Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.08.2000, Az.: IV K 272/97

Fristenkontrolle bei Einspruch

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
30.08.2000
Aktenzeichen
IV K 272/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 35740
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0830.IV.K272.97.0A

Redaktioneller Leitsatz

1. Wird durch Zeugen der Beweis geführt, dass ein Prozessbevollmächtigter das Einspruchschreiben rechtzeitig abgesandt hat, so trifft den Steuerpflichtigen kein Verschulden daran, dass sein Einspruch nicht innerhalb der üblichen Postlaufzeiten beim Beklagten eingegangen ist. 2. Eine wirksame Fristenkontrolle kann auch ohne Postausgangsbuch geführt werden. (Überlassen von Datev)

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 04.12.1996 zu gewähren ist. Die Klägerin behauptet, den Einspruch gegen diesen Bescheid durch ihre Bevollmächtigten am 20.12.1996 zur Post gegeben zu haben. Dieser Einspruch ist beim Beklagten nicht eingegangen. Nach Hinweis des Beklagten mit Schreiben vom 20.01.1997, dass bei ihm kein Einspruch vorliege, beantragten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 11.02.1997 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung ihres Antrags trugen sie vor, ein Postausgangsbuch werde bei ihnen nicht geführt. Vielmehr würde ein Rechtsbehelf in das Fristenkontrollbuch mit dem Datum eingetragen, an dem er von dem sachbearbeitenden Steuerberater fertiggestellt und in den Postausgangskorb gelegt worden sei. Das sei im Streitfall am 20.12.1996 durch die Eintragung der Steuerberaterin dokumentiert worden. Die Post werde von der Bürovorsteherin der Klägervertreter und nicht von irgendeiner Hilfskraft am gleichen Tag versandfertig gemacht und dann von dieser oder von einer von ihr beauftragten Mitarbeiterin in den Postkasten geworfen. Die Klägervertreter weisen auch daraufhin, dass die Klägerin und ihr Ehemann die für sie bestimmte und gleichzeitig mit dem Original versandte Durchschrift des Einspruchs ein oder zwei Tage nach der Absendung am 20.12.1996 erhalten hätten. Der Beklagte hielt die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht für erfüllt und verwarf den Einspruch als unzulässig. Hiergegen richtet sich die Klage.

2

Die Klägerin beantragt,

  1. den Einspruchsbescheid vom 20.05.1997 aufzuheben.

3

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

4

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Organisation der Fristenkontrolle und des Postausgangs bei den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Dezember 1996 und über die Einzelheiten des Postausgangs am 20.12.1996 durch Vernehmung der Steuerberaterin als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll.

Gründe

5

Die Klage mit dem Ziel der isolierten Aufhebung eines Einspruchsbescheides mit dem der Einspruch wegen Versäumung der Einspruchsfrist als unzulässig zurückgewiesen wurde, ist zulässig (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO , - § 44 FGO Tz. 17 und 100 FGO Tz. 21 m. N. aus der Rechtsprechung).

6

Sie ist auch begründet. Die Klägerin hatte Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) und sie hat den Einspruch am 11.02.1997 und damit innerhalb eines Monats nachdem sie davon Kenntnis erhalten hatte, dass ihr Einspruch vom 20.12.1996 nicht beim Beklagten eingegangen war, nachgeholt ( § 110 Abs. 2 Satz 1 AO). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägervertreter das Einspruchsschreiben vom 20.12.1996 an diesem Tag an den Beklagten abgesandt haben. Die diesbezüglichen Aussagen der Zeugin sind schlüssig und glaubhaft. Innerhalb üblicher Postlaufzeiten hätte der Einspruch beim Beklagten eingehen müssen. Die Klägerin trifft kein Verschulden daran, dass der Einspruch nicht beim Beklagten eingegangen ist.

7

Den vom Beklagten angenommenen Organisationsmangel der zur Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen könnte, vgl. dazu Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO , § 110 AO Tz. 22 e konnte der Senat nicht feststellen. Zwar haben die Klägervertreter kein Postausgangsbuch geführt, die wirksame Fristenkontrolle war aber durch das dargelegte und von der Zeugin bestätigte Verfahren gewährleistet. Die Übertragung dieser Kontrolltätigkeit auf die zuverlässige, zutreffend eingewiesene, seit über 20 Jahren bei den Klägervertreter tätige Zeugin, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .