Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.08.2000, Az.: 9 K 386/99 Ki

Notwendigkeit eines Antrags, den geänderten Verwaltungsakt zum Gegenstand des Verfahrens zu machen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.08.2000
Aktenzeichen
9 K 386/99 Ki
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 14425
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0823.9K386.99KI.0A

Fundstelle

  • DB 2001, 565 (Kurzinformation)

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Kindergeldbescheid, der während des Klageverfahrens ergangen ist, zum Gegenstand des Verfahrens gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erklären musste und ob ihm Kindergeld für ein volljähriges Kind zu gewähren ist.

2

Der volljährige Sohn des Klägers, Klaus-Peter, ist schwerbehindert und daher außerstande sich selbst zu unterhalten. Seine Einkünfte und Bezüge betrugen im Jahre 1997 insgesamt 20.076,00 DM. Den Antrag auf Gewährung von Kindergeld wies der Beklagte (das Arbeitsamt -AA-) mit der Begründung zurück, dass Klaus-Peter aufgrund dieser Einkünfte in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz könne ein volljähriges Kind nämlich nur berücksichtigt werden, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge unter Berücksichtigung eines Behindertenpauschbetrags 19.200,00 DM nichtüberstiegen.

3

Nach erfolglosem Einspruch machte der Kläger erstmals im Klageverfahren geltend, dass Klaus-Peter der leibliche Vater von drei minderjährigen Kindern sei, denen gegenüber er zum Unterhalt verpflichtet sei. Die Unterhaltsverpflichtungen beliefen sich auf insgesamt 14.640,00 DM und seien tituliert. Berücksichtige man diese Verpflichtungen, so lägen die eigenen Einkünfte und Bezüge von Klaus-Peter unter dem schädlichen Grenzbetrag von 19.200,00 DM.

4

Daraufhin änderte das AA im Klageverfahren den angefochtenen Bescheid vom 23. Februar 1999 und gewährte für die Zeit von Januar 1998 bis Dezember 1998 Kindergeld in Höhe von 220,00 DM sowie ab Januar 1999 in Höhe von 250,00 DM monatlich.Änderungen für das Jahr 1997 nahm es nicht vor, da Klaus-Peter nach einer Mitteilung der Stadt X tatsächlich nur auf eine Unterhaltsleistung von insgesamt 448,92 DM in Anspruch genommen worden sei. DerÄnderungsbescheid vom 7. Dezember 1999 enthielt eine Belehrung nach§ 68 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) und es wurde darauf hingewiesen, dass der mit der Klage angefochtene Bescheid durch diesen Bescheid geändert wird.

5

Der Kläger legte gegen den Änderungsbescheid weder Einspruch ein, noch machte er ihn ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens. Erst mit Schreiben vom 15. März 2000 machte er deutlich, dass er weiterhin Kindergeld für das Jahr 1997 begehrt. Er hält daher insoweit an seinem bisherigen Klagebegehren fest. Ein Antrag nach § 68 FGO aufgrund des Bescheids vom 7. Dezember 1999 sei imübrigen entbehrlich gewesen, weil die mit diesem Bescheid vorgenommeneÄnderung nur den Zeitraum ab Januar 1998 betroffen habe, der Klageantrag jedoch ausdrücklich auch den Zeitraum von Januar 1997 bis Dezember 1997 umfasst habe. Es liege somit kein Teilabhilfebescheid für das Klagebegehren vor. Es sei daher in der Sache zu entscheiden. Dabei sei die Grenze der unschädlichen eigenen Einkünfte des Kindes um weitere 1.560,00 DM (3000 km x 0,52 DM) zu erhöhen. Er - der Kläger - besitze einen PKW, mit dem er Fahrten für seinen Sohn durchführe. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Oktober 1999 VI R 40/98 BStBl. II 2000, 75 sei in einem solchen Fall ein entsprechender Betrag zu berücksichtigen.

6

Der Kläger beantragt,

das Kindergeld für den Sohn Klaus-Peter unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom und Änderung des Bescheids auf insgesamt 2.640,00 DM für das Jahr 1997 festzusetzen.

7

Das AA beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Die Klage sei aus prozessualen Gründen abzuweisen.

9

Kindergeld für den Zeitraum von Januar bis Dezember 1997 sei im übrigen auch deshalb nicht zu gewähren, weil es für die Berechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Sohnes nicht auf den gesetzlich geschuldeten Regelunterhalt sondern allein auf die tatsächliche Unterhaltsverpflichtung ankomme. Diese habe aber nach Auskunft der Stadt X im Jahr 1997 lediglich 448,92 DM betragen, so dass Klaus-Peter ausreichende eigene Einkünfte und Bezüge erhalten habe.

Gründe

10

Die Klage ist unzulässig (geworden).

11

Der im Verlauf des Klageverfahrens erlassene (Teilabhilfe-) Bescheid vom 7. Dezember 1999 änderte den mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt und nahm dessen Regelungsgehalt in sich auf. Er tritt an die Stelle des ursprünglichen Bescheids (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BStBl. II 1984, 791, 793). Solange der Änderungsbescheid Bestand hat, entfaltet der ursprüngliche Verwaltungsakt daher keine Wirkung (Beschluss des BFH vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BStBl. II 1973, 231, 232). Da der Kläger gegen den Änderungsbescheid keinen Einspruch eingelegt hat, ist dieser bestandskräftig geworden. Die Wirkung des Erstbescheids kann also nicht wieder aufleben. Der mit der vorliegenden Klage angefochtene Erstbescheid entfaltet somit keine Beschwer mehr für den Kläger, so dass die Klage unzulässig geworden ist (Urteil des BFH vom 10. Oktober 1994 IV R 26/91, BFH/NV 1995, 245).

12

Ausdrücklich hat der Kläger trotz ausreichender Belehrung im Änderungsbescheid keinen Antrag gestellt, den geänderten Verwaltungsakt gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens zu machen. Selbst wenn man das Schreiben vom 15. März 2000 als einen derartigen Antrag ansehen würde, ist derÄnderungsbescheid nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden, weil dieser Schriftsatz erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 68 Satz 2 FGO bei Gericht eingegangen ist und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich sind. Eine Entscheidung über die materielle Frage, ob dem Kläger der begehrte Kinderfreibetrag für 1997 zusteht, kann in diesem Verfahren deshalb nicht mehr ergehen.

13

Auch der Einwand des Klägers, ein Antrag nach§ 68 FGO sei entbehrlich gewesen, weil der Bescheid vom 7. Dezember 1999 keine Teilabhilfe für das Klagebegehren darstelle, da der ursprüngliche Klageantrag auch den Zeitraum von Januar bis Dezember 1997 betroffen habe, die Änderung sich jedoch erst auf den Zeitraum ab Januar 1998 bezogen habe, ist nicht zutreffend. Der Kläger verkennt dabei den besonderen Charakter des Kindergeldbescheids (§ 70 Abs. 1 EStG), bei dem es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt (Beschluss des BFH vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BStBl. II 1999, 231, 232). Das Kindergeld wird - anders als im Einkommensteuerrecht sonst üblich - nicht jährlich neu festgesetzt. Vielmehr bleibt der Kindergeldbescheid bis zu seiner Änderung oder Aufhebung wirksam, kann also ggf. für mehrere Jahre Bindungswirkung entfalten (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 4. November 1998 2 K 6214/97, EFG 1999, 185, 186). Jede Neufestsetzung des Kindergelds kann deshalb nur erfolgen, wenn der Ausgangsbescheid geändert oder aufgehoben wird und der Regelungsgehalt des ursprünglichen Bescheids in den Änderungsbescheid aufgenommen wird. Dies kam im Änderungsbescheid auch deutlich zum Ausdruck. Denn das AA hat neben der Belehrung nach § 68 FGO ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der ursprüngliche Bescheid durch den Verwaltungsakt vom 7. Dezember 1999 geändert wird und so klargestellt, dass dessen Regelung Inhalt des geänderten Bescheids wird. Daher führt auch die Neufestsetzung des Kindergelds für den Zeitraum ab Januar 1998 zu einer Änderung des mit der Klage angefochtenen Bescheids, so dass ein Antrag nach § 68 FGO notwendig gewesen wäre.

14

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es auch unerheblich, ob der Änderungsbescheid eine materielle Korrektur des Kindergeldanspruchs für 1997 mit sich brachte, da der Wortlaut des § 68 FGO nicht fordert, dass die im ursprünglichen Bescheid enthaltene Regelungüberhaupt materiell geändert oder ersetzt wird (Urteil des BFH vom 20. November 1973 VII R 33/71, BStBl. II 1974, 113, 114).

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

16

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.