Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.01.2008, Az.: 11 A 4135/06
Gewerbsmäßigkeit; Gewinnstreben; Spielgeräte
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 23.01.2008
- Aktenzeichen
- 11 A 4135/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45508
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2008:0123.11A4135.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 33 GewO
- § 11 SOG
- § 6a SpielV
Amtlicher Leitsatz
Die Auftstellung und der Betrieb von Unterhaltungsspielgeräten durch einen kurdischen Kulturverein mit knapp 50 Mitgliedern unterfällt im Einzelfall nicht der Spielverordnung, weil es an einer gewerbsmäßigen Tätigkeit fehlt
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 18.05.2006 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der klägerische Verein wendet sich gegen die Untersagung der Aufstellung und des weiteren Betriebs von Unterhaltungsgeräten.
Der Kläger ist ein kurdischer Kulturverein, der seinen etwa 50 Mitgliedern in den Vereinsräumlichkeiten in D. einen Treffpunkt bietet. Die Räumlichkeiten sind tagsüber regelmäßig geöffnet; es können Speisen und Getränke verzehrt werden. Eine gewerberechtliche Anmeldung oder eine Erlaubnis nach Gaststättenrecht hat der Kläger nicht.
Die Mitarbeiter der Beklagten stellten bei einer Kontrolle am 27.04.2006 fest, dass sich in den Vereinsräumlichkeiten vier Geräte mit den Spielen "Cops n‘ Robbers" und "Play Master" befanden, von denen ein Gerät nicht in Betrieb war. Die Geräte werden durch Geldeinwurf betrieben und bieten Weiterspielmöglichkeiten in Form von Token oder Hinterlegungsspeichern. Anwesend waren zum Zeitpunkt der Kontrolle 10 Personen, die an Tischen Getränke zu sich nahmen. Ein Verantwortlicher wurde von der Beklagten nicht angetroffen. Die Beklagte verfügte die Abschaltung der Geräte; dieser Verfügung kam der Kläger nach.
Im Rahmen der mündlichen Anhörung gaben Vertreter des Klägers an, die Ausgabe von Token an den Geräten ausgestellt zu haben.
Die Beklagte untersagte mit Bescheid vom 18.05.2006, zugestellt am 20.05.2006, den weiteren Betrieb und die Aufstellung der Geräte "Cops n‘ Robbers" und "Play Master" in den Vereinsräumen und stützte die Maßnahme auf § 11 SOG i.V.m. § 6a SpielV. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Geräte dem Verbot des § 6a SpielV unterfielen. Die Angabe des Klägers, die Tokenausgabe sei abgeschaltet worden, ändere an der Beurteilung nichts. Zum einen werde der Hinterlegungsspeicher nicht ebenfalls abgeschaltet. Der Kläger habe zum anderen nicht dargelegt, wie die Beschränkung auf sechs Freispiele eingehalten werden könne. Schließlich könne die Tokenausgabe jederzeit wieder aktiviert werden.
Die Vorschriften der Spielverordnung seien anwendbar, auch wenn der Kläger die Geräte selbst angeschafft habe und sie nur für die Vereinsmitglieder betreibe. Ein gewerblicher Betrieb der Geräte sei dadurch nicht ausgeschlossen; denn in einem Verein könne grundsätzlich jede entsprechend interessierte Person Mitglied werden. Im Übrigen sei von einem rein privaten Gebrauch der Geräte bei einem Verein mit 50 Mitgliedern nicht die Rede. Auch sei die Beschränkung des Vereinslokals auf Vereinsmitglieder von außen nicht erkennbar. Die Räumlichkeiten ähnelten vielmehr einer Gaststätte. Schließlich erfolgten die Aufstellung und der Betrieb unabhängig davon, ob das Spiel kostenfrei sei oder nicht, gewerblich, um nämlich die Attraktivität des Klägers zu erhöhen und neue Mitglieder zu gewinnen.
Der Kläger werde zur Entfernung der Geräte nach § 7 Abs. 1 SOG in Anspruch genommen. Das Einschreiten sei dringend erforderlich, um den nicht erlaubten Betrieb und die Aufstellung der Geräte zu unterbinden. Ein anderes, milderes Mittel als das Entfernen der Geräte sei nicht ersichtlich. Ohne diese Maßnahmen könne nicht sichergestellt werden, dass die Systeme tatsächlich dauerhaft nicht mehr genutzt werden könnten.
Der Kläger hat am 16.06.2006 Klage erhoben. Er beruft sich darauf, dass die Geräte nicht der Öffentlichkeit zugänglich und nicht gewerblich mit der Absicht der Gewinnerzielung aufgestellt worden seien. Auf die Zugangsbeschränkung auf Vereinsmitglieder werde am Eingang der Vereinsräume hingewiesen. Sowohl die Ausgabe von Token als auch die Funktion des Hinterlegungsspeichers seien im Übrigen ausgeschaltet worden.
Der Kläger beantragt,
den Untersagungsbescheid der Beklagten vom 18.05.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
und bezieht sich zur Begründung auf ihren Bescheid. Vertiefend trägt sie vor, dass bei den bisherigen Kontrollen Hinweise auf einen beschränkten Zutritt nur für Vereinsmitglieder oder Mitgliedskontrollen nicht festgestellt worden seien.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Untersagungsbescheid der Beklagten vom 18.05.2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Für die angefochtenen Untersagungsverfügung vom 18.05.2006 hat die Beklagte mit § 11 Nds. SOG i.V.m. § 6a SpielV die zutreffende Ermächtigungsgrundlage herangezogen (vgl. VG Osnabrück, Beschl.v. 25.04.2006 - 1 B 21/06 - Rechtsprechungsdatenbank der nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit). Deren Voraussetzungen liegen indes nicht vor.
Gemäß § 11 Nds. SOG können die Verwaltungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren. Der Begriff der Gefahr meint eine konkrete Gefahr, d.h. eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird, § 2 Nr. 1a) Nds. SOG. Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gehört unter anderem die objektive Rechtsordnung, so dass auch jeder Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstellt.
Die Aufstellung und der Betrieb der vier Unterhaltungsgeräte durch den Kläger verstößt nicht gegen § 6a SpielV oder andere Vorschriften des auf Spielgeräte anwendbaren Gewerberechts.
Die Spielverordnung ist nur auf gewerbliche Handlungen anwendbar; dies ergibt sich bereits aus der Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Spielverordnung, § 33f Abs. 1 GewO. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 33g Nr. 2 GewO, nach dem durch Rechtsverordnung die Vorschriften des § 33c und d GewO auf die nicht gewerbsmäßige Aufstellung von Spielgeräten in Vereinen und geschlossenen Gesellschaften ausgedehnt werden können, in denen gewohnheitsmäßig gespielt wird. Eine derartige Verordnung gibt es derzeit nicht; ihr Erlass ist auch nicht beabsichtigt (Landmann/Rohmer, § 33c Rn. 11).
Nach allgemeiner Auffassung versteht man unter Gewerbe eine selbständige, erlaubte (nicht sozial unwertige und generell nicht verbotene), auf Gewinnerzielung gerichtete und auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit, ausgenommen die Urproduktion, die sog. freien Berufe, die bloße Nutzung und Verwaltung eigenen Vermögens sowie gewisse Betätigungsarten, die nach ihrem Zuschnitt dem herkömmlichen Bild eines Gewerbes nicht entsprechen (Landmann/Rohmer, GewO, 49. EL, Stand: 01.01.2007, § 1 Rn. 3). Das Merkmal des Gewinnstrebens muss eine gewisse Intensität aufweisen; der erstrebte Gewinn darf sich also nicht als derart geringfügig darstellen, dass nach dem sog. "Gesamtbild" der Betätigung ein Bagatellfall vorliegt, der den althergebrachten Vorstellungen über die Ausübung eines Gewerbes nicht entspricht und auch nach den vorgenannten Zielsetzungen der Gewerbeordnung gewerberechtlich nicht regelungsbedürftig erscheint (Landmann/Rohmer, a.a.O., Einl. Rn. 48).
Grundsätzlich kann auch ein eingetragener Verein gewerbsmäßig tätig sein (Landmann/Rohmer, GewO, 49. EL, Stand: 01.01.2007, § 1 Rn. 34; Hess. VGH, Beschl.v. 11.02.1991 - 8 TH 2696/90 -, juris). Im vorliegenden Einzelfall betreibt der Kläger die vier Unterhaltungsgeräte nach Überzeugung der Kammer jedoch nicht gewerbsmäßig.
Es fehlt schon am Merkmal des Gewinnstrebens. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit dem Betrieb der Geräte in einigem Umfang Gewinne erwirtschaften will. In der mündlichen Verhandlung wurde der 1. Vorsitzende des klägerischen Vereins, Herr E.F., zu den Einnahmen und Ausgaben des Klägers informatorisch angehört. Herr F. machte seine Angaben freimütig und im Rahmen seiner sprachlichen Möglichkeiten umfassend und erschien der Kammer zu jedem Zeitpunkt glaubwürdig. Er gab an, dass der Kläger die beiden Token-Spielgeräte abgehängt habe, sie aber im Falle des Obsiegens im vorliegenden Verfahren wieder aufhängen wolle. Die Geräte dienten ebenso wie die drei PC-Terminals mit Internet-Zugang und das Gerät zum Abschluss von Sportwetten der Unterhaltung der Vereinsmitglieder. Die Einnahmen aus den beiden noch betriebenen Spielgeräten, die der Verein für etwa 275 Euro pro Stück erworben hätte, bezifferte Herr F. mit monatlich etwa 500 Euro. Auch für die Nutzung der PC-Terminals erhebt der Kläger nach Angaben von Herrn F. Gebühren, die sich auf etwa 350 Euro monatlich summierten. Als weitere, bedeutende Einnahmequelle gab Herr F. regelmäßige Zuwendungen durch fünf wohlhabende Vereinsmitglieder an, die monatlich etwa 200 Euro pro Person spendeten. Diesen Einnahmen stünden Kosten des Vereins in Höhe von etwa 1600 Euro für die Miete der Räume einschließlich der Nebenkosten gegenüber; weitere Kosten entstehen dem Verein nach Angaben von Herrn F. durch die Bereitstellung von Tee und anderen nicht-alkoholischen Getränken sowie des wöchentlichen kurdischen Essens, zu dem alle Vereinsmitglieder eingeladen würden. Für die Getränke und auch das Essen verlange der Kläger keine festen Preise; vielmehr gebe jedes Vereinsmitglied im Rahmen der jeweiligen finanziellen Möglichkeiten einen Beitrag. Am Ende des Monats werde Kassensturz gemacht und die fehlenden Gelder auf alle Mitglieder umgelegt; weitere feste monatliche Mitgliedsbeiträge erhebe der Kläger nicht.
Für ein nur geringfügiges und damit aus gewerberechtlicher Sicht nicht beachtliches Gewinnstreben des Klägers spricht nach Überzeugung der Kammer erstens die Einnahmen-Ausgaben-Struktur des Klägers. Die Einnahmen aus den Spielgeräten stellen danach nur einen kleineren Teil der monatlichen Kosten dar und könnten, fielen sie weg, jederzeit durch Erhebung von etwas höheren Mitgliedsbeiträgen - bei derzeit 46 Mitgliedern etwa 10 Euro - am Ende jeden Monats ausgeglichen werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nur aus dem Betrieb von zwei Unterhaltungsgeräten Einnahmen von 500 Euro generiert und die beiden abgehängten Token-Geräte im Falle des Obsiegens wieder aufhängen würde; die Kammer geht davon aus, dass sich die Einnahmen des Klägers aus den Geräten nicht verdoppelten, sondern der von den Mitgliedern für derartige Spiele aufgewandte Einsatz im Wesentlichen schon mit zwei Geräten abgeschöpft wird. Zweitens spricht auch das "Jeder-wie-er-kann"-Prinzip unter den Vereinsmitgliedern gegen ein hier beachtliches Gewinnstreben des Klägers; es gibt den Aktivitäten des Klägers für seine Mitglieder das Gepräge eines freundschaftlichen Miteinanders und nicht ein gewerbliches Gepräge. Drittens haben auch die Ausstattung der Räumlichkeiten und die sonstigen Angebote des Klägers wie das wöchentliche gemeinsame Essen keinen gewerblichen Charakter. Der Kläger hält mit den Unterhaltungsspielgeräten und den PC-Terminals mit Internetanschluss für seine Mitglieder - neben der Möglichkeit zur Unterhaltung mit anderen - weitere Möglichkeiten des Zeitvertreibs bereit; dabei ist sowohl die Anzahl der Unterhaltungsgeräte als auch der PC-Terminals (noch) so überschaubar, dass die Kammer davon ausgeht, der Kläger stelle seinen Mitgliedern eher ein zweites Wohnzimmer als einen öffentlichen Raum zur Verfügung.
Schließlich spricht im vorliegenden Einzelfall auch die (noch) überschaubare Anzahl der Mitglieder des Klägers von derzeit 46 Personen gegen die Gewerbsmäßigkeit des Betriebs der Geräte. Herr F. wurde auch zur Mitgliederzahl informatorisch angehört und machte glaubhaft, dass der Kläger schon aus räumlichen Gründen auf etwa 50 Mitglieder beschränkt sei. Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Aktivitäten aller Mitglieder - wie dem wöchentlichen gemeinsamen Essen - erscheint dies der Kammer nachvollziehbar. Auch hat sich die Mitgliederzahl seit Klageerhebung nicht oder nur unwesentlich verändert, so dass die Kammer auch aus diesem Grund von einer stabilen, überschaubaren Mitgliederzahl ausgeht. Dass der Kläger jedenfalls nach den Feststellungen der Beklagten keine Eingangskontrollen durchführt, streitet ebenfalls nicht für die Gewerbsmäßigkeit des Betriebs der Geräte. Nach Überzeugung der Kammer hat der Kläger einen zahlenmäßig und durch die Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe abgegrenzten Mitgliederbestand, so dass sich nach der Lebenserfahrung Eingangskontrollen schon wegen der von den jeweils anwesenden Mitgliedern ausgeübten sozialen Kontrolle erübrigen. Dies hat Herr F. im Rahmen seiner informatorischen Anhörung implizit bestätigt, indem er schilderte, dass unbekannte Gäste zu Tee eingeladen würden, diese aber stets von sich aus die Vereinsräumlichkeiten zügig verließen.