Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 21.03.2017, Az.: 4 E 1978/17
Ehegatten; Eheleute; Kostenfestsetzungsverfahren; Kostengrundentscheidung; Prozessbevollmächtigte; Prozessführung; Scheidung; Streitgenossen; Vertrauensverhältnis
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 21.03.2017
- Aktenzeichen
- 4 E 1978/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 53924
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 162 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die (rechtskräftige) Kostengrundentscheidung im Hauptsacheverfahren ist im Kostenfestsetzungsverfahren zugrundezulegen, so dass der Einwand des Klägers, dass die Beiladungsbeschlüsse der Beigeladenen zu 1.) und 2.) nach Verkauf des streitgegenständlichen Grundstücks an die Beigeladenen zu 3.) und 4.) noch während des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuheben gewesen wären und ihre außergerichtlichen Kosten nicht erstattungsfähig seien, im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden kann.
2. Wenn Eheleute als Streitgenossen unter Hinweis auf das zerrüttete Vertrauensverhältnis und den fehlenden Kontakt zueinander infolge der Trennung und späteren Scheidung nachvollziehbar glaubhaft machen können, dass für eine interessengerechte Prozessführung die Beauftragung jeweils eigener Prozessbevollmächtigter sachlich gerechtfertigt war, begegnet es im Einzelfall keinen rechtlichen Bedenken, die Aufwendungen beider Prozessbevollmächtigter als notwendig im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO anzuerkennen.
Tenor:
Die Kostenerinnerung des Klägers vom 27.01.2017 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts vom 09.01.2017 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des (gerichtskostenfreien) Erinnerungsverfahrens.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Kostenerinnerung gegen die Festsetzung von Kosten für den Beigeladenen zu 1.) für die erste und zweite Instanz und für die Beigeladene zu 2.) für die erste Instanz.
Im Verfahren 4 A 6922/12 wandte sich der Kläger - der Eigentümer des denkmalgeschützten Rittergutes J. in A-Stadt ist - gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses auf seinem Nachbargrundstück an die Beigeladenen zu 1.) und 2.) durch Bescheid der Beklagten vom 18.08.2011. Nachdem die Kammer die Klage mit Urteil vom 10.03.2015 abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens (einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1.) und 2.) sowie der neuen Eigentümer, der Beigeladenen zu 3.) und 4.) auferlegt hatte, stellte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (1 LA 78/15). Mit Beschluss vom 14.09.2016 lehnte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil der Kammer vom 10.03.2015 ab und entschied zugleich, dass der Kläger die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt.
Mit Schriftsatz vom 12.10.2016 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 1.) die Festsetzung von Kosten in Höhe von 1.957,55 Euro für die erste Instanz (1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 845,00 Euro, 1,2 Terminsgebühr i.H.v. 780,00 Euro sowie die Postpauschale von 20,00 Euro zzgl. MwSt.) und von 1.261,40 Euro für die zweite Instanz (1,6 Verfahrensgebühr i.H.v. 1.040,00 Euro und die Postpauschale von 20,00 Euro zzgl. MwSt.). Mit Schriftsatz vom 10.10.2016 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 2.) die Festsetzung von Kosten in Höhe von 1.957,55 Euro für die erste Instanz (1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 845,00 Euro, 1,2 Terminsgebühr i.H.v. 780,00 Euro sowie die Postpauschale von 20,00 Euro zzgl. MwSt.). Nach Anhörung der Beteiligten setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.01.2017 antragsgemäß die vom Kläger an den Beigeladenen zu 1.) zu erstattenden Kosten der ersten und zweiten Instanz auf insgesamt 3.218,95 Euro und die vom Kläger an die Beigeladene zu 2.) zu erstattenden Kosten der ersten Instanz auf 1.957,55 Euro fest.
Hiergegen hat der Kläger unter dem 27.01.2017 die Entscheidung des Gerichts beantragt. Zur Begründung weist er darauf hin, dass der Beigeladene zu 1.) und die Beigeladene zu 2.) bereits zum Zeitpunkt der ersten mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht mehr Eigentümer des betroffenen Grundstücks und daher unter keinem Gesichtspunkt mehr notwendige Beigeladene des Verfahrens gewesen seien. Beide seien auch nicht mehr Eigentümer gewesen, als sie sich dann im weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens jeweils eines eigenen Rechtsanwalts bedienten, so dass es an einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in diesem Verfahren gemangelt habe. Da der Beigeladene zu 1.) und die Beigeladene zu 2.) keine Anträge gestellt hätten, komme auch aus diesem Gesichtspunkt keine Erstattungsfähigkeit in Betracht. Schließlich sei die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten pro Beigeladenen nicht erforderlich gewesen, da eine Verschiedenheit der Rechtsinteressen nicht vorgelegen habe.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen und der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Erinnerung ist gemäß § 165 i.V.m. § 151 VwGO zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, da dem Kläger der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.01.2017 am 13.01.2017 zugestellt worden ist. Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Wie im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss ausgeführt, ergibt sich die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Kosten des Beigeladenen zu 1.) und der Beigeladenen zu 2.) aus der Kostengrundentscheidung der Kammer im Urteil vom 10.03.2015 (4 A 6922/12) sowie des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts im Beschluss vom 14.09.2016 (1 LA78/15), mit der die außergerichtlichen Kosten sämtlicher Beigeladener für die erste und für die zweite Instanz für erstattungsfähig erklärt worden sind. Diese (rechtskräftige) Kostengrundentscheidung ist im Kostenfestsetzungsverfahren zugrunde zu legen, so dass das Vorbringen des Klägers, dass die Beiladungsbeschlüsse der Beigeladenen zu 1.) und 2.) nach dem Verkauf an die Beigeladenen zu 3.) und 4.) noch während des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuheben gewesen wären und ihre außergerichtlichen Kosten mangels Antragstellung auch nicht erstattungsfähig seien, im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden kann.
Soweit der Kläger darüber hinaus gerügt hat, dass die Beigeladenen zu 1.) und 2.) sich jeweils durch eigene Prozessbevollmächtigte haben vertreten lassen, ist es ebenfalls nicht zu beanstanden, dass mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.01.2017 die Aufwendungen beider Prozessbevollmächtigter als notwendig im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO anerkannt worden sind. Werden zwei (oder mehr) einfache Streitgenossen verklagt, darf sich grundsätzlich jeder von ihnen von einem eigenen Rechtsanwalt vertreten lassen, mit der Folge, dass die jedem Streitgenossen entstandenen Rechtsanwaltskosten im Falle ihres Obsiegens erstattungsfähig sind. Allerdings sind die Beteiligten wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben gehalten, sich dahingehend einzuschränken, dass die Kosten der Prozessführung so niedrig wie möglich sind, so dass jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen ist, ob ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine interessengerechte Prozessführung erforderlich ist, also ein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Anwalts besteht (vgl. hierzu nur BGH, Beschl. v. 20.01.2004 - VI ZB 76/03 -, juris; VG Frankfurt, Beschl. v. 10.02.2014 - VG 5 KE 88/13 -, juris; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.01.2015 - 9 W 171/14 -, NJOZ 2015, 1382).
Wie sich aus den Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 09.01.2017 ergibt, haben die Beigeladenen zu 1.) und 2.) plausible und schutzwürdige Belange für die Beauftragung jeweils eigener Prozessbevollmächtigter dargelegt, indem sie auf das zerrüttete Vertrauensverhältnis und den fehlenden Kontakt zueinander infolge der Trennung (und der späteren Scheidung) verwiesen haben. Insofern haben sie nachvollziehbar glaubhaft gemacht, dass für eine interessengerechte Prozessführung - auch in Hinblick auf die trennungsbedingt fehlende Bereitschaft, sich auf einen Prozessbevollmächtigten zu einigen und die Unabsehbarkeit der Folgewirkungen des anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf das Scheidungsverfahren - die Beauftragung jeweils eigener Prozessbevollmächtigter sachlich gerechtfertigt war.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3.) und 4.) des Hauptsacheverfahrens bedarf es nicht, da diese für den Kostenerstattungsanspruch der Beigeladenen zu 1.) und 2.) gegen den Kläger nicht mithaften und daher in Verfahren über Rechtsbehelfe gegen die hier angefochtene Kostenfestsetzung nicht beteiligt sind (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.09.2016 - 12 OA 54/16 -, VG Augsburg, Beschl. v. 24.01.2011 - Au 3 M 11.81 -, im Ergebnis ebenso Nds. OVG, Beschl. v. 12.09.2016 - 12 OA 54/16 -, jeweils juris).