundlage; Generalklausel; Naturschutzbehörde; Wesensänderung; Wiederherstellungsanordnung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
18.08.2017
Aktenzeichen
2 A 144/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54124
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wird ein Eingriff i. S. d. § 14 BNatSchG ohne die nach § 17 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. weiteren Rechtsvorschriften erforderliche Zulassung vorgenommen und ist die Naturschutzbehörde für die Erteilung dieser Zulassung zuständig, ist § 17 Abs. 8 BNatSchG für naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnungen die gegenüber der Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG vorrangige Spezialvorschrift.

2. Eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG ist eine behördliche Zulassung i.S.d. § 17 Abs. 1 BNatSchG.

3. Eine auf § 3 Abs. 2 BNatSchG gestützte Wiederherstellungsanordnung kann das Gericht nicht auf der Grundlage des § 17 Abs. 8 BNatSchG aufrechterhalten, weil diese Normen auf der Rechtsfolgenseite derart beachtliche Unterschiede aufweisen, dass ein Austauschen der Ermächtigungsgrundlage durch das Gericht zu einer unzulässigen Wesensänderung führen würde.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung.

Der Kläger ist B.. Mit notariellem Kaufvertrag vom 17. November 2011 erwarb er von dem B. C., seinem Schwiegervater, einen ca. 319.280 qm großen Teil des Flurstückes 23/8, Flur 1, Gemarkung D., welches überwiegend landwirtschaftlich genutzt wird. Nach der in § 3 des notariellen Kaufvertrages getroffenen Regelung erfolgt die Besitzübergabe am Tag der Kaufpreiszahlung; dies war nach Angaben des Klägers im Februar 2012. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch wurde im Sommer 2012 vollzogen. Laut Auskunft des Grundbuchamtes wurde und wird das übertragene Grundstück nunmehr unter der Flurstücksbezeichnung 23/11 fortgeführt.

Am 15. April 2014 erhielt ein Mitarbeiter des Beklagten einen Hinweis, dass auf den Flächen des Klägers Grünland umgebrochen werde und dabei Gräben und Gehölze beeinträchtigt würden. Daraufhin führte dieser Mitarbeiter noch am selben Tag eine Ortsbesichtigung durch. Ausweislich einer E-Mail vom 23. April 2014 sowie eines Vermerkes vom 15. Oktober 2014 dieses Mitarbeiters wurde dabei festgestellt, dass am südlichen Rand des Flurstücks 23/11, nördlich des am Fahrweg liegenden Grabens, eine Hecke frisch gerodet worden sei. Aus dem Luftbild von 2012 ergebe sich, dass der Abschnitt ca. 130 m lang gewesen sei. Ausweislich eines Luftbildes aus dem Jahr 2009 sei zwischen 2009 und 2012 auch der östliche Abschnitt von ca. 50 m Länge gerodet worden. Der von dem Beklagten eingeschaltete Prüfdienst der Landwirtschaftskammer Niedersachsen teilte dem Beklagten in der Folgezeit mit, dass auf den Flächen des Klägers auch die Entfernung zweier Landschaftselemente im Jahr 2012 und 2013 festgestellt worden sei. In dem Vermerk vom 15. Oktober 2014 kam der Mitarbeiter des Beklagten sodann zu dem Ergebnis, dass auf dem Grundstück des Klägers ab dem Jahr 2009 insgesamt drei Hecken gerodet worden seien. Bei der Hecke am Fahrweg handele es sich um ca. 180 lfd. m, wovon 130 m nach dem 28. Februar 2014 gerodet worden seien. Bei der Hecke LE 1 seien ca. 230 lfd. m und bei der Hecke LE 2 ca. 110 lfd. m gerodet worden. Im Mittel hätten die Hecken einen Standraum (= unbewirtschaftete Fläche) von 5,00 m in der Breite aufgewiesen.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2014 wurde der Kläger unter Darlegung der getroffenen Feststellungen zum beabsichtigten Erlass einer Wiederherstellungsanordnung angehört. Daraufhin teilte er mit Schreiben vom 5. November 2014 Folgendes mit: Auf der Fläche LE 1 habe er lediglich drei Birken entfernt, die von innen völlig hohl gewesen seien. Die Fläche LE 2 sei zum Zeitpunkt seines Erwerbs im Jahr 2011 noch zum Teil verpachtet gewesen. Nach Auslaufen der Pacht habe er feststellen müssen, dass der Pächter den Entwässerungsgraben nicht gereinigt und gepflegt hätte. Um die Fläche weiter nutzen zu können, habe er den natürlichen Wasserlauf wiederhergestellt. Dies sei nur eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gewesen. Die Rodung der Hecke am Fahrweg habe vor dem 28. Februar 2014 stattgefunden. Lediglich das Fräsen der Baumwurzeln sei im April durchgeführt worden. Auch hier seien die Entwässerungsgräben sehr lange nicht mehr gepflegt worden. Ein Reinigen und Ausbaggern von Seiten der Straße sei nicht möglich gewesen, da ansonsten die Straße beschädigt worden wäre.

Mit Bescheid vom 25. November 2014 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger die Wiederherstellung der beseitigten Feldgehölze durch standortheimische Gehölze an. Die Anordnung wurde mit insgesamt fünf Nebenbestimmungen versehen. Danach hat die Anpflanzung in den bisherigen Größen und Lagen der ehemaligen Feldgehölze (Nebenbestimmung Nr. 1) bis zum 30. April 2015 (Nebenbestimmung Nr. 2) zu erfolgen. In der Nebenbestimmungen Nummer 3 wurde Folgendes angeordnet:

