Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.01.2008, Az.: 10 A 2695/05

Beweislast; Eigentum; Sicherstellung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.01.2008
Aktenzeichen
10 A 2695/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45496
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2008:0121.10A2695.05.0A

Fundstelle

  • NVwZ-RR 2008, 616-617

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Beweislastregel des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB ist im vorliegenden Fall aufgrund zahlreicher Indizien, die für einen nicht rechtmäßigen Besitzerwerb durch die Kläger sprechen, widerlegt.

  2. 2.

    Eine solche Widerlegung der Eigentumsvermutung kann auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Hilfe von Beweisanzeichen und Erfahrungssätzen geführt werden.

  3. 3.

    Wenn aber die vorliegenden Indizien dafür sprechen, dass die Kläger nicht rechtmäßige Erwerber der Gegenstände sind, kehrt sich die an sich bei der Behörde liegende materielle Beweislast mit der Folge um, dass die Kläger ihrerseits den Nachweis des von ihnen behaupteten Eigentums an den sichergstellten Gegenständen zu erbringen haben.

Tenor:

  1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben.

  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

  4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Herausgabe sichergestellter Gegenstände.

2

Am 23.12.2004 wurde die Klägerin zu 1) durch den Detektiv eines Kaufhauses in der Innenstadt von Hannover zusammen mit zwei weiteren Personen beobachtet. Der Detektiv vermutete die Begehung eines Ladendiebstahls. Am Folgetag wurde die Klägerin mit einer der beiden Frauen erneut in demselben Kaufhaus gesehen und dabei beobachtet, wie sie auch zwei weitere Warenhäuser betrat und anschließend eine Einkaufstüte zu einem Pkw brachte, in dem der Kläger zu 2) wartete. Da der Verdacht bestand, in dem Fahrzeug werde Diebesgut zwischengelagert, durchsuchte die Polizei das Fahrzeug und beschlagnahmte zwei Plastiktüten. Die Tüten enthielten Kleidungsstücke, für die keine Kassenbelege existierten und deren Sicherungsetiketten entfernt waren.

3

Am gleichen Tag durchsuchte die Polizei die gemeinsame Wohnung der Kläger und fand zahlreiche Koffer, Taschen und Kartons, die mit verschiedenen Gegenständen gefüllt waren. Bei den Gegenständen handelte es sich weitgehend um neuwertige Waren, die teilweise originalverpackt oder noch mit einem Herstelleretikett versehen waren. Die Polizei stellte einen Großteil der aufgefundenen Gegenstände sicher. Wegen des Umfangs der Sicherstellung im Einzelnen wird auf das Verzeichnis der sichergestellten Sachen (Teil B der Niederschrift über die Sicherstellung und Beiakte F) Bezug genommen.

4

Mit Schreiben vom 10.02.2005 teilte die Staatsanwaltschaft Hannover der Polizeiinspektion Hannover-Mitte mit, die sichergestellten Gegenstände würden nicht mehr als Beweismittel benötigt und unterlägen nicht der Einziehung. Sie seien freigegeben und könnten an die Kläger herausgegeben werden. Die Staatsanwaltschaft Hannover stellte das Ermittlungsverfahren gegen die Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts ein.

5

Mit Bescheid vom 07.03.2005 stellte sodann die Beklagte die Gegenstände sicher. Hiergegen erhoben die Kläger am 16.03.2005 Klage, woraufhin die Beklagte die angefochtene Verfügung mit Bescheid vom 04.05.2005 wieder aufhob und das Klageverfahren mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 13.05.2005 (10 A 1687/05 ) eingestellt wurde.

6

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 04.05.2005 stellte die Beklagte die Gegenstände mit der Begründung erneut sicher, die Sicherstellung sei zum Schutz der wahren Eigentümer bzw. der berechtigten Gewahrsamsinhaber und zur Verhinderung weiterer Straftaten, wie z.B. der Hehlerei, erforderlich. Zwar könnten die sichergestellten Gegenstände bisher nicht konkreten Diebstahlshandlungen zugeordnet werden. Aufgrund von Indizientatsachen und anderen Erfahrungswerten seien die Kläger aber erwiesenermaßen nicht Eigentümer oder rechtmäßige Gewahrsamsinhaber, zumal die Gegenstände zum Teil noch originalverpackt, augenscheinlich neuwertig und unbenutzt, mehrfach identisch vorhanden und zu einem nicht unerheblichen Teil in einer Vielzahl vorhanden seien, die ein regelmäßiges Auftragen dieser Bekleidung nicht möglich erscheinen lasse. Die an den Bekleidungsstücken sichtbaren Defekte wiesen darauf hin, dass Sicherungsetiketten gewaltsam entfernt worden seien. Ein Eigentumsnachweis sei durch die Kläger nicht erbracht worden. Zudem seien gegen sie in der Vergangenheit bereits mehrfach Ermittlungsverfahren wegen Ladendiebstahls geführt worden.

7

Die Kläger haben am 10.05.2005 Klage erhoben.

8

Sie tragen vor, die Beklagte sei für die Sicherstellung nicht zuständig. Die Begründung der Sicherstellung sei unsubstantiiert, da aus ihr nicht hervorgehe, welche der sichergestellten Gegenstände originalverpackt, mehrfach identisch oder mit sichtbaren Defekten versehen seien. Die Behauptung, verschiedene Kleidungsstücke wiesen einen Defekt auf, der auf ein gewaltsames Entfernen der Sicherungsetiketten hindeute, sei falsch. Die sichergestellten Bekleidungsstücke und Haushaltsgegenstände seien über 40 Jahre hinweg gekauft und eingelagert worden, um sie bei der beabsichtigten Heimkehr nach Griechenland mitzunehmen. Sie, die Kläger, hätten immer in der Vorstellung gelebt, nach wenigen Jahren wieder nach Griechenland zurückzugehen, auch wenn sich eine Rückkehr immer wieder hinausgeschoben habe. Als Ausdruck dieser Hoffnung habe insbesondere sie, die Klägerin zu 1), immer wieder angefangen zu sammeln und einzulagern. Sie hätten die Gegenstände auch käuflich erwerben können, denn über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren hätten sie fast ununterbrochen gearbeitet.

9

Zwar sei es richtig, dass in der Vergangenheit gegen sie wegen Ladendiebstahls ermittelt worden sei. Der Rückschluss der Beklagten, sie hätten praktisch ihren gesamten beweglichen Besitz zusammengestohlen, sei jedoch unhaltbar, denn bei der gestohlenen Ware habe es sich lediglich um eine Packung Rasierklingen, zweimal Haarspray, ein Duschbad und zwei Maggisaucen gehandelt.

10

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung am 26.06.2006 der Beklagten aufgegeben, ein durchnummeriertes Verzeichnis der sichergestellten Gegenstände vorzulegen, in dem die sichergestellten Gegenstände nach ihrer Art sortiert sind. In den von der Beklagten daraufhin vorgelegten Verzeichnissen sind insgesamt 3 783 Gegenstände aufgeführt. Die Beklagte hat außerdem Fotos von den Bekleidungsgegenständen übersandt, von denen sie vermutet, dass sie durch das Entfernen von Sicherungsetiketten beschädigt worden sind.

11

Die Kläger haben zunächst beantragt,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2005 aufzuheben, soweit die im Sicherstellungsprotokoll vom 31.01.2005 unter den Positionen 2 - 1337 gefassten Positionen betroffen sind.

12

Mit Schriftsätzen vom 31.10.2006 und 29.11.2007 und zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 21.01.2008 haben sie ihren Antrag insoweit beschränkt, als sie nunmehr beantragen,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 04.05.2005 aufzuheben, soweit die in der Beiakte F erfassten Gegenstände, allerdings ausschließlich der Positionen 3035 und 3781, 1596 bis 1599, 1621, 3215, 3367, 3368 und 3389 betroffen sind.

13

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

14

Sie wiederholt und vertieft die Gründe des angegriffenen Bescheides und weist ergänzend darauf hin, es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Personen mit durchschnittlichen Einkünften so zahlreiche Gegenstände legal erwerben würden, die sie nicht alle nutzen könnten und tatsächlich auch nicht nutzten, sondern nur horteten. Einzelne Gegenstände seien in einer für einen normalen Haushalt unüblichen Zahl vorhanden. Nahezu alle sichergestellten Gegenstände seien originalverpackt oder mit Herstelleretiketten versehen. Bekleidungsstücke, die Gebrauchsspuren aufwiesen, seien in der Wohnung der Kläger zurückgelassen worden. Aus der vorgetragenen Absicht der Kläger, nach Griechenland zurückzukehren, lasse sich auch nicht zwingend folgern, dass die in der Wohnung aufgefundenen Gegenstände legal erworben worden seien. Zudem erkläre dies auch nicht die vorgefundene Menge, da die Kläger diese nicht sämtlich hätten auftragen oder nutzen können.

15

Für die Sicherstellung von Gegenständen, die keiner konkreten rechtswidrigen Tat zugeordnet werden könnten, vom Betroffenen aber offensichtlich nicht rechtmäßig erlangt worden seien, habe sie, die Beklagte, mit der Landeshauptstadt Hannover eine Vereinbarung über die sachliche Zuständigkeit getroffen. Im vorliegenden Fall habe sie die Sicherstellung allerdings auch aus verwaltungsökonomischen Gründen vorgenommen, weil die Sicherstellung vom 04.05.2005 die vorangegangene Sicherstellungsverfügung vom 07.03.2005 ersetzt habe.

16

Die Kläger sind zwischenzeitlich nach Griechenland zurückgekehrt.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der vorgelegten Listen, Beiakte F, Bezug genommen. Sämtlicher Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

18

Soweit die Kläger ihre Klage - durch Ausschluss mehrerer Gegenstände aus dem Klageantrag - zurückgenommen haben, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

19

Die Klage im Übrigen ist zulässig, aber unbegründet. Die Sicherstellungsverfügung der Beklagten vom 04.05.2005 ist rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

20

Rechtsgrundlage der Sicherstellungsverfügung ist § 26 Abs. 1 Nds. SOG.

21

Die Beklagte ist für die Sicherstellung der Gegenstände zuständig. Sie hat die angefochtene Sicherstellungsverfügung sowohl mit der Verhinderung weiterer Straftaten als auch mit dem Schutz der wahren Eigentümer bzw. der berechtigten Gewahrsamsinhaber begründet.

22

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 Nds. SOG ist Aufgabe der Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr insbesondere auch die Verhütung von Straftaten. Aus der Subsidiaritätsregel des Absatzes 2 derselben Vorschrift geht insoweit hervor, dass es sich bei dieser Aufgabe um eine originäre Zuständigkeit der Polizei handelt, denn der Absatz 2 regelt eine Subsidiarität der Zuständigkeit der Polizei lediglich für die Gefahrenabwehr, nicht jedoch für die Aufgabe der Verhütung von Straftaten. Den Verwaltungsbehörden obliegt die Aufgabe allgemeiner Kriminalitätsbekämpfung gerade nicht (vgl. Böhrenz/Unger/Siefken, Nds. SOG, 8. Aufl. 2005, § 1 Rdnr. 9).

23

Dass der Bescheid ebenso gut - nämlich unter dem in der Begründung ebenfalls angeführten Aspekt des Eigentumsschutzes - von der zuständigen Verwaltungsbehörde hätte erlassen werden können, macht den Verwaltungsakt nicht formell rechtswidrig.

24

Soweit die Kläger darüber hinaus die Begründung der Sicherstellungsverfügung gerügt haben, sind etwaige Mängel spätestens mit der Vorlage der auf den Auflagenbeschluss der Kammer hin von der Beklagten angefertigten Listen - Beiakte F - behoben. Die Listen führen im Einzelnen auf, welche sichergestellten Gegenstände originalverpackt und welche mehrfach identisch sind und welche Gegenstände sichtbare Defekte zeigen.

25

Die Sicherstellungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig.

26

Gemäß § 26 Abs. 1 Nds. SOG kann die Polizei Sachen unter anderem sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren (Nr. 1) oder den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen (Nr. 2).

27

Dahinstehen kann, ob die Sicherstellung erforderlich ist, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren, auch wenn einiges dafür spricht, dass die Gefahr der Verwirklichung von Straftaten bestand, namentlich, wie von der Beklagten vorgetragen, der Hehlerei.

28

Die Sicherstellung ist jedenfalls erforderlich, um die Eigentümer oder die rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sachen zu schützen, § 26 Nr. 2 Nds. SOG.

29

Zwar konnten die Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt der von der Beklagten sichergestellten Gegenstände bisher nicht ermittelt werden, es steht jedoch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dies hinsichtlich der in ihrer Wohnung sichergestellten Gegenstände nicht die Kläger sind.

30

Nach § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB wird allerdings zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er auch Eigentümer der Sache ist. Diese Beweislastregel ist im vorliegenden Fall aber aufgrund zahlreicher Indizien, die für einen nicht rechtmäßigen Besitzerwerb durch die Kläger sprechen, widerlegt. Eine solche Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Hilfe von Beweisanzeichen (Indiztatsachen) und Erfahrungssätzen geführt werden ( VG Karlsruhe, Urteile vom 10.05.2001 - 9 K 2018/99 -, juris und vom 25.07.2001 - 12 K 138/01 - n.v., jeweils unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 21.12.1960 - VIII ZR 145/59 -, NJW 1961, S. 777; vgl. auch VG Stuttgart, Beschluss vom 11.07.2002 - 1 K 36/02, juris und VG Berlin, Urteil vom 02.02.2000 - 1 A 173.98 - n.v.).

31

Es besteht eine Fülle von Beweisanzeichen, die gegen das Eigentum der Kläger sprechen.

32

Gegen einen rechtmäßigen Besitzerwerb an den sichergestellten Gegenständen durch die Kläger ist zunächst die sehr große Anzahl von Gegenständen anzuführen, die in der Wohnung der Kläger aufgefunden wurden. So wurden in der 3-Zimmer-Wohnung, die eine Grundfläche von etwa 50 qm hatte, ausweislich der von der Beklagten im Verfahren vorgelegten Listen - Beiakte F - insgesamt 3 783 einzelne Gegenstände, unter anderem 190 Damenblusen und 136 Damen-Shirts, 103 Damenstrickpullover und -jacken, 47 Damenjacken und -mäntel sowie 37 Damenblazer, 134 Röcke, 49 Kleider, 63 Paar Socken, 360 Tischdecken und 54 Platzdeckchen, 44 Serviettenringe, 106 Kissenhüllen, 131 Badetücher und -laken, 96 Waschlappen sowie 135 Kuchengabeln sichergestellt.

33

Diese waren nach dem Durchsuchungsbericht vom 24.12.2004 und dem Durchsuchungsvermerk vom 26.12.2004 in einem der Zimmer mit einer Größe von ca. 10 qm in Koffern, Taschen und Kartons gefüllt aufbewahrt, die wiederum bis unter die etwa 3,20 m hohe Decke gestapelt waren. Gegenstände, welche in den anderen Zimmer aufbewahrt waren und sich offensichtlich in Gebrauch befanden, wurden nicht sichergestellt.

34

Das vorgefundene Warenlager widerspricht allen Grundsätzen einer gewöhnlichen, wirtschaftlichen Haushaltsführung. Darüber hinaus haben die Kläger auch nicht darlegen können, wie sie aufgrund ihrer finanziellen Situation in der Lage gewesen sein sollen, das gesamte Warenlager käuflich zu erwerben. Ausweislich ihres Antrags auf Prozesskostenhilfe hat die Klägerin zu 1) in der Vergangenheit über eine Rente von 621,00 € und Wohngeld in Höhe von 50,00 € verfügt. Der Kläger zu 2) hat insgesamt 402,00 € Rente erhalten. Über Vermögen (Grundvermögen, Bank-, Giro-, Bauspar- oder Sparkonten, Lebensversicherungen, Wertgegenstände, Bargeld etc.) haben die Kläger ihren Angaben zufolge in der Vergangenheit nicht verfügt. Den Renten- und Wohngeldeinnahmen standen zumindest zum Zeitpunkt des Prozesskostenhilfeantrags der Kläger monatliche Mietkosten in Höhe von 510,00 € sowie ein Außenstand von 1 900,00 € gegenüber. Auch dies ist ein Indiz dafür, das gegen den rechtmäßigen Erwerb der Kläger spricht. Wenn die Kläger weiter erklären, sie hätten vor Beginn der Rentenleistungen 30 Jahre gearbeitet, so sind ihre Einkünfte zwar nicht bekannt. Aufgrund der geringen Rentenzahlungen kann aber sicher davon ausgegangen werden, dass auch die Einkünfte der Kläger zu Zeiten ihrer Erwerbstätigkeiten - abzüglich regelmäßig wiederkehrender Kosten - nicht zum rechtmäßigen Erwerb sämtlicher sichergestellter Gegenstände ausgereicht haben.

35

Ein weiteres Indiz für das mangelnde Eigentum der Kläger besteht darin, dass an verschiedenen Bekleidungsstücken kreisrunde Aussparungen festzustellen waren. Diese deuten darauf hin, dass Sicherungsetiketten gewaltsam entfernt worden sind, um die Bekleidung ohne Bezahlung an den Sicherungseinrichtungen der Außentüren von Kaufhäusern vorbei mitnehmen zu können. Bereits bei der Festnahme am 24.12.2004 wurden im Fußraum des von den Klägern benutzten Pkw Kleidungsstücke festgestellt, die diese Merkmale aufwiesen. Unerheblich ist insoweit, dass es sich dabei - worauf die Kläger ausdrücklich hinweisen - allein um 11 Bekleidungsstücke handelt. Eine Erklärung der geringen Anzahl mag allerdings sein, dass derartige Sicherungsetiketten erst seit einigen Jahren in Verwendung sind und es im Übrigen eines Werkzeugs bedarf, um diese Etiketten zu entfernen, welches nicht immer zur Hand ist. Eine andere Erklärung für die Beschädigungen der Kleidung als das gewaltsame Heraustrennen von Etiketten haben die Kläger nicht darlegen können. Hinsichtlich einer Damenjacke - Position 3035 - haben sie mit Schriftsatz vom 24.10.2006 (Bl. 120) sogar zugestanden, dass das äußere Erscheinungsbild für eine nachträglich Heraustrennung eines Sicherungsetikettes spreche - und die Klage dann insoweit zurückgenommen -.

36

Darüber hinaus sind auch die bisherigen strafrechtlichen Auffälligkeiten Beweiszeichen für das mangelnde Eigentum der Kläger. So ist laut Vermerk der Polizeiinspektion Hannover-Mitte vom 08.02.2005 die Klägerin bereits am 27.12.2003 wegen Diebstahls einer Lederjacke (7391 Js 89047/04) strafrechtlich in Erscheinung getreten. Gegen beide Kläger gemeinsam wurde auch am 16.10.2004 wegen mehrerer Ladendiebstähle ermittelt (7371 Js 101179/04 und 7371 Js 101174/04), wobei es sich dabei um die von den Klägern eingeräumten Taten gehandelt haben dürfte. Hinzu kommt noch die der Sicherstellung vorausgegangene Tat der Kläger vom 23./ 24.12.2004 (2132 Js 10541/05).

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Der Vortrag der Kläger zur Erklärung des aufgefundenen Warenlagers, sie hätten die Gegenstände über 40 Jahre gekauft und eingelagert mit dem Ziel, mit diesen später nach Griechenland zurückzukehren, ist nicht glaubhaft. Diese Behauptung erklärt in keiner Weise die nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht mehr nachvollziehbare Menge an einzelnen Gegenständen, wie sie bei den Klägern aufgefunden wurde. Auch für einen Neuanfang in Griechenland bedarf es weder 131 Badetücher noch 135 Kuchengabeln. Unabhängig davon wären unter normalen Umständen die Gegenstände auch dann, wenn sie für eine Rückkehr nach Griechenland erworben worden sein sollten, jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Rückkehr genutzt worden. Das gilt um so mehr, als insbesondere modische Bekleidungsstücke typischerweise aus einem aktuellen Bedürfnis heraus gekauft werden. Auch eine Bevorratung mit 10 neuen, nicht gebrauchten Gesichtscremes für eine etwaige Rückkehr nach Griechenland ist unglaubhaft. Derartige Kosmetik wird regelmäßig für den sofortigen Gebrauch gekauft, da sie nur begrenzt haltbar ist. Entsprechendes gilt für 26 Parfüms, da diese sich nach längerer Aufbewahrung verflüchtigen.

38

Selbst der Vortrag der Kläger, einzelne Gegenstände seien als Geschenke gedacht gewesen, erklärt nicht eine Bevorratung mit 58 Figuren aus Porzellan oder Kristall und 26 Kerzenständern oder -haltern, welche als Geschenke am ehesten in Betracht gekommen sein dürften.

39

Auch wenn der Wunsch nach einer großen Auswahl an Kleidungsstücken bestanden haben sollte, haben die Kläger nicht glaubhaft machen können, wieso diese nicht in den vergangenen 40 Jahren genutzt worden sind. Denn die sichergestellte Kleidung ist ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Listen überwiegend neuwertig.

40

Wenn aber, wie ausgeführt, die vorliegenden Indizien dafür sprechen, dass die Kläger nicht rechtmäßige Erwerber der Gegenstände sind, kehrt sich die an sich bei der Behörde liegende materielle Beweislast mit der Folge um, dass die Kläger ihrerseits den Nachweis des von ihnen behaupteten Eigentums an den sichergestellten Gegenständen zu erbringen haben (vgl. zu diesem sog. "Wahrscheinlichkeitsbeweis" VG Karlsruhe a.a.O. in zwei vergleichbaren Fällen eines "Warenlagers", jeweils unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 21.11.1968 - II C 100.65 -, Buchholz 310, § 86 VwGO Anhang Nr. 40).

41

Diesen Nachweis haben die Kläger nicht erbracht. Sie haben keinerlei Aussagen zu Anschaffungspreisen, -orten und -zeiten der Gegenstände machen können. Quittungen über den Kauf zumindest einzelner Gegenstände wurden nicht vorgelegt, obgleich eine wenigstens zeitweise Aufbewahrung für die Geltendmachung eventueller Gewährleistungsansprüche allgemein üblich ist - und insbesondere hinsichtlich der 9 Armbanduhren, des Eierkochers und der Elektropfanne, des Haartrockners, der Kaffeemaschine und des Waffelautomaten zu erwarten gewesen wäre -. Der pauschale Vortrag, die Gegenstände seien "alle gekauft vor 15, 20, 30 Jahren, alle sorgfältig eingelagert" genügt für den Beweis des Eigentums an den Waren nicht.

42

Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Dabei hat sie ausdrücklich erwogen, dass zwar das im Hinblick auf die Diebstähle vom 23./24.12.2004 eingeleitete Ermittlungsverfahren (Az. 2132 Js 10541/05) am 23.02.2005 durch die Staatsanwaltschaft Hannover eingestellt worden ist und die Staatsanwaltschaft daraufhin die Herausgabe der sichergestellten Gegenstände verfügt hat, dies aber der angegriffenen Sicherstellung nicht entgegen steht (vgl. dazu VG Aachen, Urteil vom 15.02.2007 - 6 K 1757/05 -, juris). Denn die Verfügungen der Staatsanwaltschaft sind strafprozessualer Art, für die andere Voraussetzungen vorliegen müssen als bei der hier streitgegenständlichen, nach allgemeinem Gefahrenabwehrrecht erfolgten Sicherstellung. So ist die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nur deshalb erfolgt, weil - was sich aus der Verfügung der zuständigen Staatsanwältin ... vom 10.02.2005 ergibt - eine sichere Zuordnung der Gegenstände zu konkreten Diebstählen nicht möglich war, da nicht mehr festgestellt werden konnte, wann und wo die Gegenstände gestohlen worden waren. Im Rahmen der präventiv-polizeilichen Sicherstellung gemäß § 26 Nds. SOG, um die es vorliegend geht, ist eine derartig konkrete Zuordnung der Gegenstände zu einzelnen Diebstählen jedoch nicht erforderlich. Hier reicht es, dass die Kläger erwiesenermaßen nicht Eigentümer oder rechtmäßige Gewahrsamsinhaber der Gegenstände sind.

43

Dass auch die Tatsache, dass die Eigentümer nach wie vor unbekannt sind, die Sicherstellung nicht hindert (vgl. insoweit Böhrenz/ Unger/ Siefken, a.a.O. § 26 Rdnr. 7) hat die Beklagte ebenfalls ausgeführt. Es lässt die Sicherstellung der in der Wohnung der Kläger aufgefundenen Gegenstände auch für das Gericht nicht unverhältnismäßig erscheinen, dass die wahren Eigentümer nur unter großen Schwierigkeiten und möglicherweise gar nicht mehr ermittelt werden können, denn nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass ein Gebrauch der Gegenstände durch die Kläger in jedem Fall missbräuchlich wäre, weil sie nicht Eigentümer oder berechtigte Gewahrsamsinhaber sind.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2, § 159 S. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Gründe, die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.