Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 07.03.2017, Az.: 10 B 3761/16

Androhung; Cashpoint; Ereigniswette; Kohärenz; Live- und Ereigniswette; Livewette; Spielabschnitt; Sportwette; Sportwetten-Vermittlung; Zwangsmittel; Zwangsmittelandrohung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.03.2017
Aktenzeichen
10 B 3761/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 54192
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wetten auf das erste oder nächste Tor, Wetten auf den Torschützen und Wetten auf Verlängerung und Elfmeterschießen sind nach § 21 Abs. 4 GlüStV unzulässige - nicht erlaubnisfähige - Live- und Ereigniswetten.
2. Werden Wetten, deren Einsatz im Einzelnen den Betrag von 50 ct unterschreitet, als Kombiwetten mit einem Gesamteinsatz größer als 50 ct angeboten, liegt darin Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV vor, weil die aus dem Strafrecht übertragene Erheblichkeitsschwelle überschritten wird.
3. Weder der Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV noch das Verbot von Ereignis- und Livewetten in § 21 Abs. 4 GlüStV noch die Aufgabenzuweisung der Glücksspielaufsicht und deren Eingriffsbefugnisse in § 22 Abs. 1, Abs. 4 NGlüSpG verstoßen gegen höherrangiges Recht insbesondere der Europäischen Union, auch unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 4.2.2016 - C336/14 Ince .
4. Die Androhung von Zwangsmitteln für "Zuwiderhandlungen gegen diese Untersagung" findet im niedersächsischen Landesrecht keine Stütze (Anschluss an Nds. OVG, Beschluss vom 28.10.2010 - 13 ME 86/10 -, juris).

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 30. Juni 2016 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 13. Juni 2016 – Aktenzeichen – wird angeordnet, soweit sich die Klage gegen die unter II. ausgesprochene Zwangsmittelandrohung richtet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf eine Verfügung des Antragsgegners, mit der ihr die Vermittlung von Ereigniswetten und Live-Wetten untersagt wird.

Die Antragstellerin mit Sitz in Hessen unterhält zwei Betriebsstätten in Oldenburg und Wilhelmshaven, in denen Sportwetten beworben, angeboten und vermittelt werden. In anderen Bundesländern verfügt sie nach eigenen Angaben über Buchmachererlaubnisse nach § 2 RennwLottG, in Schleswig-Holstein über eine Erlaubnis zum stationären Vertrieb von Sportwetten.

Bei routinemäßigen Kontrollen am 30. Januar 2015, 20. Juli 2015, 19. Mai 2016 und am 1. Juni 2016 stellte der Antragsgegner fest, dass die Antragstellerin in der Betriebsstätte N. Straße 80, 26123 Oldenburg zunächst Sportwetten der Fa. P. International Ltd. und später der Fa. Y. Ltd. (Malta) bewarb, anbot und vermittelte. Diese Sportwettanbieter bieten nach Erkenntnissen des Antragsgegners auch Live- und Ereigniswetten an, z. B. Wetten auf rote Karten, Elfmeter oder Wetten auf namentliche Torschützen. Die Platzierung solcher Wetten war in der Betriebsstätte der Antragstellerin in Oldenburg nach den Feststellungen des Antragsgegners möglich. Weiterhin stellte der Antragsgegner fest, dass die Antragstellerin Kundenkarten des Sportwettveranstalters XTip ausgab und Gewinne aus solchen Wetten auszahlte. Diese Kundenkarten konnten in der Betriebsstätte der Antragstellerin mit einem Geldbetrag aufgeladen werden und dann für Einsätze in der Betriebsstätte der Antragstellerin oder im Internet verwendet werden; zumindest auf der Internetseite werden dabei auch Ereigniswetten angeboten.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2016 erließ der Antragsgegner gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin folgende Verfügung:

„I.1) Hiermit untersage ich Ihrem Mandanten, in seiner Betriebsstätte N. Straße 80, 26123 Oldenburg, oder sonst in Niedersachsen

a. Ereigniswetten, d. h. Wetten auf in Sportereignissen möglicherweise eintretende Ereignisse, die nicht Wetten auf den Ausgang oder den Ausgang von Abschnitten dieser Sportereignisse nach den Spielregeln des Wettbewerbs sind, und zwar auch als Live-Ereigniswetten während des Laufs dieser Sportereignisse, sowie

b. darüber hinaus als Live-Wetten während laufender Sportereignisse auch alle sonstigen Wetten, die nicht Wetten auf das Endergebnis. d. h. auf den Ausgang dieser Sportereignisse nach dem durch den Veranstalter nach den Spielregeln des Wettbewerbs festgestellten finalen Spielstand oder dessen Bestandteile sind,

zu vermitteln.

Weiter untersage ich Ihnen die Werbung für die unter I. genannten Wetten.

Dieser Verfügung ist unverzüglich nachzukommen.

II. Für Zuwiderhandlungen gegen diese Untersagung drohe ich Ihnen die Anwendung von Zwangsmitteln in der angegebenen Reihenfolge an:

1. die Verhängung eines Zwangsgelds in Höhe von 20.000 Euro,

2. die Versiegelung der für die Sportwettvermittlung bzw. -veranstaltung nutzbaren Sportwettgeräte bzw. der bereitgestellten Computer ode Einrichtungen,

3. bei weiteren Zuwiderhandlungen gegen diese Untersagungsverfügung die Schließung der Betriebs- und Geschäftsräume, in denen die Sportwettvermittlung stattfindet.“

Hiergegen hat die Antragstellerin am 30. Juni 2016 Klage erhoben (10 A 3760/16), über die noch nicht entschieden ist, und am 1. Juli 2016 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Sie hält die angefochtene Verfügung für rechtswidrig.

