Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.04.1997, Az.: V 416/95
Haftung eines EU-Mitgliedstaates bei nicht fristgerechter Umsetzung einer Richtlinie; Antrag eines Spielhallenbetreibers auf Herabsetzung der Umsatzsteuerfestsetzungen ; Bestandskraft eines Steuerbescheides als Ablehnungsgrund einer beantragten Umsatzsteuerherabsetzung; Gemeinschaftsrechtliche Fristenhemmung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 17.04.1997
- Aktenzeichen
- V 416/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 23284
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0417.V416.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 355 Abs. 1 AO
- § 10 Abs. 1 UStG
- § 172 Abs. 1 Nr. 2 d AO
- Art. 164 EGV
Verfahrensgegenstand
Keine Durchbrechung der Bestandskraft wegen der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Emmott
Umsatzsteuer 1981 bis 1988 und 1990
Redaktioneller Leitsatz
Nach Eintritt der Bestandskraft eines nationalen Umsatzsteuerbescheides kann sich der Steuerschuldner zur Ermöglichung einer Bestandskraftdurchbrechung nicht auf die verzögerte Umsetzung einer zur Umsatzsteuer ergangenen und ihm günstigen Richtlinie der Europäischen Union berufen.
Der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 17. April 1997,
an der mitgewirkt haben:
1. Vizepräsidentin ... des Finanzgerichts ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ...
5. ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klagen werden abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten.
Tatbestand
Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein Unternehmen, in dessen Rahmen er u.a. Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aufstellte. Seine Umsätze ermittelte er, indem er die jeweiligen Umsätze auf das 1,5-fache des Kasseninhaltes abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer schätzte. Der Beklagte setzte die Umsatzsteuer nach den eingereichten Jahreserklärungen bzw. Feststellungen von Außenprüfungen fest. Die Umsatzsteuerfestsetzungen sind aufgrund des Ablaufs der nach der Abgabenordnung geltenden Festsetzungsfristen bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 24. November 1994 beantragte der Kläger, die Umsätze aus den Geldspielautomaten für die Streitjahre 1988 und 1990 entsprechend der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Mai 1994 (Az.: C 38/93, BStBl II 1994, 548) entgeltsmäßig auf den Kasseninhalt zu beschränken und die Umsatzsteuer entsprechend herabzusetzen. Mit Bescheid vom 22. Mai 1995 lehnte der Beklagte eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen ab. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 14. Juni 1995 Einspruch ein. Ferner legte er mit Schreiben vom 11. Juli 1995 Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide 1981 bis 1988 und 1990 ein. Mit Bescheiden, jeweils vom 6. September 1995, verwarf der Beklagte die Einsprüche, unter anderem mit dem Hinweis auf den Eintritt der Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzungen.
Hiergegen richten sich die Klagen. Der Kläger macht geltend, ihm könne der Ablauf der Rechtsbehelfsfrist des § 355 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) nicht entgegengehalten werden, da eine gemeinschaftsrechtliche Fristenhemmung bestehe. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in der Rechtssache ... (C - 208/90, EuGE 1991 I, S. 4292 ff.) entschieden, daß nationale Rechtsbehelfsfristen dem Steuerpflichtigen nicht entgegengehalten werden könnten, wenn der betreffende Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) eine EG-Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe. Im Streitfall liege ein Umsetzungsdefizit vor. Die unterschiedliche Beurteilung der Geldspielautomatenumsätze durch den Bundesfinanzhof einerseits und den Europäischen Gerichtshof andererseits beruhe auf einer Abweichung der nationalen Vorschrift von der Richtlinienbestimmung. Aus der Vorabentscheidung des EuGH in der Rechtssache ... (C 38/93 vom 5. Mai 1994) ergebe sich, daß § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) keine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmung des Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie darstelle. Der EuGH habe dabei den Inhalt der Bemessungsgrundlage abweichend von der bisherigen nationalen Rechtsanwendung zu § 10 Abs. 1 UStG ausgelegt. Hieraus folge, daß der Entgeltsbegriff des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG jedenfalls in bezug auf Geldspielautomatenumsätze keine ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie darstelle. Während § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG das Entgelt aus der Sicht des Leistungsempfängers definiere, bestimme die 6. EG-Richtlinie die Besteuerungsgrundlage aus der Sicht des Leistenden. Die unterschiedlichen Ergebnisse, zu denen der EuGH einerseits und der BFH andererseits gelangt seien, seien nicht zur Folge einer Beurteilungsdifferenz, sondern zwingender Ausfluß der bereits im Ansatz nicht deckungsgleichen Standpunkte beider Bestimmungen. Zumindest habe der nationale Gesetzgeber durch sein Verhalten einen Zustand der Unsicherheit geschaffen, in dem der einzelne Marktbürger nicht in die Lage versetzt gewesen sei, in vollem Umfang von seinen Rechten Kenntnis zu erlangen.
Eine Verpflichtung zur Änderung der Steuerfestsetzungen 1988 und 1990 sei gemäß § 173 AO begründet, weil die vierjährige Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Eine neue Tatsache liege vor. Sie liege darin, daß dem Beklagten zunächst in den Steuererklärungen zu hohe Umsätze erklärt worden seien. Dies sei dem Beklagten vom 24. November 1994 mitgeteilt worden. Ein Verschulden für dieses zu diesem Zeitpunkt erfolgte Vorbringen könne dem Kläger aus den zuvor genannten, vom nationalen Gesetzgeber verschuldeten Gründen, nicht vorgehalten werden.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer 1981 auf minus ... DM, die Umsatzsteuer 1982 auf minus ... DM, die Umsatzsteuer 1983 auf ... DM, die Umsatzsteuer 1984 auf ... DM, die Umsatzsteuer 1985 auf minus ... DM, die Umsatzsteuer 1986 auf ... DM, die Umsatzsteuer 1987 auf minus ... DM, die Umsatzsteuer 1988 auf ... DM und die Umsatzsteuer 1990 auf ... DM herabzusetzen.
Außerdem beantragt der Kläger,
das beklagte Finanzamt zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide 1988 vom 9. Oktober 1990 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 6. September 1995 und den Umsatzsteuerbescheid 1990 vom 22. Juli 1992 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 6. September 1995 insoweit zu ändern als die Umsatzsteuer 1988 auf ... DM und die Umsatzsteuer 1990 auf ... DM herabgesetzt wird.
Der Kläger beantragt ferner, dem Europäischen Gerichtshof folgende Rechtsfrage vorzulegen und bis zur Entscheidung darüber den Rechtsstreit auszusetzen:
Ist die 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie der EG mit § 10 Abs. 1 Satz 2 Umsatzsteuergesetz derart in das nationale Recht umgesetzt worden, daß die rechtlichen Bestimmungen der Richtlinie in hinreichend klarer und bestimmter Weise derart zum Ausdruck gebracht wurden, daß der einzelne EG-Bürger, für den die Richtlinie Rechte begründen soll, in die Lage versetzt wurde, in vollem Umfange von den Rechten Kenntnis zu erlangen, um sie ggf. vor den nationalen Gerichten geltend machen zu können oder war die Möglichkeit der Geltendmachung der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie und dessen Inhalt vor den Verwaltungsbehörden und den Gerichten nach den nationalen Verfahrensbestimmungen geltend zu machen, tatsächlich durch die Praxis versperrt?
Der EuGH wird insbesondere um Stellungnahme und Entscheidung dazu gebeten, ob die tatsächliche Handhabung der Praxis in der Bundesrepublik Deutschland nach europäischem Recht zu einer Fristenhemmung derart führte, daß die im konkreten Falle zugrunde liegenden Bescheide und deren Rechtswidrigkeit vor Gericht geltend gemacht werden kann.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Der Beklagte meint, die Umsatzsteuerfestsetzungen seien bestandskräftig. Bei der Entscheidung des EuGH in Sachen ... habe es sich um einen Sonderfall gehandelt. Dies habe der EuGH nachfolgend auch klargestellt. Insbesondere habe er in der Entscheidung "Supergaz" (Urteil vom 6. Juli 1995, RSC - 62/93) ausdrücklich bestätigt, daß die Erstattung von zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer von den innerstaatlichen Verfahrensmodalitäten abhängig sei. Hierzu gehörten auch die Regelungen der Abgabenordnung über die Bestandskraft.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte.
Dem Senat haben die beim Beklagten für den Kläger geführten Umsatzsteuerakten zu Steuernummer ... vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind unbegründet.
Sowohl der Anfechtungsklage wie dem Verpflichtungsbegehren des Klägers steht entgegen, daß die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre bereits bestandskräftig waren, als er deren Änderung beim Beklagten beantragte und es für Änderungen dieser Steuerfestsetzungen keine abgabenrechtlichen Grundlagen gibt. Steuerbescheide sind nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 d AO nur dann änderbar, wenn dies gesetzlich zugelassen ist. Die hierfür in Betracht kommenden Normen der §§ 173 bis 176 AO sind nicht erfüllt. Auch ist durch den Ablauf der Rechtsbehelfsfristen die Bestandskraft der Steuerfestsetzungen eingetreten.
Eine Durchbrechung der Bestandskraft läßt sich nicht aus dem Urteil der EuGH vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache ... (C 208/90, EuGHE 1991 I S. 4292 ff.) herleiten. Der EuGH hat zwar in dieser Entscheidung ausgeführt, daß sich ein Mitgliedstaat bis zur ordnungsgemäßen Umsetzung einer EG-Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein einzelner zum Schutz der ihm durch die Bestimmungen dieser Richtlinie verliehenen Rechte erhoben hat. Es bestehen bereits Bedenken, ob sich der EuGH mit diesem Eingriff in nationales Verfahrensrecht noch im Rahmen der durch Art. 164 ff. des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) eingeräumten Kompetenzen gehalten hat (zweifelnd auch Stadie, NVWZ 1994, 435). Der von dem EuGH aufgestellte Rechtssatz ist jedenfalls auf den Streitfall nicht anwendbar. Denn unter ausdrücklichem Hinweis auf die Rechtssache Emmott hat der EuGH seine Rechtsprechung für den Bereich der "Mehrwertsteuer" weiterentwickelt und im Urteil vom 6. Juli 1995 (RSC - 62/93, EStR 1995, 385 - Rechtssache BP Supergaz) ausgeführt, ein Steuerpflichtiger könne mit Rückwirkung auf den Tag des Inkrafttretens der im Widerspruch zur 6. EG-Richtlinie stehenden nationalen Rechtsvorschriften die Erstattung, der ohne Rechtsgrund gezahlten Mehrwertsteuer nach den in der staatlichen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedsstaats festgelegten Verfahrensmodalitäten verlangen, sofern diese Modalitäten nicht ungünstiger seien als für gleichartige Klagen, die das innerstaatliche Recht betreffen, und nicht so ausgestaltet seien, daß sie die Ausübung der Rechte, die die Gemeinschaftsrechtsordnung einräume, praktisch unmöglich machten.
Hieraus folgt, daß die in der Abgabenordnung enthaltenen Regelungen über die Bestandskraft von Steuerfestsetzungen und deren Durchbrechung grundsätzlich weiterhin Geltung haben. Die Klägerin hätte gegen die ursprünglichen Steuerfestsetzungen Rechtsmittel einlegen und die vermeintlich mangelnde Umsetzung des Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie geltend machen können. Mithin liegt insoweit auch keine Verfahrenssituation vor, die im Sinne des EuGH-Urteils in der Rechtssache BP Supergaz die Ausübung der Rechte aus der 6. EG-Richtlinie praktisch unmöglich gemacht hätte.
Darüber hinaus hat der Senat nicht festgestellt, daß es an einer ordnungsgemäßen Umsetzung von EG-Recht durch den deutschen Gesetzgeber mangelt. Die Bundesrepublik Deutschland ist vielmehr ihrer Pflicht zur Umsetzung der Richtlinienbestimmung des Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie in § 10 Abs. 1 UStG fristgerecht nachgekommen. Allerdings hat der EuGH mit Urteil vom 5. Mai 1994 in der Rechtssache ... (Az.: C 38/93, BStBl II 1994, 548) entschieden, daß bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinne entspricht, nicht zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehört. Das Urteil stand damit im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der zufolge auch jene Geldstücke zum Entgelt gehörten, die in Gestalt von Gewinnen an die Spieler ausgeschüttet werden (zuletzt: BFH, Urteil vom 29. Januar 1987 V R 53/76, BStBl II 1987, 516 m.w.N.). Diese unterschiedliche Beurteilung beruht aber nicht auf dem Formulierungsunterschied zwischen Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie und § 10 Abs. 1 UStG und damit auch nicht auf einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der EG-Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber.
Während nach Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie "alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistende für diese Umsätze erhält" zur Besteuerungsgrundlage gehört, besteht das Entgelt gemäß § 10 Abs. 1 UStG in allem, "was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten". Im Gegensatz zu Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie, der das Entgelt aus Sicht des Leistenden definiert, stellt § 10 Abs. 1 UStG auf die Position des Leistungsempfängers ab. Gleichwohl hat die Differenz in der Formulierung keine inhaltlichen Auswirkungen. Insbesondere beruht der Widerspruch zwischen dem Urteil des EuGH und der Rechtsprechung des BFH zur Besteuerung von Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten nicht auf den unterschiedlichen Formulierungen, sondern allein auf einer unterschiedlichen Auslegung der die Bemessungsgrundlage bestimmenden Tatbestandsmerkmale. Das ergibt sich aus den jeweiligen Urteilsgründen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Gewinn der Spieler als entgeltmindernde Rückvergütung auf den Preis anzusehen, weil der Automatenaufsteller keine effektive Verfügungsgewalt an den für Ausschüttungszwecke im Automaten verbliebenen Münzen erhalte. Der BFH hingegen hat eine Entgeltsrückvergütung mit der Begründung abgelehnt, durch die Gewinnauszahlung würden weder die den Umsatz zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte noch die Entgeltlichkeit des Umsatzes nachträglich aufgehoben. Außerdem könne der Unternehmer spätestens bei Außerbetriebsetzung des Automaten wirtschaftlich auch über die im sogenannten Münzstapelrohren verbliebenen Geldstücke verfügen. Unterschiedliche Auffassungen bestanden somit über die Verfügungsgewalt an den Münzstapelrohren und über die dem Umsatz zugrunde liegenden maßgeblichen zivilrechtlichen Rechtsverhältnisse. Während der EuGH eine dem deutschen Zivilrecht fremde Gesamtschau im Hinblick auf alle Spieler vorzunehmen scheint, ist der BFH von dem konkreten jeweiligen Rechtsverhältnis zwischen dem einzelnen Spieler und dem Automatenaufsteller ausgegangen.
Die Auslegung, die § 10 Abs. 1 UStG durch die Rechtsprechung des BFH gefunden hat, mag nicht richtlinienkonform gewesen sein. Die bloße nicht richtlinienkonforme Auslegung von im übrigen ordnungsgemäß in innerstaatliches Recht umgesetzten EG-Richtlinien führt nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Emmott jedoch nicht zur Durchbrechung innerstaatlicher Rechtsbehelfsfristen (vgl. BFH, Urteil vom 21. März 1996 XI R 36/95, BStBl II 1996, 399 mit dem Hinweis, daß die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde mit Beschluß vom 23. Dezember 1996 nicht zur Entscheidung angenommen wurde).
Der Beklagte war zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen 1988 und 1990 auch nicht gemäß § 173 Abs. 1 AO verpflichtet, weil den Kläger an dem nachträglichen Bekanntwerden neuer Tatsachen ein Verschulden trifft. Der Kläger ist als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts zur Selbstberechnung der Steuer verpflichtet (§ 18 Abs. 3 UStG). Zu dieser Verpflichtung gehört, daß er sich - ggf. unter Inanspruchnahme seines steuerlichen Beraters - über die grundlegenden Vorschriften des nationalen und europäischen Umsatzsteuerrechts informiert, soweit dieses Recht für sein Unternehmen relevant ist. Dementsprechend hätte er unter Anwendung der EG-Richtlinie gegenüber dem Beklagten den Umsatz ohne Anwendung des Vervielfältigers unter Hinweis auf das EG-Recht erklären können. Daß kein Fall "praktischer Unmöglichkeit" gegeben ist, zeigt die Prozeßgeschichte der vom EuGH entschiedenen Rechtssache Glawe.
Für die Vorlage an den EuGH zwecks Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 177 EGV hat der erkennende Senat keine Veranlassung gesehen, weil die Entscheidung nicht auf der Auslegung von EG-Bestimmungen beruht. Sondern sich allein aus deutschen Rechtsnormen ergibt. Die Einholung einer Vorabentscheidung über die Auslegung eines Urteils des EuGH (hier in der Rechtssache Emmott) ist im EGV nicht vorgesehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).