Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 13.10.2014, Az.: 6 B 1462/14

Rechtmäßigkeit der Verhängung eines Zwangsgeldes sowie der Sicherstellung der für die Sportwettvermittlung bzw. -veranstaltung nutzbaren Sportwettgeräte

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
13.10.2014
Aktenzeichen
6 B 1462/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 35492
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2014:1013.6B1462.14.0A

Fundstelle

  • ZfWG 2015, 156

Redaktioneller Leitsatz

1.

Nach der klaren Zuständigkeitsregelung in § 9a Abs. 3 GlüStV übt das Land Hessen lediglich gegenüber den Konzessionsnehmern die Glücksspielaufsicht mit Wirkung für alle Länder aus. Die Zuständigkeit geht erst mit der Konzessionserteilung auf das Land Hessen über.

2.

Bei Sportwetten in der Form von Live-Ereigniswetten und von Live-Abschnittswetten handelt es sich um unerlaubte öffentliche Glücksspiele im Sinne des § 21 Abs. 4 S. 2 GlüStV, deren Vermittlung und Werbung hierfür die zuständige Behörde zwingend zu untersagen hat.

3.

Das in § 21 Abs. 4 S. 2 und 3 GlüStV geregelte grundsätzliche Verbot von Wetten während des laufenden Sportereignisses (Live-Wetten) mit der Ausnahme von Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind (Live-Endergebniswetten), ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

Gründe

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Klage (Az.: H.) und ihrem vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 04. August 2014, mit dem ihr untersagt wird, in Niedersachsen während laufender Sportereignisse Wetten in Form sog. Livewetten auf in den laufenden Sportereignissen möglicherweise eintretende Ereignisse, die nicht Wetten auf das Endergebnis sind, sowie Wetten in Form sog. Live-Abschnittswetten, d.h. Wetten auf Teile von Sportereignissen (Abschnitte), zu vermitteln und für die genannten Live-Wetten zu werben (Ziffer I des Bescheides). Für Zuwiderhandlungen gegen diese Untersagung drohte der Antragsgegner der Antragstellerin die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,00 €, danach die Sicherstellung der für die Sportwettvermittlung bzw. -veranstaltung nutzbaren Sportwettgeräte bzw. der bereitgestellten Computer oder Einrichtungen und bei weiteren Zuwiderhandlungen die Schließung der Betriebs- und Geschäftsräume, in denen die Sportwettvermittlung stattfindet, an (Ziffer II des Bescheides).

Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 9 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV) vom 15. Dezember 2011 (Nds. GVBl. 2012, 190, 196) und § 64 Abs. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) statthafte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem die Antragstellerin sinngemäß begehrt, die aufschiebende Wirkung ihrer am 25. August 2014 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 04. August 2014 anzuordnen, ist unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht hat im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, deren Grundlage eine umfassende Interessenabwägung ist. Dabei ist zu prüfen, ob das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung des belastenden Verwaltungsaktes das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung überwiegt. Das Gewicht dieser gegenläufigen Interessen wird entweder durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache oder - insbesondere wenn die Erfolgsaussichten als offen erscheinen - durch eine Folgenabwägung bestimmt. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung; ist er offensichtlich rechtmäßig, hat regelmäßig das öffentliche Interesse an der Vollziehung Vorrang. Im Rahmen der Folgenabwägung sind die voraussichtlichen Folgen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits zu gewichten. Maßgebend sind insoweit nicht nur die Dringlichkeit des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung sowie Natur und Schwere der mit dem Eingriff für den Antragsteller verbundenen Belastung, sondern auch die Möglichkeit, die jeweiligen Folgen der Maßnahme rückgängig zu machen.

Hier erscheinen die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin angestrengten Klage bei einer im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein anzustellenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gering. Voraussichtlich ist die im Bescheid des Antragsgegners vom 04. August 2014 unter Androhung eines Zwangsgeldes und unmittelbaren Zwanges verfügte Untersagung der Vermittlung von Sportwetten in der Form der Live-Ereigniswetten und Live-Abschnittswetten und der Werbung hierfür rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (dazu unter 1.). Unabhängig davon - und insoweit die Entscheidung selbständig tragend - geht eine reine Folgenabwägung ebenfalls zu Lasten der Antragstellerin aus (dazu unter 2.).

1.

Rechtsgrundlage für die getroffene Anordnung ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. § 22 Abs. 4 Satz 2 Niedersächsisches Glücksspielgesetz (NGlüSpG).

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann nach Satz 2 der Vorschrift die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Sie kann nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Diese Regelungen finden sich in § 22 NGlüSpG wieder. Nach § 22 Abs. 1 NGlüSpG überwacht die Glücksspielaufsicht die Erfüllung der durch dieses Gesetz und den Glücksspielstaatsvertrag begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen. Die Glücksspielaufsicht trifft nach § 22 Abs. 2 Satz 1 NGlüSpG die sich aus den §§ 9, 9a und 19 Abs. 2 GlüStV und den Vorschriften dieses Gesetzes ergebenden geeigneten Maßnahmen zur Sicherstellung der Ziele und Maßgaben dieses Gesetzes nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Veranstaltung und Vermittlung unerlaubter öffentlicher Glücksspiele sowie die Werbung hierfür sind gemäß § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG zu untersagen.

a)

Die formellen Voraussetzungen sind erfüllt. Der Antragsgegner ist gemäß § 23 Abs. 1 NGlüSpG die zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV, 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 NGlüSpG ist das für Inneres zuständige Ministerium zuständig für die Glücksspielaufsicht (Glücksspielaufsichtsbehörde). Es ist nach Satz 2 Nr. 2 der Vorschrift zuständig für die Untersagung unerlaubter Veranstaltung oder Vermittlung öffentlicher Glücksspiele und der Werbung hierfür. Danach ist der Antragsgegner zuständig für die Untersagung der unerlaubten Vermittlung öffentlicher Glücksspiele und der Werbung hierfür durch die Antragstellerin.

Der Zuständigkeit des Antragsgegners steht § 9a Abs. 3 GlüStV nicht entgegen, der gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 NGlüSpG unberührt bleibt. Insbesondere ist für die gegenüber der Antragstellerin verfügte Untersagung nicht das Land Hessen gemäß § 9a Abs. 3 i.V.m. § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV zuständig.

Nach § 9a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GlüStV erteilt die Glücksspielaufsichtsbehörde des Landes Hessen für alle Länder die Konzession nach § 4a und die - hier nicht einschlägige - Erlaubnis nach § 27 Abs. 2. Gemäß § 9a Abs. 3 GlüStV üben die nach den Absätzen 1 und 2 zuständigen Behörden gegenüber den Erlaubnis- und Konzessionsnehmern auch die Aufgaben der Glücksspielaufsicht nach § 9 Abs. 1 mit Wirkung für alle Länder aus; sie können die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen und nach ihrem jeweiligen Landesrecht vollstrecken sowie dazu Amtshandlungen in anderen Ländern vornehmen.

Das Land Hessen ist danach für das Konzessionsverfahren sowie für die Glücksspielaufsicht gegenüber konzessionierten Sportwettveranstaltern zuständig. Die Antragstellerin ist jedoch nicht konzessionierte Sportwettveranstalterin, sondern lediglich Vermittlerin von Sportwetten. Veranstalterin der von der Antragstellerin vermittelten Sportwetten ist die Firma I.; diese bedarf einer Konzession nach § 4a GlüStV und unterliegt sodann gemäß § 9a Abs. 3 GlüStV der Glücksspielaufsicht des Landes Hessen. Die Antragstellerin als Vermittlerin von Sportwetten ist an dem Konzessionsverfahren jedoch nicht beteiligt. § 9a Abs. 3 GlüStV ist daher auf die Antragstellerin nicht anwendbar, so dass es insoweit bei der Zuständigkeit des Antragsgegners nach § 23 Abs. 1 NGlüSpG bleibt.

Hinzu kommt, dass der Firma I. als Sportwettveranstalterin noch keine Konzession nach § 4a GlüStV erteilt worden ist. Sie ist noch keine Konzessionsnehmerin. Das Land Hessen übt nach der klaren Zuständigkeitsregelung in § 9a Abs. 3 GlüStV jedoch lediglich gegenüber den Konzessionsnehmern die Glücksspielaufsicht mit Wirkung für alle Länder aus. Die Zuständigkeit geht erst mit der Konzessionserteilung auf das Land Hessen über. Der Antragsgegner hat insoweit bestätigt, dass das Land Hessen auch tatsächlich über noch nicht konzessionierte Veranstalter keine Aufsicht ausübt.

Eine länderübergreifende Zuständigkeit des Landes Hessen bzw. des Glücksspielkollegiums als Organ (vgl. dazu § 9a Abs. 5 bis 8 GlüStV) ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht aus der ihrer Ansicht nach schwierigen Abgrenzung zwischen Ergebnis- und Ereigniswetten. Zur Auslegung und zum Vollzug der Vorschriften des GlüStV und des NGlüSpG ist die jeweils zuständige Behörde, hier der gemäß § 23 Abs. 1 NGlüSpG zuständige Antragsgegner, berufen. Die Zuständigkeit ändert sich nicht dadurch, dass sich die Auslegung einer bestimmten Vorschrift als schwierig erweist. Insbesondere sieht § 9a GlüStV keine entsprechende Regelung vor, wonach die Auslegung bestimmter Vorschriften zur einheitlichen Klärung dem Glücksspielkollegium vorbehalten ist.

b)

Der Bescheid des Antragsgegners vom 04. August 2014 ist voraussichtlich auch materiell rechtmäßig. Voraussichtlich zu Recht hat der Antragsgegner der Antragstellerin die Vermittlung von Sportwetten in der Form der Live-Ereigniswetten und der Live-Abschnittswetten sowie die Werbung hierfür nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG untersagt. Denn es handelt sich dabei um unerlaubte öffentliche Glücksspiele, deren Vermittlung und Werbung hierfür der Antragsgegner zwingend zu untersagen hat (dazu unter aa)). Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt nicht vor (dazu unter bb)).

aa)

Ein Glücksspiel liegt nach § 3 Abs. 1 GlüStV vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. Wetten gegen Entgelt auf den Einritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses sind Glücksspiele. Sportwetten sind Wetten zu festen Quoten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen. Nach § 3 Abs. 2 GlüStV liegt ein öffentliches Glücksspiel vor, wenn für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht oder es sich um gewohnheitsmäßig veranstaltete Glücksspiele in Vereinen oder sonstigen geschlossenen Gesellschaften handelt. Öffentliche Glücksspiele dürfen nach § 4 Abs. 1 GlüStV nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden. Das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) sowie die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel sind verboten. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV darf die Erlaubnis nicht für das Vermitteln nach diesem Staatsvertrag nicht erlaubter Glücksspiele erteilt werden. Entsprechend regelt auch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NGlüSpG, dass die Erlaubnis zur Veranstaltung, Durchführung oder Vermittlung eines öffentlichen Glücksspiels voraussetzt, dass die Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages eingehalten werden. § 21 GlüStV enthält besondere Vorschriften für Sportwetten. Gemäß § 21 Abs. 1 GlüStV können Wetten als Kombinationswetten oder Einzelwetten auf den Ausgang von Sportereignissen oder Abschnitten von Sportereignissen erlaubt werden. In der Erlaubnis sind Art und Zuschnitt der Sportwetten im Einzelnen zu regeln. Gemäß § 21 Abs. 4 Satz 2 GlüStV sind Wetten während des laufenden Sportereignisses unzulässig. Davon abweichend können nach Satz 3 der Vorschrift Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind, während des laufenden Sportereignisses zugelassen werden (Endergebniswetten); Wetten auf einzelne Vorgänge während des Sportereignisses (Ereigniswetten) sind ausgeschlossen.

Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften vermittelt die Antragstellerin unerlaubte öffentliche Glücksspiele. Denn sie vermittelt Sportwetten in der Form der Live-Ereigniswetten und der Live-Abschnittswetten, die nach § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV unzulässig sind und für die daher nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GlüStV bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NGlüSpG keine Erlaubnis erteilt werden darf. Es liegt insoweit nicht bloß eine formelle Illegalität vor, die eine Untersagungsverfügung nach § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG unter Umständen noch nicht rechtfertigt (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2013 - 4 B 574/13 -, ), sondern es mangelt auch an der materiellen Erlaubnisfähigkeit.

Der Antragsgegner hat bei Vor-Ort-Kontrollen im Oktober 2013 und Februar 2014 festgestellt, dass in der Betriebsstätte der Antragstellerin Sportwetten der Firma I. vermittelt werden und dass die Betriebsstätte von außen sichtbar mit dem Hinweis auf "Livewetten" beworben wird. Festgestellt wurden insbesondere sog. Live-Wetten darauf, wer Anstoß hat, auf das erste oder nächste Tor bzw. den Torschützen, auf gelbe Karten, gelbe Karten in der x. bis y. Minute, auf Einwürfe, Einwürfe in der x. bis y. Minute und auf Platzverweise. Der Antragsgegner hat in der Betriebsstätte der Antragstellerin Sportwettprogramme und Sportwettquittungen sichergestellt, die diese Wetten umfassen. Bei diesen von der Antragstellerin vermittelten Sportwetten handelt es sich um Wetten während des laufenden Sportereignisses (Live-Wetten), die nach § 21 Abs. 4 Satz 2 GlüStV grundsätzlich unzulässig sind. Der Ausnahmefall des § 21 Abs. 4 Satz 3 1. HS GlüStV liegt nicht vor. Es handelt sich bei den von der Antragstellerin vermittelten Live-Wetten nicht um Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind (Endergebniswetten). Der Antragsgegner definiert in dem Bescheid vom 04. August 2014 Endergebniswetten zu Recht als Wetten auf den Ausgang des bewetteten Sportereignisses nach dem durch den Veranstalter nach den Spielregeln des Wettbewerbs festgestellten finalen Spielstand. Um solche Wetten handelt es sich bei den oben genannten Live-Wetten nicht. Vielmehr stellen diese Wetten offenkundig Ereigniswetten dar, d.h. Wetten auf einzelne Vorgänge während des Sportereignisses, die nach § 21 Abs. 4 Satz 3 2. HS GlüStV jedenfalls als Live-Wetten ausgeschlossen sind. Auch wenn die Abgrenzung zwischen Live-Ergebniswetten und Live-Ereigniswetten im Einzelfall schwierig sein mag, ist dies vorliegend nicht der Fall. Weiterhin vermittelt die Antragstellerin Live-Abschnittswetten, die von dem Verbot von Live-Wetten nicht ausgenommen sind.

Die Regelungen in § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV zur Unzulässigkeit von Live-Ereigniswetten und Live-Abschnittswetten richten sich - neben der Firma I. als Sportwettveranstalterin - auch an die Antragstellerin als Vermittlerin von Sportwetten. Die Antragstellerin ist eine selbständige Gewerbetreibende. Sie ist weder verpflichtet noch befugt, die von der Firma I. veranstalteten Sportwetten - ungeprüft und uneingeschränkt - zu vermitteln. Vielmehr ist sie frei in der Wahl ihrer Vertragspartner und kann auch die Vertragsinhalte mitbestimmen. Sie selbst trägt die Verantwortung für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der von ihr vermittelten Sportwetten. Sie kann diese Verantwortung nicht auf die Firma I. abwälzen. Dies ergibt letztlich auch aus § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG, wonach sowohl die Veranstaltung als auch die Vermittlung unerlaubter öffentlicher Glücksspiele zu untersagen sind. Die Antragstellerin ist damit richtiger Adressat der Untersagungsverfügung.

Ein Ermessen ist dem Antragsgegner bei dem Erlass der Untersagungsverfügung nach § 22 Abs. 4 Satz 2 NGlüSpG nicht eingeräumt.

bb)

Das in § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV geregelte grundsätzliche Verbot von Wetten während des laufenden Sportereignisses (Live-Wetten) mit der Ausnahme von Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind (Live-Endergebniswetten), als auch die konkret vorliegende Untersagungsverfügung des Antragsgegners (Untersagung von Live-Ereigniswetten und Live-Abschnittswetten) sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

Es liegt kein Verstoß gegen Unionsrecht vor.

Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (EU-Dienstleistungsrichtlinie) ist hier nicht anwendbar. Denn gemäß Art. 2 Abs. 2 h) der Richtlinie findet sie auf Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, einschließlich Lotterien, Glücksspiele in Spielkasinos und Wetten, keine Anwendung.

Den Anforderungen der in den Art. 56 ff. des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelten Dienstleistungsfreiheit wird genügt. Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass der Firma I. eine maltesische Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten erteilt worden ist und dass sie grenzüberschreitende Dienstleistungen erbringt, die nach Art. 56 und 57 AEUV geschützt sind. Die Beschränkung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit steht vorliegend mit Unionsrecht in Einklang.

Staatliche Maßnahmen, die die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit beschränken, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllen, um mit Unionsrecht in Einklang zu stehen: Sie müssen mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, nach Art. 62 i.V.m. Art. 51 AEUV (Ausübung öffentlicher Gewalt), Art. 52 AEUV (öffentliche Ordnung, Sicherheit, Gesundheit) oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten; ferner dürfen sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2009 - C-42/07 -, NJW 2009, 3221 = DVBl 2009, 1371 = ; EuGH, Urteil vom 06.11.2003 - C-243/01 -, NJW 2004, 139 = DVBl 2004, 300 = ; EuGH, Urteil vom 21.10.1999 - C-67/98 -, ; BVerwG, Urteil vom 01.06.2011 - 8 C 2/10 -, NVwZ 2011, 1328 = [...]; BVerwG, Urteil vom 24.11.2010 - 8 C 14/09 -, BVerwGE 138, 201 = NVwZ 2011, 554 = [...]; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 21.06.2011 - 11 LC 348/10 -, ). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot liegt nicht vor. Das Verbot der Diskriminierung nach Art. 57 Abs. 3 AEUV gewährleistet, dass der Leistende unbeschadet der Regelungen über die Niederlassungsfreiheit seine Tätigkeit zwecks Erbringung seiner Leistung vorübergehend in dem Mitgliedstaat ausüben darf, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Mitgliedstaat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt. Der Dienstleistungserbringer darf nicht aus Gründen der Staatsangehörigkeit gegenüber den Staatsangehörigen des Mitgliedstaates diskriminiert werden. Eine solche Diskriminierung liegt hier nicht vor. Denn das Verbot von Wetten während des laufenden Sportereignisses (Live-Wetten) mit der Ausnahme von Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind (Live-Endergebniswetten), gilt rechtlich und tatsächlich unterschiedslos für sämtliche potenziellen Sportwettanbieter und -vermittler und damit gleichermaßen für Inländer wie für Ausländer.

Die in § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV geregelte Beschränkung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit ist aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

Mangels unionsrechtlicher Harmonisierung im Glücksspielbereich bleibt es jedem Mitgliedstaat überlassen, das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen und zu beurteilen, ob es erforderlich ist, bestimmte Tätigkeiten im Glücksspielbereich vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu kontrollieren. Die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahme ist allein im Hinblick auf das national angestrebte Schutzniveau und die verfolgten Ziele zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2009, a. a. O.; EuGH, Urteil vom 21.10.1999, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 01.06.2011, a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 24.11.2010, a. a. O.). Aus diesem Grund gibt es auch keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse (vgl. EuGH, Urteil vom 12.09.2013 - C-660/11 -, NVwZ-RR 2013, 959 = , m. w. N.). Allerdings muss der Mitgliedstaat die Gemeinwohlziele, denen die beschränkende Regelung dienen soll und die diese legitimieren sollen, im Anwendungsbereich der Regelung auch tatsächlich verfolgen; er darf nicht in Wahrheit andere Ziele - namentlich solche finanzieller Art - anstreben, welche die Beschränkung nicht legitimieren könnten. Zudem darf die in Rede stehende Regelung nicht durch die Politik in anderen Glücksspielsektoren konterkariert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 39/12 -, ; BVerwG, Urteil vom 01.06.2011, a. a. O.).

Beschränkungen der Spieltätigkeiten können durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen gerechtfertigt sein (vgl. EuGH, Urteil vom 12.06.2014 - C-156/13 -, NVwZ 2014, 1001 = ; EuGH, Urteil vom 08.09.2009, a. a. O.; EuGH, Urteil vom 06.03.2007 - C-338/04 -, NJW 2007, 1515 = NVwZ 2007, 675 = ; EuGH, Urteil vom 06.11.2003, a. a. O.). Die Belange der Suchtbekämpfung (§ 1 Nr. 1 GlüStV) und des Jugend- und Spielerschutzes (§ 1 Nr. 3 GlüStV) sind ebenso wie die Begrenzung des Glücksspielangebots, die Lenkung der Wettleidenschaft (§ 1 Nr. 2 GlüStV) und das Anliegen der Kriminalitätsbekämpfung durch Betrugsvorbeugung (§ 1 Nr. 4 GlüStV) zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010, a. a. O.; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 21.06.2011, a. a. O.).

Das in § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV geregelte Verbot von Wetten während des laufenden Sportereignisses (Live-Wetten) mit der Ausnahme von Sportwetten, die Wetten auf das Endergebnis sind (Live-Endergebniswetten), dient diesen unionsrechtlich legitimen Zwecken. Das Verbot ist zur Erreichung dieser Zwecke geeignet und auch erforderlich (vgl. zum generellen Verbot von Live-Wetten: Niedersächsisches OVG, Urteil vom 21.06.2011, a. a. O.). Live-Ereigniswetten weisen aufgrund der hohen Ereignisfrequenz und der Schnelligkeit der Wettplatzierungen eine hohe Suchtgefahr auf. Das Spielbedürfnis wird über die fortwährende Einführung neuer Spielanreize stimuliert. Es besteht ein beachtlicher Zusammenhang zwischen dem Angebot von Wetten und der Häufigkeit ihrer Nutzung sowie einer möglichen Abhängigkeit. Eine Ausweitung des Wettangebots zieht die Gefahr einer Verbreitung der Wettsucht nach sich (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2010, a. a. O.). Hinzu kommt, dass Live-Ereigniswetten relativ leicht durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des bewetteten Ereignisses beeinflusst werden können und sie daher besonders manipulationsanfällig sind. Daraus folgt eine hohe Gefahr des Wettbetrugs und der Begleitkriminalität. Auch Live-Abschnittswetten weisen eine hohe Sucht-, Manipulations- und Kriminalitätsgefahr auf.

Auch im Übrigen ist eine Unvereinbarkeit des in § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV geregelten Verbots mit Unionsrecht nicht zu erkennen.

Verfassungsrechtlich ist das in § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV geregelte Verbot ebenfalls nicht zu beanstanden, da die sich daraus ergebende Beschränkung der Veranstaltungs- und Vermittlungstätigkeit mit den Grundrechten, insbesondere der Berufsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz (GG), vereinbar ist. Das Verbot schränkt zwar die Berufsfreiheit ein. Dieser Eingriff ist aber vom Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt, weil mit § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV eine formell- gesetzliche Regelung besteht, die durch hinreichende, der Art der betroffenen beruflichen Betätigung und der Eingriffsintensität Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls legitimiert und verhältnismäßig ist. Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zur unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit verwiesen.

c)

Schließlich ist auch die gestaffelte Androhung eines Zwangsgeldes und unmittelbaren Zwanges nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage dafür ist § 70 des Niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (NVwVG) i.V.m. §§ 65 ff. Nds. SOG. Wird - wie hier wegen eines Verstoßes gegen den GlüStV und das NGlüSpG, d.h. wegen der Vermittlung von unerlaubten öffentlichen Glücksspiels - zu Recht die Ausübung der betroffenen gewerblichen Tätigkeit untersagt, so schließt die Befugnis, eine solche Verfügung mit unmittelbarem Zwang nach § 69 Nds. SOG durchzusetzen, grundsätzlich auch das Recht ein, Gegenstände oder Räume, die zum Zweck der unerlaubten Gewerbeausübung genutzt werden, sicherzustellen bzw. zu versiegeln. Dass solche Gegenstände oder Räume ggf. auch zu legalen Zwecken genutzt werden können, steht der Sicherstellung bzw. Versiegelung insbesondere bei einem beharrlichen Verstoß weder grundsätzlich entgegen noch ist eine solche Maßnahme unverhältnismäßig (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 21.06.2011, a. a. O.).

2.

Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen annehmen würde, dass die Erfolgsaussichten der im Hauptsacheverfahren erhobenen Klage offen sind, geht eine reine Interessenabwägung ebenfalls zu Lasten der Antragstellerin aus. Das öffentliche Interesse, vor den oben genannten glücksspielbedingten Gefahren geschützt zu werden, die von den Live-Ereigniswetten und Live-Abschnittswetten ausgehen, überwiegt gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, bis zu einer endgültigen Entscheidung von der streitgegenständlichen Anordnung verschont zu bleiben. Der Antragstellerin wird nicht die Sportwettvermittlung als solche, sondern lediglich die nach § 21 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GlüStV verbotene und nicht erlaubnisfähige Vermittlung von Live-Ereigniswetten und Live-Abschnittswetten sowie die Werbung hierfür untersagt. Der Antragsgegner hat ihr nicht die Schließung ihrer Betriebsstätte auferlegt. Die Antragstellerin kann ihren Betrieb fortsetzen, darf lediglich keine Live-Ereigniswetten und Live-Abschnittswetten vermitteln. Die mit dem Sofortvollzug verbundenen Beeinträchtigungen sind ihr jedenfalls vorübergehend zumutbar, zumal dadurch keine irreversiblen Zustände geschaffen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.