Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.12.2004, Az.: 12 ME 424/04

Altlizenz; Berufspilot; JAR; Lizenz; Rücknahme

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.12.2004
Aktenzeichen
12 ME 424/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50209
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.09.2004 - AZ: 2 B 367/04

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit einer Anordnung des Sofortvollzuges versehene Verfügung der Antragsgegnerin vom 18. August 2004 betreffend die Rücknahme der nach den Regelungen der JAR-FCL (Joint Aviation Requirements, Bekanntmachung vom 15.4.2003, BAnZ Nr. 80a) erteilten Lizenz für Berufspiloten (Flugzeug) Nr. 3341013699 vom 15. Juli 2003 abgelehnt worden ist, bleibt erfolglos.

2

Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen seines angefochtenen Beschlusses ausgeführt, der Antragsteller habe die Lizenz nach den Regelungen JAR-FCL zu Unrecht erhalten. Die Antragsgegnerin habe sie auf der Grundlage des § 48 VwVfG zu Recht zurückgenommen. Deshalb überwiege im Hinblick auf die nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Entscheidung das öffentliche Vollzugsinteresse das private Suspensivinteresse. Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 der ersten Durchführungsverordnung zur Verordnung über Luftfahrtpersonal (- 1. DV LuftPersV -) in der zum Erteilungszeitpunkt geltenden Fassung vom 15. April 2003 (BAnZ. Nr. 82 b) hätte der Antragsteller als Inhaber einer gemäß § 14 Abs. 5 der Verordnung über Luftfahrtpersonal (-LuftPersV - i.d.F. vom 23.12.1998, BGBl I S. 4058) eingeschränkten Erlaubnis für Verkehrsflugzeugführer bei der ersten Verlängerung dieser Erlaubnis nach dem 1. Mai 2003 lediglich Anspruch auf eine gemäß den Regelungen der ICAO ausgestellten Lizenz für Berufsflugzeugführer mit Instrumentenflugberechtigung und ATPL-Theoriekredit gehabt. Eine solche Lizenz habe gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 der 1. DV LuftPersV (i.d.F. vom 15.4.2003) nur dann in eine Lizenz gemäß JAR-FCL umgeschrieben werden können, wenn der Bewerber neben den ausdrücklich genannten Voraussetzungen aus §§ 77 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, 78 LuftPersV - deren Vorliegen im Hinblick auf den Antragsteller nicht streitig ist - auch die Anforderungen des Anhangs 1 zu JAR-FCL 1.005 erfülle. Dies ergebe sich aus § 20 Abs. 2 Nr. 1 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (-LuftVZO -, hier anwendbar i.d.F. der Verordnung zur Änderung luftrechtlicher Vorschriften über Anforderungen an Flugbesatzungen vom 10.2.2003, BGBl I S. 182), der auf die im Bundesanzeiger vom 29.4.2003 (Nr. 80a) bekannt gemachte Fassung der JAR-FCL verweise. Lediglich verdeutlichend heiße es in der nunmehr geltenden (durch die Verordnung vom 9.1.2004, BAnZ S. 685 geänderten) Fassung des § 5 Abs. 5 Satz 2 der 1. DV LuftPersV ausdrücklich, dass eine Lizenzumschreibung erfolge, wenn der Bewerber die Anforderungen des Anhangs 1 zu JAR-FCL 1.005 erfülle. Dies sei bei dem Antragsteller nicht der Fall, da er unstreitig nicht über eine Flugerfahrung von mehr als 500 Stunden auf Flugzeugen mit zwei Piloten verfüge, wie dies Zeile (d), Spalte (2) der Ziff. 1 (d) des Anhangs 1 zu JAR-FCL 1.005 verlange. Die Antragsgegnerin habe sich zu Recht darauf berufen, dass ein Vertrauen des Antragstellers in den Bestand der rechtswidrig erteilten Lizenz nicht schutzwürdig sei.

3

Soweit der Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss pauschal oder im Zusammenhang mit einzelnen von ihm als wesentlich erachteten rechtlichen Gesichtspunkten auf seinen Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren Bezug nimmt, genügt dies nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats bereits nicht dem in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO enthaltenen Darlegungserfordernis, das entscheidend auf eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgerichtet ist.

4

Die übrigen Gesichtspunkte, die der Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde anführt und auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde.

5

Der Antragsteller rügt zu Unrecht, das Verwaltungsgericht habe sich bei seiner nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung nicht allein an den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs orientieren dürfen. Ihm ist entgegenzuhalten, dass die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid vom 18. August 2004 die Anordnung der sofortigen Vollziehung in hinreichender Weise damit begründet hat, dass das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Luftverkehrs, welches verlange, dass ein Tätigwerden als Luftfahrzeugführer nur bei vorheriger Erfüllung der geltenden gesetzlichen Voraussetzungen erfolge, das persönliche Interesse des Antragstellers an dem Bestand der erteilten Lizenz überwiege. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats betreffend Erlaubnisse im Verkehrsrecht ist im Falle einer formell ordnungsgemäß begründeten Anordnung der sofortigen Vollziehung einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in der Regel der Erfolg zu versagen, wenn sich in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergibt, dass der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache keinen Erfolg haben wird; so verhält es sich insbesondere, wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Diesem Prüfungsmaßstab liegt die Überlegung zugrunde, dass dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht die Funktion zukommt, Positionen einzuräumen oder zu belassen, die einer Nachprüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhalten werden. Aus diesem Grunde kann ein Antragsteller gegen eine offensichtlich rechtmäßige Verfügung nicht mit Erfolg einwenden, es bestehe kein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse. Ein solches hat zwar die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zu prüfen, ohne dass dem jedoch insoweit ein eigenständiges subjektives Recht des Betroffenen entspräche (so der Senat in ständiger Rechtsprechung im Fahrerlaubnisrecht seit Beschluss vom 3.6.1993 - 12 M 2023/93 -, OVGE 44, 327 f).

6

Nicht durchdringen kann der Antragsteller weiterhin mit dem Einwand, dass nahezu ein Jahr nach Erteilung der von der Antragsgegnerin aufgehobenen Lizenz eine Eilbedürftigkeit, die die Anordnung des Sofortvollzuges rechtfertigen könne, nicht mehr vorliege. Denn der Antragsteller hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, dass er sich mit der Lizenz bereits außerhalb Deutschlands als Flugzeugführer beworben habe. Hieran wird deutlich, dass ein Bedürfnis der Antragsgegnerin, ein weiteres Gebrauchmachen von der Lizenz vorläufig zu verhindern, nicht verneint werden kann.

7

Fehl geht der Antragsteller schließlich auch mit dem Kern seines bereits im Verwaltungsverfahren und erstinstanzlich erhobenen und im Beschwerdeverfahren vertieften Vorbringens, für Altlizenzinhaber wie ihn habe nach § 5 Abs. 5 Satz 2 der 1. DV LuftPersV (i.d.F. vom 15.4.2003) eine Umschreibung der Lizenz gemäß JAR-FCL ohne ein Abstellen auch auf die in Anhang 1 zu JAR-FCL 1.005 genannten Voraussetzungen erfolgen müssen. Der Antragsteller macht hierzu geltend, § 5 Abs. 5 Satz 2 der 1. DV LuftPersV (i.d.F. vom 15.4.2003) erwähne den Anhang 1 zu JAR-FCL 1.005 nicht und stelle gegenüber diesem die speziellere Rechtsvorschrift dar. Auch der Verweis des Verwaltungsgerichts auf § 20 Abs. 2 Nr. 1 LuftVZO liege neben der Sache, weil diese Vorschrift (gemäß Art. 4 der Verordnung vom 10.2.2003, BGBl I S. 182) erst zum 1. Mai 2003 in Kraft getreten sei und nichts darüber besage, wie mit Altlizenzen umzugehen sei.

8

Mit diesem Einwand übersieht der Antragsteller, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Verordnung zur Änderung luftrechtlicher Vorschriften über Anforderungen an Flugbesatzungen der Verpflichtung aller EU-Mitgliedstaaten nachkam, die JAR sobald wie möglich in nationales Recht umzusetzen (vgl.: Hofmann/Grabherr, LuftVG, Loseblattsammlung, Stand: März 2004, § 4, Rn. 2). Vor diesem Hintergrund war zur Überzeugung des Senats § 5 Abs. 5 Satz 2 1. DV LuftPersV bereits in seiner Fassung vom 15. April 2003 dahingehend auszulegen, dass der Verweis auf die JAR-FCL auch den Anhang 1 zu JAR-FCL 1.005 betraf. Die ausdrückliche Inbezugnahme dieses Anhanges durch § 5 Abs. 5 Satz 2 der 1. DV LuftPersV in ihrer derzeit geltenden Fassung vom 9. Januar 2004 (BAnZ S. 685) hat mithin - worauf bereits das Verwaltungsgericht vom Antragsteller unbeachtet hingewiesen hat - insoweit lediglich eine bereits zuvor gegebene Rechtslage verdeutlicht. Entsprechend bezog sich auch das von dem Antragsteller unter dem 8. Juli 2003 unterzeichnete Antragsformular (Bl. 37 der Beiakte B) auf eine Lizenz gemäß JAR-FCL 1.005 und den Anhang 1 hierzu.

9

An dieser klaren Regelung vermögen - jedenfalls im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes - die Erwägungen nichts zu ändern, die der Antragsteller unter Bezugnahme auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz im Hinblick auf einen Vergleich von Altlizenzinhabern mit Flugzeugführern, die ihre Ausbildung von Anfang an entsprechend den Regelungen des JAR-FCL absolvieren, anstellt.