Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.11.2013, Az.: 4 W 186/13
rechtlicher Vorteil für Minderjährige; Ergänzungspfleger; Nießbrauch
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 07.11.2013
- Aktenzeichen
- 4 W 186/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64331
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 09.09.2013 - AZ: Müden Blatt 850
Rechtsgrundlagen
- § 107 BGB
- § 1909 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Genehmigung eines unentgeltlichen Übertragungsvertrags ist notwendig, wenn die Eltern der minderjährigen Übernehmerin ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Grundbesitz erhalten sollen und eine Pflicht der Eltern zur Übernahme von Kosten jeglicher Art nicht vereinbart ist (Aufgabe von Senat, Beschluss vom 16. Februar 2001, Az: 4 W 324/00).
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Gifhorn vom 9. September 2013 i. d. F. des Nichtabhilfebeschlusses vom 1. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Eintragung einer Eigentumsumschreibung und eines Nießbrauchsrechts. Die Beteiligte zu 1 übertrug ihrer minderjährigen Enkeltochter, der Beteiligten zu 2, den streitgegenständlichen Grundbesitz nebst Anteilen an der Forstinteressentenschaft M. im Wege vorweggenommener Erbfolge. Zugunsten ihrer Eltern, den Beteiligten zu 3 und 4, räumte die Beteiligte zu 2 ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht ein. Weitere Regelungen hinsichtlich des Nießbrauchsrechts enthält die Vertragsurkunde nicht.
Das Grundbuchamt hat die begehrten Eintragungen von der Genehmigung eines die Beteiligte zu 2 vertretenden Ergänzungspflegers abhängig gemacht, weil der Übertragungsvertrag mit der Bestellung des Nießbrauchsrechts nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sei. Hiergegen wenden sich die Beteiligten mit der Beschwerde vom 26. September 2013. Nachdem sie als Begründung zuerst angegeben haben, sie hätten erst jetzt den Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers stellen können, verweisen sie nunmehr zur Begründung dazu, dass die Übertragung lediglich rechtlich vorteilhaft wäre, auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Aktenzeichen V ZB 13/04 (z. B. in NJW 2005, 415 ff.).
II.
Die gem. § 71 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Grundbuchamt hat zu Recht die Übertragung des Grundbesitzes auf die Beteiligte zu 2 von der Genehmigung eines Ergänzungspflegers abhängig gemacht.
1. Die Beteiligte bedarf als Minderjährige gem. den §§ 107, 108 BGB der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters, wenn es sich um den Abschluss eines nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäfts handelt. Können die Eltern ihr Kind nicht vertreten, weil auch ein Vormund von der Vertretung ausgeschlossen wäre, § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 1695 Abs. 1 Nr. 1 BGB, ist gem. § 1909 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
2. Die Beteiligte zu 2 erlangt durch den Vertrag nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil. Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft ist für Minderjährige nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet (BGH NJW 2010, 3643, Rn. 6 - aus juris; BGH NJW 2005, 415, 417). Die Beurteilung ist unabhängig davon, ob die weitergehenden Verpflichtungen von dem Beteiligten des Rechtsgeschäfts angestrebt worden sind; es genügt, wenn sie die gesetzliche Folge des angestrebten Rechtsgeschäfts sind. Erforderlich ist hierfür eine isolierte Betrachtung allein des dinglichen Erwerbsgeschäfts (BGH NJW 2010, 3643 [BGH 30.09.2010 - V ZB 206/10], Rn. 6; BGH NJW 2005, 415, 416 f. [BGH 25.11.2004 - V ZB 13/04]). Haftet die Minderjährige nicht nur dinglich mit dem erworbenen Grundstück, sondern auch persönlich mit dem eigenen Vermögen, ist das Geschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft (BGH NJW 2005, 1430 f. [BGH 03.02.2005 - V ZB 44/04]).
Dies ist hier der Fall. Eine Beschränkung der Haftung der Beteiligten zu 2 auf den Grundbesitz ist nicht gegeben. Zwar ist nach der von den Beteiligten zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Erwerb eines Grundstücks unter gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchsrechts nicht von der Genehmigung eines Ergänzungspflegers abhängig, wenn der Nießbraucher gleichzeitig über die sich aus §§ 1041, 1047 BGB ergebenden Belastungen hinaus auch die Kosten außergewöhnlicher Ausbesserungen und Erneuerungen sowie die außergewöhnlichen Grundstückslasten zu tragen hat (ebenso OLG München NJW-RR 2012, 137 [OLG München 23.09.2011 - 34 Wx 311/11]). Hiervon ist der vorliegende Sachverhalt jedoch zu unterscheiden. Die Vertragsbeteiligten haben gerade keine derartige Abrede getroffen, dass die Nießbrauchsberechtigten sämtliche Kosten pp. zu tragen hätten. Ihr Einwand, bei dem übertragenen Grundbesitz handele es sich um eine Ackerfläche und Kosten, außergewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen sowie außergewöhnliche Grundstückslasten würden nicht anfallen, ist unerheblich. Denn der Anfall entsprechender Kosten kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Abgesehen davon bleibt die Möglichkeit, dass die Beteiligte zu 2 gem. § 1049 BGB i. V. m. den §§ 677 ff. BGB den Beteiligten zu 3 und 4 Ersatz der Kosten für auf die Sache gemachten Verwendungen schuldet.
Darüber hinaus sind mit dem Vertrag nicht nur Grundbesitz, sondern auch Anteile an der Forstinteressentenschaft M. übertragen worden. Ob und wie sich dies zum Nachteil der Beteiligten zu 2 auswirkt, ist offen.
3. Soweit der Senat in der Entscheidung vom 16. Februar 2001 zum Az. 4 W 324/00 eine andere Auffassung zur Genehmigungspflicht durch einen Ergänzungspfleger vertreten haben sollte, wird hieran nicht festgehalten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren erfolgt in Höhe von 1/4 des von den Vertragsbeteiligten angegebenen Grundstückswerts in Höhe von 20.000 €.
Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 78 GBO bot dieser Sachverhalt nicht.