Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.08.2000, Az.: 3 K 64/96

Steuerliche Anerkennung eines zwischen wirtschaftlich voneinander unabhängigen Angehörigen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.08.2000
Aktenzeichen
3 K 64/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 14424
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0823.3K64.96.0A

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein zwischen Angehörigen geschlossener Darlehensvertrag steuerlich anzuerkennen ist.

2

Der Kläger, der bis Ende 1992 Maschinenbau an der ... studierte, erwarb am 26. Februar 1992 aufgrund Annahmeerklärung eines ihm unterbreiteten Vertragsangebots sämtliche Geschäftsanteile an der Firma ... GmbH zu einem Kaufpreis von 750.000 DM, wovon dem Kläger 100.000 DM zinslos gestundet wurden. Zur Finanzierung des Erwerbs der Beteiligung erhielt der Kläger u.a. von seinem Vater ... darlehensweise einen Betrag von 100.000 DM; den restlichen Kaufpreis finanzierte der Kläger im Wesentlichen durch Aufnahme anderweitiger Darlehen. In dem am 15. Januar 1992 geschlossenen Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und seinem Vater war als Verwendungszweck "Investitionskredit für Übernahme der Firma ... GmbH" angegeben. Der Zinssatz war an den jeweiligen Bundesbankdiskont gekoppelt und betrug jeweils 2 v.H. mehr als dieser; die Zinsen waren zum 1. jeden Monats fällig. Zur Darlehensrückzahlung war vereinbart, dass jährlich Rückzahlungen in Beträgen nach Vereinbarung erfolgen konnten. Sondertilgungen waren jederzeit gestattet. Auf die Bereitstellung von Sicherheiten wurde verzichtet. Der Darlehensbetrag von 100.000 DM wurde dem Kläger auf dessen privates Girokonto von seinem Vater am 17. Dezember 1991 überwiesen. Von dem privaten Girokonto erfolgte am 18. Dezember 1991 die Überweisung dieses Betrags auf das bereits mit 10.000 DM bestehende Festgeldkonto des Klägers bei der .... Das Festgeld in Höhe von 110.000 DM wurde bis zum 2. März 1992 prolongiert. Am 2. März 1992 erfolgte die Kaufpreiszahlung in Höhe von 650.000 DM zu Lasten des privaten Girokontos des Klägers, auf das zuvor der Betrag von 110.000 DM vom Festgeldkonto umgebucht worden war.

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In seiner Einkommensteuererklärung von 1992 machte der Kläger 7.732,22  DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen im Hinblick auf die an seinen Vater auf das fragliche Darlehen gezahlten Zinsen geltend. Diese Zinsen waren vom Kläger in der Weise entrichtet worden, dass er seinem Vater am 23. März 1992 einen Betrag von 2.170,22 DM (Zeitraum 16. Januar bis 20. März 1992) überwies, 202 DM in bar für die Zeit vom 20. März bis 30. März 1992 zahlte und ferner ab 1. April 1992 jeweils per Dauerauftrag monatlich je 670 DM überwies. Für 1993 erklärte der Kläger Werbungskosten aus dem fraglichen Darlehen seines Vaters von 8.040 DM. Dieser Betrag ergab sich aus den ebenfalls vom Kläger per Dauerauftrag überwiesenen monatlichen Raten von jeweils 670 DM.

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Das beklagte Finanzamt - FA - erkannte das zwischen dem Kläger und seinem Vater geschlossene Darlehensverhältnis nicht an und ließ in den Einkommensteuerbescheiden 1992 und 1993 vom 10. Juni 1993 und 5. Dezember 1994 u.a. die geltend gemachten Zinsaufwendungen unberücksichtigt. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA durch Bescheid vom 10. Januar 1996 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Der Darlehensvertrag vom 15. Januar 1992 sei steuerlich nicht anzuerkennen. Er enthalte keine Vereinbarung über die Laufzeit und über die Art und Zeit der Darlehenstilgung. Auch Sicherheiten seien nicht gestellt und vom Darlehensgeber nicht verlangt worden. Der Kläger habe die Anfang 1992 fällig gewesenen Zinsen nicht pünktlich gezahlt und auch im Übrigen den Darlehensvertrag nicht wie vereinbart durchgeführt.

5

Hiergegen richtet sich die Klage. Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Kläger sein Klagebegehren, das zunächst auch auf den vom FA ebenfalls versagten Abzug in 1992 gezahlter Schuldzinsen für ein Darlehen an die ... GmbH gerichtet war, dahingehend eingeschränkt, dass lediglich die Anerkennung der aufgrund des Darlehensvertrags mit seinem Vater gezahlten Schuldzinsen als Werbungskosten begehrt wird. Ferner legte der Kläger im Klageverfahren eine mit seinem Vater bezüglich des Darlehensvertrags geschlossene Änderungsvereinbarung vom 4. Oktober 1996 vor. Zur Klagebegründung trägt der Kläger vor: Der mit seinem Vater geschlossene Darlehensvertrag sei bürgerrechtlich wirksam, ernsthaft gewollt und tatsächlich vollzogen worden. Die zu Beginn des Darlehensverhältnisses unpünktlich erfolgten erstmaligen Zinszahlungen kämen auch bei Darlehensverträgen mit Kreditinstituten vor und stünden der steuerlichen Anerkennung nicht entgegen. Er habe keine Sicherheiten für das ihm gewährte Darlehen seines Vaters bestellen können, weil ihm aufgrund Abtretung seiner sämtlichen Ansprüche, auch seiner Gehaltsansprüche aus der Tätigkeit für die ... GmbH, gegenüber seiner Hausbank keine zur Bestellung einer Sicherheit verfügbaren Vermögensteile verblieben seien. Der bezüglich der Zinsberechnung ursprünglich unterlaufene Irrtum sei durch die Änderungsvereinbarung vom 4. Oktober 1996 korrigiert worden.

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Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 vom 10. Juni 1993 und 5. Dezember 1994 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 10. Januar 1996 weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen für 1992 von 8.402,22 DM und für 1993 von 8.040 DM zu berücksichtigen.

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Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Es hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest, dass der vom Kläger mit seinem Vater geschlossene Darlehensvertrag steuerlich nicht anzuerkennen sei.

9

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und auf die beim FA geführten Steuerakten (Steuer-Nr. ...) Bezug genommen.

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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Gründe

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Die Klage ist begründet.

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Schuldzinsen für einen Kredit zur Anschaffung von GmbH-Anteilen sind Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn auf Dauer gesehen ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erwartet werden kann (Bundesfinanzhof (BFH-)Urteil vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76 Bundessteuerblatt - BStBl - II 1982 S. 37; Schmidt, Einkommensteuergesetz - EStG -, 19. Aufl. 2000 § 20 Rz. 230). Im Streitfall ist eine Überschusserzielungsabsicht des Klägers im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile an der Firma ... GmbH unstreitig gegeben. Der Anerkennung der hier fraglichen Zinszahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen stehen die bei Verträgen zu nahen Angehörigen zu beachtenden Rechtsgrundsätze nicht entgegen.

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Ein Werbungskostenabzug von Zinsen aus Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen kommt nur in Betracht, wenn der Darlehensvertrag bürgerlichrechtlich wirksam zustande gekommen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung der Vereinbarung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die Vertragsbeziehungen tatsächlich mit der Einkunftserzielung und nicht mit dem privaten Bereich i.S. von § 12 Nr. 1 und 2 EStG zusammenhängen (BFH-Urteile vom 29. Juni 1993 IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460; vom 25. Januar 2000 VIII R 50/97, BStBl II 2000 S. 393, jew. m.w.N.). Ob die Vertragsabrede dem Fremdvergleich Stand hält, ist nach der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten zu entscheiden. Bei festverzinslichen Darlehen ist die Fremdüblichkeit grundsätzlich an Hand der Vereinbarung über die Laufzeit und Rückzahlbarkeit des Darlehens, der regelmäßigen Richtung der Zinsen sowie der Darlehensbesicherung zu überprüfen; jedoch kann im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung einzelnen dieser Beweisanzeichen ein unterschiedliches Gewicht beizumessen sein (BFH-Urteil vom 25. Januar 2000, a.a.O.). Bei sog. "isolierten Darlehensverträgen" (Schmidt, a.a.O. § 4 Rz. 520 "Angehörige/Angehörigenverträge" unter i.cc.), d.h. zwischen voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen gegebenen Anschaffungsdarlehen (z.B. für ein Wohngrundstück), die ansonsten bei fremden Dritten hätten aufgenommen werden müssen, gelten die vorstehenden Rechtsgrundsätze zum Fremdvergleich bei Verträgen zwischen Angehörigen nicht uneingeschränkt. Insbesondere kommt hier den Modalitäten der Darlehenstilgung und der Bestellung von Sicherheiten ein erheblich geringere Bedeutung zu als der Abgrenzbarkeit zum in Wahrheit zinslosen Darlehen oder zur verschleierten Schenkung des Betrags (BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85 BStBl II 1991 S. 838; BFH-Urteil vom 25. Januar 2000, a.a.O. m.w.N.).

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In Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze sind im Streitfall die hier fraglichen Zinsaufwendungen des Klägers als Werbungskosten abziehbar. Es bestehen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem fraglichen Darlehen und den Zinszahlungen um eine Unterhaltsgewährung oder eine verschleierte Schenkung handelte; ebenso ist für einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nichts ersichtlich oder vorgetragen. Der steuerlichen Anerkennung des Darlehensvertrags steht nicht entgegen, dass in diesem keine Vereinbarung über die Laufzeit und den Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung getroffen und der Vater des Klägers ferner auf die Stellung von Sicherheiten verzichtet hat. Nach der vorgenannten BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 4. Juni 1991, a.a.O.; vom 25. Januar 2000, a.a.O.) steht das Fehlen dieser Vereinbarungen und insbesondere die fehlende Bindung der Kreditvergabe seitens des Angehörigen an eine Sicherheitengestellung seitens des Darlehensnehmers bei einem isolierten Darlehensvertrag - wie hier - der steuerlichen Anerkennung nicht entgegen.

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Der Werbungskostenabzug ist auch nicht deshalb zu versagen, weil der Kläger die geschuldeten Schuldzinsen Anfang 1992 nicht pünktlich und im Übrigen in den Jahren 1992 und 1993 nicht in vollem Umfang entsprechend der getroffenen Zinsabrede entrichtet hat. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - (z.B. Beschluss vom 7. November 1995 - 2. BvR 802/90 BStBl II 1996 S. 34) hält der BFH (z.B. Urteil vom 20. Januar 2000, a.a.O.) bezüglich des Fremdvergleichs bei Verträgen unter Angehörigen eine Gesamtwürdigung für geboten. Es schließt nicht mehr jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen ohne weiteres die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Vielmehr sind einzelne Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob sie den Rückschluss auf eine privat veranlasste Vereinbarung zulassen (z.B. BFH-Urteile vom 17. Februar 1998 IX R 30/96, BStBl II 1998 S. 349; vom 29. Oktober 1997 I R 24/97 BStBl II 1998 S. 573). Nach Maßgabe dieser Grundsätze ergibt die erforderliche Gesamtwürdigung für den Streitfall, dass die Abweichungen der in 1992 und 1993 erfolgten Zinszahlungen von der im Darlehensvertrag getroffenen Vereinbarungen keinen Rückschluss auf eine private Veranlassung rechtfertigen. Dies gilt zunächst für die vom Kläger im Jahre 1992 erst verspätet aufgenommenen Zinszahlungen. Der Senat kann offen lassen, ob es generell - wie das FA meint - nicht üblich sei, dass Kreditinstitute die ersten Zinsraten nicht zum Fälligkeitstag anfordern. Zumindest erscheint die verspätete Entrichtung der ersten Zinsraten für die Zeit vom 16. Januar bis 30. März 1992 als eine geringfügige und im Übrigen zeitlich auf den genannten Zeitraum begrenzte Unpünktlichkeit, die sich allenfalls als geringfügige Abweichung vom Üblichen darstellt. Auch der Umstand, dass die vom Kläger in 1992 und 1993 gezahlten Darlehenszinsen nicht voll der im Darlehensvertrag vom 15. Januar 1992 getroffene Zinsabrede entsprachen, rechtfertigt für sich keinen Schluss auf eine private Veranlassung der Darlehensgewährung. Der Kläger zahlte aufgrund des von ihm ab 1. April 1992 eingerichteten Dauerauftrags in den Jahren 1992 und 1993 monatlich gleichbleibende Monatsraten von 670 DM, sodass sich im Vergleich zu der getroffenen Zinsabrede für 1992 um ca. 1.350 DM und für 1993 um ca. 1.030 DM zu geringe Zinsleistungen ergaben. Zu dieser Abweichung vom Darlehensvertrag ist es nach dem Vorbringen des Klägers aufgrund eines Verständnisirrtums seines Vaters über die im Darlehensvertrag getroffene Zinsabrede gekommen. Diese Erklärung erscheint dem Senat in Anbetracht der sich erfahrungsgemäß ständig ändernden Höhe des Bundesbankdiskontsatzes sowie der nicht einfach durchzuführenden Zinsberechnung nachvollziehbar. Ein Indiz für die private Veranlassung der Darlehensgewährung ergibt sich aus den zu geringen Zinsleistungen des Klägers nach Ansicht des Senats ferner auch deshalb nicht, weil die Vertragsparteien mit Änderungsvereinbarungen vom 4. Oktober 1996 die Zinsvereinbarung ergänzt und verändert sowie für die bereits abgelaufenen Zeiträume seit Beginn des Darlehensverhältnisses Tilgungspläne erstellt haben. Im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung vermag der Senat mithin die im Darlehensvertrag abweichenden Zinszahlungen des Klägers nicht dahingehend zu würdigen, dass sie einen Rückschluss auf eine private Veranlassung des Darlehensvertrags zulassen. Vielmehr dokumentiert die Änderungsvereinbarung vom 4. Oktober 1996 den Willen der Vertragsbeteiligten zu einer zwischen Fremden üblichen Durchführung des Vertrags.

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Gegen die Höhe der vom Kläger für 1992 geltend gemachten Werbungskosten bestehen keine Bedenken. Im Klageverfahren hat der Kläger durch Vorlage einer Bescheinigung seines Vaters den Nachweis erbracht, dass er diesem im Februar 1992 einen Betrag von 202 DM in bar gezahlt hat. Im Übrigen ist der Gesamtbetrag der 1992 geleisteten Zinszahlungen von 8.402,22 DM - abweichend von dem in der Einkommensteuererklärung 1992 errechneten Betrag - zwischen den Beteiligten unstreitig.

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Die angegriffenen Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 waren demgemäß wie folgt zu ändern ...

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.