Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 02.03.2017, Az.: 3 B 1600/17

Asylantrag, erfolgloser; EU-Mitgliedsstaat; Folge; Schutz, subsidiärer; Unzulässigkeit des Asylantrags; Verfahrensrichtlinie

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
02.03.2017
Aktenzeichen
3 B 1600/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 54233
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ist einem Asylantragsteller in einem anderen Mitgliedsstaat der EU bereits subsidiärer Schutz zuerkannt worden, hat er dort nicht erfolglos im Sinne des § 71 a AsylG ein Asylverfahren durchgeführt.

2. Die Anwendungsbereiche des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG und des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sind voneinander zu unterscheiden. Sie überschneiden sich nicht im Fall lediglich subsidiärer Schutzgewährung in einem anderen EU-Mitgliedsstaat.

3. Auf Fälle, in denen ein Asylsuchender, der in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bereits subsidiären Schutz erhalten hat, seinen Asylantrag bereits vor dem 20.07.2015 in Deutschland gestellt hat, ist § 29 Abs.1 Nr. 2 AsylG nicht anwendbar.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 20.02.2017 (3 A 1599/17) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 09.02.2017 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die Androhung seiner Abschiebung nach Italien.

Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben verheiratet, am C. in D. geboren und eritreischer Staatsangehöriger. Er gehört dem Volk der Tigrinya an und ist christlich-orthodoxen Glaubens. Seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder, geb. am E. und F. gleichfalls eritreische Staatsangehörige, befinden sich ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland und sind als Flüchtlinge anerkannt.

Der Antragsteller stellte G. in Deutschland einen Asylantrag. In seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am selben Tag gab er an, seine Heimat im Jahre 2006 verlassen zu haben. Von 2006 bis 2008 habe er sich im Sudan aufgehalten, bevor er nach Libyen und nach weiteren eineinhalb Monaten nach Italien weitergereist sei. Dort habe er sich von 2008 bis 2009 aufgehalten, ab 2009 für ca. 8 Monate in Norwegen und sodann von 2010 bis 2013 wieder in Italien. In 2013 sei er für ca. 4 Monate in Schweden und ca. 1 Monat in Frankreich gewesen, wo er seine auf dem Luftweg aus Libyen einreisende Ehefrau traf, ehe er mit ihr gemeinsam von dort aus am 20.12.2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Asylanträge habe er zuvor in Italien, Norwegen und Schweden gestellt.

Die Abfrage der EURODAC-Datenbank bestätigte die Angaben des Antragstellers. Danach wurde er am 07.11.2008 in Italien, am 27.07.2009 in Norwegen und am 17.06.2013 in Schweden registriert und stellte dort Asylanträge. Auf ein Übernahmeersuchen des Bundesamtes hin teilte das italienische Innenministerium am 11.05.2015 mit, dass der Antragsteller in Italien subsidiären Schutz erhalten habe und deshalb nicht im Rahmen des Asylverfahrens zurückzunehmen sei. Eine weitere Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags fand am 12.10.2016 statt. Auf die Frage, ob Umstände der Abschiebung nach Italien entgegenstünden, brachte der Antragsteller vor, dass sich seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder als anerkannte Flüchtlinge in Deutschland aufhielten. Weiterhin erläuterte er, dass ihm in Italien Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit und eine unzureichende medizinische Versorgung drohten.

Am 14.11.2016 teilte der Landkreis D. dem Bundesamt auf Anfrage mit, dass sich die Ehefrau und die gemeinsamen Kinder im Frauen- und Kinderschutzhaus aufhielten, da es seitens des Antragstellers zu „psychischen Übergriffen“ auf seine Familie gekommen sei. Die Ehe würde nicht mehr gelebt. Es sei nicht beabsichtigt, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis im Rahmen des Familiennachzuges zu erteilen.

Mit Bescheid vom 09.02.2017 - am 10.02.2017 als Einschreiben zur Post gegeben - lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers unter Ziffer 1 als unzulässig ab, stellte unter Ziffer 2 fest, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und forderte ihn unter Ziffer 3 unter Androhung der Abschiebung nach Italien oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung nach Eritrea schloss das Bundesamt aus.

