Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.04.1997, Az.: XIV 26/95

Erforderlichkeit des Erstellens und Bekanntgebens einer berichtigten Veranlagungsbilanz ; Vornahme einer Bilanzberichtigung bei Vorliegen eines Bilanzierungsfehlers; Kriterien für die Annahme eines Bilanzierungsfehlers

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
10.04.1997
Aktenzeichen
XIV 26/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 16092
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0410.XIV26.95.0A

Verfahrensgegenstand

Gewerbesteuermeßbetrag 1992

Amtlicher Leitsatz

Bilanzberichtigung: Für die Frage, ob ein Bilanzierungsfehler vorliegt, ist die Bilanz, die der Veranlagung zugrunde gelegen hat, entscheidend. Das Erstellen und Bekanntgeben einer berichtigten Veranlagungsbilanz ist nicht erforderlich, wenn aufgrund der Erläuterungen des FA der Kläger davon ausgehen kann, daß das FA bei der Gewinnkürzung von einem korrigierten Bilanzposten ausgegangen ist.

In dem Rechtsstreit
hat der XIV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 10. April 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht Dr. ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter Kaufmann ...
ehrenamtlicher Richter Landwirt ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) im Streitjahr eine erfolgswirksame Bilanzberichtigung vornehmen durfte.

2

Die Klägerin betreibt ein Fuhrunternehmen. Ihren Gewinn ermittelt sie durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Im Jahr 1990 hat sie ein Mineralgewinnungsrecht zum Kaufpreis von 1,6 Mio. DM erworben. Der Kaufpreis war in Raten zu begleichen. Da die Raten nicht zu verzinsen waren, wurden die Anschaffungskosten und Werte der Verbindlichkeiten in der Bilanz einvernehmlich abweichend vom Nennbetrag ausgewiesen. In der Bilanz zum 31.12.1991 aktivierte die Klägerin insoweit einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten "Zinsen K" in Höhe von 109.590,00 DM.

3

Das FA berücksichtigte jedoch bei der Durchführung des Feststellungsverfahrens 1991 und dem Erlaß des Gewerbesteuerbescheides 1991 den in den Kaufpreisraten enthaltenen Zinsaufwand doppelt, was zu einer Gewinnminderung von 56.940,00 DM führte. Das FA erläuterte diese Gewinnminderung in den Anlagen zum Feststellungsbescheid 1991 und zum Gewerbesteuermeßbescheid 1991. In der Anlage des Feststellungsbescheides wurde die Entwicklung des Kapitalwertes der Verbindlichkeit gegenüber der Firma K auf den 31.12.1991 dargestellt und sodann auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung der geleisteten Ratenzahlungen und der Verringerung des Nennwertes der Verbindlichkeit zum 31.12.1991 gegenüber dem 01.01.1991 der auf 1991 entfallende Zinsanteil mit 56.940,00 DM ermittelt. Dieser Zinsanteil wurde nach der im Feststellungsbescheid 1991 enthaltenen Begründung vom erklärten Gewinn in Abzug gebracht. Im einzelnen wird auf die Anlage zum Feststellungsbescheid 1991 Bezug genommen (Bl. 8 FestA). In der Anlage zum Gewerbesteuermeßbescheid 1991 stellte das FA die Erhöhung der Entgelte für die Dauerschulden um den in den Kaufpreisraten enthaltenen Zinsanteil von 56.940,00 DM dar. Auf diese Anlage wird ebenfalls Bezug genommen (Bl. 13 GewStA). Der Feststellungsbescheid 1991 sowie der Gewerbesteuermeßbescheid 1991 sind bestandskräftig geworden.

4

Im Zuge der Bearbeitung der Steuererklärungen für das Streitjahr erkannte das FA den Fehler und berichtigte in der Bilanz zum 31.12.1992 den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten gewinnerhöhend. Insoweit wird auf die Anlage zum Feststellungsbescheid für 1992 Bezug genommen (Bl. 20 FestA des FA). Bei der Ermittlung des Steuermeßbetrags nach dem Gewerbeertrag setzte es dementsprechend an Stelle des erklärten Gewinns aus Gewerbebetrieb i.H.v. 183.866,00 DM einen um 56.940,00 DM erhöhten Gewinn, mithin einen Betrag von 240.806,00 DM, an.

5

Zur Begründung des gegen den Gewerbesteuermeßbescheid eingelegten Einspruchs trug die Klägerin vor, in den Bilanzen und Steuererklärungen der Jahre 1991 und 1992 seien die korrekten Werte berücksichtigt. Der Bilanzzusammenhang sei gewahrt, es sei der richtige periodengerechte Gewinn ausgewiesen und der Totalgewinn zutreffend ermittelt. Der Fehler, den das FA gemacht habe, begründe keine Gewinnerhöhung im Streitjahr. Der Einspruch blieb erfolglos. Unter Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 11.02.1988 IV R 19/87 (BStBl II 1988, 825), vom 08.12.1988 IV R 33/87 (BStBl II 1989, 407) und vom 16.05.1990 X R 72/87 (BStBl II 1990, 1044) führte das FA aus, der fehlerhafte Ansatz des Rechnungsabgrenzungspostens im Jahr 1991 könne im Wege der Bilanzberichtigung im Veranlagungszeitraum 1992 korrigiert werden.

6

Mit der hiergegen erhobenen Klage beruft sich die Klägerin weiterhin auf den von ihr in der Steuerbilanz richtig ausgewiesenen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten. Eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 EStG sei nicht möglich, da kein unrichtiger Bilanzansatz vorliege. Es handele sich um einen Fehler des FA, den die Klägerin nicht zu vertreten habe.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gewerbesteuermeßbescheid 1992 vom 27.06.1994 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 13.12.1994 abzuändern und den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag auf 11.859,00 DM festzusetzen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Fehlerhafte Bilanzansätze seien grundsätzlich in der ersten Schlußbilanz richtig zu stellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften möglich sei. Im Streitfall habe der tatsächlichen Verlagung 1991 abweichend von der Erklärung ein zu niedriger Bilanzansatz zugrunde gelegen. Dieser fehlerhafte Bilanzansatz zum 31.12.1991 sei zum 01.01.1992 zu korrigieren und führe somit zu einem höheren Gewinn im Streitjahr. Für die Frage der Bilanzberichtigung sei nicht entscheidend, wer den Fehler zu vertreten habe, sondern die Tatsache, daß der Bundesfinanzhof die Ermittlung des richtigen Totalgewinns über die periodengerechte Gewinnermittlung stelle.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist unbegründet. Die Ermittlung des Steuermeßbetrages nach dem Gewerbeertrag gemäß § 7 Gewerbesteuergesetz (GewStG) für das Streitjahr ist nicht zu beanstanden.

11

1.

Das FA durfte den im Jahr 1991 der Gewinnermittlung zugrunde gelegten Bilanzposten "aktive Rechnungsabgrenzung" im Streitjahr gewinnerhöhend berichtigen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG).

12

Nach dem aus § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG abgeleiteten Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs ist das Betriebsvermögen in der Schlußbilanz eines früheren Wirtschaftsjahres mit dem in der Eröffungsbilanz des Folgejahres identisch. Durch diese Zweigleisigkeit der Bilanzen wird trotz einer eventuellen zeitlichen Gewinnverlagerung ein Fehlerausgleich im jeweiligen Besteuerungsabschnitt im Interesse der zutreffenden Besteuerung des betrieblichen Totalgewinns ermöglicht (Beschluß des Großen Senates vom 29.11.1965 GrS 1/65 S, BStBl III 1966, 142, 143). Dies gilt auch für die Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 7 GewStG (vgl. BFH-Urteil vom 25.04.1990 I R 78/85, BFH-NV 1990, 630). Liegt für das Jahr, in dem es zu der fehlerhaften Bilanzierung gekommen ist, bereits ein aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr änderbarer Bescheid vor, so ist nach der Rechtsprechung des BFH der unrichtige Bilanzansatz grundsätzlich erfolgswirksam in der ersten Schlußbilanz richtig zu stellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der Verjährung maßgeblichen Vorschriften noch möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom 31.05.1989 III R 154/86, BFHE 157, 172; vom 25.04.1990 I R 78/85 a.a.O.).

13

2.

Nach diesen Grundsätzen war die Bilanzberichtigung im Streitjahr 1992 zulässig.

14

a)

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, daß die von ihr erstellte Bilanz für das Jahr 1991 richtig war. Zutreffend weist das FA aber darauf hin, daß es hierauf nicht ankommt. Entscheidend für die Frage, ob ein Bilanzierungsfehler vorliegt, ist vielmehr die Bilanz, die der Veranlagung zugrunde gelegen hat (vgl. BFH-Urteil vom 11.02.1988 IV R 19/87, BStBl II 1988, 823 m.w.N.). Diese sogenannte Veranlagungsbilanz (vgl. Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 4 Rdz. 701) war im Streitfall für das Jahr 1991 fehlerhaft. Denn das FA hat bei der Ermittlung des Gewinns aus Gewerbetrieb 1991 den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten Zinsen zu Unrecht statt mit 109.590,00 DM mit 52.650,00 DM angesetzt, was zu einer - unstreitig fehlerhaften - Gewinnminderung von 56.940,00 DM führte.

15

b)

Zwar hat das FA bei der Veranlagung des Jahres 1991 keine berichtigte Verlagungsbilanz 1991 erstellt und diese der Klägern bekannt gegeben. Dies war nach Auffassung des Senates noch nicht erforderlich. Ausreichend war es, daß das FA der Klägerin in der Anlage zum Gewerbesteuermeßbescheid 1991 und zum Feststellungsbescheid 1991 die gewinnwirksame Änderung erläutert hat. Insbesondere die Anlage zum Feststellungsbescheid 1991 machte deutlich, daß die Gewinnkürzung auf der Berücksichtigung eines (höheren) Zinsanteils im Zusammenhang mit der ratenweisen Tilgung der Verbindlichkeit gegenüber der K beruhte. Dies war aufgrund des insoweit aktivierten Rechnungsabgrenzungspostens "Zinsen K" bilanztechnisch nur durch eine Korrektor dieses Bilanzpostens möglich. Unter diesen Umständen mußte die steuerlich beratene Klägerin davon ausgehen, daß das FA bei der Kürzung des Gewinns von einem korrigierten (herabgesetzten) aktiven Rechnungsabgrenzungsposten "Zinsen K" ausging. Da keine Anhaltspunkte für eine durch einen sonstigen Geschäftsvorfall verursachte Gewinnkürzung bestanden und sich die Korrektor des aktiven Rechnungsabgrenzungspostens "Zinsen K" im Wege der Auslegung aus der Anlage zum Feststellungsbescheid 1991 ableiten ließ, durfte auf die Erstellung einer (verkürzten) berichtigten Veranlagungsbilanz verzichtet werden.

16

3.

Eine gewinnwirksame Berichtigung scheidet auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus, weil das FA der Klägerin den fehlerhaften Bilanzansatz in 1991 aufgezwungen hat. Denn das FA hat nicht bewußt eine Gewinnverlagerung zu Ungunsten der Klägerin vorgenommen, sondern sich bei der Berechnung der Höhe des anzusetzenden Rechnungsabgrenzungsposten geirrt. Eine Bindung des FA nach Treu und Glauben setzt darüber hinaus voraus, daß der Steuerpflichtige aufgrund eines Verhaltens des FA disponiert hat (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.1991 XII R 25/89, BFH-NV 1991, 720; vom 13.12.1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274). Hierfür liegen nach Aktenlage keine Anhaltspunkte vor. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, entsprechende vertrauensgeschützte Dispositionen vorgenommen zu haben.

17

4.

Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung abzuweisen.