Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.04.1997, Az.: VII 614/96 Ki

Definition der Einkünfte nach dem Einkommensteuergesetz (EStG); Einkünfte eines sich in Ausbildung befindenden Kindes zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Kindergeld; Kosten für Bekleidung und Schuhe eines sich in Ausbildung befindenden Kindes als Werbungskosten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
15.04.1997
Aktenzeichen
VII 614/96 Ki
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 15985
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0415.VII614.96KI.0A

Verfahrensgegenstand

Maßgeblichkeit des Jahreseinkommens für den Kindergeldanspruch eines während des gesamten Kalenderjahres in Ausbildung stehenden Kindes

Zahlung für Kindergeld

In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
mit Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 15. April 1997,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Hotelinhaberin
ehrenamtliche Richterin ... Landwirtin
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Einkünfte und Bezüge eines Kindes, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 12.000 DM im Kalenderjahr übersteigen.

2

Die Klägerin beantragte am 30. Juli 1996 bei dem Beklagten - dem Arbeitsamt - Familienkasse - (Arbeitsamt) - für ihren am 13. Mai 1974 geborenen Sohn A. Kindergeld. Das Kind absolviert seit dem 1. August 1995 eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Die Ausbildungsvergütung belief sich in der Zeit zwischen dem 1. August 1995 und dem 31. Juli 1996 auf 1.060 DM pro Monat und seit 1. August 1996 auf 1.215 DM pro Monat. Für 1996 wurde außerdem ein Urlaubsgeld in Höhe von 1.163 DM gewährt.

3

Durch Bescheid vom 27. August 1996 lehnte das Arbeitsamt den Kindergeldantrag ab, da die Einkünfte/Bezüge des Kindes die maßgebliche Einkommensgrenze von 12.000 DM überstiegen.

4

Mit dem dagegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, daß die Einkünfte ihres Sohnes unter Berücksichtigung der damit im Zusammenhang stehenden Werbungskosten (2.057,65 DM) unter der maßgeblichen Einkommensgrenze lägen. Der geltend gemachte Betrag setzte sich wie folgt zusammen:

Fahrtkosten1.000,00 DM
Fachbücher100,80 DM
Kleidung656,85 DM
Schuhe300,00 DM.
5

Durch Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 1996 wies das Arbeitsamt den Einspruch als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, daß die Einkünfte des Sohnes auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Werbungskosten die Einkommensgrenze von 12.000 DM überstiegen. Dem lag folgende Berechnung zugrunde:

Ausbildungsvergütung Januar bis Juli 19967 × 1.060,00 DM
Ausbildungsvergütung August bis Dezember 19965 × 1.215,00 DM
Urlaubsgeld1.163,00 DM
14.658,00 DM
Werbungskosten./. 2.057,65 DM
maßgebliche Einkünfte12.600,35 DM.
6

Mit der hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin unter Hinweis auf § 32 Abs. 4 Satz 2 und 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, daß der Anspruch auf Kindergeld nur für die Monate entfalle, in denen die Einkünfte des Sohnes den Betrag von 1.000 DM (1/12 der maßgeblichen Jahreseinkommensgrenze) überstiegen hätten. Dies sei erst ab dem 1. August 1996 der Fall. Demgegenüber bestehe für die Monate Januar bis Juli 1996 Anspruch auf Kindergeld, wie die folgende Berechnung zeige:

Ausbildungsvergütung Januar bis Juli 1996 7 × 1.060 DM= 7.420,00 DM
anteiliges Urlaubsgeld 7 × 96 DM= 672,00 DM
zusammen8.062,00 DM
anteilige Werbungskosten (7/12 von 2.057,56 DM)1.200,30 DM
Einkünfte insgesamt6.891,70 DM.
7

Hiernach übersteige die zu berücksichtigende Ausbildungsvergütung den gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Betrag von 7.000 DM (7/12 von 12.000 DM) nicht.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 27. August 1996 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 1996 zu verpflichten, das Kindergeld für ihren Sohn Alexander für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juli 1996 auf DM 200 pro Monat festzusetzen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest und weist darauf hin, daß es sich bei der in § 32 Abs. 4 Satz 2 genannten Einkommensgrenze um einen auf das Kalenderjahr bezogenen Jahresbetrag handele. Die Vorschriften des § 32 Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG, auf die sich die Klägerin stütze, bezögen sich auf Fälle, in denen die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung des Kindes nach Satz 1 Nrn. 1 und 2 nur während eines Teils des Kalenderjahres vorgelegen hätten. Im Streitfall habe sich der Sohn der Klägerin aber während des gesamten Jahres 1996 in Berufsausbildung befunden und damit die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfüllt.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsamt hat den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld für ihren Sohn A. zu Recht abgelehnt.

12

Nach § 62 Abs. 1 EStG besteht unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift Anspruch auf Kindergeld für Kinder im Sinne des § 63 EStG. Hierzu gehören insbesondere Kinder im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). § 32 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend (§ 63 Abs. 1 Satz 2 EStG).

13

Ein Kind, das - wie im Streitfall der Sohn A. der Klägerin - das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wird hiernach berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird und es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12.000 Deutsche Mark im Kalenderjahr hat (§ 32 Abs. 2 Satz 2 EStG). Was unter Einkünften im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, bestimmt sich nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, zu denen auch die von dem Sohn der Klägerin bezogene Ausbildungsvergütung gehört, ist hiernach der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten anzusetzen. Im Streitfall beläuft sich der Bruttoarbeitslohn des Kindes unter Berücksichtigung des Urlaubsgeldes wie von dem Arbeitsamt berechnet auf 14.658 DM. Von diesem Betrag ist lediglich der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2.000 DM nach § 9 a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG abzuziehen, da der von der Klägerin ermittelte höhere Betrag von 2.057,65 DM in Höhe von 956,85 DM auf Bekleidung und Schuhe und damit auf nichtabziehbare Kosten der allgemeinen Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) entfällt. Die sich hiernach ergebenden Einkünfte von 12.658 DM übersteigen die Einkommensgrenze nach § 34 Abs. 2 Satz 2 EStG, so daß der Anspruch auf Kindergeld für das Kalenderjahr 1996 entfällt.

14

Die Auffassung der Klägerin, daß der Anspruch nur für diejenigen Kalendermonate ausgeschlossen sei, in denen die laufenden Einkünfte unter zeitanteiliger Berücksichtigung einmaliger Leistungen 1/12 dieses Betrages überschreiten, steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, der auf die Verhältnisse des gesamten Kalenderjahres abstellt. Die davon abweichende Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG gilt - worauf das Arbeitsamt zutreffend hingewiesen hat - nur für den Fall, daß die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung des Kindes nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nicht während des gesamten Kalenderjahres vorgelegen haben. In diesem Fall vermindert sich der Betrag nach Satz 2 für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung nicht erfüllt waren, um 1/12. Zugleich bleiben die auf diese Kalendermonate entfallenden Einkünfte und Bezüge des Kindes außer Ansatz. Im Streitfall stand der Sohn der Klägerin jedoch während des gesamten Kalenderjahres 1996 in einem Berufsausbildungsverhältnis, so daß die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a während dieses gesamten Zeitraums vorgelegen haben. Für eine zeitanteilige Kürzung der Einkommensgrenze und der von dem Kind bezogenen Einkünfte ist hiernach kein Raum.

15

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung abzuweisen.