Zur Begründung stellte das Bundesamt im Wesentlichen darauf ab, dass der Antragsteller bereits ein erfolgloses Asylverfahren in Italien durchlaufen habe, in welchem ihm die Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention verweigert und subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei. Der Antragsteller falle damit unter § 26a AsylG. Sein Antrag sei daher infolge der Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a AsylG als Folgeantrag ohne materiell-rechtliche Prüfung als unzulässig zu behandeln. In diesen Fällen sei gemäß § 35 AsylG die Abschiebungsandrohung statthaft. Die Voraussetzungen für ein weiteres Asylverfahren nach § 71a Abs.1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG lägen nicht vor. Namentlich komme hinsichtlich der familiären Bindungen keine günstigere Entscheidung in Betracht, da nicht gewollt oder beabsichtigt sei, dass der Antragsteller bei seiner Familie bleibe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liege nicht vor. Bei Italien handele es sich als Mitgliedsstaat der Europäischen Union um einen sicheren Herkunftsstaat. Der Antragsteller habe keine Anhaltspunkte angegeben, die die Annahme begründeten, dass ihm im Falle seiner Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe. Auch die allgemeine humanitäre Situation in Italien lasse keine Verletzung von Art. 3 EMRK befürchten, denn der erforderliche Umfang der drohenden Gefahr werde nicht erreicht. Darüber hinaus sei die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK lediglich auf Asylbewerber als besonders schutzbedürftige Gruppe anwendbar, nicht aber auf subsidiär Schutzberechtigte, die in Italien weitgehend die gleichen Rechte genössen wie Einheimische. Weiterhin liege auch kein Verbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor, da dem Antragsteller weder eine individuelle Gefahr drohe, noch eine gravierende Beeinträchtigung die Schwelle der allgemeinen Gefährdung deutlich übersteige. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid verwiesen.

Der Antragsteller hat am 20.02.2017 Klage (3 A 1599/17) erhoben und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass seine Ehefrau und er bemüht seien, ihren Konflikt zu lösen. Es bestehe Kontakt zur Ehefrau sowie den Kindern, der in den ersten vier Monaten durch das Jugendamt organisiert worden sei und nunmehr selbstständig geregelt werde. Der Kontakt zu den Kindern bestehe jedes Wochenende. Zwischen den Ehepartnern habe es eine Annäherung gegeben und es bestehe der gemeinsame Wunsch, die Probleme mit professioneller Hilfe zu lösen, um wieder als Familie zu leben. Er arbeite weiterhin in Vollzeit und zahle Unterhalt für seine Kinder.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges des Bundesamtes Bezug genommen.

Der Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom heutigen Tage wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG auf die Kammer übertragen.

II.

1.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig. Er ist gemäß §§ 75 Abs. 1, 36 Abs. 3 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und insbesondere auch unstreitig fristgerecht gestellt worden.

2.

Der Antrag ist auch begründet.

a)

Das Verwaltungsgericht ordnet nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage an, wenn das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsaktes das öffentliche Interesse an der in § 75 Abs.1 AsylG grundsätzlich gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit überwiegt. Hierfür sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens heranzuziehen, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits abschätzen lassen. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist dabei grundsätzlich der Maßstab des § 80 Abs. 5 VwGO, nach welchem eine reine Interessenabwägung zu erfolgen hat, sofern in der summarischen Prüfung keine Offensichtlichkeit bezüglich Erfolg oder Misserfolg der Klage festgestellt werden kann und der Verfahrensausgang daher als offen anzusehen ist (Schoch/Schneider/Bier/Schoch VwGO § 80 Rn. 372-377, beck-online).

Die Regelung des § 36 Abs. 4 S. 1 AsylG enthält demgegenüber eine Verschärfung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dahingehend, dass in den von der Regelung erfassten Fällen die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Anwendung dieser Norm setzt allerdings voraus, dass gemäß § 36 Abs. 1 AsylG ein Fall der Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 AsylG oder über den Verweis in § 71a Abs. 4 AsylG ein Fall der Unzulässigkeit gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG vorliegt. Da aber im vorliegenden Verfahren gerade die Rechtmäßigkeit der Behandlung des Falles nach den §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a AsylG bzw. nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Frage steht, erscheint zweifelhaft, ob der strengere Maßstab von § 36 Abs. 4 AsylG heranzuziehen ist, mit der Konsequenz, dass damit die Rechtsfolge von § 36 Abs. 4 AsylG schon bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 36 Abs. 4 AsylG gilt.

Diese Frage kann allerdings offen bleiben, denn selbst unter Zugrundelegung des Prüfungsmaßstabs des § 36 Abs. 4 AsylG überwiegt im vorliegenden Fall das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Das Gericht hat nach der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig sowie daran anknüpfend an der Rechtmäßigkeit eines sofortigen Vollzugs der angedrohten Abschiebung nach Italien.

a)

Das Bundesamt hat seine gegen den Antragsteller gerichtete Abschiebungsandrohung auf § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 AsylG gestützt. Das setzt tatbestandlich voraus, dass ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, weil der Antrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a AsylG als Folgeantrag unzulässig ist. Dass diese Voraussetzung gegeben ist, ist jedoch ernstlich zweifelhaft.

Die Regelungen in §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a Abs. 1 AsylG setzen für die Behandlung eines Asylantrags als Folgeantrag tatbestandlich voraus, dass der Ausländer erfolglos ein Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat betrieben hat, für den die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat. Vorliegend hat der Antragsteller zwar bereits zuvor in Italien, einem sicheren Drittstaat im obigen Sinne, ein Asylverfahren durchlaufen. Dieses war jedoch bei vorläufiger Würdigung nicht erfolglos.

aa)

Erfolglosigkeit eines Asylverfahrens im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG bedeutet, dass dem Antragsteller kein internationaler Schutz zugesprochen worden ist. Internationaler Schutz umfasst aber insoweit - wie das Bundesamt im angegriffenen Bescheid auf Seite 2 unten selbst ausgeführt hat - auch den subsidiären Schutz. Daraus folgt, dass in denjenigen Fällen, in denen dem Antragsteller letzterer zugesprochen worden ist, das Verfahren nicht erfolglos war und der Asylantrag des Ausländers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG behandelt werden kann.

Hierfür spricht eine systematische Auslegung der §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, 71a Abs. 1 AsylG. Mit § 29 Abs. 1 AsylG hat der Gesetzgeber einen Katalog von Tatbeständen geschaffen, nach denen Asylanträge als unzulässig behandelt werden können. Der Ausgestaltung der Tatbestandsvarianten dieses Katalogs liegen voneinander abgrenzbare Anwendungsbereiche zugrunde, in denen der Gesetzgeber Rechtsfolgen für bestimmte Sachverhalte vorgesehen hat. Dass ein Sachverhalt unter gleich mehrere unterschiedliche Nummern des § 29 Abs.1 AsylG subsumiert werden kann, an welche unterschiedliche Folgen geknüpft sind, und es somit dem Rechtsanwender überlassen bleibt, welche Tatbestandsvariante heranzuziehen ist, macht keinen Sinn und kann nicht gewollt sein. Aus diesem Grund ist es erforderlich, die Anwendungsbereiche von § 29 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 AsylG voneinander abzugrenzen. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG stellt dabei das Pendant zu §§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a AsylG dar und erfasst Fälle, in denen ein anderer Mitgliedstaat dem Ausländer internationalen Schutz gewährt hat, der Asylantragsteller also ein Asylverfahren im Gegensatz zu § 71a Abs. 1 AsylG erfolgreich abgeschlossen hat. Was unter einem erfolgreich abgeschlossenen Asylverfahren zu verstehen ist, ergibt sich durch den Verweis in § 29 Abs. 1 Nr. 2 auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, der internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU definiert als Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie, was den subsidiären Schutz mit umfasst.

bb)

Fehl geht daher die Auffassung des Bundesamtes, dass aus verwaltungsrechtlichen Besonderheiten des italienischen Asylverfahrens auf die Erfolglosigkeit des dort vom Antragsteller geführten Verfahrens zu schließen sei. Zum einen ist nicht das jeweilige ausländische Verfahrensrecht dafür maßgeblich, wie Normen im AsylG ausgelegt werden müssen. Das AsylG hat vielmehr in dieser Frage mit § 29 Abs. 1 AsylG die oben dargestellte eigenständige Systematik, die Vorgaben für den vorliegenden Fall enthält, ohne dass hierbei noch Unklarheiten verbleiben, die mit Rückgriff auf das italienische Verfahrensrecht geschlossen werden müssten. Aber auch wenn man die Darstellung des Bundesamtes zugrunde legt, dass das italienische Verfahrensrecht „einfacher strukturiert“ sei und es lediglich einen einheitlichen Antrag auf internationalen Schutz gebe, bei dem subsidiärer Schutz ohne Teilablehnung hinsichtlich des Flüchtlingsschutzes tenoriert werde, gibt dies keinerlei Aufschluss darüber, ob eine solche Entscheidung als (teilweise) erfolglos nach § 71a AsylG zu behandeln ist. Es käme, gerade wenn der Bescheid der italienischen Behörde keine Ablehnung tenoriert, ebenso in Betracht, den Bescheid als (teilweise) erfolgreich zu behandeln.

b)

Die Abschiebungsandrohung kann bei summarischer Würdigung auch nicht auf § 35 AsylG gestützt werden. Denn die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes lässt sich voraussichtlich auch nicht nach dem insoweit allein in Betracht kommenden § 29 Abs. 1 Satz 2 AsylG rechtfertigen.

aa)

Offen bleiben kann dabei, ob aufgrund teilweise unterschiedlicher unmittelbarer und mittelbarer Folgen der Entscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG einerseits und § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG andererseits Entscheidungen nach diesen Normen überhaupt jeweils wechselseitig umdeutungsfähig sind. Denn in jedem Fall ist erforderlich, dass das Umdeutungsergebnis, hier also eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, seinerseits rechtmäßig ist.

bb)

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt, denn § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist auf den vorliegenden Fall bei summarischer Prüfung nicht anwendbar.

(1)

Zwar ermächtigt § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG seinem Wortlaut nach das Bundesamt dazu, Asylanträge ohne materielle Prüfung als unzulässig abzuweisen, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 (AsylG) gewährt hat. Der internationale Schutz nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umfasst dabei auch den subsidiären Schutz, den der Antragsteller im vorliegenden Fall unstreitig von Italien bereits zugesprochen bekommen hat.

(2)

Gleichwohl ist die Regelung ungeachtet des § 77 Abs. 1 AsylG auf den Antragsteller nicht anwendbar. Aus dem Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG müssen vielmehr in europarechtskonformer Auslegung diejenigen Fälle herausgenommen werden, in denen - wie hier - der förmliche Asylantrag in Deutschland vor dem 20.07.2015 gestellt wurde und zuvor in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (nur) der subsidiäre Schutzstatus zugesprochen worden war.

(a)

Die Neufassung des § 29 AsylG dient der bundesrechtlichen Umsetzung des Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie n. F.). Um den europarechtlichen Vorgaben größtmögliche Geltung zu verschaffen, sind aber auch die weiteren Vorschriften der umzusetzenden Verfahrensrichtlinie in die Auslegung einzubeziehen.

Nach diesem Maßstab kann § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Fällen, in denen der Asylantrag in Deutschland vor dem 20.07.2015 gestellt wurde, aufgrund von Art. 52 Unterabsatz 1 Verfahrensrichtlinie n. F. nicht herangezogen werden. Danach wenden die Mitgliedsstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Art. 51 Abs. 1 Verfahrensrichtlinie auf förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz nach dem 20. Juli 2015 oder früher an. Für vor diesem Datum eingeleitete Verfahren gelten aber in Deutschland die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG (Verfahrensrichtlinie a.F.). Zu den Art. 51 Verfahrensrichtlinie n. F. unterfallenden Übergangsregelungen gehört auch Art. 25 der Verfahrensrichtlinie a. F., der regelt(e), unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedsstaaten - zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Dublin-Verordnung ein Antrag nicht geprüft wird - einen Antrag auf internationalen Schutz wegen Unzulässigkeit nicht prüfen müssen. In dieser Auflistung findet sich zwar der Fall, dass ein anderer Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, nicht jedoch der Fall, in welchem dem Antragsteller lediglich subsidiärer Schutz zugestanden wurde (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. vom 23.10.2015 - 1 B 41/15 -, juris, Rn. 11).

(b)

Es ist nicht davon auszugehen, dass der maßgebliche Stichtag sich in Deutschland wegen des Wortlautes des Art. 52 Unterabsatz 1 Verfahrensrichtlinie nach vorne verschoben hat, weil dieser die Anwendung auch „früher“ zulässt. Eine solche frühere Anwendung käme nur dann in Betracht, wenn die Verfahrensrichtlinie auch vor dem 20.07.2015 schon in nationales Recht umgesetzt gewesen wäre. Dies ist allerdings erst mit § 29 AsylG erfolgt, der am 06.08.2016 und damit nach dem Stichtag in Kraft trat (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 24.08.2016 - Az. 13 A 63/16a -, juris, Rn. 30). Die vor Neufassung des § 29 AsylG herangezogene Regelung in § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG für die Ablehnung von Asylanträgen als unzulässig ermächtigte hingegen noch nicht zu der in Art. 33 Verfahrensrichtlinie n. F. vorgesehenen Rechtsfolge. Soweit das VG Stade (Urteil vom 15.12.2015 - Az. 4 A 980/15 -, juris) und das VG Minden (Urteil vom 10.05.2016 - Az. 10 K 2248/14.A -, juris) diesbezüglich zu einer anderen Auffassung gelangen und mit dem 01.12.2013 auf das Datum des Inkrafttretens des § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG als Stichtag abstellen, kann sich das Gericht dieser Auffassung nicht anschließen. Die angesprochenen Entscheidungen widersprechen insoweit ohne letztlich überzeugende Begründung dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2015 (Az. 1 B 41/15, a. a. O.), welches gerade hinsichtlich der Anwendung von § 60 Abs. 2 AufenthG festgestellt hat, dass es zum damaligen Zeitpunkt an einer Umsetzung des Art. 33 Verfahrensrichtlinie n. F. gefehlt hat (eingehend hierzu: VG Lüneburg, Urteil vom 08.02.2017 - Az. 8 A 137/16 -, juris, Rn. 25 mit weiteren Nachweisen). Fehl geht in diesem Zusammenhang auch der Verweis des VG Minden auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.06.2014 (Az. 10 C 7/13 -, juris). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht darin eine auf § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gestützte Unzulässigkeitsentscheidung gebilligt. Im dortigen Fall hatte der Kläger allerdings bereits vor Antragstellung Flüchtlingsschutz außerhalb des Bundesgebiets erlangt, sodass der bereits oben genannte Unzulässigkeitsgrund in Art. 25 Abs. 2 Nr. 2 Verfahrensrichtlinie a. F. einschlägig war und es somit an einem Widerspruch zum Europarecht fehlte.

