Finanzgericht Niedersachsen
v. 28.04.1997, Az.: IX 329/93

Besteuerung der Berufsunfähigkeitsrente als Leibrente nach dem Einkommensteuergesetz (EStG); Aufteilung einer Rente in verschiedene Laufzeiten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.04.1997
Aktenzeichen
IX 329/93
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 1997, 15987
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0428.IX329.93.0A

Fundstellen

  • DStRE 1997, 672-673 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB DokSt 1998, 855-856

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1989

Ertragsanteil bei Erwerbsunfähigkeitsrente

In dem Rechtsstreit
hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
durch
den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter
am 28. April 1997
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid vom 21. Oktober 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 1993 wird geändert. Die Einkommensteuer wird auf 4.012 DM festgesetzt.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Ertragsanteils einer Berufsunfähigkeitsrente im Streitjahr 1989.

2

Die Kläger sind Eheleute. Sie wurden im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erklärte in seiner Steuererklärung 1989 u.a. Einnahmen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente von 80.473 DM. Als Laufzeit der Rentenzahlungen gab er den 1. Januar 1988 bis 1. Februar 1990 an.

3

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) legte der Rente einen Ertragsanteil von 39 v.H. zugrunde und unterzog nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags 31.184 DM der Besteuerung.

4

Der unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Januar 1991 (BStBl II 1991, 680) erhobene Einspruch war erfolglos. Dagegen richtet sich die Klage.

5

Der Kläger trägt vor, das FA habe unzutreffend angenommen, die Rente werde mit Erreichen des 62. Lebensjahres in eine Altersrente umgewandelt. Die Rente sei von der Versicherung nur bis Februar 1990 bewilligt gewesen. Eine Verlängerung über diesen Termin hinaus, sei von einer ärztlichen Untersuchung abhängig. Diese sei in den Folgejahren auch immer durchgeführt worden. Deshalb sei der Ertragsanteil nach der voraussichtlichen Laufzeit der Rente - hier bis Februar 1990 - zu bestimmen. Bei einer Laufzeit von zwei Jahren müsse der Ertragsanteil nur mit 2 v.H. angesetzt werden.

6

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1989 vom 21. Oktober 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juni 1993 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Renteneinnahmen von 1.609 DM niedriger festzusetzen.

7

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Es bleibt bei seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung, es liege im Streitfall eine abgekürzte Leibrente vor, deren Ertragsanteil sich nach der voraussichtlichen Gesamtlaufzeit - hier bis zum 26. März 2015 - richte.

9

Nach einer Auskunft der Versicherung vom 9. September 1996 wird dem Kläger bis zum 1. März 1997 die Berufsunfähigkeitsrente gewährt. Eine Verlängerung sei von einer erneuten ärztlichen Prüfung abhängig. Bereits in einer Bescheinigung vom 3. April 1989 hatte die Versicherung die Laufzeit bis zum 28. Februar 1990 bestätigt und die Verlängerung von einer Untersuchung abhängig gemacht.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist begründet.

11

Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtswidrig. Die Kläger werden durch ihn in ihren Rechten verletzt, da das FA den Ertragsanteil der Rente unzutreffend mit 39 v.H. der Besteuerung zugrunde gelegt hat.

12

Die vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente ist eine Leibrente i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der "Ertrag des Rentenrechts (Ertragsanteil)" sind die Einkünfte, die erzielt werden durch zeitlich gestreckte Auszahlung eines verzinslichen Kapitals während der Lebenszeit einer Bezugsperson (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Juli 1986 IX R 206/84, BFHE 147, 176, 178, BStBl II 1986, 747, 749). Nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ist es nicht möglich, die aufgrund des maßgeblichen Versicherungsfalles berufsorientiert bemessene Versicherungsleistung in mehrere, zu verschiedenen Zeiten - d.h. mit unterschiedlichem "Beginn" und mit jeweils unterschiedlicher "Laufzeit" - (rück-)zahlbare "Rentenrechte" zu zerlegen.

13

1.

Zum Beginn der Rente

14

Die "Rente auf Zeit" ist lediglich ein besonderes verwaltungstechnisches Instrument zur zeitlich begrenzten Regelung eines mutmaßlich sich ändernden Sachverhalts. Die wiederholte Bewilligung einer Rente auf Zeit wegen desselben Versicherungsfalles korrigiert die nach den Versicherungsbedingungen zu treffende Prognoseentscheidung; sie bewirkt aber nicht den Beginn einer neuen Rente, da ein neuer Versicherungsfall nicht vorliegt. Für den "Beginn der Rente" kommt es also nicht darauf an, wann die Rente bewilligt gezahlt wird (BFH-Urteile vom 26. August 1975 VIII R 93/80, BFHE 116, 547, BStBl II 1975, 884, mit weiteren Nachweisen) oder ob einzelne Rentenansprüche z.B. wegen Verjährung (BFH-Urteil vom 30. September 1980 VIII R 13/79, BFHE 132, 26, BStBl II 1981, 155) oder wegen verspäteter Antragstellung nicht gezahlt werden. Beginn der Rente ist im Streitfall demnach der Eintritt des Versicherungsfalls.

15

2.

Zur Bemessung des Ertragsanteils

16

Die Besteuerung der hier vorliegenden Berufsunfähigkeitsrente als abgekürzte Leibrente ist nicht von einer Mindestdauer des Rentenbezugs abhängig. Bei zeitlicher Aufeinanderfolge mehrerer Renten auf Zeit ist - bei gleichbleibendem Rentenbeginn - die voraussichtliche Laufdauer der Rente unter Berücksichtigung der jeweiligen Verlängerung für jeden Veranlagungszeitraum neu zu bestimmen. Dies entspricht der Anweisung in Abschn. 167 Abs. 6 Satz 16 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1990: Wird die beschränkte Laufzeit der abgekürzten Leibrente nachträglich geändert, so ist ab diesem Zeitpunkt der neue Ertragsanteil maßgebend, der nach der Ertragswerttabelle des § 55 Abs. 2 EStDV für die neue Laufzeit ab Beginn des Rentenbezugs in Betracht kommt (vgl. ferner Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 6. Juni 1990, Der Betrieb - DB - 1990, 1263). Die Literatur hat diese Auffassung gebilligt (Jansen/Wrede, Renten, Raten, Dauernde Lasten, 9. Aufl. 1986, Rdnr. 353; Fischer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 22 Rdnr. B 234). Der BFH ist dieser Auffassung im Urteil vom 22.01.1991 X R 97/89 (BStBl II 1991, 686) gefolgt. Das erkennende Gericht schließt sich dem an.

17

Danach ist im Streitfall mit dem Kläger davon auszugehen, daß die Laufzeit der Rente im Streitjahr zunächst 2 Jahre (1. Januar 1988 - 28. Februar 1990) beträgt und der Ertragswert mit 2 v.H. zu bemessen ist.

18

Der angefochtene Steuerbescheid ist wie folgt zu ändern:

zu versteuerndes Einkommen bisher61.281 DM
ab sonstige Einkünfte./.31.184 DM
zu sonstige Einkünfte
Bruttoeinnahmen
2 v.H. von 80.473 DM1.609 DM
DM
ab Werbungskosten-Pauschbetrag./.200 DM
Einkünfte1.409 DM+1.409 DM
zu versteuerndes
Einkommen neu31.506 DM
Einkommensteuer nach der Splittingtabelle4.012 DM.
19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung.