Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.12.2004, Az.: 2 ME 976/04
Anspruch auf Zuweisung von angemessenen Räumlichkeiten zur Durchführung der Lehre im Rahmen einer Denomination; Notwendigkeit der Bereitstellung der erforderlichen Einrichtungen aus vorhandenen Mitteln der eigenen Finanzstelle; Verpflichtung zur Ausweisung und Veröffentlichung des Lehrangebots; Umfang des Gewährleistungsanspruchs auf Wissenschaft und Forschung; Erforderlichkeit der Gewährleistung der Realisierung des erteilten Lehrauftrags; Folgen der Einstellung des eingeforderten Studiengangs
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.12.2004
- Aktenzeichen
- 2 ME 976/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 37229
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2004:1209.2ME976.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 10.06.2004 - AZ: 5 B 1323/04
Rechtsgrundlage
- Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG
Fundstelle
- NordÖR 2005, 82-83 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Schließung eines Studienganges
Amtlicher Leitsatz
Wird ein Studiengang, an dem ein Hochschullehrer bisher gelehrt hat, endgültig und ersatzlos geschlossen, so kann der Hochschullehrer mangels eigener Rechtsposition i.S. des § 42 Abs. 2 VwGO die Wiedereröffnung des Studienganges nicht verlangen.
Gründe
Die Beschwerde, mit der sich die Antragstellerin gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 10. Juni 2004 wendet, in der es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin im Rahmen ihrer Denomination angemessene Räumlichkeiten zur Durchführung der Lehre zuzuweisen, die hierfür erforderlichen Einrichtungen aus vorhandenen Mitteln der eigenen Finanzstelle bereitzustellen sowie ein Lehrangebot der Antragstellerin für das Lehramtsfach "Haushalts- und Ernährungswissenschaften" (bzw. "Hauswirtschaft") auszuweisen und zu veröffentlichen, bleibt erfolglos. Denn es fehlt für die begehrte einstweilige Anordnung an einem Anordnungsanspruch der Antragstellerin, wie dies das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat.
Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss, dass die Antragstellerin, der vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur mit Wirkung vom 1. August 1992 das Amt einer Universitätsprofessorin (Besoldungsgruppe C 3) an der Antragsgegnerin für das Fach "Haushaltswissenschaft und Didaktik der Haushaltslehre in Lehre, Forschung und Weiterbildung" übertragen worden ist, nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens von der Antragsgegnerin nicht die von ihr - der Antragstellerin - beanspruchte räumliche und sachliche Ausstattung für das Fach "Haushalts- und Ernährungswissenschaften" nebst Ankündigung entsprechender Lehrveranstaltungen verlangen kann.
Dem Senat erscheint allerdings zweifelhaft, ob der Ansicht des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss beizutreten ist, die von der Antragstellerin geltend gemachten Ansprüche müssten schon daran scheitern, dass ihr lediglich ein Teilhaberecht an den staatlichen Hochschuleinrichtungen zustehe, sie mithin eine bestimmte räumliche und sächliche Ausstattung ihres Lehrstuhles nicht beanspruchen könne. Denn aus der grundrechtlich verbürgten Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG dürfte einer Professorin/einem Professor grundsätzlich auch ein Anspruch darauf zustehen, dass ihm die Universität, an die er berufen worden ist, in räumlicher und sächlicher Hinsicht überhaupt die Realisierung ihres/seines Lehrauftrages ermöglicht; auch macht die Antragstellerin gerade geltend, die Antragsgegnerin hindere sie durch die Vorenthaltung der hier umstrittenen Unterstützung in räumlicher und sächlicher Hinsicht, das von ihr - der Antragstellerin - vertretene Fach "Haushaltswissenschaft und Didaktik der Haushaltslehre" an der Universität B. zu lehren. Der Senat kann die aufgeworfene Zweifelsfrage hier aber deshalb offen lassen, weil dem Verwaltungsgericht auf jeden Fall darin zuzustimmen ist, dass nach Einstellung und Abwicklung des Studienganges "Haushalts- und Ernährungswissenshaften" an der Universität B. der Antragstellerin die geltend gemachten Ansprüche nicht (mehr) zustehen.Durch die Erlasse des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 10. August 1999 und 18. Mai 2000 ist der bisher an der Universität B. bestehende "Teilstudiengang Hauswirtschaft in den Studiengängen Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen und Lehramt für Sonderpädagogik", an dem die Antragstellerin gelehrt hat, endgültig zum Wintersemester 2002/2003 geschlossen worden, so dass die Antragstellerin an der Universität B. auch nicht mehr im Rahmen einer Abwicklung dieses Studienganges lehrend tätig werden kann. Ob an der Universität C. Lehramtsstudenten derzeit noch Haushalts- und Ernährungswissenschaften hören können, was zwischen den Beteiligten umstritten ist, bedarf in diesem Zusammenhang keiner näheren Erörterung, da die Antragstellerin als niedersächsische Beamtin, der nur an der Universität B. ein Professorinnenamt übertragen worden ist, lediglich gegen die Antragsgegnerin Ansprüche geltend machen könnte. Ist aber der Studiengang, in dem die Antragstellerin bisher das von ihr vertretene Fach "Haushaltswissenschaft und Didaktik der Haushaltslehre" gelehrt hat, nicht mehr existent, so versteht es sich von selbst, dass die Antragstellerin von der Antragsgegnerin nicht, zumindest nicht mehr beanspruchen kann, zur Ankündigung und Durchführung von Lehrveranstaltungen gerade in diesem Fach in der begehrten Form unterstützt zu werden.
Soweit das Begehren der Antragstellerin dahin verstanden werden könnte, die Antragsgegnerin müsse - auch im Interesse von Studierenden, die darauf angewiesen seien, dass der (geschlossene) Studiengang im Rahmen der Lehramtsausbildung in Niedersachsen weiter angeboten werde - verpflichtet werden, den Studiengang wieder einzurichten und der Antragstellerin eine Lehre in diesem Studiengang zu ermöglichen, kann die Antragstellerin mit diesem Begehren ebenfalls nicht durchdringen.Für ein solches Begehren fehlt es nämlich schon an einer subjektiven Rechtsposition der Antragstellerin. Ob ein geschlossener Studiengang wieder eingerichtet wird oder ob hierauf verzichtet wird, fällt in das Organisationsermessen der jeweiligen Hochschule (und des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur), ohne dass die hiervon mittelbar betroffene Professorin/Professor insoweit eigene Rechte i. S. des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen könnte (vgl. hierzu auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 9.3.2004 - 4 S 252/04 -, IÖD 2004, 146(147)). Auch die Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vermag insoweit dem Hochschullehrer eine eigene Rechtsposition nicht zu verleihen; denn das Individualgrundrecht auf Wissenschaftsfreiheit schränkt die Organisationsbefugnis des Staates hinsichtlich seiner Hochschuleinrichtungen nicht ein (BVerfG, Urt. v. 10.3.1992 - 1 BvR 454/91 u.a. -, BVerfGE 85, 360(382) [BVerfG 10.03.1992 - 2 BvH 3/90]). Weiter kann die Antragstellerin auch nicht etwaige Rechte von Lehramtsstudenten auf Wiedereröffnung des geschlossenen Studienganges, sollten sie überhaupt zu Gunsten der Studenten bestehen, als eigene Rechte gegenüber der Antragsgegnerin (und/oder dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur) vor Gericht durchsetzen, weil dies dem auf die Durchsetzung von Individualrechtsschutz ausgerichteten Rechtsschutz der Verwaltungsgerichtsordnung widersprechen würde.
Schließlich kann die Antragstellerin die gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemachten Ansprüche auch nicht aus ihrer Denomination herleiten, wie dies vom Verwaltungsgericht bereits zu Recht betont worden ist. Abgesehen davon, dass die Denomination der Antragstellerin vom 17. Juli 1992 bereits den Vorbehalt enthält, dass der damals mit der Wahrnehmung des Fachs "Haushaltswissenschaft und Didaktik der Haushaltslehre" beschriebene "Aufgabenkreis nach Art und Umfang erforderlichenfalls" geändert werden kann, die Antragstellerin als Beamtin also eine (zulässige) Änderung ihrer Denomination hinnehmen muss, kann die Antragstellerin aus der Denomination, die naturgemäß voraussetzt, dass das von der Professorin vertretene Fach noch angeboten wird, dann ein Recht auf unveränderte Lehre nicht mehr herleiten, wenn dieses Fach - wie hier - in Niedersachsen nicht mehr angeboten wird. Vielmehr muss die beamtete Professorin der erforderlich gewordenen Strukturveränderung im Lehrangebot selbst auch insoweit Rechnung tragen, dass sie im Rahmen des Zumutbaren einer Abänderung der Denomination zustimmt. Dies ist hier - wie anzumerken ist - im Rahmen von Vergleichsverhandlungen unter Wahrung sowohl der Interessen der Antragstellerin als auch der Antragsgegnerin versucht worden, letztlich aber an der Haltung der Antragstellerin gescheitert, weshalb die Antragstellerin die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten selbst zu verantworten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die weitere Nebenentscheidung über den Streitwert für das vor dem 1. Juli 2004 in Gang gesetzte Beschwerdeverfahren auf den §§ 71 Abs. 1 Satz 1 und 2, 72 Abs. Nr. 1 GKG n.F. (i.d.F. des Art. 1 KostRMoG v. 5.5.2004, BGBl. I S. 718) i.V.m. den §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3 GKG a.F. .
Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO/§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F. nicht anfechtbar.