Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.11.2013, Az.: 17 WF 203/13
Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bei Anspruch auf einen in Raten zu erbringenden Verfahrenskostenvorschuss
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 04.11.2013
- Aktenzeichen
- 17 WF 203/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 49557
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2013:1104.17WF203.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Celle - 29.07.2013
Rechtsgrundlagen
- § 1360a Abs. 4 BGB
- § 246 Abs. 1 FamFG
- § 115 Abs. 3 ZPO
Fundstellen
- AGS 2014, 139-140
- FPR 2013, 5
- FamRZ 2014, 783-784
- FuR 2014, 602
Amtlicher Leitsatz
1. Der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss setzt die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen voraus; der Vorschuss kann auch in Raten erbracht werden.
2. Besteht nur ein ratenweiser Vorschussanspruch, ist dem Vorschussberechtigten Verfahrenskostenhilfe mit entsprechender Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen.
3. Der Realisierbarkeit des Vorschussanspruchs kann -soweit der Gesichtspunkt der Mutwilligkeit nicht entgegensteht- durch einen adäquaten Einsatzzeitpunkt für die Ratenzahlung Rechnung getragen werden.
4. Solange der Vorschusspflichtige selbst nicht um Verfahrenskostenhilfe nachsucht, kann die Auferlegung eines Vorschusses schließlich auch nicht unbillig erscheinen (vgl. dazu OLG Celle, Beschluss vom 29. Juli 2009 - 10 WF 222/09 -, [...]).
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Celle vom 29. Juli 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Celle zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren versagt. Die Antragstellerin habe nicht dargetan, dass sie nicht über einzusetzendes Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 3 ZPO verfügt. Ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss stelle einen solchen einzusetzenden Vermögenswert dar. Nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen stehe ihrem Ehemann, dem Antragsgegner, keine Verfahrenskostenhilfe zu, was dazu führe, dass die Antragstellerin ihrerseits gegen ihn einen Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Letztere ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht zur erneuten Prüfung und Entscheidung.
Die Versagung der Verfahrenskostenhilfe hält einer Nachprüfung nicht stand.
Die Antragstellerin kann allein aus dem Umstand, dass dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe nicht zusteht, keinen uneingeschränkten Anspruch der Antragstellerin auf einen Verfahrenskostenvorschuss gegen ihn herleiten.
Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1360a Abs. 4 S. 1BGB). Dieser Anspruch ist nach seiner systematischen Stellung als Ausfluss der Unterhaltspflicht anzusehen (BGH, Urteil vom 15. Mai 1985 - IVb ZR 33/84 -, BGHZ 94, 316-324 = FamRZ 1985, 802 [BGH 15.05.1985 - IVb ZR 33/84], Büte in Büte/Poppen/Menne, Unterhaltsrecht, 2. Auflage, §1360a, Rn. 20). Mithin ist die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten ein maßgebliches Kriterium bei der Prüfung des Vorschussanspruchs. Dabei ist auf die auch sonst gültigen Selbstbehaltssätze der Leitlinien zurückzugreifen. Soweit dabei der angemessene Selbstbehalt nach §§ 1581 Satz 1, 1603 Abs. 1 BGB gewahrt bleiben muss, entspringt dieses der im Gesetz ausdrücklich geregelten Vorschusspflicht unter Ehegatten (BGH, Beschluss vom 04. August 2004 - XII ZA 6/04 -, FamRZ 2004, 1633, Tz. 14). Der aktuelle Selbstbehalt des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin beläuft sich auf 1.100 €.
Nach den von der Antragstellerin dargelegten Einkommensverhältnissen des Antragsgegners stehen diesem monatlich rund 1.148 € zur Verfügung, was folgende Übersicht auf Basis seiner Verdienstabrechnung für Juni zeigt:
Leistungsfähigkeit Ehemann für VKV | |
---|---|
Steuerbrutto (ohne Spesen) | 11.257,10 |
Lohnsteuer | -125,98 |
KV | -923,09 |
RV | -1.103,21 |
AV | -168,86 |
PV | -109,76 |
1/3 des Verpflegungszuschlags | 819,30 |
Summe 6 Monate | 9.645,50 |
Monat | 1.607,58 |
Pensionskasse | -80,65 |
Summe | 1.526,93 |
Kindesunterhalt | -379,00 |
verbleiben für Gattenunterhalt | 1.147,93 |
Selbstbehalt | -1.100,00 |
frei für Verfahrenskostenvorschuss | 47,93 |
Die Abrechnung enthält steuerfreie Verpflegungszuschläge, die wie Spesen zu behandeln sind (Hinzurechnung von 1/3 zu den sonstigen Nettoeinkünften des Antragsgegners). Mithin stehen dem Antragsgegner zur Deckung des Sonderbedarfs der Antragstellerin monatlich rund 48 € über seinem Selbstbehalt zur Verfügung.
Ist ein Ehegatte in der Lage, ohne Verletzung seines Eigenbedarfs Raten auf den Verfahrenskostenvorschuss zu leisten, steht seine mangelnde Fähigkeit, den Vorschuss in einer Summe aufzubringen, dem Anspruch nicht entgegen. Die unterhaltsrechtliche Natur und der Vergleich mit den wiederkehrenden monatlichen Unterhaltsleistungen sprechen vielmehr ausdrücklich für eine Vorschusspflicht auch in Form von Ratenzahlungen. Dem steht nicht entgegen, dass ein vorschussberechtigter Ehegatte seinerseits gegenüber seinem Verfahrensbevollmächtigten und der Staatskasse in vollem Umfang vorschusspflichtig ist. Denn diese Vorschusspflicht entfällt, wenn ihm - sei es auch nur gegen Raten - Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird (BGH aaO., Tz. 18/19).
Eine Inanspruchnahme des Antragsgegners wäre allerdings auch in diesem Fall ausgeschlossen, wenn dieser in ein und demselben Verfahren höhere Raten zu zahlen hätte, als gesetzlich in § 115 Abs. 2 ZPO vorgesehen ist (OLG Celle, Beschluss vom 29. Juli 2009 - 10 WF 222/09 -, FamRZ 2010, 53, Tz. 7). Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Insoweit kann es nur auf die tatsächliche Sachlage hinsichtlich der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ankommen, die sich hier so darstellt, dass der Antragsgegner sich nicht (mit Raten) an den Verfahrenskosten zu beteiligen hat.
Andernfalls würde entweder der um Verfahrenskostenhilfe nachsuchende Beteiligte gezwungen, auch zur Verfahrenskostenhilfeberechtigung des anderen Beteiligten vorzutragen. Hierzu ist jedoch ein Beteiligter außerstande, was sich bereits daraus ergibt, dass ein eventueller unterhaltsrechtlicher Auskunftsanspruch nicht die Wohnkosten des anderen Ehegatten oder Verwandten umfasst. Andererseits verbietet sich jede Mutmaßung über die Voraussetzungen eines möglichen Bewilligungsumfangs hinsichtlich eines Beteiligten, für den Auskünfte nicht vorliegen. Schließlich kann nur auf diesem Wege eine vollständige Überprüfung dahin gehend erfolgen, ob einander unterhaltspflichtigen Ehegatten für ein Scheidungsverfahren unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse Verfahrenskostenhilfe zusteht.
Der Verfahrenskostenhilfe begehrende Beteiligte wird durch eine solche Betrachtungsweise auch nicht unangemessen benachteiligt. Ihm kann nämlich durch die Bestimmung des Einsatzzeitpunktes für die Ratenzahlung - soweit die bisherige Nichtverfolgung eines solchen Anspruchs nicht mutwillig erscheint - ggf. noch ausreichend Raum gegeben werden, seinen aus dem Unterhaltsrecht erwachsenen Vorschussanspruch im Wege der einstweiligen Anordnung zu realisieren (vgl. dazu Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 33. Auflage, § 115, Rn. 19). In diesem Verfahren mag der Unterhaltspflichtige dann ggf. einwenden, dass ein Verfahrenskostenvorschuss unbillig erscheint, weil ihm selbst nur Verfahrenskostenhilfe unter Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen sei oder aber seine Verpflichtung zur ratenweisen Deckung des Sonderbedarfs des Berechtigten im Rahmen seiner bereits summarisch ermittelten Leistungsfähigkeit akzeptieren. Schließlich hat der Unterhaltspflichtige es in einer solchen Konstellation zu jeder Zeit in der Hand, durch Stellung eines eigenen Verfahrenskostenhilfeantrags zur Sachaufklärung beizutragen und eigener unterhaltsrechtlicher Inanspruchnahme entgegenzuwirken.
Mithin hat die Antragstellerin mit den Raten auf ihren Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss Vermögen im Sinne von § 115 ZPO, das sie für die Verfahrenskosten einsetzen muss. Im Umfang der Raten auf den geschuldeten Verfahrenskostenvorschuss sind der Antragstellerin deswegen auch für das Verfahren der Rechtsbeschwerde Ratenzahlungen aufzuerlegen (BGH, aaO., Tz. 21). Das Amtsgericht durfte nach alledem der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe nicht versagen, sondern hatte ihr solche unter Anordnung einer Ratenzahlung von monatlich 48 € ab einem näher zu konkretisierenden, der Realisierbarkeit des Anspruchs Rechnung tragendem Zeitpunkt zu bewilligen (vgl. dazu auch Büte FuR 2006, 9). Bei künftigen tatsächlichen Änderungen, insbesondere einem länger andauernden Vorschussverfahren als angenommen, mag die Stundung auf Abänderungsantrag nach § 120 Abs. 4 ZPO ggf. verlängert werden.
Da dem Senat die Sache nur hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe angefallen ist, kann er in der Sache nicht abschließend selbst entscheiden. Vielmehr ist die Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Für die Zukunft wird zu beachten sein, dass ein eventuell überschießender Erlös aus der Verwertung des im gemeinsamen Eigentum der Beteiligten stehenden Hauses -soweit er den Schonbetrag übersteigt- ebenfalls für die Kosten der Verfahrensführung einzusetzen ist. Der Verkauf eines Hauses, der infolge der Scheidung notwendig wird, hebt etwaigen Bestandsschutz auf. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass sich Grundstücke in der Regel nicht unverzüglich verkaufen lassen. Dem ist regelmäßig dadurch zu begegnen, dass Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist, allerdings unter einer gleichzeitigen Anordnung der Stundung bis zu demjenigen Zeitpunkt, zu welchem in der Zukunft Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten sind (Senatsbeschluss vom 7. Mai 2012, 17 WF 25/12, OLG Hamm, Beschluss vom 03. März 2011 - II-8 WF 53/11, 8 WF 53/11 -, NJW-RR 2011, 1631, OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 1340).