Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 17.01.2008, Az.: 2 A 4394/06
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 17.01.2008
- Aktenzeichen
- 2 A 4394/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45480
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2008:0117.2A4394.06.0A
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen von § 228 Abs. 2 NBG
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 2. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Hüper, den Richter am Verwaltungsgericht Goos, den Richter am Verwaltungsgericht Borchert sowie die ehrenamtlichen Richter und für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 23 357,56 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der am B. geborene Kläger steht als Kriminalhauptkommissar im Dienst des Landes Niedersachsen. Er wendet sich gegen den Rechtsstandpunkt des Beklagten, dass er die gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in seinen Ruhestand erst mit Vollendung des 61. Lebensjahres erreicht.
Der Kläger trat am C. in den Polizeidienst des Landes Niedersachsen. In der Zeit vom D. bis zum E. war der Kläger mit Unterbrechung für insgesamt sieben Jahre und acht Monate bei der Polizeidirektion Hannover im Wechselschichtdienst eingesetzt. In der Zeit vom F. bis G. war er für ein Jahr und sechs Monate als Sachbearbeiter im kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienst der Polizeidirektion Hannover tätig. Seit dem H. ist er in der Abteilung 5 des Beklagten als kriminaltechnischer Sachverständiger für Schusswaffen und Schusswaffenspuren eingesetzt und wird seitdem bis heute in dieser Verwendung verwendet.
Bis zum Ablauf des Jahres 2005 bildete nach der bis dahin geltenden Fassung des § 228 NBG das vollendete 60. Lebensjahr die einheitliche Altersgrenze für alle Polizeivollzugsbeamten. Nach der zum 1.01.2006 in Kraft getretenen Neufassung des § 228 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) ist die allgemeine Altersgrenze in Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift in drei Lebensaltersgruppen gestaffelt worden:
Danach treten nunmehr nur noch diejenigen Polizeivollzugsbeamten mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand, die bis zum 31.12.1948 geboren sind (Nr. 3);
die nach dem 31.12.1948 und vor dem 1.01.1950 geborenen Polizeivollzugsbeamten erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 61. Lebensjahres (Nr. 2);
die nach dem 31.12.1949 geborenen Polizeivollzugsbeamten erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 62. Lebensjahres (Nr. 1).
Nach Absatz 2 Satz 1 dieser Vorschrift verringert sich die in Absatz 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 genannte Altersgrenze um ein Jahr, wenn der Polizeivollzugsbeamte mindestens 25 Jahre im Wechselschichtdienst, im Spezialeinsatzkommando, im Mobilen Einsatzkommando, in der Polizeihubschrauberstaffel oder im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich tätig gewesen ist. Nach § 228 Absatz 2 Satz 2 NBG hat der Beamte spätestens vier Jahre vor Erreichen der in Satz 1 genannten Altersgrenze anzuzeigen, dass er mit Erreichen dieser Altersgrenze die Mindestzeit von 25 Jahren erbracht hat.
Aufgrund dieser Rechtsänderung zeigte der Kläger mit Schreiben vom I. dem Beklagten an, dass er die Voraussetzungen für die Verringerung der Altergrenze im Sinne des § 228 NBG erfülle.
Mit Bescheid vom J. stellte der Beklagte fest, dass der Kläger die Voraussetzungen nach § 228 Abs. 2 NBG zur Herabsetzung der Altersgrenze um ein Jahr nicht erfülle und daher erst mit Ablauf des K. in den Ruhestand trete. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger keine 25 Jahre im Wechselschichtdienst, Spezialeinsatzkommando, Mobilen Einsatzkommando, in der Polizeihubschrauberstaffel oder im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich tätig gewesen sei. Unter Berufung auf den Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 15.03.2006 (Az.:) führte der Beklagte aus, der "kriminalpolizeiliche Ermittlungsbereich" beschränke sich auf hauptamtliche Tätigkeiten als Sachbearbeiter in den Bereichen Todesermittlungssachen, Sexualdelikte und/oder Verdeckte Ermittlungen i.S.d. § 22 Erschwerniszulagenverordnung (EZulV).
Daraufhin hat der Kläger am L. Klage erhoben.