Die Anpflanzungsfläche LE 1 (230 m xl 5 m); LE 2 (110 m x 5 m) und „am Fahrweg“ (180 m x 5 m) sind 3-reihig zu bepflanzen. Die Pflanzabstände haben zwischen den Reihen jeweils 1,25 m und in den Reihen jeweils 1,50 m zu betragen, Pflanzungen auf Lücke. Randlich sind jeweils 1,25 m Abstand zwischen äußerer Pflanzreihe und Nutzfläche bzw. zum Graben einzuhalten. Alle 15 m ist ein Baum (Eiche, Birke) als Heister der Pflanzgröße 200-250 cm zu pflanzen. Es sind mindestens 6 Arten von standortheimischen Laubgehölzen in ausgewogener Mischung der folgenden Auflistung zu pflanzen (Pflanzgröße Forstware 70 cm - 90 cm; 10 % Heister der Größe 100 cm - 120 cm):“

Sodann folgte eine Auflistung von 14 verschiedenen Pflanzen. In der Nebenbestimmung Nummer 4 wurde verfügt, dass die Pflanzung fachgerecht herzustellen und Ausfälle über 10 % nachzupflanzen sind. Zudem wurde angeordnet, dass die Anpflanzungsfläche mit einem Wildschutzzaun von mindestens 1,6 m Höhe zu umgeben ist (Nebenbestimmung Nr. 5). Zur Begründung führte der Beklagte unter anderem aus, dass es nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG u.a. verboten sei, wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten. Dagegen habe der Kläger verstoßen. Bei der Fläche LE 1 seien nicht nur einige Birken gefällt worden. Hinsichtlich der Fläche LE 2 sei die Grabenpflege so vorzunehmen gewesen, dass begleitende Gehölzstreifen erhalten blieben. Die Pflege des Grabens am Fahrweg hätte ohne Weiteres von der asphaltierten Straße aus durchgeführt werden können.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 Widerspruch ein. Wenn er die Wiederherstellung wie von dem Beklagten angeordnet vornehme, könne er die Flächen nicht mehr wirtschaftlich für die Landwirtschaft nutzen. Er schlage daher eine Anpflanzung an anderer, in einer beigefügten Karte eingezeichneter Stelle vor, wo die Bepflanzung parallel zur Ackerfläche und mit rechtem Winkel zu einer anderen Waldfläche vorgenommen werden könne. Er sei auch bereit, an dem alternativen Standort anstelle der angeordneten 2.600 m² 3.000 m² anzupflanzen.

Ausweislich einer Telefonnotiz eines Mitarbeiters des Beklagten hat dieser den Kläger am 28. Januar 2015 telefonisch darüber informiert, dass der im Schreiben vom 11. Dezember 2014 enthaltene Alternativvorschlag nicht angenommen werden könne. In der Folgezeit ergänzte der - zwischenzeitlich eingeschaltete - Verfahrensbevollmächtigte des Klägers die Widerspruchsbegründung. Dazu trug er hinsichtlich der Fläche LE 1 vor, dass die vom Kläger entfernten Bäume durch die langjährigen Schädigungen in ihrer Standfestigkeit nachhaltig beeinträchtigt gewesen seien und eine akute Gefahr dargestellt hätten. In Bezug auf die Fläche LE 2 sei eine Beseitigung der niederen Gewächse erforderlich gewesen, um die Funktionsfähigkeit des Grabens wiederherzustellen. Auch die Rodung der Pflanzen am Fahrweg sei zu Grabenpflege notwendig gewesen. Zu beanstanden sei ferner der Umfang der angeordneten Wiederanpflanzungen. Der Beklagte habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich in der ursprünglichen Vegetation, wie auch die in der Akte befindlichen Fotos zeigten, Lücken befunden hätten. Bei der Breitenermittlung sei zudem verkannt worden, dass die Fotos im Sommer aufgenommen worden seien, so dass eine große, über die tatsächliche Anwuchsbreite hinausgehende Kronenbildung vorhanden gewesen sei. Vorsorglich werde die Genehmigung der durchgeführten Maßnahmen beantragt. Zudem sei der Kläger nach wie vor bereit, die im Schreiben vom 11. Dezember 2014 beschriebenen Ersatzpflanzungen vorzunehmen.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung vertiefte er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trug er in Bezug auf die Fläche LE 2 vor, dass eine Grabenpflege grundsätzlich so vorzunehmen sei, dass begleitende Gehölzstreifen erhalten blieben. Vorliegend sei nicht nur das Gehölz, sondern auch der Graben an sich entfernt worden. Hinsichtlich der Fläche am Fahrweg werde der Kläger als Zustandsstörer in Anspruch genommen. Dabei komme es nicht darauf an, wer den Bewuchs zwischen den Jahren 2009 und 2012 tatsächlich - als Verhaltensstören - entfernt habe. Die Anordnungen seien auch hinsichtlich ihres Umfangs nicht zu beanstanden. Entscheidend sei nicht die bloße Anzahl der Bäume oder Sträucher, sondern die Wertigkeit der alten Gehölze für den Naturhaushalt insgesamt. Die geforderte Breite der Bepflanzung ergebe sich nicht aus der Kronenprojektion der Gehölze, sondern aus den landwirtschaftlich bisher nicht bewirtschafteten Standflächen der Gehölze. Diese stellten sich aufgrund eines unbelaubte Gehölze zeigenden Luftbildes aus dem Frühjahr 2009 als durchgängig 5 m breiter Streifen dar. Die Flächen seien zwar nicht durchgängig mit Gehölzen bestanden gewesen, hätten aber aufgrund ihrer linearen Ausprägung eine hohe Bedeutung als verbindendes und vernetzendes Landschaftselement in der Agrarlandschaft. Zur Kompensation des Verlustes an Altgehölzen und in Anbetracht des Zeitfaktors sei es durchaus berechtigt, hier eine durchgehende Anpflanzung zu Wiederherstellung zu fordern.

Mit weiterem Bescheid vom 2. Mai 2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Befreiung von dem Verbot zum Entfernen von Gehölzen ab. Die in § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG normierten Voraussetzungen lägen nicht vor. Über den dagegen vom Kläger mit Schreiben vom 10. Juni 2016 eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Unter dem 10. Juni 2016 hat der Kläger sodann Klage gegen die Wiederherstellungsanordnung erhoben. Zur Begründung verweist er zunächst auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren und vertieft und ergänzt dieses. Der Beklagte verlange Neupflanzungen in einer Art und in einem Umfang, wie sie zuvor nicht vorhanden gewesen seien. Zu keinem Zeitpunkt sei auf den vom Beklagten vorgelegten Fotos, soweit sie nach seinem - des Klägers - Eigentumserwerbs erstellt wurden, Gehölzstreifen von 5 m Breite und 180 m Länge zu erkennen. Die Anordnungen seien daher unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Für Eingriffe, die vor seinem Eigentumserwerb stattgefunden hätten, könne er nicht als Zustandsstörer haften. Die Fläche LE 2 sei zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs und auch noch danach durch Herrn E. gepachtet gewesen. Dieser habe die Flächen in den Jahren 2012 und 2013 bewirtschaftet. Im Übrigen seien die Arbeiten nicht von ihm - dem Kläger -, sondern von dem damaligen Eigentümer und Grundstücksverkäufer Herrn F. beauftragt und durch den zuständigen Bezirksförster ausgeführt worden. Dieser habe in einem Schreiben vom 6. November 2016 bestätigt, dass er im Jahr 2012 im Auftrag des Herrn F. die sich verjüngten Aspen entfernt und forstwirtschaftlich genutzt habe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 25. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Einwände des Klägers seien zurückzuweisen. Auf der Fläche LE 1 seien mindestens zehn und auf der Fläche LE 2 seien mindestens 13 Bäume sowie jeweils weitere Gehölze in der Zeit von Mai 2012 bis April 2014 entfernt worden. Eine ordnungsgemäße Räumung des Grabens sei entlang des Fahrweges von der Straße aus möglich und üblich gewesen. Die Entfernung des gesamten Gehölzstreifens sei weder notwendig noch fachgerecht. Der Kläger sei auch als Verursacher heranzuziehen. Nach Auskunft der Landwirtschaftskammer habe der Kläger die Bewirtschaftung der betroffenen Flächen bereits vor deren Erwerb übernommen. Anhaltspunkte dafür, dass die Flächen oder Teile von ihnen nach dem Eigentumserwerb durch den Kläger von Dritten gepachtet und bewirtschaftet worden seien, hätten im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegen. Es wäre für den Kläger ein Leichtes gewesen, den angeblichen Pachtvertrag zu seiner Entlastung vorzulegen bzw. den angeblichen Pächter zu benennen.

Die Wiederherstellungsanordnung sei auch hinsichtlich ihres Umfangs rechtmäßig. Die Auswahl von mindestens sechs Pflanzenarten sei sachdienlich. Die Mischung des Artenbestandes erscheine vor dem Hintergrund des qualitativ hochwertigen ehemaligen Zustandes geboten, da dem Verlust für den Arten- und Biotopschutz mit einer Durchmischung des Artenspektrums entgegen gewirkt werden könne. Die Anforderung einer dreireihigen Anpflanzung diene der Sicherstellung des Anwuchses und gewährleiste, dass die Hecke dicht und der Naturhaushalt - zumindest mittelfristig - in der Qualität wiederhergestellt werde, wie er sich vor der Entfernung der Gehölze dargestellt habe. Gleiches gelte für die Bestimmung, alle 15 m einen Baum einzupflanzen. Effektiv werde in der streitgegenständlichen Anordnung lediglich eine Anpflanzungsbreite von 2,5 m verlangt, die erst nach ca. 7-8 Jahren den früheren Zustand erreichen werde. Den vorgelegten Luftbildaufnahmen sei zudem zu entnehmen, dass die Bepflanzung früher auch mindestens 5 m breit gewesen sei. Es sei auch nicht ermessensfehlerhaft, den Pflanzvorschlag des Klägers abzulehnen, da damit kein gleichwertiger Ersatz geschaffen werde.

Soweit der Kläger ein Schreiben des Bezirksförsters vom 6. November 2016 vorgelegt habe, bezögen sich die darin beschriebenen Arbeiten nur auf einen kleinen ca. 50 m langen östlich gelegenen Bereich der Fläche am Fahrweg. Auch seien die Aspen (Pappeln) vom Bezirksförster lediglich zurückgeschnitten, nicht aber vollständig gerodet worden.

Die von der Einzelrichterin aufgeworfene Frage, ob im vorliegenden Fall an Stelle des § 3 Abs. 2 BNatSchG§ 17 Abs. 8 BNatSchG als Ermächtigungsgrundlage heranzuziehen sei, sei zu verneinen, weil es vorliegend aufgrund der in § 5 NAGBNatSchG enthaltenen Regelung an einem Eingriff i.S.d. § 14 BNatSchG mangele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die auch zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 25. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Entgegen der Ansicht des Beklagten kann die streitgegenständliche Anordnung nicht auf § 3 Abs. 2 des Bundesnaturschutzgesetzes (v. 29.07.2009, BGBl. I S. 2542, BNatSchG) gestützt werden, weil diese Vorschrift im hier vorliegenden Fall durch die speziellere Regelung des § 17 Abs. 8 BNatSchG verdrängt wird (1.). Liegt ein Eingriff i. S. d. § 14 BNatSchG vor, der ohne die nach § 17 Abs. 1 BNatSchG i. V. m. weiteren Rechtsvorschriften erforderliche Zulassung vorgenommen wurde und ist die Naturschutzbehörde für die Erteilung dieser Zulassung zuständig, ist § 17 Abs. 8 BNatSchG für naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnungen die gegenüber der Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG vorrangige Spezialvorschrift. Vorliegend stellt die Beseitigung der auf den Flächen LE 1, LE 2 und am Fahrweg ursprünglich vorhandenen Pflanzen einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, der ohne die nach § 17 Abs. 1 i. V. m. § 67 BNatSchG erforderliche und in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten fallende Befreiung vorgenommen wurde (2.). Das Gericht kann die streitgegenständlichen Anordnungen auch nicht auf der Grundlage des § 17 Abs. 8 BNatSchG aufrechterhalten, weil diese Normen auf der Rechtsfolgenseite derart beachtliche Unterschiede aufweisen, dass ein Austauschen der Ermächtigungsgrundlage durch das Gericht zu einer unzulässigen Wesensänderung führen würde (3.).

1. Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Anordnungen auf § 3 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. § 39 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG gestützt. Nach § 3 Abs. 2 BNatSchG überwachen die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden - hier gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsisches Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz (v. 19.02.2010, Nds. GVBl. 2010, 104, - NAGBNatSchG -) der Beklagte als sog. untere Naturschutzbehörde - die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Vorschrift ist eine als Generalklausel ausgestaltete Befugnisnorm, die die Naturschutzbehörden zum Einschreiten gegen Verletzungen des bundesrechtlichen Naturschutzrechts ermächtigt (vgl. BT-Drs. 16/12274, S. 51; Kohn, in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 3 Rn. 12 f.; Hendrischke, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), BNatSchG, Kommentar, 2. Aufl. 2916, § 3 Rn. 30 ff.) und die in Niedersachsen landesrechtlich durch § 2 NAGBNatSchG ergänzt wird (vgl. VG Stade, Urt. v. 08.10.2014 - 1 A 1676/12 -, zit. n. Juris, dort Rn. 23). Vorliegend hat der Beklagte darauf abgestellt, dass der Kläger das in § 39 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG enthaltene artenschutzrechtliche Verbot verletzt habe. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder zu nutzen oder ihre Bestände niederzuschlagen oder auf sonstige Weise zu verwüsten.

Problematisch ist vorliegend aber, dass § 3 Abs. 2 BNatSchG nach dem letzten Halbsatz der Vorschrift nur zur Anwendung gelangen kann „soweit nichts anderes bestimmt ist“. Nach diesem klaren Wortlaut der Norm scheidet ein Rückgriff auf die Generalklausel damit immer dann aus, wenn und soweit im Bundesnaturschutzgesetz oder in anderen Fachgesetzen Sonderbefugnisse enthalten sind (sog. abdrängende Sondervorschriften, vgl. Krohn, in: Schlacke, a. a. O., § 3 Rn. 14; Blum, in: Blum/Agena, Nds. Naturschutzrecht, Kommentar, Stand: Jan. 2017, § 2 NAGBNatSchG Rn. 25; Hendrischke, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), BNatSchG, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 43). § 3 Abs. 2 BNatSchG ist damit als Auffangnorm subsidiär gegenüber speziellen Eingriffsbefugnissen (Müller-Walter, in: Lorz u.a., Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, § 3 Rn. 7; Blum, in: Blum/Agena, a. a. O., § 2 NAGBNatSchG Rn. 22). Für den hier vorliegenden Fall stellt § 17 Abs. 8 BNatSchG eine solche speziellere und damit vorrangige Ermächtigungsgrundlage dar, die in ihrem Anwendungsbereich die Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG verdrängt (vgl. Blum, in: Blum/Agena, a. a. O., § 2 NAGBNatSchG Rn. 23, 25 und 31; Krohn, in: Schlacke, a. a. O., § 3 Rn. 14; Hendrischke, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), a. a. O., § 3 Rn. 43; Kolodziejcok/Recken/ Apfelbacher/Iven, Naturschutz, Landschaftspflege, Stand: Dez. 2016, § 3 Rn. 14; Müller-Walter, in: Lorz u.a., a. a. O., § 3 Rn. 7; Hess. VGH, Beschl. v. 07.08.2015 - 4 B 958/15 -, zit. n. Juris, dort Rn. 7; offen gelassen: Nds. OVG, Urt. v. 30.06.2015 - 4 LC 285/13 -, zit. n. Juris, dort Rn. 54; VG Stade, Urt. v. 08.10.2014 - 1 A 1676/12 -, a. a. O., Rn. 22).

Soweit in diesem Zusammenhang vertreten wird, dass § 17 Abs. 8 BNatSchG nicht in dem Sinne als „Spezialregelung“ gegenüber § 3 Abs. 2 BNatSchG dahingehend missverstanden werden dürfe, dass eine Untersagungs- und Wiederherstellungsanordnung nur bei illegalen Eingriffen möglich sei (so VGH München, Beschl. v. 09.08.2012 - 14 C 12.308 -, a. a. O., Rn. 10; P. Firscher-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, a. a. O., § 17 Rn. 45), steht dies der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. Denn wenn es an einem Eingriff i. S. d. § 14 BNatSchG fehlt, ist auch der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 8 BNatSchG nicht eröffnet. In derartigen Fällen kann auch nach der hier vertretenen Ansicht auf die Generalklausel zurückgegriffen werden, wenn unabhängig von § 17 Abs. 8 BNatSchG keine andere vorrangige Spezialregelung einschlägig ist.

Soweit § 17 Abs. 8 BNatSchG und § 3 Abs. 2 BNatSchG in anderen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nebeneinander angewandt wurden (siehe VG Augsburg, Urt. v. 01.12.2016 - Au 2 K 16.644 -, zit. n. Juris, dort Rn. 44; dasselbe, Urt. v. 24.09.2015 - Au 2 K 15.448 - Rn. 35 und VG Würzburg, Urt. v. 10.05.2016 - W 4 K 15.1162 -, zit. n Juris, dort Rn. 22 ff.), kann dies deshalb nicht überzeugen, weil in diesen Entscheidungen keinerlei Auseinandersetzung mit der durch den Wortlaut des § 3 Abs. 2 BNatSchG vorgegebenen Subsidiarität der Generalklausel enthalten ist. Insofern führt auch der Einwand des Beklagten, das Verwaltungsgericht Lüneburg habe in der Vergangenheit in zwei ähnlichen Fällen die Anwendung des § 3 Abs. 2 BNatSchG gebilligt, nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn bei der einen von dem Beklagten erwähnten Entscheidung handelte es sich um eine wegen Verfristung als unzulässig abgewiesene Klage (VG Lüneburg, Urt. v. 09.02.2014 - 2 A 19/13 -, n. v.) Diese Entscheidung über die Verfristung der Klage wurde auch vom Nds. Oberverwaltungsgericht bestätigt (Beschl. v. 07.01.2014 - 4 LA 34/14 -, n. v.). Soweit in beiden Entscheidungen jeweils ergänzend kurze Ausführungen zu § 39 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG enthalten sind, kann dem für die Beantwortung der komplexen und in Rechtsprechung und Literatur „noch nicht restlos geklärten“ (so Blum, in: Blum/Agena, a. a. O., § 2 NAGBNatSchG Rn. 22; vgl. auch Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, Kommentar, Stand: März 2017, § 17 BNatSchG Rn. 79) Frage nach dem Verhältnis von § 17 Abs. 8 BNatSchG und § 3 Abs. 2 BNatSchG nichts entnommen werden. Denn keines der erwähnten Gerichte hat sich mit der hier thematisierten Frage auseinandergesetzt, wozu aufgrund der dort vorliegenden prozessualen Konstellation auch kein Anlass bestand. Gleiches gilt im Übrigen für den zweiten von dem Beklagten angeführten Fall, über den das Verwaltungsgericht Lüneburg zu entscheiden hatte (2 A 54/16). Dieser Fall wurde nämlich in der mündlichen Verhandlung durch einen gerichtlichen Vergleich beendet; sofern sich dabei in der Sitzungsniederschrift vom 12. Dezember 2016 ein Hinweis auf § 3 Abs. 2 BNatSchG befindet, lässt sich dem für die Beantwortung der hier aufgeworfenen Rechtsfrage nichts Abschließendes entnehmen.

2. Der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 8 BNatSchG ist vorliegend eröffnet. Nach § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG soll die zuständige Behörde die weitere Durchführung eines Eingriffs in Natur und Landschaft untersagen, wenn dieser Eingriff ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommen wird. Daran anknüpfend regelt Satz 2 der Regelung, dass die für das Zulassungs- oder Anzeigeverfahren zuständige Behörde entweder Maßnahmen nach § 15 BNatSchG oder die Wiederherstellung des früheren Zustandes anordnen soll, wenn nicht auf andere Weise ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden kann. Der - die Generalklausel verdrängende - Anwendungsbereich des § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG ermöglicht somit ein Tätigwerden der Naturschutzbehörde, wenn ein Eingriff in Natur und Landschaft vorliegt (a), der weder nach § 14 Abs. 2 BNatSchG (b) noch nach § 5 NAGBNatSchG (c) von der Eingriffsregelung ausgenommen ist und dieser Eingriff einer Zulassung oder Anzeige bedarf, für deren Erteilung die Naturschutzbehörde zuständig ist (d) (vgl. zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 8 BNatSchG auch Nds. OVG, Urt. v. 30.06.2015 – 4 LC 285/13 –, a. a. O., Rn. 51). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

a) Die Beseitigung der auf den Flächen LE 1, LE 2 und am Fahrweg ursprünglich vorhandenen Pflanzen stellt einen Eingriff in Natur und Landschaft dar. Nach der in § 14 Abs. 1 BNatSchG enthaltenen Legaldefinition zählen dazu Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Mit der „Gestalt von Grundflächen“ ist deren äußeres Erscheinungsbild angesprochen, also neben den geomorphologischen Erscheinungen wie Hügellandschaften oder Gewässer auch der Pflanzenbestand wie Wälder, Baumreihen, Büsche, Hecken, Baumgruppen oder Einzelbäume (vgl. Prall, in: Schlacke, a. a. O., § 14 Rn. 28; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Bd. II, Stand: Jan. 2017, § 14 BNatSchG Rn. 5; Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), a. a. O., § 14 Rn. 18). Zur Nutzung einer Grundfläche zählt ihre zweckgerichtete Verwendung (vgl. Prall, in: Schlacke, a. a. O., § 14 Rn. 32). Nach § 14 Abs. 1 BNatSchG relevante Veränderungen sind Handlungen, Vorhaben und Maßnahmen, die eine Grundfläche in diesem äußeren Erscheinungsbild betreffen. Darunter fallen neben der Errichtung baulicher Anlagen, Abgrabungen oder Aufschüttungen auch die Rodung von Bäumen und Baumgruppen sowie die Beseitigung von Hecken (Guckelberger, in: Frenz/Müggen-borg, a. a. O., § 14 Rn. 18; Gellermann, in: Landmann/ Rohmer, a. a. O., § 14 BNatSchG Rn. 6; OVG NRW, Beschl. v. 09.02.2017 - 8 A 2206/15 -; BVerwG, Beschl. v. 26.02.1992 - 4 B 38/92 -; Hess. VGH, Beschl. 07.08.2015 - 4 B 958/15 -, jeweils zit. n. Juris). Auch Nutzungsänderungen, wie etwa das Ersetzen einer bisherigen Nutzung durch eine andere, gehören dazu (vgl. Prall, in: Schlacke, a. a. O., § 14 Rn. 32). Derartige Veränderungen können die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes - zu dem nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG die Naturgüter Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen gehören - beeinträchtigen, wenn einzelne dieser Faktoren oder ihr ökologisches Zusammenwirken in einer Weise gestört werden, die sich nach ökologischen Maßstäben als Verschlechterung darstellt (vgl. Gellermann, in: Landmann/ Rohmer, a. a. O., § 14 BNatSchG Rn. 13). Da die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten für das ungestörte Funktionieren eines Ökosystems und seine Stabilität von entscheidender Bedeutung ist, kann eine Beeinträchtigung insbesondere dann angenommen werden, wenn Populationen von Tier- und Pflanzenarten die Lebensgrundlage entzogen wird, die Artenvielfalt abnimmt oder sich die Individuenzahl der Arten verringert (vgl. Gellermann, in: Landmann/ Rohmer, a. a. O., § 14 BNatSchG Rn. 13), wobei nach dem klaren Wortlaut des § 14 Abs. 1 BNatSchG die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung ausreicht. Die Erheblichkeitsschwelle ist dabei überschritten, wenn die mögliche Beeinträchtigung mehr als eine Bagatelle ist (vgl. Gellermann, in: Landmann/ Rohmer, a. a. O., § 14 BNatSchG Rn. 16); die mögliche Beeinträchtigung muss eine fachlich zu bestimmende Relevanzschwelle erreichen, die sich wiederum u. a. aus den Zielen und Grundsätzen des Bundesnaturschutzgesetzes (siehe § 1 BNatSchG, sowie §§ 8, 13, 20 BNatSchG) sowie aus der Dauer und Schwere der Beeinträchtigung des Naturhaushalts ergibt (vgl. Prall, in: Schlacke, a. a. O., § 14 Rn. 41 f.; P. Firscher-Hüftle/D. Czybulka, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, a. a. O., § 14 Rn. 26 ff. m. w. N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen stellen die auf den Flächen LE 1, LE 2 und am Fahrweg vorgenommenen Rodungen eine Veränderung der Gestalt sowie der Nutzung von Grundflächen dar, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes erheblich beeinträchtigen können. Das Roden der Pflanzen und das Fällen der Bäume ist unzweifelhaft eine Veränderung der Gestalt der betroffenen Grundflächen. Indem der Kläger die betroffenen Flächen nunmehr auch, anders als vorher, landwirtschaftlich nutzt, liegt zugleich eine Veränderung der Nutzung i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG vor. Durch diese Veränderungen werden auch die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts im beschriebenen Sinne beeinträchtigt, weil sich die Veränderungen durch die Reduzierung der Pflanzen sowie dadurch, dass Tieren und Pflanzen ein Lebensraum bzw. eine Rückzugs- und Schutzmöglichkeit genommen wurde, nach ökologischen Maßstäben als Verschlechterung darstellten, die aufgrund der Dauerhaftigkeit der Veränderung und der Vielzahl der entfernten Pflanzen auch die erforderliche Relevanzschwelle überschreiten und nicht lediglich eine Bagatelle darstellen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 09.02.2017 - 8 A 2206/15 -, a. a. O., Rn. 17 ff.).

Soweit der Kläger hinsichtlich der Fläche LE 1 vorträgt, lediglich drei bis fünf Birken gefällt zu haben, steht dies dem Vorliegen eines Eingriffs bereits deshalb nicht entgegen, weil auch das Entfernen von wenigen Bäumen und die hier zugleich vorliegende Nutzungsänderung der Grundflächen einen Eingriff i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG darstellen. Dessen ungeachtet ist auf den von dem Beklagten vorgelegten Luftbilder aus Mai 2012 (vgl. Bl. 22, 29 der vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie Bl. 51 der Gerichtsakte) zu erkennen ist, dass sich auch auf der Fläche LE 1 zu diesem Zeitpunkt erheblich mehr als drei bis fünf Birken befunden haben.

b) Die hier vorgenommenen Rodungen fallen auch nicht unter die in § 14 Abs. 2 BNatSchG enthaltene sog. Landwirtschaftsklausel, wonach die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung nicht als Eingriff anzusehen ist, soweit dabei die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werden. Der Begriff der Bodennutzung ist dabei auf die unmittelbare Urproduktion beschränkt und begünstigt nur eine bereits bestehende landwirtschaftliche Nutzung, ermöglicht aber weder ihre erstmalige Aufnahme noch einen Wechsel in der Nutzungsart eines Grundstücks (vgl. VG Augsburg, Urt. v. 24.09.2015 - Au 2 K 15.448 -, a. a. O., Rn. 35). Demnach stellt die hier vorliegende Nutzungsänderung, die die landwirtschaftliche Bodennutzung durch das Entfernen der dort zuvor befindlichen Pflanzen auf diesen Flächen erstmalig möglich gemacht hat, eine von § 14 Abs. 2 BNatSchG nicht erfasste Maßnahme der Bodengewinnung dar (vgl. Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), a. a. O., § 14 Rn. 57; Gellermann, in: Landmann/ Rohmer, a. a. O., § 14 BNatSchG Rn. 22; VG Augsburg, Urt. v. 01.12.2016 - Au 2 K 16.644 -, a. a. O., Rn. 35).

c) Entgegen der Ansicht des Beklagten steht dem Vorliegen eines Eingriffs vorliegend auch nicht die in § 5 NAGBNatSchG enthaltene - von der Eingriffsregelung des § 14 Abs. 1 BNatSchG partiell abweichende - Vorschrift entgegen. Nach dieser landesrechtlichen Norm sind Veränderungen der Gestaltung oder Nutzung von Grundflächen und Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die nicht von einer Behörde durchgeführt werden und die keiner behördlichen Zulassung oder Anzeige nach anderen Rechtsvorschriften als der des § 17 Abs. 3 BNatSchG bedürfen, abweichend von § 14 BNatSchG kein Eingriff.

Der hier vorliegende Eingriff ist jedoch nicht nach § 5 NAGBNatSchG aus der Eingriffsregelung des § 14 BNatSchG ausgeschlossen, weil er der Erteilung einer Befreiung nach § 67 BNatSchG bedurft hätte und damit nicht unter den in Niedersachsen nach § 7 Abs. 1 NAGBNatSchG von der Anwendung ausgeschlossenen § 17 Abs. 3 BNatSchG, sondern unter § 17 Abs. 1 BNatSchG fällt. § 17 Abs. 1 BNatSchG bestimmt, dass dann, wenn ein Eingriff nach anderen Rechtsvorschriften einer behördlichen Zulassung oder einer Anzeige bedarf, diese Behörde zugleich die zur Durchführung des § 15 erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen im Benehmen mit der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde trifft, soweit nicht nach Bundes- oder Landesrecht eine weiter gehende Form der Beteiligung vorgeschrieben ist oder die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde selbst entscheidet. Als Trägerverfahren dieses sog. „Huckepack-Verfahrens“ kommen - unabhängig von ihrer konkreten Bezeichnung als Genehmigung, Erlaubnis, Bewilligung, Befreiung etc. - alle Zulassungs- und Anzeigeverfahren in Betracht, deren Gegenstand ein Eingriff im Sinne von § 14 BNatSchG mit sich bringt (vgl. P. Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, a. a. O., § 17 Rn. 3; Prall, in: Schlacke, a. a. O., § 17 Rn. 5). Dazu zählen auch die nach Naturschutzrecht anzeige- oder genehmigungsbedürftigen Vorhaben wie etwa Befreiungen nach § 67 BNatSchG (P. Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, a. a. O., § 17 Rn. 3; Prall, in: Schlacke, a. a. O., § 17 Rn. 5; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, a. a. O., § 17 Rn. 5; Lütkes, in: Lütkes/Ewer, a. a. O., § 17 Rn. 6; Mühlbauer, in: Lorz u.a., a. a. O., § 17 Rn. 10; VG Stade, Urt. v. 08.10.2013 - 1 A 2305/12 -, a. a. O., Rn. 24; Nds. OVG, Urt. v. 30.06.2015 - 4 LC 285/13 -, a. a. O., Rn. 52). Es ist mithin nicht erforderlich, dass es sich um ein nach einer anderen Rechtsmaterie anzeige- oder zulassungspflichtiges Vorhaben handelt (Prall, in: Schlacke, a. a. O., § 17 Rn. 5).

Vorliegend hätte die Entfernung der Pflanzen auf den drei streitgegenständlichen Flächen der Erteilung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG bedurft, da die Rodung gegen das in § 39 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG enthaltene Verbot, wild lebende Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen oder ihre Bestände niederzuschlagen, verstieß. Der Kläger hat im Rahmen seiner Widerspruchsbegründung mit Schriftsatz vom 3. März 2015 auch „vorsorglich“ einen Antrag auf „Genehmigung der durchgeführten Maßnahmen“ gestellt. Diesen Antrag hat der Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2016 und unter Bezugnahme auf das Nichtvorliegen der in § 67 Abs. 1 BNatSchG enthaltenen Voraussetzungen abgelehnt (siehe Bl. 59 der vorgelegten Verwaltungsvorgänge). Da die Rodungen damit einer Befreiung nach § 67 BNatSchG bedurften, handelt es sich vorliegend nicht um einen nach § 5 NAGBNatSchG von der bundesrechtlichen Eingriffsregelung ausgeschlossenen Fall. Insofern bedarf es mangels Entscheidungserheblichkeit auch keiner weiteren Auseinandersetzung mit der im Schrifttum geäußerten verfassungsrechtlichen Kritik, wonach die §§ 5 und 7 Abs. 1 NAGBNatSchG von den allgemeinen Grundsätzen des Naturschutzes abweichen und deshalb wegen eines Verstoßes Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG verfassungswidrig sind (so etwa Kerkmann/Koch, in: Schlacke, a. a. O., § 13 Rn. 18; Franzius, ZUR 2010, 346, 350 f.; Guckelberger in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), a. a. O., § 14 Rn. 7; offen gelassen Nds. OVG, Urt. v. 30.06.2015 - 4 LC 285/13 -, a. a. O., Rn. 52).

d) Aufgrund der bisherigen Ausführungen steht damit zugleich fest, dass der Eingriff, wie von § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG verlangt, ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommen wurde, da die nach § 67 Abs. 1 BNatSchG erforderliche Befreiung weder vor noch nach Durchführung des Eingriffs erteilt wurde und der Beklagte als handelnde Behörde auch für die Erteilung der erforderlichen Befreiung zuständig ist. Da somit die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Wiederherstellungsanordnung nach § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG vorliegen, verdrängt diese speziellere Regelung jedenfalls in der hier vorliegenden Fallkonstellation, in der die Naturschutzbehörde auch für das Verfahren nach §§ 17 Abs. 1 i. V. m. § 67 BNatSchG zuständig ist, die Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG. Die in der Literatur und Rechtsprechung teilweise diskutierte Frage, ob die Anwendung des § 17 Abs. 8 BNatSchG zu einem behördlichen „Zuständigkeitswechel“ von der Naturschutzbehörde zu der für die Zulassung nach § 17 Abs. 1 BNatSchG zuständigen Fachbehörde führt (vgl. Blum, in: Blum/Agena, a. a. O., § 2 NAGBNatSchG Rn.31, m.w.N.), stellt sich damit in der hier vorliegenden Konstellation, in der die Naturschutzbehörde auch für das Verfahren nach § 17 Abs. 1 BNatSchG zuständig ist, nicht.

3. Das Gericht kann die streitgegenständlichen Anordnungen auch nicht auf der Grundlage des § 17 Abs. 8 BNatSchG aufrechterhalten. Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass Gerichte behördliche Anordnungen, die sich nicht auf die von der Behörde herangezogene, aber auf eine andere Rechtsgrundlage stützen lassen, aufrechterhalten, da sie von Amts wegen zu prüfen haben, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.03.2010 - 8 C 12/09 -, Rn. 16; Bay. VGH, Beschl. v. 08.11.2016 - 20 CS 16.1193 -, Rn. 26; OVG Schleswig, Urt. v. 26.05.2009 - 1 LB 38/08 -, Rn. 35, jeweils zit. n. Juris). Diese Prüfung findet jedoch dort ihre Grenze, wo die im Bescheid getroffene behördliche Regelung aufgrund des Austauschs der Rechtsgrundlage eine sog. Wesensänderung erfahren würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.1982 - BVerwG 8 C 12.81 -, zit. n. Juris, dort Rn.12; OVG Schleswig, Urt. v. 26.05.2009 - 1 LB 38/08 -, a. a. O., Rn. 35). Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zieht die Grenze der Wesensänderung auch dort, wo ein Nachschieben von Gründen nicht mehr möglich ist (BVerwG, Beschl. v. 27.01.1982 - 8 C 12/81 -, zit. n. Juris, dort Rn.12, m.w.N.), d.h. wenn dem Bescheid eine anderweitige rechtliche Begründung oder andere Tatsachen zugrunde gelegt werden müssten (vgl. VG Regensburg, Urt. v. 13.11.2014 - RN 5 K 14.1125 -, zit. n. Juris, dort Rn. 36). Ob dabei durch das Austauschen der Rechtsgrundlage eine Wesensveränderung des ursprünglichen Verwaltungsaktes vorliegt, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles (vgl. VG Hannover, Urt. v. 02.06.2017 - 13 A 171/14 -, zit. n. Juris, dort Rn. 103).

Vorliegend würde das Austauschen des von dem Beklagten herangezogenen § 3 Abs. 2 BNatSchG durch den vorrangigen § 17 Abs. 8 BNatSchG zu einer unzulässigen Wesensänderung führen (a. A. wohl VG Augsburg, Urt. v. 01.12.2016 - Au 2 K 16.644 -, a. a. O., Rn. 44, allerdings ohne weitere Begründung und daher auch ohne Auseinandersetzung mit den nachfolgend für eine Wesensänderung angeführten Argumenten). Denn die genannten Vorschriften weisen auf der Rechtsfolgenseite derartig beachtliche Unterschiede auf, die einer Übertragung der von dem Beklagten angestellten Ermessenserwägungen entgegenstehen.

Ein zentraler Unterschied der Normen liegt dabei darin, dass § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG eine sog. „Soll-Vorschrift“ ist, wonach die Behörde beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Wiederherstellung des früheren Zustandes anordnen „soll“. Bei diesem sog. intendierten Ermessen darf die Behörde nur in atypischen Fällen, die gesondert zu begründen sind, von der entsprechenden Anordnung absehen (vgl. P. Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, a. a. O., § 17 Rn. 46; Siegel, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), a. a. O., § 17 Rn. 51; Mühlbauer, in: Lorz u.a., a. a. O., § 17 Rn. 35; VG Kassel, Urt. v .07.03.2012 - 3 K 1533/10.KS -, zit. n. Juris, dort Rn. 28). Demgegenüber ist das durch § 3 Abs. 2 BNatSchG eröffnete Ermessen - wie bereits der Wortlaut nahelegt - in keiner Weise gebunden oder intendiert, so dass insofern die allgemeinen Anforderungen an die Ermessensausübung gelten (siehe § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. § 40 VwVfG; vgl. auch BVerwG; Urt. v. 01.09.2016 - 4 C 4/15 -, zit. n. Juris, dort Rn. 27; Krohn, in: Schlacke, a. a. O., § 3 Rn. 24).

Ein weiterer wesentlicher Unterscheid der beiden Normen liegt auf Rechtsfolgenseite darin, dass nach § 17 Abs. 8 BNatSchG nur der „Verursacher“ des Eingriffs zur Wiederherstellung des früheren Zustandes verpflichtet werden darf. Dies ist derjenige, der die Maßnahme, die zum Eingriff führt, verantwortlich durchführt oder durchführen lässt (vgl. Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), a. a. O., § 15 Rn. 23). Anders als im Rahmen des § 3 Abs. 2 BNatSchG, wo nach den allgemeinen Grundsätzen des Ordnungsrechts neben dem sog. Handlungsstörer auch gegen den sog. Zustandsstörer vorgegangen werden kann (vgl. P. Fischer-Hüftle/J. Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, a. a. O., § 3 Rn. 7; Krohn, in: Schlacke, a. a. O., § 3 Rn. 31), scheidet eine Inanspruchnahme des Eigentümers als Zustandsverantwortlichem im Rahmen der Eingriffsregelung damit nach überwiegender Ansicht grundsätzlich aus (Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), a. a. O., § 15 Rn. 23; VG Aachen, Beschl. v. 30.10.2009 - 5 L 365/09 -, zit. n. Juris, dort Rn. 10; a. A. wohl P. Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, a. a. O., § 17 Rn. 57).

Vorliegend hat der Beklagte den Kläger jedenfalls hinsichtlich des östlichen Teils der Fläche am Fahrweg (auf dem Luftbild von 2012, Bl. 12 der Verwaltungsvorgänge, orange markiert) ausdrücklich als Zustandsstörer herangezogen. Dazu heißt es im Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2016 (S. 3, 3. Abs.):

„Da nicht nachgewiesen werden kann, wer diesen ca. 50 m langen Streifen gerodet hat, werden Sie als sog. Zustandsstörer zur Wiederherstellung herangezogen.“

Diese Begründung ist jedoch bei einem Austauschen der Ermächtigungsgrundlage aus den dargelegten Gründen zumindest problematisch und müsste jedenfalls weiter ergänzt bzw. ggf. durch eine anderweitige Begründung ersetzt werden. Der Austausch einer inhaltlich abweichenden und damit das Wesen des Verwaltungsaktes ändernden Begründung obliegt aber ausschließlich der Behörde. Dem Gericht ist es dabei auch aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips untersagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen (vgl. W.-R. Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 69).

Darüber hinaus ist fraglich, ob § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG mit der „Wiederherstellung des früheren Zustandes“ restriktivere bzw. andere Vorgaben in Bezug auf den Inhalt und den Umfang einer Wiederherstellungsanordnung macht als § 3 Abs. 2 BNatSchG (vgl. zu dieser Fragestellung Nds. OVG, Urt. v. 30.06.2015 - 4 LC 285/13 -, a. a. O., Rn. 54). Diese Frage kann vorliegend jedoch offen bleiben, weil sich bereits aus den aufgezeigten, hinsichtlich der Ermessensausübung und des Adressatenkreises bestehenden Unterschieden ergibt, dass das Gericht die streitgegenständliche Anordnung nicht auf der Grundlage des vorrangigen § 17 Abs. 8 BNatSchG aufrechterhalten kann. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner weiteren Auseinandersetzung mit der in der Literatur vertretenen Ansicht, wonach § 3 Abs. 2 BNatSchG bei der Verwirklichung eines artenschutzrechtlichen Verbotstatbestandes nach § 39 Abs. 1 BNatSchG keine Handhabe für die Anordnung von Wiederherstellungs- oder Kompensationsmaßnahmen bietet (so Lau, in: Frenz/Müggenborg (Hrsg.), a. a. O.; § 39 Rn. 2; a. A. wohl P. Fischer-Hüftle/J. Schumacher, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, a. a. O., § 3 Rn. 6).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.