Sie sei ein zuverlässiger, in mehreren Bundesländern konzessionierter Wettvermittler. Die von ihr vermittelten Wetten seien kein Glücksspiel, weil darunter auch Wetten mit einem Gebot von nur 50 ct seien, die dem Glücksspielbegriff nicht unterfielen. Auch die vermittelten Ereigniswetten seien zulässig. Die Wette auf das nächste Tor sei nach den „Leitlinien zum Vollzug im Bereich Sportwetten während des laufenden Konzessionsverfahrens der Länder (Stand 28.01.2016)“ – „Leitlinien“ eine zulässige Wette auf das Endergebnis, weil Torschützen im Spielbericht erwähnt und damit aus dem Endergebnis abzuleiten seien. Außerdem sei nach den Regeln des DFB mit jedem Tor ein Spielabschnitt abgeschlossen.

Nach § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG, auf den der Antragsgegner Bezug nehme, sei er schon bei formeller Illegalität zum Einschreiten verpflichtet. Soweit der Antragsgegner sein Einschränken dementgegen auf nicht erlaubnisfähige Wetten beschränke, handele er den gesetzgeberischen Zielen zuwider; die Untersagung (nur) nicht erlaubnisfähiger Wetten sei von § 22 NGlüSpG nicht gedeckt, sondern könne allenfalls auf die Ermessensvorschrift des § 22 Abs. 3 NGlüSpG gestützt werden. Dagegen sei § 22 Abs. 4 NGlüSpG denklogisch von einem funktionierenden Konzessionsverfahren abhängig und schon in Ermangelung dessen unanwendbar. Soweit § 22 Abs. 4 NGlüSpG ungeachtet dessen auf die formelle Illegalität und nicht die Erlaubnisfähigkeit abstelle, verstoße die Norm gegen Unionsrecht und sei auch nicht unionsrechtskonform auszulegen. Durch die Anwendung von § 22 Abs. 4 NGlüSpG anstelle von § 22 Abs. 3 NGlüSpG werde die Untersagungsverfügung in ihrem Wesen verändert und sei auch deshalb rechtswidrig.

Der Antragsgegner handele ermessensfehlerhaft und treuwidrig, indem er ausschließlich gegen Wettvermittler vorgehe, nicht aber gegen Veranstalter und Internetanbieter. Daneben bleibe der Antragsteller offenbar untätig gegenüber dem staatlichen Lottoanbieter, der sein Angebot an Sportwetten kontinuierlich ausbaue, obwohl schon das Gebot der Trennung zwischen Sport- und Wetterveranstaltern nicht gewahrt sei.

Andere Länder gingen gegen Wettvermittler nicht vor; insbesondere Wetten auf das nächste Tor und Torschützen würden bundesweit in ca. 10.000 bis 15.000 Wettannahmestellen ohne behördliche Beanstandungen vermittelt. Das Vorgehen der Länder ermangele sowohl in der vertikalen Abstimmung zwischen Bund und Ländern als auch in Bezug auf den Sportwettensektor der unionsrechtlich gebotenen Kohärenz.

Da die Untersagung der Wettvermittlung zwischen diesen erlaubnisfähigen und nicht erlaubnisfähigen Wetten nicht differenziere, sei sie unbestimmt und damit rechtswidrig. Auch das Verbot, „die unter I. genannten Wetten“ zu bewerben, sei unbestimmt, weil unter I. der Verfügung auch erlaubnisfähige Wetten erwähnt seien.

Schließlich laufe die Untersagung der Wettvermittlung in ortsfesten Betriebsstätten der gesetzgeberischen Intention zuwider, die Abwanderung von Spielern zu Internetdiensten zu begrenzen.

Die Zwangsmittelandrohung sei rechtswidrig, weil sie nicht pflichtengenau formuliert und nicht auf den einzelnen Verstoß gegen die Verfügung abstelle.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 30. Juni 2016 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die angefochtene Verfügung. Er hält die Rechtsgrundlage des § 22 Abs. 4 NGlüSpG für grundsätzlich und konkret anwendbar, die von der Verfügung erfassten Wetten für hinreichend bestimmt und nicht erlaubnisfähig und das Vorgehen gegen die Antragstellerin auch im Hinblick auf die Störerauswahl für ermessensfehlerfrei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

1. Der Antrag ist statthaft. Die Klage hat aufgrund von § 9 Abs. 2 Satz 1 des Glücksspielstaatsvertrages (Erster Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 15.12.2011 – GlüStV –, in Kraft getreten am 28.6.2012 durch Gesetz vom 21.6.2012 (Nds. GVBl. 2012, S. 190)) kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO. Hinsichtlich der Androhung eines Zwangsgeldes als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung entfällt die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 64 Abs. 4 Nds. SOG.

2. Soweit sich die Antragstellerin gegen die unter I. der angefochtenen Verfügung ausgesprochene Untersagung der Vermittlung und Bewerbung von Ereigniswetten und Live-Wetten während laufender Sportereignisse, die nicht Wetten auf das Endergebnis sind, richtet, bleibt der Antrag ohne Erfolg.

a. Die vom Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung setzt eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen voraus, in die auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs einzubeziehen sind. Die aufschiebende Wirkung ist anzuordnen, wenn das Suspensivinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Dies bemisst sich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Bei nach summarischer Prüfung offensichtlich Erfolg versprechendem Rechtsbehelf überwiegt im Hinblick auf die Art. 19 Abs. 4 GG zu entnehmende Garantie effektiven Rechtsschutzes das Suspensivinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO, in denen – wie hier – die aufschiebende Wirkung bereits kraft gesetzlicher Anordnung entfällt, spricht die gesetzliche Wertung für ein überwiegendes öffentliches Interesse, soweit nicht offensichtlich absehbar ist, dass die Verfügung rechtswidrig ist und die Klage Erfolg hat.

Nach diesen Grundsätzen überwiegt hier das öffentliche Interesse an der Vollziehung der angefochtenen Verfügung, weil mit hinreichender Sicherheit absehbar ist, dass sich die angefochtene Verfügung als rechtmäßig erweist.

b. Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i. V. m. § 22 Abs. 4 Satz 2 des Niedersächsischen Glücksspielgesetzes vom 17. Dezember 2007 (Nds. GVBl. 2007, 756 – NGlüSpG in d. F. vom 16.12.2014 (Nds. GVBl. S. 429)). Nach diesen maßgeblichen gesetzlichen Regelungen ist die Veranstaltung und Vermittlung unerlaubter öffentlicher Glücksspiele sowie die Werbung hierfür zu untersagen.

Während § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV der Glücksspielaufsicht ein Ermessen einräumt, eine unerlaubte Vermittlung zu untersagen, normiert § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG eine Verpflichtung zum Einschreiten.

Durch die Vermittlung der von der angefochtenen Verfügung betroffenen Sportwetten des Wettanbieters vermittelt die Antragstellerin unerlaubte öffentliche Glücksspiele.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV liegt ein Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV sind Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele. Sportwetten sind nach § 3 Abs. 1 Satz 4 GlüStV Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen (zur Glücksspieleigenschaft vgl. schon BVerfG, Urteil vom 28.3.2006 – 1 BvR 1054/01 –, NJW 2006, 1261), da bei ihnen für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Sportwetten dürfen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden dürfen.

Ungeachtet der Fragen, ob dem Veranstalter der von der Antragstellerin vermittelten Wetten eine Veranstaltererlaubnis erteilt worden ist oder nicht und ob ihr in anderen Ländern Konzessionen nach dem RennwLottG erteilt worden sind oder nicht, ist das Vermitteln der von der angegriffenen Verfügung betroffenen Wetten nicht zulässig. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sind nur Ergebniswetten auf den Ausgang von Sportereignissen sowie den Ausgang von Abschnitten von Sportereignissen als Einzel- und Kombinationswetten zulässig. Endergebniswetten dürfen nach § 21 Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV auch als Live-Wetten angeboten werden. Ansonsten sind Live-Wetten genauso wie Ereigniswetten ausgeschlossen.

Die von der Klägerin vermittelten und von der Verfügung erfassten sog. torbezogenen Wetten – Wetten auf das erste oder nächste Tor, Wetten auf den Torschützen sowie Wetten auf Verlängerung oder Elfmeterschießen – sind weder als Endergebnis- noch als Abschnittswetten zulässig; es handelt sich bei ihnen um unzulässige Ereigniswetten. Eine Erlaubnis für das Vermitteln solcher Wetten kommt nicht in Betracht.

c. Die Einwände der Antragstellerin greifen nicht durch. Im Einzelnen:

aa. Die Verfügung ist hinreichend bestimmt. Ihr Regelungsinhalt ist dahingehend erkennbar, dass der Antragstellerin die Vermittlung von jedweden Ereigniswetten und Live-Wetten untersagt wird, die sich nicht auf das Endergebnis beziehen. Wenn die Antragstellerin meint, dass bestimmte von ihr angebotene Wetten zu Unrecht von dem Antragsgegner als unzulässig bezeichnet werden, weil sie weder Ereigniswetten noch Live-Wetten auf Nicht-Endergebnisse sind, ist das keine Frage der Bestimmtheit der Verfügung, sondern betrifft deren materielle Rechtmäßigkeit. Insoweit ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.

Dass der Antragstellerin möglicherweise mit dem angefochtenen Bescheid auch die Vermittlung von Wetten untersagt worden ist, die sie gar nicht anbietet (Wetten auf gelbe/rote Karten oder Anzahl der Ecken), führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung. Der Antragsgegner hat in dem angefochtenen Bescheid, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen, Beispiele für einzelne Wettarten angeführt, die von der Untersagung erfasst werden sollen. Vermittelt die Antragstellerin bestimmte Wettarten nicht, geht der Bescheid insofern ins Leere, ohne dass dies für sie eine Beschwer begründet (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2.12.2016 – 11 ME 219/16 –, juris).

bb. Die von der Verfügung erfassten Wetten fallen auch dann als Glücksspiel in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 GlüStV, wenn einzelne – von der Antragstellerin weder genau bezeichnete noch quantifizierte – Wetten zu Einsätzen von 50 Cent angeboten werden.

Zwar ist bei der Auslegung des Glücksspielbegriffs eine Orientierung an den bundesrechtlichen Vorgaben des § 284 StGB geboten, da Landesrecht aus kompetenzrechtlichen Gründen den Glückspielbegriff nicht weiter fassen darf als diese bundesrechtliche Norm es vorgibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.1.2014 – BVerwG 8 C 26.12 –, juris Rn. 11; BVerwG, Urteil vom 1.10.2013 – BVerwG 8 C 21.12 –, BVerwGE 148, 146-155, Rn. 22). Die – aus dem Strafrecht übertragene – Erheblichkeitsschwelle für den Einsatz wird jedoch, soweit nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ersichtlich, bei dem Geschäftsmodell der Antragstellerin oder des Veranstalters der von ihr vermittelten Wetten jedenfalls bei den von dem Antragsgegner vor Ort festgestellten Kombiwetten aufgrund der dort stattfindenden Summierung der Einzeleinsätze überschritten (vgl. Hüsken in: Dietlein, Glücksspielrecht, 2. Auflage, § 3 GlüStV, Rn 6; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15.7.2009 – 27 L 415/09 –, juris; bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 9.12.2009 – 13 B 1090/09 – juris; LG Köln, Urteil vom 7.4.2009 – 33 O 45/09 –, juris).

cc. Die Wetten sind nicht zulässige Ergebniswetten auf einzelne Abschnitte des Sportereignisses, etwa weil ein Anstoß nach einem gefallenen Tor das Ende eines Spielabschnitts bezeichnet (vgl. zum Folgenden, Urteil der Kammer vom 05.12.2016 - 10 A 4209/15). Abschnitte eines Fußballspiels sind nach den Spielregeln des DFB für die Spielzeit 2016/17 die beiden Halbzeiten eines Spiels (Regel 7 Nr. 1: „Spielabschnitte: Ein Spiel besteht aus zwei Halbzeiten …“) und eventuell bei Entscheidungs- und Pokalspielen die beiden Spielverlängerungen um jeweils 15 Minuten (Zusätzliche Erläuterung Nr. 4 zu Regel 7). Nach Regel 8 (Einführung Satz 1) werden mit einem Anstoß „die beiden Halbzeiten sowie die beiden Halbzeiten der Verlängerung begonnen und das Spiel nach einem Tor fortgesetzt“. Ein Anstoß nach einem Tor bildet nach dem Regelwerk nicht einen neuen Abschnitt, sondern ist die vorgeschriebene Form, das Spiel fortzusetzen.

Selbst wenn die Kammer es für möglich hielte, dass ein Abschnitt als ein lediglich zeitlich abgrenzbarer Teil eines Sportereignisses und vom Regelwerk unabhängig gebildet werden kann (vgl. BayVGH, Beschluss vom 6.5.2015 – 10 CS 14.2669 –, juris Rn. 43), unterliegt der Begriff des „Abschnitts“ bei dieser Form der „Abschnittsbildung“ einer einschränkenden Auslegung. Da eine Ergebniswette nicht zur Ereigniswette werden darf, müssen die in § 1 GlüStV formulierten, allgemeinen Ziele Beachtung finden. Sie schließen es aus, zeitliche Abschnitte in aller Beliebigkeit zu bilden, denn als bewettbare Abschnitte eines Sportereignisses sind nur solche Spielabschnitte zugelassen, die unabhängig von zufälligen Ereignissen im Spielverlauf vorgesehen sind, die nicht willkürlich herbeigeführt werden können und deren Ergebnis kontrolliert werden kann (Vermeidung von Wettmanipulationen; vgl. Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2013, § 21 Rn. 28). Unter Berücksichtigung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags ist jedenfalls eine beliebige Zerstückelung des Sportereignisses in zeitliche Einzelabschnitte nicht gewollt, da sonst das legale Angebot der Abschnittswette als Ergebniswette dem Grundsatz der Schaffung eines begrenzten Wettangebots widersprechen würde. Das (Nicht-)Erzielen eines Tors stellt lediglich einen Vorgang während eines Sportereignisses dar (vgl. BayVGH, Beschluss vom 6.5.2015 – a. a. O. –, Rn. 38 m. w. N.).

Eine torbezogene Wette ist auch keine Ergebniswette auf den Ausgang eines Spiels. Der Spielausgang wird nach den DFB-Regeln nach Regel 10 Nr. 1 („Erzielen eines Tores“ durch Überschreiten der Torlinie) und Regel 10 Nr. 2 („Sieger des Spiels“) bestimmt. Die Regeln beziehen damit zwar das „Erzielen eines Tores“ in die Bestimmung des Spielausgangs mit ein, messen dem allein aber nicht die entscheidende Aussagekraft für die Bestimmung des Ausgangs („Sieger des Spiels“) bei. Die Regel 10 Nr. 1 klärt nur eine Vorfrage, die bei der Bestimmung des „Siegers des Spiels“ und damit des Ausgangs des Spiels entscheidend ist. Die Siegerbestimmung wird anhand der erzielten Tore vorgenommen.

Für eine Auslegung der gesetzlichen Bestimmung dahingehend, dass der Gesetzgeber diejenigen Wetten als Ergebniswetten zulassen wollte, bei denen sich ein Ereignis lediglich im Spielergebnis niederschlägt, bieten sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sprechen für ein derartiges Verständnis. Die Entscheidung des Gesetzgebers, Endergebniswetten als Live-Wetten zuzulassen, indiziert gerade ein enges Verständnis des Begriffs „Ergebnis“, da die Live-Wette wegen der hohen Suchtgefahr grundsätzlich ausgeschlossen (§ 21 Abs. 4 Satz 2 GlüStV) und nur unter dem Gesichtspunkt der Kanalisierung des Wettangebots (LT-Drs. 16/11995 S. 30) zulassungsfähig ist. Der Gesetzgeber beabsichtigte folglich die Zulassung von Live-Wetten nur in einem genau bzw. eng definierten Bereich. Eine Auslegung dahingehend, dass auch alle Wetten auf Ereignisse, die sich unmittelbar auf das Ergebnis auswirken, (als Live-Wetten) zulässig sein sollen, kommt damit nicht in Betracht. Dies gilt unabhängig vom Vorhandensein einer Vielzahl unbestimmter ergebnisrelevanter Vorgänge während eines Sportwettkampfs und daraus resultierender unlösbarer Abgrenzungsprobleme. Ebenso steht der Grundsatz der Begrenzung des Wettangebots in § 1 Nr. 2 GlüStV einer Erweiterung des Wettangebots durch eine entsprechende Auslegung des Begriffs „Ergebnis“ entgegen. Die ausdrückliche Klarstellung des Gesetzgebers in § 21 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 GlüStV, dass Ereigniswetten auch unter das Live-Wetten-Verbot fallen, obwohl Ereigniswetten bereits nach § 21 Abs. 1 GlüStV nicht zulässig sind, führt zu keinem anderen Ergebnis (vgl. BayVGH, Beschluss vom 1.8.2016 – 10 CS 16.893 –, juris). Denn insoweit handelt es sich nur um eine nochmalige Hervorhebung der Unzulässigkeit von Ereigniswetten (Hecker/Ruttig, a.a.O., § 21 Rn. 55).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind für die Auslegung des Begriffs der „Ergebniswette“ auch die „Leitlinien“ der Hessischen Landesregierung vom 28. Januar 2016 nicht entscheidend – ungeachtet der Frage, ob diese Leitlinien überhaupt Anlass sein können, die Regelung in § 21 GlüStV gegen deren Wortlaut zu deuten. Denn nach Auffassung der Kammer sind die Leitlinien und die mit ihnen ergangenen Hinweise des Hessischen Staatsministeriums des Innern schon tatsächlich nicht so zu verstehen wie die Antragstellerin meint, sondern eher im Gegenteil. Die „Leitlinien“ sind nicht eindeutig. Sie führen u. a. aus:

„§ 21 Abs. 1 GlüStV verwendet den Begriff des „Ausgangs“ als zulässigen Bezugspunkt von Sportwetten. Hiervon zu unterscheiden ist der „Vorgang“ als Bezugspunkt einer unzulässigen Ereigniswette in § 21 Abs. 4 GlüStV.

Der Ausschluss unzulässiger Ereigniswetten erfolgt daher schon durch § 21 Abs. 1 GlüStV und zwar durch die Abgrenzung von Ausgangs- zu Vorgangswetten bzw. des Ergebnisses vom (bloßen) Ereignis.

Wetten auf den Ausgang beziehen sich auf das Ergebnis der Sportveranstaltung und auf Vorgänge, die sich im Ergebnis unmittelbar niederschlagen, sich aus diesem herleiten lassen oder sich auf andere leistungsrelevante Merkmale des Ergebnisses der Sportveranstaltung beziehen. Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung zum bloßen Vorgang (Ereignis) ist damit ein Ergebniszusammenhang, eine Ergebnisbezogenheit. Ein Vorgang, also ein Ereignis, das sich nicht im Ergebnis niederschlägt, sich nicht aus diesem ableiten lässt und auch keinen leistungsrelevanten Bezug zum Ergebnis hat, scheidet als zulässiger Bezugspunkt einer Sportwette aus Gründen des Schutzes der sportlichen Integrität aus.“

Sie lassen sich, da Wetten auf den Ausgang (auch) solche auf „Vorgänge, die sich im Ergebnis unmittelbar niederschlagen, sich aus diesem herleiten lassen oder sich auf andere leistungsrelevante Merkmale des Ergebnisses der Sportveranstaltung beziehen“, sind, nicht eindeutig verstehen. Einerseits besteht die Möglichkeit, dass ein Tor einzeln bewettbar ist, weil es ein „Vorgang“ ist, das sich „im Ergebnis unmittelbar niederschlägt“. Andererseits ist es möglich, dass die Wette auf den Ausgang einer Sportveranstaltung voraussetzt, dass an deren Ende ein bestimmter Torestand im Endergebnis festgestellt werden muss, der Gegenstand der verschiedensten Wettformen sein kann. Eine Klärung im letzteren Sinne könnte bieten, dass den genannten Wetten solche auf Vorgänge gleichgestellt werden, die sich „aus dem Ergebnis herleiten lassen oder sich auf andere leistungsrelevante Merkmale des Ergebnisses der Sportveranstaltung beziehen“. Die Bezugnahme der zulässigen Ausgangswette auf einen „Vorgang“ in den „Leitlinien“ führt weiter zu Irritationen, weil sie zuvor ausführen, dass der „Vorgang“ Bezugspunkt einer unzulässigen Ereigniswette in § 21 Abs. 4 GlüStV sei. Dass er gleichwohl Bezugspunkt einer zulässigen Ergebniswette sein kann, liegt nicht auf der Hand. Zulässig sind damit nur Wetten auf „Vorgänge“, die sich – unabhängig von einer zeitlichen Komponente – unmittelbar im (ggf. aus mehreren Toren) zusammengesetzten Endergebnis niederschlagen und – wie z. B. die Tordifferenz – unmittelbar aus diesem rückabgeleitet werden können.

Diese Auslegung der Kammer wird bestätigt durch die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 2.12.2016 – 11 ME 219/16 –):

Bei Wetten auf das erste oder das nächste Tor handelt es sich unzweifelhaft um Ereigniswetten, d.h. um Wetten auf einzelne Vorgänge während des Sportereignisses, die nicht zu den zulässigen Wettarten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV gehören und somit ohnehin unzulässig sind. Durch die ausdrückliche Klarstellung in § 21 Abs. 4 Satz 3 2. Halbsatz GlüStV, dass Ereigniswetten auch unter das Verbot von Live-Wetten fallen, wird die Unzulässigkeit von Ereigniswetten noch einmal hervorgehoben (Hecker/Ruttig, a.a.O., § 21 Rn. 55). Die Auffassung der Antragstellerin, dass Torwetten sich anders als Wetten auf die nächste gelbe Karte oder den nächsten Einwurf immer auch auf das Ergebnis auswirkten und daher nicht als Ereigniswetten, sondern als Endergebniswetten anzusehen seien, die nicht vom Live-Wetten-Verbot erfasst würden, überzeugt nicht. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung lassen darauf schließen, dass der Gesetzgeber diejenigen Wetten als Ergebniswetten zulassen wollte, bei denen ein Ereignis während des Spiels ergebnisrelevant sein kann. Im Gegenteil spricht die Entscheidung des Gesetzgebers, Endergebniswetten als Live-Wetten zuzulassen, gerade für ein enges Verständnis des Begriffs „Ergebnis", da Live-Wetten nach § 21 Abs. 4 Satz 3 GlüStV grundsätzlich unzulässig sind und nur unter dem Gesichtspunkt der Kanalisierung des Wettangebots (LT-Drs. 16/4795, S. 90) zugelassen werden können. Der Grundsatz der Begrenzung des Wettangebots in § 1 Nr. 2 GlüStV steht einer Erweiterung des Wettangebots durch entsprechende Auslegung des Begriffs „Ergebnis“ ebenfalls entgegen (Bay. VGH, Beschl. v. 1.8.2016 – 10 CS 16.893 –, juris, Rn. 36).

Da es das Ziel des Glücksspielstaatsvertrags ist, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern (§ 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV), sind nach § 21 Abs. 1 GlüStV Wetten auf Sportereignisse in anderer als der positiv als erlaubnisfähig geregelten Form wegen der besonderen Manipulationsgefahr verboten (vgl. Urteil der Kammer vom 16.12.2015 – 10 A 358/15 –, m. w. N.).

dd. Weder der Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels in § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV noch das Verbot von Ereignis- und Livewetten in § 21 Abs. 4 GlüStV noch die Aufgabenzuweisung der Glücksspielaufsicht und deren Eingriffsbefugnisse in § 22 Abs. 1, Abs. 4 NGlüSpG verstoßen gegen höherrangiges Recht insbesondere der Europäischen Union.

(1) Der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV unterliegt nach ständiger Rechtsprechung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil er unabhängig von einem etwaigen unionsrechtswidrigen Glücksspielmonopol den verfassungs- und unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung im Wege einer präventiven Prüfung der Erlaubnisvoraussetzungen dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.6.2013 – BVerwG 8 C 39.12 –, juris Rn. 50 m. w. N.). Wie die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 1.8.2016 – 10 CS 16.893 – Rn. 20, juris) sieht die Kammer keine Veranlassung, im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen. Auch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 4.2.2016 – C-336/14 Ince –) gebietet dies nicht. Darin äußert sich der Gerichtshof ausdrücklich nur zur strafrechtlichen Ahndung von nicht erlaubtem und wegen des faktischen Fortbestehens des staatlichen Glücksspielmonopols auch nicht erlaubnisfähigem Glücksspiel. Aus Randnummer 64 des Urteils ergibt sich nicht zwangsläufig, dass der Erlaubnisvorbehalt auch ordnungsrechtlich insgesamt unanwendbar ist, sondern allenfalls, dass allein wegen der fehlenden Erlaubnis (d. h. aus formalen Gründen) derzeit keine ordnungsrechtlichen Sanktionen (z. B. eine Betriebsuntersagung) verhängt werden dürfen. Dies aber entspricht auch der Praxis der Aufsichtsbehörden, wonach keine Untersagungsverfügungen erlassen werden, wenn das Vermitteln des Glücksspiels lediglich formell rechtswidrig erfolgt, und der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, die eine Untersagungsverfügung, die sich ausschließlich auf die fehlende Vermittlungserlaubnis stützt, als ermessensfehlerhaft aufheben. Auch in seiner aktuellen Rechtsprechung stellt das Bundesverwaltungsgericht das Fortbestehen des Erlaubnisvorbehalts nicht in Frage, sondern stellt nur fest, dass alleine das Fehlen einer Vermittlungserlaubnis eine Untersagung der Wettvermittlung nicht begründen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.6.2016 – BVerwG 8 C 5.15 –, juris).

Im Übrigen galt schon für den Glücksspielvertrag a. F., dass unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Sportwettenmonopols die Schaffung eines Erlaubnisvorbehalts für das Anbieten und Vermitteln von Sportwetten weder gegen Verfassungs- noch gegen Unionsrecht verstieß. Ein solcher Erlaubnisvorbehalt dient nicht allein dem Schutz des Monopols, sondern unabhängig davon den verfassungsrechtlich wie unionsrechtlich legitimen Zielen des Jugend- und Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung (BVerwG, Urteil vom 16.5.2013 – BVerwG 8 C 14.12 –, BVerwGE 146, 303, juris, Rn. 53). Das Unionsrecht verlangt selbst bei Rechtswidrigkeit des Monopols keine – und erst recht keine sofortige – Öffnung des Marktes für alle Anbieter ohne präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden (EuGH, Urteil vom 24.1.2013 – Rs. C-186/11 u. a. –, NVwZ 2013, 785, juris, Rn. 39, 44, 46 ff.). Einen Anspruch auf Duldung einer unerlaubten Tätigkeit vermittelt das Unionsrecht auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung nicht (BVerwG, Urteil vom 16.5.2013 – a. a. O. –, Rn. 56). Dass in Bezug auf den in § 4 Abs. 1 GlüStV geregelten Erlaubnisvorbehalt eine andere Beurteilung geboten ist, ist nicht ersichtlich (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 1.8.2016 – 10 CS 16.893 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.2.2014 – 13 A 2018/11 –, juris, Rn. 186; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 17.8.2016 – 11 ME 43/16; 11 ME 51/16; 11 ME 56/16; 11 ME 61/16; 11 ME 63/16; 11 ME 64/16 –, n. v.).

(2) Auch das in § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV geregelte Verbot von Wetten während des laufenden Sportereignisses (Live-Wetten) mit der Ausnahme von Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind (Live-Endergebniswetten), steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Danach können Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen gerechtfertigt sein (vgl. EuGH, Urteil vom 12.6.2014 – C-156/13 "Digibet Ltd, Gert Albers" –, NVwZ 2014, 1001; Urteil vom 6.3.2007 – a. a. O –). Die Belange der Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) und des Jugend- und Spielerschutzes (§ 1 Nr. 3 GlüStV) sind ebenso wie die Begrenzung des Glücksspielangebots, die Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV) und das Anliegen der Kriminalitätsbekämpfung durch Betrugsvorbeugung (§ 1 Nr. 4 GlüStV) zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 – BVerwG 8 C 13.09 –, juris; Nds. OVG, Urteil vom 21.6.2011, – 11 LC 348/10 –, juris). Dies gilt auch für die von der Verfügung des Antragsgegners erfassten Wetten, wie sich aus den folgenden Erwägungen des VG Stade (Beschl. vom 13.10.2014 – 6 B 1462/14 –) ergibt, denen die Kammer vollumfänglich folgt:

"Live-Ereigniswetten weisen aufgrund der hohen Ereignisfrequenz und der Schnelligkeit der Wettplatzierungen eine hohe Suchtgefahr auf. Das Spielbedürfnis wird über die fortwährende Einführung neuer Spielanreize stimuliert. Es besteht ein beachtlicher Zusammenhang zwischen dem Angebot von Wetten und der Häufigkeit ihrer Nutzung sowie einer möglichen Abhängigkeit. Eine Ausweitung des Wettangebots zieht die Gefahr einer Verbreitung der Wettsucht nach sich (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 – a. a. O. –). Hinzu kommt, dass Live-Ereigniswetten relativ leicht durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des bewetteten Ereignisses beeinflusst werden können und sie daher besonders manipulationsanfällig sind. Daraus folgt eine hohe Gefahr des Wettbetrugs und der Begleitkriminalität. Auch Live-Abschnittswetten weisen eine hohe Sucht-, Manipulations- und Kriminalitätsgefahr auf."

Anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 4.2.2016 – C-336/14 Ince –), weil sich das Verbot von Live- und Ereigniswetten unabhängig von der Ausgestaltung des (faktischen) Sportwettmonopols gegen alle, auch von dem Monopol begünstigte Wettveranstalter richtet.

(3) Schließlich ist auch § 22 Abs. 4 NGlüSpG jedenfalls in der konkreten Anwendung durch den Antragsgegner vereinbar mit Unionsrecht. Die Norm dient der Durchsetzung des seinerseits unionsrechtskonformen Erlaubnisvorbehalts. Soweit sie auch die Untersagung lediglich formell unerlaubter Sportwetten und deren Vermittlung erlaubt, würde zwar eine solche Anwendung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 4.2.2016 – C-336/14 Ince –) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.6.2016 – BVerwG 8 C 5.15 –) gegen Unionsrecht verstoßen, solange ein Sportwettenmonopol faktisch fortbesteht. Das hindert den Antragsgegner aber nicht, die Vorschrift unionsrechtskonform auszulegen und gegen solche Wetten vorzugehen, die – wie vorstehend ausgeführt – gegen materielle Rechtsvorschriften verstoßen, die mit dem Unionsrecht vereinbar sind (so auch OVG Münster, Beschluss vom 9.6.2016 – 4 B 860/15 –, juris Rn. 22).

Soweit die Antragstellerin meint, die Vorschrift gebiete ein unbedingtes Einschreiten aufgrund formeller Illegalität und lasse keine Beschränkung des Vorgehens auf einzelne (materiell illegale) Arten von veranstalteten oder vermittelten Sportwetten zu, misst sie der Vorschrift eine Auslegung bei, die weder in deren Wortlaut noch in höherrangigem Recht eine Stütze findet. Insbesondere gibt es keinen allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz, der von mehreren möglichen Auslegungen gerade die am ehesten unionsrechtswidrige Auslegung zum Maßstab der Prüfung macht und eine (unionsrechtskonforme) einschränkende Auslegung ausschließt. Entsprechend gehen die Hinweise der Antragstellerin fehl, dass der Antragsgegner die nach ihrer Auffassung eigentlich einschlägige Rechtsgrundlage des § 22 Abs. 3 NGlüSpG lediglich durch § 22 Abs. 4 NGlüSpG ausgetauscht und damit dem Verwaltungsakt ein anderes Gepräge verliehen habe. Solche Überlegungen kommen dann zur Geltung, wenn die Behörde die Begründung eines Verwaltungsakts austauscht, nicht aber wenn dessen Adressat eine andere Rechtsgrundlage für einschlägig hält.

(4) Auch unter dem Gesichtspunkt der unionsrechtlich gebotenen Anforderungen an eine systematische und kohärente Ausgestaltung an derartige Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sind weder das generelle Verbot von Live- und Ereigniswetten in § 21 Abs. 4 GlüStV noch die Eingriffsermächtigung des § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG unionsrechtswidrig. Jedenfalls nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung kann die Kammer schon tatsächlich nicht erkennen, dass staatliche Anbieter gerade die von der Untersagungsverfügung erfassten Wettarten anbieten, ohne dass der Antragsgegner oder andere zuständige Aufsichtsbehörden dagegen vorgehen oder Konzessionen für nicht erlaubnisfähige Wetten erteilen. Dass die Antragstellerin die den staatlichen Wettveranstaltern erteilte Konzession wegen Verstoßes gegen das Trennungsgebot für rechtswidrig hält, führt für sich genommen nicht zur Inkohärenz des Vorgehens gegen nicht erlaubnisfähige Wetten.

ee. Keine Bedenken hat das Gericht darüber hinaus in Hinblick darauf, dass der Antragstellerin die Vermittlung von Ereignis- und Livewetten nicht nur für ihre im Bescheid des Antragsgegners genannte Betriebsstätte in Oldenburg, sondern niedersachsenweit untersagt worden ist. Wie das OVG Saarland (Beschluss vom 6.12.2012 – 3 B 268/12 –, juris) ausgeführt hat, ist auch ein landesweites Verbot der Vermittlung nicht erlaubnisfähiger Sportwetten nicht zu beanstanden, da eine lediglich standortbezogene Untersagung durch eine Verlagerung der Tätigkeit an andere Standorte einfach umgangen werden könnte.

3. Hinreichende, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigende Erfolgsaussichten hat die Klage dagegen, soweit der Antragsgegner unter II. der angefochtenen Verfügung Zwangsmittel für „Zuwiderhandlungen gegen diese Untersagung“ androht, ohne dabei eine genau feststehende Zahl von Zwangsmitteln unter Angabe der Reihenfolge ihrer Anwendung oder ihrer Staffelung anzudrohen und nach den zuvor unter I. auferlegten Pflichten zu differenzieren. Hierzu nimmt die Kammer Bezug auf die Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 28.10.2010 – 13 ME 86/10 –). Darin ist zu einer Zwangsgeldandrohung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ ausgeführt:

Eine ausdrückliche Regelung, die eine Zwangsgeldandrohung "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" explizit zulassen würde, existiert im niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungs- und Gefahrenabwehrrecht nicht. Zwar wird in § 65 Abs. 3 Nds. SOG zugelassen, ein und dasselbe Zwangsmittel so lange zu wiederholen, bis der Verwaltungsakt befolgt oder auf andere Weise erledigt ist. Auch ergänzt § 70 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG diese Befugnis hinsichtlich der Androhung und lässt es zu, mehrere Zwangsmittel anzudrohen, sofern nur die Reihenfolge ihrer Anwendung im Interesse des Polizeipflichtigen angegeben wird. Aus diesen Vorschriften mag sich zwar ableiten lassen, dass es nicht nur möglich ist, mehrere verschiedene Zwangsmittel gestaffelt anzudrohen, sondern "erst recht" auch ein identisches Zwangsmittel mehrfach und in gestaffelter, sich steigernder Höhe für den Fall anzudrohen, dass einer Untersagung fortdauernd zuwidergehandelt wird (so: 1. Senat des Nds. OVG, Urt. v. 21.08.2002 - 1 LB 3335/01 -, juris Rdnr. 29 unter Bezugnahme auf VGH Mannheim, Urt. v. 25.01.1980 - VIII 1543/79 -, VBlBW 1980, 71). Daraus kann allerdings nach Auffassung des Senats nicht abgeleitet werden, dass auch eine Zwangsgeldandrohung- und Festsetzung "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" zulässig wäre (so aber für die Rechtslage nach dem NGefAG: 1. Senat des Nds. OVG, a. a. O., Rdnr. 29). Vielmehr dürfte die sich aus diesen Vorschriften ableitbare Ermächtigung darauf beschränken, in einer Verfügung eine genau feststehende Zahl von Zwangsmitteln unter Angabe der Reihenfolge ihrer Anwendung oder ihrer Staffelung androhen zu dürfen. Die Androhung einer unbestimmten Zahl von verschiedenen oder identischen Zwangsmitteln, die allein vom Verhalten des Adressaten der Untersagungsverfügung und der Häufigkeit der Kontrollen durch die Behörde abhängt, dürfte hingegen von der Ermächtigung in §§ 65 Abs. 3 und 70 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG nicht mehr gedeckt sein (vgl. insoweit zum baden-württembergischen Landesrecht: VGH Mannheim, Urt. v. 25.01.1980, a. a. O.). Dies bedürfte nach Auffassung des Senats vielmehr einer expliziten Regelung, wie sie in anderen Bundes- und Landesgesetzen enthalten ist (vgl. § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 332 Abs. 3 Satz 2 AO, § 57 Abs. 3 Satz 2 VwVG NW, wobei die nordrhein-westfälischen Bestimmungen mit dem niedersächsischen Recht bis auf die explizite Regelung deckungsgleich sind). Kennzeichnend für eine Ermächtigung zur Androhung bzw. Festsetzung von Zwangsmitteln "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" ist, dass das Zwangsvollstreckungsrecht dadurch dem Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht angenähert wird. Der vollstreckenden Behörde wird nämlich dadurch etwa auch die Möglichkeit eingeräumt, verschiedene Zuwiderhandlungen im Rahmen von Einzelkontrollen zunächst zu sammeln und sie dann in einer Zwangsgeldfestsetzung summarisch zu erfassen. Das Zwangsgeld, das eigentlich (nur) ein Beugemittel sein soll, wird dadurch erkennbar in die Nähe eines Bußgeldes bzw. einer Geldstrafe gerückt. Dies spricht nach Auffassung des Senats maßgeblich dagegen, trotz des Fehlens einer dahingehenden ausdrücklichen Regelung aufgrund einer systematischen Auslegung der §§ 65 Abs. 3 und 70 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG eine Ermächtigungsgrundlage zur Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" in das Gesetz gleichwohl "hineinzulesen". Nach Auffassung des Senats ist es nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob und inwieweit er das Zwangsvollstreckungsrecht um - jedenfalls potentiell - repressive Elemente anreichern will. Vor diesem Hintergrund kann nach Auffassung des Senats auch nicht aus der noch im älteren Recht (§ 35 Abs. 4 Satz 2 Nds. SOG vom 21.03.1951, Nds. GVBl. S. 79) enthaltenen Regelung, nach der bei Ordnungsverboten das Zwangsmittel für jeden Fall der Nichtbefolgung festgesetzt werden konnte, die Schlussfolgerung gezogen werden, der darin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke habe auch im neuen Recht überdauert (so aber: 1. Senat des Nds. OVG, a. a. O., Rdnr. 34). Es muss nach Einschätzung des Senats vielmehr davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber bei den in der Vergangenheit erfolgten Änderungen und Novellierungen des Gefahrenabwehrrechts in Kenntnis der Problematik gerade gegen eine Regelung entschieden hat, die die Androhung und Festsetzung eines Zwangsmittels "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" zulassen würde.

Diese Ausführungen beanspruchen nach Auffassung der Kammer auch für die hier ausgesprochene Androhung für (nicht näher bezifferte) „Zuwiderhandlungen“ uneingeschränkt Geltung.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

In Anlehnung an Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11) bemisst das Gericht das Interesse der Antragstellerin auf 15.000,- Euro je Betriebsstätte. Dieser Betrag ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren. Auf die Höhe der angedrohten Zwangsgelder ist nicht abzustellen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 3.9.2013 – BVerwG 8 KSt 1.13, 8 KSt 1.13 (BVerwG 8 C 17.12) –, juris).