Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.01.2008, Az.: 5 A 8729/05

Amt; Ausgleich; Bescheid; Bestand; Betrieb; Bezug; Ehemann; einig; Einweisung; Feststellung; Forderung; Gesetz; Inventar; Kraft; Last; Möbel; Schaden; Stoff; Teil; Vermögen; Weisung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
23.01.2008
Aktenzeichen
5 A 8729/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 54971
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Das Ausgleichsamt der Beklagten stellte mit Bescheid vom 09.03.1973 über die einheitliche Feststellung von Vermögensschäden nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz bei Beteiligung mehrerer unmittelbar Geschädigter einen am 15.02.1953 eingetretenen Wegnahmeschaden am Betriebsvermögen der D. in Höhe von 58.350,00 M-Ost fest. Als unmittelbar Geschädigte wurden E. festgestellt mit einem Anteil an dem Betriebsvermögen von je 19.450,00 M-Ost. Die Beteiligung des F. in Höhe von 1/4 des Betriebsvermögens war von der Wegnahme nicht betroffen. Auf der Grundlage dieses Bescheides wurde anschließend der Lastenausgleichsanspruch der unmittelbar Geschädigten bzw. ihrer Rechtsnachfolger festgestellt und ausgezahlt.

2

Die Klägerin ist Alleinerbin nach ihrer Mutter G. und Erbeserbin nach ihrem Großvater H.. Sie übertrug ihren Nachlass, der neben dem auf 50 % angewachsenen Gesellschaftsanteil an der I. auch zahlreiche Wohn- und Geschäftsgrundstücke auf dem Gebiet der ehemaligen DDR umfasste, zunächst mit schriftlichem Vertrag vom 19.03.1990 auf ihren entfernten Verwandten J. und nochmals mit notariellem Übertragungsvertrag vom 08.01.1992 auf die sich in Gründung befindliche Firma K. bzw. dessen Alleingeschäftsführer J., der die Neugründung der Firma in Angriff genommen hatte.

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Mit Bescheid vom 13.06.1991 wurde zum 30.06.1991 die Entflechtung des Fertigungsbereichs 7 der L. (bis zur Verstaatlichung I., danach M.) festgestellt und für N. die Berechtigung zum Erlangen der vorläufigen Einweisung und der Entflechtung festgestellt. Mit Bescheid vom 18.12.1991 wurde vom Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (LARoV) Brandenburg nach §§ 31 Abs. 5, 33 Abs. 5 Vermögensgesetz - VermG - protokolliert, dass der Betriebsteil 7 an die von den Antragstellern zu gründende GmbH mit Wirkung vom 01.01.1992 übertragen wird. Das LARoV Brandenburg stellte mit Bescheid vom 23.12.1991 fest, dass der Bescheid vom 18.12.1991 bei Ausfertigung bestandskräftig wird und fertigte diesen aus.

4

Durch das am 13.11.2000 eingegangene Schreiben des Ausgleichsamtes der Stadt Wuppertal vom 06.11.2000 erhielt die Beklagte Kenntnis von der Rückübertragung des Betriebsvermögens der ehemaligen Möbelbeschlagfabrik O..

5

Mit einheitlichem Bescheid über die Höhe des Schadensausgleichs bei Schäden an Beteiligungen an Personenhandelsgesellschaften nach § 335 b in Verbindung mit § 349 LAG vom 31.03.2004 stellte die Beklagte im Hinblick auf das Betriebsvermögen der I. fest, dass der Schaden am gesamten Betriebsvermögen voll ausgeglichen sei. Durch die Bescheide des LARoV Brandenburg vom 13.06.1991 und vom 18.12.1991 sei das weggenommene Vermögen der Personenhandelsgesellschaft voll zurückübertragen worden. Damit verbleibe kein Restschaden am gesamten Betriebsvermögen der Gesellschaft. Die einheitliche Feststellung der Höhe des Schadensausgleichs in Höhe von 58.350,00 M-Ost sei verbindliche Grundlage für eine evtl Rückforderung durch das allgemein zuständige Ausgleichsamt. Als Verfahrensbeteiligte sind die Klägerin als Erbeserbin nach ihrem Großvater und als Erbin nach ihrer Mutter sowie P. und der zwischenzeitlich verstorbene Q. aufgeführt, als Bevollmächtigter bzw. Abtretungsempfänger für alle Erben Herr J..

6

Die Klägerin legte dagegen Beschwerde ein mit der Begründung, das Vermögen der O. sei bei weitem nicht vollständig zurückgegeben worden, da die Vorschrift des § 6 Abs. 4 VermG - Erstattungsanspruch wegen Entwicklungskosten für neue Produkte - auf Druck der Treuhandanstalt nicht zur Anwendung gelangt sei. Bei der Ermittlung der dem Vermögen des zu reprivatisierenden Betriebes zuzurechnenden Altschulden sei ein erheblich überhöhter Betrag zugrunde gelegt worden. Die Rechtsnachfolger der Alteigentümer hätten das reprivatisierte Sachvermögen gewissermaßen von der Treuhandanstalt gekauft. Des weiteren trug sie vor, in der mit Bescheid vom 18.12.1991 festgestellten gütlichen Einigung zur Rückübertragung des Vermögens sei unter Punkt 6 festgelegt worden, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung sämtliche weitergehenden gegenseitigen Ansprüche betr. Betriebsteil 7 ausgeschlossen seien. Damit seien auch Lastenausgleichsansprüche gemeint. Das LARoV Brandenburg habe die Beklagte von der Rückübertragung im Jahr 1992 informiert. Daher sei die Verjährungsfrist abgelaufen.

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Mit Bescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versorgung vom 15.11.2005 wurde die Beschwerde zurückgewiesen mit folgender Begründung: Gemäß § 335 b i. V. m. § 349 Abs. 3 Satz 3 LAG sei der Schadensausgleich, den eine Personenhandelsgesellschaft erlangt habe, dem einzelnen Beteiligten/Anteilseigner entsprechend seinem aktuellen Beteiligungsverhältnis beim Schadensausgleich zuzurechnen und der Rückzahlungspflichtige nach § 349 Abs. 5 LAG zu ermitteln. Nach § 31 Abs. 5 VermG hätten die Berechtigten die Rückübertragung im Wege gütlicher Einigung vorgenommen, die durch Bescheid festgestellt worden sei. Nach § 349 Abs. 3 S. 2 und 4 LAG sei damit von einem vollen Schadensausgleich auszugehen. Ein teilweiser Schadensausgleich, d. h. die Anerkennung eines Restschadens mit der Folge einer nur teilweisen Rückforderung, komme nur in Betracht, wenn nicht sämtliche Wirtschaftsgüter einer wirtschaftlichen Einheit Gegenstand der gütlichen Einigung gewesen seien. Das sei nicht der Fall. Die Schadensfeststellung habe ausweislich des Bescheides des LARoV Brandenburg alle wesentlichen Teile des Betriebsvermögens der früheren I. umfasst. Wenn der Bevollmächtigte nunmehr geltend mache, die in der Einigung berücksichtigten Verbindlichkeiten aus Altschulden seien zu hoch angesetzt gewesen, könne dies nicht zur Anerkennung eines Restschadens führen. Das Verfahren mit der Treuhand könne nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein. In diesem Verfahren gehe es ausschließlich um die Beurteilung der Höhe des Schadensausgleichs nach lastenausgleichsrechtlichen Vorschriften. Auch liege keine Verjährung vor.

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Die Klägerin hat dagegen am 16.12.2005 Klage erhoben, mit der sie ihr Klagebegehren weiter verfolgt. Die von den Privatisierern zu übernehmenden Altschulden seien um 68.727,87 zu hoch angesetzt worden, d. h. ein um diesen Betrag zu geringes Vermögen den Anspruchsberechtigten bzw. deren Rechtsnachfolgern zurückübertragen worden. Das sei einem entsprechenden Restschaden gleichzusetzen. Das reprivatisierte Sachvermögen habe sich als nicht werthaltig erwiesen. Die neu gegründete Firma sei zwischenzeitlich insolvent. Sie wiederholt ihr Vorbringen, mit der Einigung am 18.12.1991 sei unter Punkt 6 festgelegt worden, dass sämtliche weitergehenden Ansprüche betr. den Betrieb der ehemaligen I. ausgeschlossen seien. Dieser Vereinbarung stehe dem Lastenausgleichs-Rückforderungsanspruch entgegen.

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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

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den Bescheid der Beklagten vom 31.03.2004 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Landesamtes für Bezüge und Versorgung vom 15.11.2005 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

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die Klage abzuweisen.

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Sie erwidert, in dem Feststellungsbescheid vom 31.03.2004 werde lediglich aufgeführt, welcher Anteil für den einzelnen unmittelbar Geschädigten bei der früheren Schadensfeststellung am Betriebsvermögen festgestellt worden sei und dass der Schaden am gesamten Betriebsvermögen der Gesellschaft voll ausgeglichen sei. Der Bescheid bilde die Grundlage für die Rückforderung durch die zuständigen Ausgleichsämter; eine Rückforderung erfolge durch den Bescheid nicht. Eventuelle Rückforderungsansprüche für Lastenausgleichsleistungen fielen nicht in den Regelungsbereich der Treuhandanstalt, so dass diese von der gütlichen Einigung nicht berührt seien.

14

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge - Beiakten A - D - verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten hierauf verzichtet haben.

17

Der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2004 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Landesamtes für Bezüge und Versorgung vom 15.11.2005 lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Einwände, die die Klägerin dagegen erhoben hat, greifen nicht durch.

18

Nach § 335 b LAG ist bei erfolgtem Schadensausgleich von Vermögensschäden an Beteiligungen an Personenhandelsgesellschaften in einem der Rückforderung nach § 349 LAG vorangestellten Verfahren die Feststellung der Höhe des jeweiligen Schadensausgleichs durch das einheitliche Feststellungsamt vorzunehmen. Dadurch soll gegenüber allen im Verfahren in Betracht kommenden Rückzahlungspflichtigen die Rückforderungsverfahren auf einer einheitlichen Grundlage durchgeführt werden. Gemäß § 349 Abs. 3 Satz 3 LAG ist der Schadensausgleich, der für Schäden an einer Personenhandelsgesellschaft erlangt wurde, dem einzelnen Beteiligten entsprechend seinem aktuellen Beteiligungsverhältnis zuzurechnen. Daher waren die Erben bzw. Erbeserben der an der früheren I. Beteiligten entsprechend ihrem Anteil am gewährten Lastenausgleich im Bescheid aufzuführen.

19

Die Beklagte hat in ihrer Eigenschaft als das gemäß § 335 b Abs. 1 LAG zuständige Feststellungsamt im Bescheid vom 31.03.2004 zu Recht festgestellt, dass der Schaden an der früheren O. gegenüber der Klägerin als Erbin der Geschädigten G. - ihrer Mutter - und als Erbeserbin nach R. - ihrem Großvater - sowie gegenüber den Erben nach S., der Beigeladenen P. und ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann, im vollen Umfang ausgeglichen ist. Grundlage ist insoweit der Bescheid des LARoV Brandenburg zur Entflechtung und vorläufigen Einweisung vom 13.06.1991 und der Bescheid des LARoV vom 18.12.1991 über die gütliche Einigung des gemäß § 2 Abs. 1 VermG im Wege der Bevollmächtigung bzw. Abtretung Berechtigten J. mit der Treuhandanstalt, ferner der Bescheid des LARoV vom 23.12.1991, in dem festgestellt worden ist, dass die Vertragsbeteiligten die gütliche Einigung für rechtsverbindlich erklärt haben, diese mithin bestandskräftig geworden ist. In der gütlichen Einigung vom 18.12.1991 haben die Beteiligten unter 1. erklärt, dass der Betriebsteil 7 der T. an die zu gründende GmbH mit Wirkung vom 01.01.1992 übertragen wird. Dazu gehören:

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a) das Grundstück U., eingetragen im Grundbuch von V., Flur 6, Flurstück 165 mit einer Größe von 4916 qm,

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b) der Bestand Anlagevermögen per 30.06.1991,

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c) die Roh-, Betriebs- und Hilfsstoffe, welche in der Inventarliste zur Bilanz zum 01.07.1991 ausgewiesen sind,

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d) die Verbindlichkeiten gem. Ziff. C2 und C 3 der Einbringungsbilanz,

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e) die Forderungen gem. II/2 der Einbringungsbilanz vom 01.07.1991.

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Des Weiteren entschuldete nach Nr. 3 der Vereinbarung die Treuhandanstalt den Betriebsteil in Höhe von 1,05 Mio DM, so dass die Einbringungsbilanz nur noch eine Restverbindlichkeit von 225.0000 DM auswies. Gemäß Nr. 6 waren mit dieser Vereinbarung sämtliche weitergehenden, den Betriebsteil 7 betreffenden gegenseitigen Ansprüche der Vertragsschließenden ausgeschlossen.

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Hieraus ist ersichtlich, dass der Schaden an der früheren Möbelbeschlagfirma O. im vollen Umfang ausgeglichen wurde und ein Restschaden nicht vorliegt. Der Ausgleich entspricht dem im Bescheid der Beklagten vom 09.03.1973 festgestellten Schaden, der (lediglich) das Betriebsvermögen der Möbelbeschlagfabrik umfasste. Dass zu diesem Betriebsvermögen gehörende Betriebsteile in Nr. 1 der Vereinbarung fehlten, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Ihr Einwand, dass die Treuhandanstalt die frühere Firma überschuldet zurückgegeben habe, findet in der gütlichen Einigung keinen Anhalt. Der Inhalt von Nr. 6 der gütlichen Einigung steht dem eindeutig entgegen. Daher ist gemäß § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG von dem vollen Schadensausgleich auszugehen.

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Soweit die Klägerin vorträgt, dass mit Nr. 6 der Vereinbarung vom 18.12.1991 auch der Anspruch auf Rückforderung des für den Vermögensschaden an der früheren Firma gewährten Lastenausgleichs ausgeschlossen werden sollte, dürfte dem entgegenstehen, dass nach dem Wortlaut von Nr. 6 der Vereinbarung „…sämtliche weitergehende, den Betriebsteil 7 betreffende gegenseitige Ansprüche der Vertragsschließenden ausgeschlossen“ (sind). Die Regelung betraf ersichtlich lediglich die Rückgabe des Betriebsvermögens der ins Volkseigentum übergeführten früheren I.. Im Übrigen betrifft dieser Einwand die Rückforderungsvoraussetzungen nach § 349 Abs. 5 LAG und ist nicht Gegenstand dieses einheitlichen Feststellungsbescheides gemäß § 335 b LAG, der die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen lediglich ermöglicht (VG Düsseldorf, U. v. 28.04.2005, Mitt. BAA 2006, 111, 113). Ein derartiger Einwand könnte folglich allenfalls in einem evtl. folgenden Rückforderungsverfahren gegenüber dem jeweilig zuständigen Lastenausgleichsamt geltend gemacht werden. Gleiches gilt für das Vorbringen, die möglichen Rückforderungsansprüche seien gemäß § 349 Abs. 5 Satz 4 LAG verjährt.