Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.08.2000, Az.: 15 K 229/98
Kanalanschlusskosten für bebaute landwirtschaftliche Grundstücke, bei denen das Wohnhaus bisher durch eine hauseigene Kläranlage erschlossen war, als abzugsfähige Betriebsausgaben
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.08.2000
- Aktenzeichen
- 15 K 229/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 14435
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0829.15K229.98.0A
Fundstelle
- DStRE 2001, 619-620 (Volltext mit amtl. LS)
Tatbestand
Streitig ist, ob Kanalanschlusskosten als Herstellungskosten oder als Erhaltungsaufwendungen zu behandeln sind.
Der Kläger (Kl.) erzielt u.a. aus der Verpachtung seines Betriebes Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Er ermittelt den Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni.
Zum Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebes gehören u.a. folgende Grundstücke in Berklingen:
1. ... Flur 1 Flurstück 42/43
bebaut mit einem Wohn- und einem Wirtschaftsgebäude | 642 qm |
---|---|
2. ... Flur 1 Flurstück 43bebaut mit einem Wohnhaus und einem kleinen Wirtschaftsgebäude | 317 qm |
3. ... Flur 1 Flurstück 39Hofstelle, bebaut mit einem Wohnhaus und verschiedenen Wirtschaftsgebäuden | 3.502 qm |
5. ... Flur 1 Flurstück 40/3an die Hofstelle angrenzendes unbebautes Grundstück | 2.299 qm |
Die Samtgemeinde S... führte im Kalenderjahr 1994 in B... Kanalbaumaßnahmen durch. Gemäß der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung vom 15. März 1994 sollten alle Grundstücke an eine neu zu errichtende Kläranlage angeschlossen werden. Hierfür waren von den Eigentümern der beitragspflichtigen Grundstücke neben Aufwendungsersatz und Abwassergebühren nach § 1 Ziff. 2a der Satzung Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die jeweilige zentrale öffentliche Abwasseranlage (Abwasserbeiträge) zu erheben. Bei Beginn der Maßnahme war gemäß § 8 der Satzung eine Vorausleistung möglich. Nach § 3 der Satzung besteht Beitragspflicht für baulich oder gewerblich nutzbare Grundstücke, die an eine zentrale öffentliche Abwasseranlage angeschlossen werden können; andere Grundstücke sollten tatsächlich mit Anschluss beitragspflichtig werden. Als Beitragsmaßstab ist gemäß § 4 der Satzung für die Berechnung der Schmutzwasserbeseitigung die nutzungsbezogene Fläche vorgesehen, wobei das erste Obergeschoss 25 v.H. und für jedes weitere Folgegeschoss 15 % der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht werden. Wegen der Einzelheiten der Satzungsregelungen wird auf die Vorheftung zur Einspruchsakte Bezug genommen.
Die Samtgemeinde S... zog den Kl. mit Heranziehungsbescheiden vom 22. November 1994 zu Vorausleistungen auf den Abwasserbeitrag heran. Nach den Bescheiden (Bl. 18 - 23 der Einspruchsakte) hatte der Kl. folgende Beiträge zu entrichten:
1. ...
642 qm Grundstücksfläche | 4.600 DM |
---|---|
2. ...317 qm Grundstücksfläche | 2. 300 DM |
3. ...3.502 qm Grundstücksfläche 1.818 qm wegen Tiefenbegrenzung verminderte Grundstücksfläche | 13.200 DM |
4. ...2.299 qm Grundstücksfläche1.475 qm Grundstücksflächenach Tiefenbegrenzung | 6.700 DM |
26.800 DM. |
Der Kl. leistete diese Zahlungen und behandelte sie in seiner Gewinnermittlung als laufende Betriebsausgabe des Wirtschaftsjahres 1994/95.
Das Finanzamt (FA) behandelte die geleisteten Zahlungen als Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Es ermittelte einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1994/95 mit dem Betrag von 27.717 DM, den es zeitanteilig in den Veranlagungszeiträumen 1994 und 1995 mit den Beträgen von 13.859 DM und 13.858 DM in den Einkommensteuerbescheiden 1994 vom 10. Februar 1997 und 1995 vom 17. November 1997 erfasste.
Im sich anschließenden Einspruchsverfahren nahm das FA nach dem Vortrag des Kl., die Abwasserbeseitigung für die Gebäude sei bisher über Sickerkuhlen erfolgt, eine teilweise Anerkennung der Kosten als laufende Betriebsausgaben vor. Hierzu teilte es Aufwendungen im Schätzungswege nach den Heranziehungsbescheiden und den Flurkarten für die Grundstücke auf: Die den Wohngebäuden zuzuordnende Fläche setzte es dabei in Anlehnung an § 141 Abs. 2 Bewertungsgesetz (BewG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 zu Gunsten des Kl. auf das Fünffache der bebauten Fläche an. Die als Erhaltungskosten abzugsfähigen Betriebsausgaben ermittelte das FA wie folgt:
1. ...
bebaute Wohngebäudefläche 90 qm x 5 = 450 qm 70 %
Grundstücksfläche 642 qm 100 %
70 % von 4.600 DM | 3.220,00 DM |
---|---|
2. ...bebaute Wohngebäudefläche 112,5 qm x 5 = 562,5 qmGrundstücksfläche 317 qm100 % | 2.300,00 DM |
3. ...bebaute Wohngebäudefläche 189 qm x 5 = 145 qm 51,98 %verminderte Grundstücksfläche 1.818 qm 100 %51,98 % von 13.200 DM | 6.861,36 DM |
4. ...unbebaut, Ersterschließung 100 % | ./. |
12.381,36 DM. |
Das FA änderte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1994 und 1995 dergestalt, dass es den von 27.217 DM auf 15.336 DM geminderten Gewinn in Höhe von jeweils 2.668 DM in den Kalenderjahren 1994 und 1995 erfasste.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Kl. vortragen, hinsichtlich der Grundstücke ... und ... sei eine Vollerfassung der Abwasserbeiträge geboten. Die betroffenen Grundstücke verfügten bereits vor Beginn der Kanalbaumaßnahmen über Anlagen zur Beseitigung von Abwässern und Fäkalien. Deshalb könne die Baumaßnahme nur als Erhaltungsaufwand behandelt werden. Zudem legten die Einziehungsbescheide der Samtgemeinde S... die Beiträge nach der Bebauung mit Wohngebäuden zugrunde, wobei als Beitragsmaßstab die Anzahl der Geschosse der Wohngebäude zugrunde gelegt werde. Dieser Betrachtung liege der Umstand zugrunde, dass die zu entsorgenden Abwässer von den Bewohnern der Wohngebäude gezahlt würden und nicht von landwirtschaftlichen Maschinen, Geräten und Vorräten herrührten, die in den Wirtschaftsgebäuden untergebracht seien. Damit sei die Berechnungsmethode vorgegeben. Tatsächlich seien auch keine zusätzlichen Anlagen und Aufwendungen wie Wirtschaftsgebäude angefallen, so dass sich die Betrachtung eines Teils der Kosten als Herstellungskosten verbiete.
Das FA hat im Klageverfahren jeweils am 7. April 1999 geänderte Einkommensteuerbescheide erteilt, mit denen es den Umfang der Vorläufigkeit gemäß § 165 Abgabenordnung (AO) erweitert hat. Die Kl. haben diese Bescheide fristgerecht zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.
Der vom FA zugrundegelegte Gewinn von 15.336 DM sei für das Grundstück Nr. 1 um 1.380 DM - Anerkennung von weiteren 30 % der Kosten - und für das Grundstück Nr. 3 um 6.338,64 DM - Anerkennung weiterer 48,02 % der Kosten - auf den Betrag von 7.617,36 DM zu mindern.
Die Kl. beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995, jeweils in der Fassung vom 7. April 1999 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen für 1994 und 1995 um 3.808 DM bzw. 3.809 DM zu mindern und die Einkommensteuer 1994 und 1995 entsprechend herabzusetzen ist.
Der Beklagte (Bekl.) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Samtgemeinde ... erhebe die Abwasserbeiträge nicht nach der tatsächlichen Inanspruchnahme, sondern nur ab Geltung der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme gebotenen wirtschaftlichen Vorteile, wie sich aus § 2 Nr. 1 der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung ergebe. Durch die Anschlussmöglichkeiten hätten auch die mit Wirtschaftsgebäuden bebauten Flächen, ebenso wie ein vollständig unbebautes Grundstück, eine Werterhöhung durch die Schaffung einer erstmaligen, bisher nicht vorhandenen Entsorgungsvorrichtung erfahren. Somit sei die Nutzbarkeit des gesamten Grundstücks erweitert und verändert worden. Demgegenüber sei die bisherige private Erschließung durch eine Kleinkläranlage auf das Wohngebäude mit dem dazugehörigen Grund und Boden beschränkt gewesen. Der erweiterten Nutzbarkeit des Grundstücks sei durch eine Aufteilung der Kosten Rechnung zu tragen, die das FA in zutreffender Weise im Wege einer Schätzung vorgenommen habe.
Gründe
Die Klage ist begründet. Das FA hat zu Unrecht die geleisteten Zahlungen zur Ablösung von Abwasserbaubeiträgen als Anschaffungskosten des Grund und Bodens behandelt.
Zahlungen für die Ablösung von Abwasserbaubeiträgen stellen Erschließungskosten dar, denn mit der Zahlung wird der Anschluss an die Schmutzwasserkanalisation abgelöst. Beiträge zur Finanzierung erstmals durchgeführter Erschließungsmaßnahmen sind nach ständiger Rechtsprechung den Anschaffungskosten des Grund und Bodens zuzurechnen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. März 1994 IX R 52/90, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1994, 842; vom 3. Juli 1997 III R 114/95, BStBl II 1997, 811, jeweils mit umfänglichen Nachweisen zur Rechtsprechung).
Werden hingegen vorhandene Erschließungseinrichtungen ersetzt oder modernisiert, so führen Erschließungsbeiträge nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten, es sei denn, das Grundstück wird durch die Maßnahme in seiner Substanz oder in seinem Wesen verändert (Urteile des BFH vom 2. Mai 1990 VIII R 198/85, BStBl II 1991, 448, und vom 2. Mai 1990 VIII R 198/85 in Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV 1991, 29). Mit der Anknüpfung an das Merkmal der Substanz- oder Wesensveränderung zur Abgrenzung von Anschaffungskosten oder laufendem Erhaltungsaufwand hat der BFH sein früheres Abgrenzungskriterium, wonach nachträgliche Anschaffungskosten auf den Grund und Boden anzunehmen sind, wenn diese Maßnahmen zu einer Werterhöhung des Grundstücks führten - siehe z.B. das Urteil des BFH vom 13. September 1984 IV R 101/82, BStBl II 1985, 49 - aufgegeben. Die Aufgabe dieser früheren Rechtsprechung hat er erneut durch Urteil vom 22. März 1994 IX R 52/90, a.a.O. bestätigt.
Die steuerrechtliche Behandlung, wonach Erschließungsbeiträge für das Ersetzen oder für die Modernisierung vorhandener Erschließungseinrichtungen, abgesehen von den Fällen der Substanz- oder Wesensveränderung eines Grundstücks, nicht zu Anschaffungskosten auf den Grund und Boden führen, gilt für alle Einkunftsarten in gleicher Weise. Es ist auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, bei der Ermittlung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft anders zu verfahren, als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder Vermietung und Verpachtung.
Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft der Betriebsgemeinschaft sind für das Wirtschaftsjahr 1994/95 um 3.808 DM bzw. 3.809 DM herabzusetzen, wobei die Feststellung der Einkünfte für die Veranlagungszeiträume 1994 und 1995 gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Bekl. übertragen wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 und Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.