Er trägt im Wesentlichen vor, dass sich der Beklagte nicht auf den Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 15.03.2006 (Az.:) zu § 228 NBG stützen könne, weil dieser rechtswidrig sei. Dem Runderlass fehle eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, und er verstoße gegen den Vorbehalt des Gesetzes. Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich" des § 228 Abs. 2 NBG werde durch diesen Runderlass in unzulässiger Weise auf die drei Bereiche Todesursachenermittlung, Sexualdelikte und Verdeckte Ermittlungen i.S.d. § 22 EZuLV eingeschränkt und hebe damit die Ausnahmeregelung des § 228 Abs. 2 NBG für die in den Hinweisen des Runderlasses nicht aufgeführten Tätigkeiten wieder vollständig auf. Diese Einschränkung stehe im Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung, die insofern als Ausnahmevorschrift zu § 228 Abs. 1 NBG nicht in weiter einschränkendem Sinne auslegungsfähig sei. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich keine Einschränkungen des Begriffs des "kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereichs" vorgenommen, obwohl dies möglich gewesen wäre, so dass eine solche Einschränkung auch nicht von der Exekutive vorgenommen werden könne.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom J. aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass er die Voraussetzungen zur Verringerung der Altersgrenze gem. § 228 Abs. 2 NBG erfüllt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen aus dem angegriffenen Bescheid. Ergänzend legt er dar, dass der Einsatz des Klägers als kriminaltechnischer Sachverständiger für Schusswaffen nicht dem kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich zugeordnet werden könne, weil der Kläger dort eine reine Sachverständigentätigkeit ausübe. Im Übrigen habe der Gesetzgeber die nähere Definition des Begriffs "kriminalpolizeilicher Ermittlungsbereich" in die Entscheidungskompetenz der Exekutive gestellt. Der Gesetzgeber habe mit seiner Regelung nicht sämtliche Tätigkeiten des kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereichs erfassen wollen, sondern nur solche, die eine besondere psychische Belastung darstellten. Hierzu beruft sich der Beklagte auf einen Änderungsantrag der Fraktionen der Regierungsparteien zu der M. vom November 2005. Aus der Begründung dieses Änderungsantrages, mit dem der Absatz 2 zu § 228 NBG ergänzt worden sei, sei ersichtlich, dass nur einzelne, nämlich psychisch besonders belastende, nicht aber alle kriminologischen Ermittlungsbereiche von § 228 Abs. 2 NBG erfasst sein sollten. Der Gesetzgeber habe dadurch der Exekutive Anhaltspunkte an die Hand gegeben, um den unbestimmten Rechtsbegriff des "kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereiches" einschränken zu können. Im Übrigen seien die in § 228 Abs. 2 NBG genannten Bereiche Wechselschichtdienst, Spezialkommando, Mobiles Einsatzkommando und Polizeihubschrauberstaffel bereits durch die Erschwerniszulagenvorordnung (EZulV) als zulagenwürdige und damit belastende Bereiche eindeutig bestimmbar festgeschrieben worden. Der Vergleich mit diesen Tätigkeiten ergebe, dass nicht jede Tätigkeit im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich als vergleichbar belastend angesehen werden könne. Diese Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs sei Aufgabe der Exekutive, ohne dass es dafür einer weiteren Ermächtigungsgrundlage bedurft hätte.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Verpflichtungsklage auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung durch den Beklagten, dass er die Voraussetzungen zur Verringerung der Altersgrenze gemäß § 228 Abs. 2 NBG erfüllt und die gesetzliche Altersgrenze für den Eintritt in seinen Ruhestand bereits mit Vollendung des 60 Lebensjahres erreicht.
Die Klage bleibt nicht bereits deshalb ohne Erfolg, weil der Kläger die formellen Voraussetzungen für die Herabsetzung der Altersgrenze nicht erfüllt hat. Nach § 228 Abs. 2 Satz 2 NBG hätte der Kläger spätestens vier Jahre vor Erreichen der in Satz 1 genannten (verringerten) Altersgrenze, im Falle des Klägers also vor Erreichen des 60. Lebensjahres - mithin spätestens mit der Vollendung des 56. Lebensjahres - anzuzeigen gehabt, dass er mit Erreichen dieser Altersgrenze die Mindestzeit von 25 Jahren in den genannten Einsatzgebieten erbracht haben würde. Mit der Anzeigepflicht des § 228 Abs. 2 Satz 2 NBG verfolgt der Gesetzgeber hauptsächlich den Zweck sicherzustellen, dass die Polizeiverwaltung den entsprechenden Personalnachwuchs rechtzeitig aussuchen und ausbilden kann (vgl. Begründung zum Änderungsantrag der Fraktionen der Regierungsparteien vom November 2005 zur N.). Diese Anzeigepflicht konnte der Kläger jedoch nicht erfüllen. Denn er hat sein 56. Lebensjahr am O. vollendet. Die neugefasste Vorschrift des § 228 NBG ist hingegen erst am 01.01.2006 in Kraft getreten. Die Vierjahresfrist konnte der Kläger somit nicht einhalten. Offensichtlich hat der Gesetzgeber übersehen, dass für die Beamten des Geburtsjahrgangs 1949 eine rechtzeitige Anzeige gar nicht möglich war. Im Hinblick darauf sieht der Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 15.03.2006 (Az.:) zu § 228 NBG für die Beamten des Geburtsjahrgangs 1949 eine Frist zur Anzeige bis zum 31.05.2006 vor. Der Kläger hat seine Anzeige im Schreiben vom 06.01.2006 gegenüber der Beklagten, dort eingegangen am 09.01.2006, innerhalb der durch den Runderlass gesetzten Frist abgegeben. Unabhängig von der Frage, ob diese durch Runderlass angeordnete Fristsetzung rechtliche Bindungswirkung für die betroffenen Beamten erzeugen kann, ist von einer rechtzeitigen Anzeige auszugehen, denn der Umstand, dass dem Kläger eine Anzeige innerhalb der gesetzlichen Frist nicht möglich war, darf ihm jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen.
Die Klage ist aber deshalb unbegründet, weil die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Verringerung der Altersgrenze des Klägers, die dieser regulär mit der Vollendung des 61. Lebensjahres, also am K. erreicht, nach § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG nicht vorliegen.
Nach § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG verringert sich die Altersgrenze nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 um ein Jahr, wenn der Polizeivollzugsbeamte mindestens 25 Jahre im Wechselschichtdienst, im Spezialeinsatzkommando, im Mobilen Einsatzkommando, in der Polizeihubschrauberstaffel oder im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich tätig gewesen ist. Der Kläger war aber nicht 25 Dienstjahre in den in § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG genannten Einsatzbereichen tätig. Er war zu keiner Zeit im Spezialeinsatzkommando, im Mobilen Einsatzkommando oder in der Polizeihubschrauberstaffel eingesetzt. Er war lediglich in der Zeit vom D. bis zum E. mit Unterbrechung für insgesamt sieben Jahre und acht Monate bei der Polizeidirektion Hannover im Wechselschichtdienst eingesetzt. Die Tätigkeit des Klägers in der Abteilung 5 des Beklagten als kriminaltechnischer Sachverständiger für Schusswaffen und Schusswaffenspuren, die er seit dem 01.06.1981 ausübt, ist hingegen nicht dem "kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich" i.S.d. § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG zuzuordnen.
Allerdings wäre es mit dem Wortlaut des § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG vereinbar, jedwede kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit, also auch eine solche als Schusswaffensachverständiger, als Tätigkeit im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich zu qualifizieren. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zu seiner konkreten Tätigkeit als Sachverständiger für Schusswaffen und Schusswaffenspuren ausgeführt, dass er im Büro und im Labor arbeite und auch zu Tatortermittlungen hinzugezogen werde. Dort müsse er Bestimmungen der Schussrichtung und der Schussentfernung vornehmen. Er verstehe sich als Helfer der Ermittlungsbehörden vor Ort und als Helfer der Gerichte für das ganze Land Niedersachsen. Dementsprechend beträfen seine Sachverständigengutachten Delikte aus allen strafrechtlichen Bereichen. Damit ist die Tätigkeit als Sachverständiger für Schusswaffen und Schusswaffenspuren ein wichtiges Element polizeilicher Ermittlungsarbeit.
Die Auslegung des gerichtlich vollumfänglich nachprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriffs des "kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereichs" ist jedoch nicht auf den Wortlaut der Vorschrift beschränkt. Vielmehr ergibt sich der Bedeutungsgehalt eines solchen unbestimmten Rechtsbegriffs aus der Zweckbestimmung und Zielsetzung der jeweiligen gesetzlichen Regelung sowie aus dem systematischen Zusammenhang, in den der Begriff hineingestellt ist (vgl. BVerwG Urt.v. 30.03.2006 - 2 C 23.05 - ZBR 2006, 349 [BVerwG 30.03.2006 - 2 C 23.05]-351; Urt.v. 09.02.1972 - 6 C 20.69 - BVerwGE 39, 291 [BVerwG 09.02.1972 - BVerwG VI C 20.69] und Urt.v. 29.04.2004 - 2 C 21.03 - Buchholz 237.95 § 88a SHLBG Nr. 1).
Die damit gebotene Auslegung der Vorschrift nach Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs ergibt, dass unter Tätigkeit im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich im Sinne des § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG der Einsatz von Polizeivollzugsbeamten in einem in physischer und psychischer Hinsicht besonders belastenden Bereich über einen Zeitraum von mindestens 25 Jahren zu verstehen ist. Der Gesetzgeber hat nämlich mit der Aufzählung der Einsatzbereiche des Wechselschichtdienstes, des Spezialeinsatzkommandos, des Mobilen Einsatzkommandos und der Polizeihubschrauberstaffel vier Tätigkeitsfelder aufgeführt, die ersichtlich mit erhöhten psychischen oder physischen Belastungen für die Polizeibeamten verbunden sind.
So verrichten Beamte, die im Wechselschichtdienst verwendet werden, ihren regulären Dienst ständig nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in wechselnde Arbeitsschichten vorsieht, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Dabei finden die von dem Schichtdienstleistenden geforderte ständige Umstellung des Arbeits- und Lebensrhythmus sowie die damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen eine besoldungsrechtliche Anerkennung durch die Erschwerniszulage nach § 20 EZulV (vgl. BVerwG Urt.v. 21.03.1996 - 2 C 24.95 -, Buchholz 240.1 BBesO Nr. 17). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die sich auf entsprechende arbeitsmedizinische Gutachten und Untersuchungen beruft, kann davon ausgegangen werden, dass Beamte sich nicht an diesen unregelmäßigen Lebensrhythmus anpassen oder gewöhnen können, andauernde Nachtarbeit die ausreichende Regeneration durch Schlaf am Tag mindert, Nachtarbeit die Funktion des Verdauungstraktes beeinträchtigt und Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, vegetative Störungen, Krankheiten der Kreislauforgane sowie Schlafstörungen begünstigt (vgl. BVerwG Urt.v. 25.01.2007 - 2 C 28.05ZBR 2007, 307 [BVerwG 25.01.2007 - BVerwG 2 C 28/05]-311).
Auch Polizeivollzugsbeamte im Spezialeinsatzkommando und im Mobilen Einsatzkommandos sind im Rahmen ihrer Tätigkeit erhöhten Belastungen ausgesetzt. Denn sie werden überwiegend zur Bewältigung gefährlicher Konfliktlagen eingesetzt, die besonders hohe Anforderungen an ihre körperliche und mentale Konstitution stellen. Im Vergleich zum "normalen" Polizeidienst sind diese Spezialeinsätze mit besonderen physischen und psychischen Belastungen verbunden (vgl. BVerwG Urt.v. 25.01.2007 - 2 C 28.05 a.a.O., S. 18).
Schließlich sind auch Polizeivollzugsbeamte in der Polizeihubschrauberstaffel erhöhten Belastungen ausgesetzt. So werden an die in der Polizeihubschrauberstaffel eingesetzten Piloten vergleichbar den Piloten anderer Luftfahrzeuge besondere Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit gestellt (vgl. BVerfG, Beschl.v. 25.11. 2004 - 1 BvR 2459/04 - MDR 2005, 341 [BVerfG 25.11.2004 - 1 BvR 2459/04]-342). Auch das übrige, von § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG ebenso einbezogene, nichtfliegende Personal der Polizeihubschrauberstaffel ist deutlich erhöhten Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit und zugleich den gesteigerten Gefahren ausgesetzt, die mit den ohnehin nur in besonderen Situationen in Betracht kommenden Einsätzen der Polizeihubschrauberstaffel regelmäßig verbunden sind.
Die vom Gesetzgeber als Ausnahmevorschrift zu § 228 Abs. 1 NBG gestaltete Regelung des § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG zielt daher mit diesen vier genannten Tätigkeitsfeldern ihrem Sinn und Zweck nach erkennbar darauf ab, für diejenigen Polizeivollzugsbeamten, die in einer über das Maß des durchschnittlichen Polizeivollzugsbeamten hinausgehenden Weise in physischer und psychischer Hinsicht besonders belastende Tätigkeiten über einen Zeitraum von mindestens 25 Jahren wahrgenommen haben, als entsprechenden Ausgleich dieser erhöhten Belastungen die Altersgrenze zum Eintritt in den Ruhestand um ein Jahr zu verringern. Die besonderen gesundheitlichen Belastungen, die über viele Jahre der Dienstausübung entstehen und ein früheres Nachlassen der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Lebensalter herbeiführen können, sollen über eine ausnahmsweise Verringerung der Altersgrenze zum Eintritt in den Ruhestand angemessen kompensiert werden.
Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der weitere in § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG genannte Begriff des "kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereichs" ebenfalls nur solche Ermittlungstätigkeiten erfasst, die in vergleichbarer Weise physisch oder psychisch besonders belastend sind. Der Sinngehalt des § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG ist insofern teleologisch zu reduzieren, als vor die Worte des "kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereichs" gedanklich die Worte "in vergleichbarer Weise gesundheitlich belastend" - darunter fallen sowohl psychische als auch physische Belastungen - hineinzulesen sind. Diese restriktive Auslegung des Tatbestandsmerkmals "kriminalpolizeilicher Ermittlungsbereich" ist auch im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG angezeigt.
Schließlich ergibt auch eine systematische Auslegung der Vorschrift des § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG, dass es für die Position des Klägers, jedwede kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit sei als Tätigkeit im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich zu qualifizieren, keinen wirklich tragfähigen Anhaltspunkt gibt. Es hätte nämlich der Erwähnung der Tätigkeitsfelder des Spezialeinsatzkommandos bzw. des Mobilen Einsatzkommandos in § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG nicht bedurft, wenn der Begriff des kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereichs so verstanden würde, wie es der Kläger für zutreffend hält, weil dann auch diese Einsatzbereiche dem kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich zuzurechnen wären. Nur die gebotene einschränkende Auslegung des Tatbestandsmerkmals "kriminalpolizeilicher Ermittlungsbereich" führt dazu, dass sämtlichen der in Rede stehenden Vorschrift aufgeführten Tätigkeitsfeldern eigenständige Einsatzbereiche zugeordnet werden können.
Dieses Verständnis der Norm entspricht unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 228 NBG auch dem gesetzgeberischen Willen. Mit dem ersten Entwurf zur Einführung des § 228 Abs. 1 NBG sollte ursprünglich die Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte, die bislang mit der Vollendung des 60. Lebensjahres erreichten, nach Geburtsjahrgängen abgestuft - jedoch ohne Ausnahme - angehoben werden. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass sich die Annahme, Polizeivollzugsbeamte seien mit Vollendung des 60. Lebensjahres im Allgemeinen den erhöhten Anforderungen des Polizeidienstes - insbesondere aber des Wechselschichtdienstes - nicht mehr gewachsen, aufgrund der eingetretenen Änderungen in den polizeilichen Organisationsstrukturen und Aufgabenbereichen sowie im Hinblick auf die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durch den technischen Wandel nicht mehr aufrechterhalten lasse (vgl.M.S. 8). Demgegenüber sah der zweite und letztlich umgesetzte Entwurf der Neufassung des § 228 NBG die Aufnahme eines Ausnahmetatbestandes vor, der durch einen Änderungsantrag der Fraktionen der Regierungsparteien zur M. vom November 2005 mit dem heutigen § 228 Abs. 2 NBG entsprechend formuliert wurde. Damit sollte den unterschiedlichen Belastungssituationen innerhalb der Polizei Rechnung getragen und den Polizeivollzugsbeamten, die 25 Jahre einer besonders belastenden Tätigkeit nachweisen, als Kompensation die Verringerung der Altersgrenze ermöglicht werden. Dabei wurde darauf abgestellt, dass ein Einsatz im Wechselschichtdienst, im Spezialeinsatzkommando, im Mobilen Einsatzkommando und in der Polizeihubschrauberstaffel bereits in der Verordnung des Bundes über die Gewährung von Erschwerniszulagen (EZulV) als zulagenwürdig und damit belastend erwähnt wird. Darüber hinaus wurde auch im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich die psychische Belastung in bestimmten Tätigkeitsfeldern als eine besondere Herausforderung bewertet.
Die Tätigkeit des Klägers als Sachverständiger für Schusswaffen und Schusswaffenspuren ist keine Funktion, die vergleichbare hohe gesundheitliche Belastungen mit sich bringt wie der Einsatz in den übrigen in § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG aufgeführten Tätigkeitsfeldern. Dabei wird nicht verkannt, dass Sachverständige für Schusswaffen und Schusswaffenspuren unter anderem durch entsprechende Schulungen beim Bundeskriminalamt speziell ausgebildete Kriminalfachleute sind und eine verantwortungsvolle Aufgabe innerhalb der kriminalpolizeilichen Ermittlungsarbeit wahrnehmen. Der Kläger ist damit den erhöhten Belastungen ausgesetzt, die dem Beruf des Polizeivollzugsbeamten typischerweise innewohnen und die aus diesem Grunde zu einer gegenüber den sonstigen Landesbeamten herabgesetzten Altersgrenze geführt haben (§ 228 Abs. 1 Satz 1 NBG). Aber einer vergleichbaren Belastung wie Polizeivollzugsbeamte, die 25 Jahre im Wechselschichtdienst, im Spezialeinsatzkommando, im Mobilen Einsatzkommando oder in der Polizeihubschrauberstaffel eingesetzt sind, unterliegen Beamte, die wie der Kläger Schusswaffenspuren auswerten, indem sie etwa die Schussrichtung oder die Schussentfernung bestimmen, nicht. Derartige Ermittlungen und Begutachtungen verlangen typischerweise keinen anstrengenden körperlichen Einsatz. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der Kläger im Rahmen dieser Tätigkeiten besonderen psychischen Belastungen ausgesetzt wäre. Dabei bedarf es auch keiner abschließenden Klärung, ob die Tätigkeitsfelder im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich im Sinne des § 228 Abs. 2 NBG auf die drei Aufgabengebiete Todesursachenermittlung, Sexualdelikte und Verdeckte Ermittlungen i.S.d. § 22 EZuLV beschränkt werden können, wie es in dem von dem Beklagten zur Begründung seiner Entscheidung angeführten Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 15.03.2006 (Az.: LPP 5.21 - 03102/228) vorgesehen ist. Ob eine Verengung des "kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereichs" ausschließlich auf die drei in dem Runderlass genannten Aufgabengebiete, wie es die Formulierung durch das vorangestellte "nur" nahe legt, eine zutreffende Auslegung ist, mag Zweifeln begegnen. Diesen ist hier aber nicht weiter nachzugehen, weil die Tätigkeit als Sachverständiger für Schusswaffen und Schusswaffenspuren jedenfalls nicht als gesundheitlich besonders belastende kriminalpolizeiliche Ermittlungstätigkeit im Sinne des § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG zu bewerten ist.
Da der Kläger - neben den insoweit unstreitig anzuerkennenden sieben Jahren und acht Monaten im Wechselschichtdienst - bis zum Erreichen seines 60. Lebensjahres am P. die ihm insofern noch fehlenden weiteren 17 Dienstjahre und vier Monate absehbar nicht mehr in einem der geforderten Tätigkeitsbereiche wird ableisten können, war die Klage abzuweisen, ohne dass es einer weiteren Aufklärung der Frage bedurfte, ob die vom Kläger in der Zeit vom F. bis G. ausgeübte Tätigkeit als Sachbearbeiter im kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienst der Polizeidirektion Hannover als Einsatz im "kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich" i.S.d. § 228 Abs. 2 Satz 1 NBG zu bewerten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 167 VwGO.
Das Gericht hat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG.