Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 01.03.2017, Az.: 7 A 6770/16

Asyl; Beschwerde; Gegenstandswert; Untätigkeitsklage

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
01.03.2017
Aktenzeichen
7 A 6770/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 54246
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Regelgegenstandswert von 5.000,00 EUR ist bei asylrechtlichen Untätigkeitsklagen grundsätzlich anzunehmen, wenn der Antrag auf das sogenannte Durchentscheiden des Gerichts zielt und dieser Antrag auch vollständig begründet worden ist.
2. Wenn der Kläger im Rahmen seiner asylrechtlichen Untätigkeitsklage jedoch lediglich auf Bescheidung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge klagt, ist der Regelgegenstandswert von 5.000,00 EUR unbillig.
3. Dasselbe gilt für Konstellationen, in denen der klägerische Antrag zwar auf die An- bzw. Zuerkennung eines asylrechtlichen Status oder die Feststellung von Abschiebungsverboten gerichtet, dieser Antrag aber nicht entsprechend begründet worden ist.
4. Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG erstreckt sich entgegen dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 RVG auch auf Beschlüsse über die Festsetzung des Gegenstandswerts (Anschluss an: VGH Baden Württemberg, Beschluss vom 28.02.2017 - A 2 271/17 -, juris).

Tenor:

Der Gegenstandswert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Mit Schriftsatz vom 15.03.2017 beantragte die Beklagte,

den Gegenstandswert aus Billigkeitsgründen auf die Hälfte des Regelstreitwerts nach § 30 Abs. 1 RVG festzusetzen.

Über diesen Antrag entscheidet das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 33 Abs. 8 S. 1 RVG).

Der Gegenstandswert ist auf 2.500,00 € festzusetzen.

Gemäß § 30 Abs. 1 RVG beträgt in Klageverfahren nach dem Asylgesetz der Gegenstandswert 5.000,00 €, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2.500,00 €. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1.000,00 € und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500,00 €. Gemäß § 30 Abs. 2 RVG kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen, wenn der nach Absatz 1 der Vorschrift bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.

Der Regelgegenstandswert von 5.000,00 € ist bei asylrechtlichen Untätigkeitsklagen grundsätzlich anzunehmen, wenn der Antrag auf das sogenannte Durchentscheiden des Gerichts zielt und dieser Antrag auch vollständig begründet worden ist.

Wenn der Kläger im Rahmen seiner asylrechtlichen Untätigkeitsklage jedoch lediglich auf Bescheidung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - klagt, ist der Regelgegenstandswert von 5.000,00 € unbillig (vgl. VG München, Urteil vom 21.12.2016 - M 17 K 16.34299 -, juris Rn. 36; VG Ansbach, Beschluss vom 08.08.2016 - AN 11 K 16.31077 -, juris Rn. 6; a.A.: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 06.12.2016 - 14a K 5393/16.A -, juris Rn. 6 ff.; VG Wiesbaden, Beschluss vom 11.11.2016 - 5 K 528/16.WI.A, juris Rn. 4; VG Trier, Beschluss vom 11.12.2014 - 6 K 1512/14.TR -, juris Rn. 3 ff.; für den Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung nach Bescheidung: VG Düsseldorf, Beschluss vom 04.06.2014 - 22 K 863/14.A - m.w.N., juris Rn. 5 ff.; BeckOK RVG/Sommerfeldt/Sommerfeldt, 34. Ed. 01.12.2016, RVG § 30 Rn. 7). Ausweislich der Gesetzesbegründung stellt die Regelung in § 30 Abs. 2 RVG eine Korrekturmöglichkeit für besonders einfach gelagerte und für die Betroffenen weniger bedeutsame Verfahren einerseits und für besonders umfangreiche und schwierige Verfahren andererseits dar (BT-Drs. 17/11471, S. 269). In diesem Lichte betrachtet ist der Regelgegenstandswert von 5.000,00 € unbillig, wenn nicht der asylrechtliche Status des Klägers an sich bzw. das Bestehen von Abschiebungsverboten in Streit steht, sondern Ziel der Untätigkeitsklage allein die Herbeiführung einer Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist. Hierbei handelt es sich um ein besonders einfach gelagertes und für den Betroffenen weniger bedeutsames Verfahren. So prüft das Gericht in dieser Konstellation ausschließlich, ob der Kläger einen Anspruch auf Bescheidung durch das Bundesamt hat. Es entscheidet aber nicht über materiell-rechtliche Ansprüche des Klägers (VG Osnabrück, Urteil vom 14.10.2015 - 5 A 390/15 - juris). Dasselbe gilt für Konstellationen, in denen der klägerische Antrag zwar auf die An- bzw. Zuerkennung eines asylrechtlichen Status oder die Feststellung von Abschiebungsverboten gerichtet, dieser Antrag aber nicht entsprechend begründet worden ist.

Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG erstreckt sich entgegen dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 RVG, wonach die Vorschriften des RVG über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vorgehen, auch auf Beschlüsse über die Festsetzung des Gegenstandswerts, weil sich die Regelung zum Gegenstandswert in Asylverfahren vor dem Inkrafttreten des RVG in § 83 b Abs. 2 AsylVfG befand und bei Schaffung des RVG nach dort übernommen worden ist (BT-Drs. 17/11471, S. 268). Ein Wille des Bundesgesetzgebers, den umfassenden asylrechtlichen Beschwerdeausschluss des § 80 AsylG (bzw. vormals § 80 AsylVfG) durch Einführung des § 1 Abs. 3 RVG zu verdrängen, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2017 - A 2 271/17 -, juris; a.A.: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.07.2016 - OVG 3 K 40.16 -, juris).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 80 AsylG).