(c)

Soweit schließlich das VG Hamburg (Urt. vom 22.11.2016 - 16 A 5054/14 -, juris Rn. 30 ff.; dem folgend VG Augsburg, Beschl. vom 18.01.2017 - Au 7 S 16.32663 -, juris Rn. 23 ff.) die Auffassung vertritt, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.10.2015 sei insoweit gar nicht verallgemeinerungsfähig, weil sie zu einer ganz besonderen Fallkonstellation ergangen sei, ist das aus Sicht der Kammer - eindeutig - falsch. Eine derartige Beschränkung des Aussagegehaltes der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich bereits den insoweit maßgeblichen Darlegungen in Rn. 11 dieser Entscheidung gerade nicht entnehmen. Im Übrigen missachten das VG Hamburg und das VG Augsburg insoweit - offensichtlich - die der Entscheidung zu Grunde liegende Verfahrenskonstellation. Sie ist nämlich auf die Beschwerde der Bundesrepublik Deutschland gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorangegangenen Urteil des VGH Baden-Württemberg ergangen. Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung des Bundesverwaltungsgerichts war dabei die Frage, ob die Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedürftigkeit zuzulassen sei. Dazu hatte die Beschwerde behauptet, rechtsgrundsätzlich - d. h aber gerade über den konkret betroffenen Einzelfall hinaus (!) - klärungsbedürftig sei, "ob infolge der Regelung in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG) jede Form einer im Ausland bereits erfolgten Zuerkennung internationalen Schutzes für das Bundesgebiet zur Folge hat, dass ein Anspruch auf ein nochmaliges materielles Prüfverfahren zu internationalem Schutz insgesamt ausgeschlossen ist." Es ging also in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und konnte nach dem maßgeblichen Verfahrensrecht darin auch gar nicht um die vom VG Hamburg herausgestellten „Besonderheiten“ des in jenem Fall zu Grunde liegenden Sachverhaltes gehen. Maßgeblich war für das Bundesverwaltungsgericht vielmehr - ersichtlich - allein die Frage, welcher Art der bisher im Ausland erlangte Schutzstatus war.

(d)

Der vom Gericht vertretenen Auslegung von § 29 AsylG steht auch § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht entgegen. Hiernach legt das Gericht der Entscheidung zwar die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. im Zeitpunkt der Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugrunde. Hierbei gilt es aber zu beachten, dass bereits die maßgebliche Rechtsvorschrift des § 29 AsylG infolge der ebenfalls derzeit geltenden Art. 51, 52 Verfahrensrichtlinie n. F. unter der Prämisse steht, dass Altfälle nicht erfasst werden können. Die europarechtskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist mithin Teil der anzuwendenden aktuellen Rechtslage.

c)

Erweist sich danach die in Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides ausgesprochene Unzulässigkeit des Asylantrages als voraussichtlich rechtswidrig und ist bereits deshalb die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, kommt es auf die Frage, ob dem Antragsteller möglicherweise aus familiären Gründen ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zukommen könnte, in diesem Verfahren nicht an.

d)

Soweit der Antragsteller im Übrigen gegen seine Abschiebung auf den in Art. 8 EMRK und Art. 6 GG geschützten Zusammenhalt der Familie, zumindest im Hinblick auf seine Umgangskontakte zu seinen Kindern verweist, ist das im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Das Bundesamt hat nämlich lediglich über sog. „zielstaatsbezogene“ Abschiebungshindernisse entschieden, zu denen ein möglicher Anspruch auf Familienzusammenhalt im Bundesgebiet nicht gehört.